Israel: Kein Beschneidungszwang

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    • Israel: Kein Beschneidungszwang

      "Freedom of choice in marriage will make the State of Israel a more Jewish place. Circumcision is undeniable proof of this: Over 95% of Jews in Israel circumcise their sons. Why? Because no one forces them to do it."

      Ynetnews
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Was soll uns das sagen? Weil niemand sie per Gesetz dazu zwingt sind NUR 95% beschnitten? Welch erschreckend niedrige Zahl... :wacko:
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Es will uns sagen, dass eine Menge Geschichten kursieren, über die Beschneidungszahlen im Judentum, insbesondere die in Deutschland.
      Angeblich wäre jüdisches Leben in D ohne Beschneidung nicht möglich, während es für ca. 80% der unbeschnittenen jüdischen Deutschen kein Thema ist. Sie sind unbeschnitten und sie leben hier. Die Beschneidungsquote soll in D. ca. bei 20% liegen und ist auch nur dramatisch dorthin angestiegen, durch den Zuzug von jüdischen Mitbürgern aus den GUS.
      Selbst in Israel hieß es, dass unter 1% der Säuglinge nicht beschnitten würden. Und jetzt sind es 5%. Merkwürdig.
      Unverzichtbar ist die Beschneidung nur für den, der das so sehen will oder muss.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Ein gesetzlicher Beschneidungszwang besteht zwar in Israel nicht, aber ein religiöser ("Ein Geschenk, das man nicht ablehnen kann"), und dass religiöse Zwänge erheblich stärker wirken können als gesetzliche, wissen wir ("Ich beschneide weiter, egal, was das Gesetz sagt" - Rabbi Goldberg).

      Ganz besonders freiwillig ist die Beschneidung übrigens für die Säuglinge. :cursing:
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Weguer schrieb:

      Was soll uns das sagen? Weil niemand sie per Gesetz dazu zwingt sind NUR 95% beschnitten? Welch erschreckend niedrige Zahl... :wacko:

      Die SED hatte früher aber oft ähnliche Zustimmung bekommen und dort wurde ja auch keiner dazu gezwungen ;)
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • werner schrieb:

      Ein gesetzlicher Beschneidungszwang besteht zwar in Israel nicht, aber ein religiöser ("Ein Geschenk, das man nicht ablehnen kann"), und dass religiöse Zwänge erheblich stärker wirken können als gesetzliche, wissen wir


      Es ist meinen bisherigen Informationen zufolge eher ein Zwang, der auf gesellschaftlichem Druck und auf jüdischem Identitätsgefühl beruht, seltener auf echter religiöser Überzeugung. Fanatische Rabbis aus dem Fernsehen sind m.E. nicht so wahnsinnig repräsentativ. Das erklärt, warum fast alle Juden diesem Brauch folgen, und zwar auch diejenigen, die entweder gar nicht religiös sind oder ihre Religion in allen Dingen recht locker nehmen außer bei der Frage der Beschneidung und vielleicht noch der Tradition, ein Röhrchen mit heiligen Texten an der Tür anzubringen. Man erzählt sich gegenseitig, die kritische Haltung der Beschneidung gegenüber sei immer ein Steckenpferd der Antisemiten gewesen (historische Texte, etwa aus der Zeit der Aufklärung, beweisen ja das Gegenteil) und die "Freiheit", die Beschneidung an den Babys durchführen zu können, wird seit dem Holocaust wohl stark mit dem Gefühl "hurra, wir leben noch" - "uns gibt es noch" - "das Judentum gibt es noch" in Verbindung gebracht.

      Der Artikel spielt nach meiner Lesart auch gerade darauf an: weil Beschneidung das wichtigste Merkmal des Judentums sei - und damit ist keineswegs nur eine religiöse Gemeinschaft gemeint - mache ihre weite Verbreitung den Staat Israel "noch jüdischer". Hier wird ganz klar die Konnexität von Beschneidung und Identität deutlich.

      Ich möchte die religiöse Bedeutung der Brit Mila nicht kleinreden, doch wird sie als Faktor in der heutigen Zeit nach meinem Dafürhalten deutlich überschätzt.
    • Maria Werner schrieb:

      Es ist meinen bisherigen Informationen zufolge eher ein Zwang, der auf gesellschaftlichem Druck und auf jüdischem Identitätsgefühl beruht, seltener auf echter religiöser Überzeugung.
      Ich stimme Dir in diesem und Deinen folgenden Sätzen absolut zu, halte die Übergänge zwischen beidem aber für sehr fliessend. Auch bei uns berufen sich im Streitfall Leute auf die christlich-abendländische Identität, die sonst mit Religion nichts am Hut haben.

      Ich habe den religiösen Zwang hervorgehoben, weil er dort am deutlichsten als Zwang formuliert wird, und die Betonung der "freien Entscheidung" zum Beschneiden konterkariert. Welche Rolle in Israel das Judentum als "Staatsreligion" und damit das Rabbinat als "Legislative" funktioniert, wage ich von Aussen nicht zu beurteilen.

      Anders hätte ich auch formulieren können, dass manchmal gesellschaftliche Zwänge stärker sein können als religiöse, gerade in Gesellschaften, die sich in Richtung Säkularität bewegen.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Mir geht es nicht so sehr um die Formulierung. ;) Sondern ich frage mich, was denn die Ursachen wirklich sind, welche Rolle welcher Faktor einnimmt. Denn sonst kämpfen wir irgendwie auch ein wenig gegen Windmühlen, nicht wahr?

      Es wäre natürlich völlig verkehrt, die religiöse Motivation wegzulassen. Natürlich spielt sie eine Rolle, alles andere wäre gelogen. Doch sie ist lange nicht alles, schon gar nicht in einer stark säkular und oftmals nicht-religiös orientierten Gruppierung wie etwa den amerikanischen oder europäischen Juden. Israel als Staat ist ebenfalls säkulär, Beschneidung ist gerade KEIN normiertes Gebot. Nach meinem Dafürhalten haben wir es mit einer wesentlich komplexeren Situation zu tun als nur mit der Frage: religiöses Gebot ja oder nein.

      Interessant finde ich z.B. die "Vergleichsgruppe" in den USA. Hier werden ganz ohne religiöse Motivation routinemäßig männliche Genitalien verstümmelt, wobei man medizinische Fabeln als Begründung aufführt. Angesprochen auf die Tatsache, dass hier etwas Unrechtes geschehen ist, reagieren viele beschnittene Männer ebenso aggressiv und abwehrend wie diejenigen, die als Angehörige bestimmter Religionsgruppen beschnitten wurden. Man redet sich die Sache schön, sie sei vorteilhaft, hygienisch, die Frauen würden drauf stehen.

      Wer aus dem türkischen Kulturkreis kommt, argumentiert oftmals, die Beschneidung mache den Jungen "zum Mann". Hier steht offensichtlich ein Männlichkeitskult im Vordergrund, der auch religiös begründet wird, letzteres erscheint mir aber, ohne dass ich Expertin wäre, eher zweitrangig.

      Alle Gruppierungen nebeneinanderhaltend, fällt mir eine bestimmte Reaktion beschnittener Männer dem Thema gegenüber auf, die sich gleicht. Jede Begründung, die die Beschneidung und das Beschnittensein zu etwas Besonderem macht und den Mann positiv von Nichtbeschnittenen abhebt, scheint willkommen.

      Ich mag mich irren mit meinen Analysen, da ich weder Psychologin bin noch über verwertbare statistische Daten verfüge. Ich merke das alles nur an, weil es mir auffällt.
    • Am Ende gehts überall eher um tradierte Gewohnheiten.
      Es fühlt sich für die meisten Menschen einfach gut und richtig an, das zu tun, was alle um einen herum machen und am besten noch seit Jahrhunderten oder -tausenden getan haben.
      Die neue Gesetzeslage sichert eben nicht die Religionsfreiheit, sondern füttert eher das Gewohnheitstier einer Minderheit.
    • Kein Beschneidungszwang, sondern ideologisch begründete Zwangsbeschneidungen

      Maria Werner schrieb:

      Interessant finde ich z.B. die "Vergleichsgruppe" in den USA. Hier werden ganz ohne religiöse Motivation routinemäßig männliche Genitalien verstümmelt, wobei man medizinische Fabeln als Begründung aufführt.

      Maria Werner schrieb:

      Wer aus dem türkischen Kulturkreis kommt, argumentiert oftmals, die Beschneidung mache den Jungen "zum Mann". Hier steht offensichtlich ein Männlichkeitskult im Vordergrund, der auch religiös begründet wird, letzteres erscheint mir aber, ohne dass ich Expertin wäre, eher zweitrangig.
      In den USA scheinen die Beschneidungen wohl noch immer den Zweck zu haben, Masturbation zu erschweren oder den Sexualtrieb generell zu dämpfen. In religiös geprägten Umfeld kann man nur erahnen, dass der Grund wohl der selbe ist. Zwangsbeschneidungen haben somit nach meiner Einschätzung immer gemeinsam, dass sie ideologisch bedingt sind. Ginge es nicht darum Machtverhältnisse zu manifestieren, könnte man es den Betroffenen selbst überlassen, ob sie in diesem Eingriff im Erwachsenenalter einwilligen oder nicht.

      Man sollte auch mal darüber nachdenken was für eine Macht eine Religion innehat, die Eltern dazu bringt absolut wehrlosen Säuglingen oder vor Schmerzen schreienden Kindern die Vorhäute amputieren zu lassen. Die Aussage, dass diese Zwangsbeschneidungen freiwillig geschehen empfinde ich als widerwärtigen Hohn gegenüber den Kinder, welche sich eben nicht freiwillig dafür entscheiden durften, sondern von den Eltern an den Mohel ausgeliefert wurden.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • NoCut schrieb:

      Die Aussage, dass diese Zwangsbeschneidungen freiwillig geschehen empfinde ich als widerwärtigen Hohn gegenüber den Kinder, welche sich eben nicht freiwillig dafür entscheiden durften, sondern von den Eltern an den Mohel ausgeliefert wurden.


      Das sehe ich ganz genauso. Ich frage mich nur, warum Eltern ihre Kinder beschneiden lassen. Da kommt ja niemand von der Inquisition und zwingt sie dazu. Sondern der beschnittene Papa möchte seinen Sohn beglücken, weil er sein Beschnittensein auch als etwas Gutes empfindet, und die Mama findet es auch ganz toll. Und zwar auch dann, wenn beide Atheisten sind.
    • Ich denke, es passiert zweierlei: auf der einen Seite erweitert/stärkt es mein Ich-Gefühl, wenn ich Mitglied einer Gruppe bin, auf der anderen Seite schränkt mich die Mitgliedschaft aber auch ein. Zu letzterem ein hübsches Zitat aus Wikipedia.

      "Im Oktober 2011 veröffentlichten Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen eine Studie, die sie an 96 Vierjährigen gemacht hatten. Ergebnis: diese Kinder unterstützen mitunter öffentlich selbst dann eine Mehrheitsmeinung, wenn sie sie eigentlich für falsch halten. Die Forscher vermuten grundlegende soziale Erwägungen, etwa den Wunsch, von der Gruppe akzeptiert zu werden.

      Gruppenzwang – Wikipedia
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Ich denke, es passiert zweierlei: auf der einen Seite erweitert/stärkt es mein Ich-Gefühl, wenn ich Mitglied einer Gruppe bin, auf der anderen Seite schränkt mich die Mitgliedschaft aber auch ein. Zu letzterem ein hübsches Zitat aus Wikipedia.
      Wenn man jetzt böse wäre, könnte man diese "Mitgliedschaft" mit einer Selbsthilfegruppe vergleichen, nur mit dem Unterschied, dass hier ein Defizit erst vorsätzlich zwanghaft geschaffen wird, dass einen dann hinterher zusammenschweißt.

      Würden keine Zwangsbeschneidungen stattfinden, wäre die Beschneidung mit schlagenden Studentenverbindungen vergleichbar, weil auch diese einen Bund und somit eine feste Gemeinschaft eingehen. Da aber die Wahlfreiheit für die Betroffenen fehlt, ist Zwang der Begriff, welcher die Situation auf vielfältige Art dominiert.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • werner schrieb:

      etwa den Wunsch, von der Gruppe akzeptiert zu werden.
      Naja, man braucht sich auf einer Schule nur die Kleiderordnung ansehen, alleine schon die Turnschuhe, die für alles andere als zum turnen Verwendung finden... Da erkennt man diesen Mechanismus bereits. Und er ist unerbittlich.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Es gibt aber natürlich auch Gruppen, denen man freiwillig und gern beitritt, und deren Mitgliedschaft man durchaus als Bereicherung empfindet, wie z.B. dieses Beschneidungsforum. :D

      Auf der anderen Seite ist man hier durch das Fairnessgebot der Charta zuweilen arg eingeschränkt, wenn es um den Umgang mit manchen Beschneidungsbefürwortern geht. ;)
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Es gibt aber natürlich auch Gruppen, denen man freiwillig und gern beitritt.... wie z.B. dieses Beschneidungsforum
      Ich lass mir noch eine geeignete körperliche Markierung einfallen, zur Wiedererkennung.... 8o
      Aber eine, die keines der Geschlechter diskriminiert.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Natürlich beschneiden Eltern ihre Kinder in der Regel nicht zur Manifestierung von Machtverhältnissen.
      Dennoch ist Macht der alles entscheidende Faktor.
      Denn immer wieder begründen Religionsvertreter die Jungenbeschneidung damit, dass sich Jugendliche in freier Selbstbestimmung für ein Leben mit Vorhaut entscheiden könnten.
      Sehr berechtigterweise, denn kaum ein junger Mann kommt auf die Idee, sich einer VA unterziehen zu lassen.
      Das beweist:
      Ohne Zwang gäbe es gar kein Massenphänomen "Beschneidung"!
      Das muss meiner Meinung nach immer offensiv argumentiert werden.
      Deshalb wird freie Selbstbestimmung auch so entschieden bekämpft.
      Was Erwachsene an sich in der Regel entschieden ablehnen, darf wehrlosen Kindern nicht angetan werden.
    • Pizarro73 schrieb:

      Natürlich beschneiden Eltern ihre Kinder in der Regel nicht zur Manifestierung von Machtverhältnissen.
      Das sehe ich anders. Wenn es eine Religion erst mal geschafft hat, dass Eltern ihr niedliches Baby oder ihren weinenden Sohn zwangsbeschneiden lassen, dann tritt man doch auch nicht so schnell wieder aus dieser Glaubensgemeinschaft aus. Mit dem Austritt würde man ja gleichzeitig zugeben, dass man seinem Kind große Schmerzen und Leid zugefügt hat, das man danach noch nicht mal mehr mit der Religion rechtfertigen könnte.

      Ähnlich sieht es beim Nachwuchs aus. Wenn dieser austritt, muss er sich der Frage stellen, ob ihm seine Eltern grundlos Schmerzen und Leid zugefügt haben, die nicht entschuldbar sind. Entweder bekommt das Verhältnis zu den Eltern dann nur einen Knacks oder der erwachsene Sohn verstößt seine Eltern für immer aufgrund dessen, was sie ihm als Kind angetan haben.

      Die Beschneidung ist wohl schon ein Bund, der seine Macht weniger im Spirituellen als im Psychologischen begründet.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Ich gebe Dir völlig Recht und sehe keinerlei Widerspruch zu meinen Aussagen.
      Du sprichst von dem Interesse der Religion an Manifestierung von Machtverhältnissen, ich schrieb von den Eltern, die meiner Einschätzung nach nicht ihren Sohn auf den Tisch legen, um sich ihm gegenüber überlegen und machtausübend zu fühlen.
      Das tun sie im besten Falle, weil sie wirklich daran glauben, dass damit ein Bund geschlossen, eine Zughörigkeit im positiven Sinne geschaffen wird. Im schlechteren Fall, um ihrem eigenen Trauma aus dem Weg zu gehen, es nicht hinterfragen zu müssen, um ihre drängenden Eltern und ihr Umfeld zufrieden zu stellen.
    • Pizarro73 schrieb:

      ... ich schrieb von den Eltern, die meiner Einschätzung nach nicht ihren Sohn auf den Tisch legen, um sich ihm gegenüber überlegen und machtausübend zu fühlen.
      Das tun sie im besten Falle, weil sie wirklich daran glauben, dass damit ein Bund geschlossen, eine Zughörigkeit im positiven Sinne geschaffen wird. ...
      Ich selbst bin in einem "christlichen Elternhaus" aufgewachsen und der Glaube hatte dort auch die Funktion die Machtverhältnisse, wenn man so will bzw. den Familienverband zu manifestieren. Die Worte "Du sollst Vater und Mutter ehren" wurden mir sogar noch als erwachsener Mann um die Ohren gehauen mit der Absicht, dass ich mich gefälligst unterzuordnen hätte.

      Die Religionen üben oft Macht gegenüber ihren Anhänger aus, aber sie geben ihnen je nach Ausgestaltung auch wieder Macht gegenüber ihren Familienmitgliedern. Meist sind Religionen so strukturiert, dass der Religionsstifter ein Mann war und deshalb fühlen sich oft die Ehemänner bzw. Väter als Familienoberhaupt der Sippe. Das Recht zu haben, den Sohn zwangsbeschneiden zu lassen, ist daher auch ein Stück Macht über den eigenen Sohn, der die Hierarchie innerhalb der Sippe festlegt. Es heißt ja übrigens auch, dass die Väter ihre Söhne beschneiden lassen sollen, also nicht die Mütter.

      In diesem Thread geht es nun um den Staat Israel. Viele sehen in Israel intuitiv einen westlich geprägten Staat und vergessen dabei, dass Israel ein Teil der arabischen Welt ist. Somit ist es kein Wunder, dass hier das Patriarchat noch wesentlich stärker dominiert als in Europa. Der Widerstand Israels gegen die Zwangsbeschneidungen vorzugehen und den Weg für eine aufgeklärte und humanistische Gesellschaft zu ermöglichen, ist daher noch mehr versperrt als in Deutschland. Auch sind die Machtverhältnisse dort noch so "intakt", dass es keiner Beschneidungspflicht bedarf, damit dennoch fast alle ihre Söhne aus vorauseilendem Gehorsam für immer verstümmeln lassen.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • @ Nocut: es tut mir leid, dass Deine Eltern Religion als Machtinstrument missbraucht haben; ich habe Religiosität immer komplett anders erlebt.

      Mir geht es letztlich um eine offene Frage bezüglich der Faktoren, die für Beschneidungen von Kindern maßgeblich sind.

      Das schließt z.B. den Täter-Opfer-Kreislauf mit ein, den ich für sehr maßgeblich halte; ich habe das vorher schon angedeutet. Wenn in einer Diskussion Erklärungen ausschließlich in religiösen Aspekten gesucht werden und man dort allzu schnell damit bei der Hand ist, Schuldfragen zu klären, mag sich das möglicherweise so anhören, als wolle ich diese ganz ausblenden. Dem ist nicht so.

      Meinen bisherigen Eindrücken zufolge halte ich jedoch den Täter-Opfer-Kreislauf für den dominantesten Faktor. Im Falle der jüdischen Gemeinschaft sticht zudem meinen Eindrücken zufolge der Faktor des Identitätsgefühls deutlich heraus.
    • Maria Werner schrieb:

      Meinen bisherigen Eindrücken zufolge halte ich jedoch den Täter-Opfer-Kreislauf für den dominantesten Faktor. Im Falle der jüdischen Gemeinschaft sticht zudem meinen Eindrücken zufolge der Faktor des Identitätsgefühls deutlich heraus.
      Möglicherweise hängt beides zusammen. Der Täter-Opfer-Kreislauf ist zwar sehr häufig, aber normalerweise nicht derart "flächendeckend" wie der Beschneidungsritus. Es gibt ja auch sehr viele Opfer, die nicht wieder zu Tätern werden. Der Grund dafür, dass der Ausstieg aus dem Beschneidungskreislauf so schwierig bzw. nahezu unmöglich ist, könnte genau darin liegen, dass er gleichzeitig den Ausstieg aus der Gruppe bedeuten würde.
      Beim Täter-Opfer-Kreislauf geht es ja vor allem darum, den als Opfer erlebten Schmerz nicht fühlen zu müssen. Deshalb beisst man denn auch auf Granit, wenn man zu einem Beschnittenen sagt, er wäre amputiert.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • @ werner: klingt schlüssig. Schauen wir uns mal die Quellenlage an. Da wären z.B. der Film von Ari Libster und die Erläuterungen dieses Urenkels von Rabbi Abraham Geiger. Und noch ein paar andere Sachen. Jetzt weiß ich nicht, ob ich gut verlinken kann... ich versuch's mal...

      beschneidungsforum.de/index.php?page=Thread&threadID=329

      Das ist das Thema mit dem Video, wenn's funktioniert. ;)

      Und hier der Artikel, der den Identifikationsfaktor so gut beschreibt:
      fr-online.de/kultur/beschneidu…ert,1472786,16945268.html
    • Maria Werner schrieb:

      Und hier der Artikel, der den Identifikationsfaktor so gut beschreibt:
      Beschneidung: Beschnitten und traumatisiert | Kultur - Frankfurter Rundschau
      "Juden misshandeln ihre Kinder,“ heißt ihre Sorge. Mich fröstelt."

      Wenn Juden zu Juden sagen: "Wir misshandeln unsere Kinder - lasst es uns abschaffen, ist es Liberalismus. Wenn es Gojim zu Juden sagen, ist es Antisemitismus.

      Das ist ein allgemein menschliches Verhalten: es ist etwas ganz anderes, wenn ich sage, ich sei ein Holzkopf, als wenn ein anderer sagt, ich sei ein Holzkopf. :cursing: ;)
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.