Beiträge von R(h)einwein

    Die Befürchtung, die Verwendung des Begriffs "Beschneidung" könnte als Verharmlosung in der Debatte und als Disqualifizierung derer verstanden, die in der Tat verstümmelt wurden, ist ohne Zweifel berechtigt. Man sollte sich aber der genannten Gefahren bei einer "flächendeckenden" Verwendung des Begriffs "Verstümmelung" zumindest bewusst sein und ihn immer in einen klärenden Zusammenhang stellen.

    Sicher eine sehr fein ziselierte Argumentation, der ich auch nicht widersprechen kann und will. Aber auch bei der Debatte über die FGM wurden diese Argumente ausgetauscht. Und trotzdem haben sich die Frauen und inzwischen alle zivilisierten Staaten dem Begriff der weiblichen Genitalverstümmelung angeschlossen. Obwohl es auch bei Frauen freiwillige Body-Modifikationen im Genitalbereich gibt. FGM wurde eben wirksam als politischer Kampfbegriff verwendet - und mit Erfolg. Das könnte ein Grund sein, dass auch die Männer nicht bei der Anwendung des Begriffes zu überempfindlich sein sollten.

    "In manchen Fragen wird kein Kompromiss alle Beteiligten zufriedenstellen und allen Bedenken Rechnung tragen."

    Das ist so ein bundespräsidialer Satz, der in seiner schlichten Allgemeinheit genau so richtig ist, wie er nichts zur Lösung von Konflikten beiträgt. Gefragt ist hier doch, ob Beschneidung Grund- und Menschenrechte verletzt. Wer dies bejaht, will doch nicht gleich pauschal die kulturellen Werte und Traditionen anderer in Frage stellen. Schön um eine klare Stellungnahme herum gekommen. Ist es für ein Staatsoberhaupt wohl leichter, im Ausland (mit Recht) undemokratische Praktiken zu kritisieren, als im eigenen Land?

    Diese Drohkulisse hat sich bis in die politische Debatte hinein fortgesetzt

    Seit Anfang der öffentlichen Diskussion um kindliche Beschneidung frage ich mich, ob und wie sich ein solches Ritual, soweit es massenhaft praktiziert wird, mit allen seinen psychologischen und kulturellen Implikationen und Konsequenzen zugleich in einem öffentlichen Unterbewusstsein - wenn es denn so etwas gibt - niederschlägt.

    Wenn du mal Sätze siehst wie: "Männer sollten alle beschnitten werden, dann können sie mit dem Schniepel keinen Unfug mehr machen" - dann guck mal nach, ob du Details zur Lebensgeschichte findest. Die sind erschreckend.

    Liebe Tante Jay. Beweggründe für die britischen Suffragetten und alle Leidensgenossinnen einschl. Alice Schwarzer, sich gegen Gewalt von Männern und vor Geschlechterdiskriminierung zur Wehr zu setzen, gab es wahrhaftig im Überfluss. Leider kenne ich das von Dir erwähnte Zitat von - vereinzelten - Frauen aus einer früheren Phase der feministischen Bewegung ein - entscheidendes - bisschen anders: "Männer sollten am besten kastriert werden, dann können sie ...." Das macht - wenn auch zutiefst inhuman - biologisch Sinn. Beschneidung von Männern verhindert keine Vergewaltigung. Und manchmal frage ich mich, ob feministischen Befürworterinnen einer Jungensbeschneidung ihre verborgenen Kastrationsphantasien leben.
    Wenngleich die (sexuelle) Gewalt von Männern gegenüber Frauen statistisch signifikant höher auftritt, gibt es auch sexuelle Gewalt von Frauen gegenüber dem männlichen Geschlecht. Ich habe vor Jahrzehnten jemanden kennen gelernt, der von seiner Mutter missbraucht wurde. Glaube mir, der war genau so kaputt, wie eine vergewaltigte Frau. Aber damit kann man doch nicht Verstümmelungswünsche dem jeweils anderen Geschlecht gegenüber verständlich machen wollen oder gar entschuldigen.

    Männliche Genitalverstümmelung ist gut, weil sie (nach Schwarzer) Frauen vor HPV, Zervixkarzinom usw. schützt.

    Ich nehme die Gelegenheit wahr, an dieser Stelle erneut meinen Ideologieverdacht diesem Argument gegenüber zu unterstreichen: HPV-Infektionen sind eine Folge serieller Sexualkontakte. Schließlich kommt kein Knabe mit HP-Viren unter der Vorhaut auf die Welt, die er später gleich beim ersten Geschlechtsverkehr einer urgesunden Frau überträgt. Diese Infektionen werden im Ping-Pong-Weg zwischen den Geschlechtern weiter verbreitet und am Leben gehalten. D.h. eine Mann hat die sich auch irgendwo eingefangen, wenn er sie weitergibt. Daraus kann man doch keine Verstümmelungsargumente gegenüber Frauen herleiten. Umgekehrt genauso wenig gegen Männer. Die medizinische Lösung muss anders laufen. Und wenn nötig mit Hilfe von Präservativen.

    Wir brauchen diesen Gießkannenfeminismus nicht mehr, der einseitig nur auf ein Geschlecht ausgerichtet ist. Wir müssen bei bestimmten Situation hingucken, die analysieren und gegensteuern, wenn notwendig.

    Und *threadbiegezange ansetz* genau darum MUSS die MGM ein Anliegen der Feministinnen sein. Weil sie eben eine Ungleichberechtigung ist.

    @ Tante Jay

    Danke für diesen Beitrag. Du schreibst mir aus der Seele. :rolleyes:

    Das würde ich sogar direkt bestätigen. Man muss sich natürlich auch immer fragen, wieviel Zynismus das Argument mit sich bringt, man betreibe hier lediglich "Realpolitik", Menschenrechtsfundamentalismus sei keine Lösung und man komme nur über Teilziele zum Gesamtergebnis. Denn solche Argumente tauchen bei diesen Fragen mit Sicherheit auf.

    Da kann ich keineTeilziele hin zu einer gleichberechtigten Welt erkennen. Das würde nachvollziehbare Einzelschritte bis zu einem definierten nichtdiskriminierenden Endziel erfordern. "Realpolitik" ist hier wohl eher die euphemistische und verschleiernde Umschreibung einer am Feindbild Mann ausgerichteten Kampfrhetorik. Aus dieser könnte man gelegentlich viel mehr den Eindruck gewinnen, es gehe um die Umkehrung der Verhältnisse. Die Kommunisten wollten seinerzeit dem Paradies auf Erden die Diktatur des Proletariats vorschalten. Diktiert hat nicht das Proletariat, sondern einige Berufsrevolutionäre mit verheerenden Folgen. Sollen wir jetzt erst einmal - wenn schon keine Diktatur so doch - eine feministische Dominanz über uns ergehen lassen. Die Menschenrechte verlangen das Gegenteil: Gleichheit für alle - ohne Übergangs- und Wartefristen!! MGM und FGM sind gleichermaßen und gleichzeitig abzuschaffen!

    Das schien mir eher eine Reaktion auf die Rechtfertigung der MGM zu sein. So herum ist das auch plausibler: Eine Verteidigung der MGM birgt das Risiko, das FGM-Verbot aufzuweichen.

    Ich vermute eher, daß einige Feministinnen das Monopol von Frauen auf die Opferrolle in Gefahr sehen (auch beim Thema häusliche Gewalt immer wieder zu sehen) und deshalb MGM verharmlosen. Männer als Opfer? Nein, das darf auf gar keinen Fall sein!

    Ich behaupte nach wir vor, dass es ein wesentlicher Beitrag zur Abschaffung der FGM wäre, wenn auch die Beschneidung von Jungen aus den Köpfen deren Befürworter als MGM verbannt würde. Denn beide Erscheinungsformen werden in vielen Ländern gleichzeitig praktiziert. Dann hätte auch jener ägyptische Arzt keinen Vorwand mehr, die "Segnungen" (leichter Formen) der weiblichen Beschneidung zu empfehlen. Die (gleichzeitige) Abschaffung der Jungenbeschneidung wäre also ein Beitrag dazu, die FGM schneller aus der Welt zu schaffen und könnte so zusätzlich helfen, vielen Mädchen und Frauen das Beschneidungsschicksal zu ersparen. Nicht der Versuch, die MGM zu verbannen, würde die Mädchen wieder in den Regen stellen - das Gegenteil wäre der Fall. Die Vermutung, dass Männer das Opferrollenmonopol von Frauen durch die Bannung der MGM gefährden würden - was nicht sein darf - scheint mir sehr nahe liegend zu sein.


    Ich ebenfalls nicht. Wieso überschreitet der Staat seine Bildungskompetenz, wenn er den Schülern Toleranz gegenüber sexuellen Variationen beibringt?

    Ich habe die Kritik von Frau Röhl auch ein Stück gewollt empfunden und ehrlich gesagt auch nicht in allen Punkten verstanden. Vielleicht, weil diese Punkte auch nicht nachvollziehbar sind? Interessant war der Link zu einem Transgender, der sich nicht von Feministinnen und der BaWü Landesregierung in eine Kategorie mit Schwulen, Lesben, Transsexuellen usw. stecken lassen wollte - ich denke mit guten Argumenten.
    Toleranz jedoch für sexuelle Ausprägungen - so weit sie nicht anderen Menschen zum Nachteil gereichen - zu wecken, scheint auch mir ein wichtiges Bildungsanliegen.

    Nichts gegen Frau Röhl persönlich, aber hat ihr Artikel etwas direkt mit dem Thema der Beschneidung zu tun?

    Vielleicht nicht direkt. Aber einen feministisch-gender-ideologisch geprägten mentalen Hintergrund bei bestimmten Abgeordneten, die im Dez. 2012 die Beschneidung von Jungen legalisiert und später die FGM unter verschärfte Strafandrohungen gestellt haben, halte ich für wahrscheinlich. Anders als mit einer ideologische Brille, wenn nicht sogar Blindheit kann ich es mir nicht erklären, wenn die Beschneidung bei kleinen Jungs nicht als Körperverletzung und Verletzung der Menschenwürde betrachtet wird, die Beschneidung von Mädchen jedoch als Schwerkriminalität. Nüchterne, realitätsbezogene Betrachtung und ein intakte Emotionalität müsste doch jedem sagen, dass man hier keinen Unterschied machen darf: niemand hat das Recht am Körper eines anderen ohne dessen Einwilligung herum zu schnippeln, nicht einwilligungsfähige Kinder sind davor zu schützen.

    Ob der körperliche Zugriff entwürdigend ist oder so empfunden wird, ist unerheblich;

    Bezieht sich das auf die Jungenbeschneidung? Das kann ich kaum fassen. So einfach wird die Frage der Menschenwürde vom Tisch gefegt? Aus welchem vergangenen Zeitalter stammt denn der Urheber dieses Kommentars?

    Die Befürchtung ist, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren fällt. Dann muss der Antrag nur von einer Person eingebracht werden und wenn keiner "nein" sagt, geht das durch.

    Frau Dr. Pabst hat ja eine sehr klare und ausführliche schriftliche Begründung für die Beibehaltung der Dokumentationspflicht abgegeben. Über diese kann der Bewertungsausschuss hoffentlich nicht so einfach hinweg gehen.