Wie soll es weitergehen?

    • Wie soll es weitergehen?

      Vorab möchte ich mich für die herzlichen Begrüßungen in den verschiedenen Threads bedanken. Da Internetforen bei mir leider ein Suchtpotential darstellen, will ich hier den Grund meiner Anmeldung aufzeigen und mich möglichst kurz fassen.

      Im Internet gibt es viele aktive Beschneidungsgegner, die alle für sich gegen die Beschneidungsbefürworter antreten. Nachdem aber am 12.12.12 im Bundestag 434 Abgeordnete den § 1631d BGB verabschiedet haben, stellt sich die Frage, warum diese Aktionen nicht zum Erfolg geführt haben.

      Ich habe mich daher in der Hoffnung hier angemeldet, dass es vielleicht Möglichkeiten gibt, wie die vorhanden Ressourcen besser genutzt werden können. Im Sommer waren noch etwas mehr als 50% der Bürger gegen Beschneidungen und laut einer aktuellen Umfrage sind es bereits 70% geworden. Herr Gauck hat uns in seiner Weihnachtsansprache ermutigt Zivilcourage zu zeigen. Diesem Beispiel folgend sollten wir daher im Einklang mit unserem Gewissen gegen Zwangsbeschneidungen aktiv werden.

      Die Hauptfrage ist aber, wie man das ganze besser koordiniert bekommt bzw. die Kräfte besser bündelt.

      Eine weitere Frage ist, ob man nun abwarten muss, bis wieder ein Kind um sein Leben kämpfen muss, bevor man hier ausreichend öffentliches Interesse erzielen kann oder ob vielleicht auch Aufklärungskampagnen Erfolg bringen würden, um hier innerhalb der Gesellschaft eine klarere Wahrnehmung zu diesem Thema zu erreichen.

      Juristisch gesehen gehe ich als Laie davon aus, dass die Gerichte wohl die Einwilligung der Eltern für einen Verfassungsbruch nicht als ausreichend anerkennen werden. Diese Vermutung resultiert auch daraus, dass die Beschneidungsbefürworter nach dem 07.05.2012 den Weg über die Gerichte sehr auffällig gescheut haben. Ich vermute, dass hier die Erfolgsaussichten bereits im Vorfeld hinreichend durch die jeweiligen Zentralräte geprüft wurden ;)

      Jetzt begebe ich mich wieder etwas mehr in den Hintergrund und freue mich schon auf Eure Vorschläge.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Vielen Dank, NoCut, für Deine konstruktive Anregung!
      Exakt dieser Grund hat auch mich bewegt, mich gerade eben hier anzumelden.
      Ich kann kaum in Worte fassen, wie sehr mich der Verrat einer großen Mehrheit der Bundestagsabgeordneten am elementarsten Grundrecht schutzloser Kinder schockiert!
      Nach meinem Rechtsverständnis ist das ein Verfassungsbruch durch einen Großteil des Parlaments, der laut Grundgesetz Widerstand mit allen Mitteln legitimiert.
      Ich kann mir dieses Verhalten nur so erklären, daß ein Großteil der Abgeordneten in der Kindheit und zum Teil bis heute einer religiösen Gehirnwäsche ausgesetzt sind, die es ihnen unmöglich macht, kollidierende Grundrechte rational abzuwägen.
      Die Antisemitismus-Allzweck-Keule kommt dann noch obendrauf. Wären nur Muslime betroffen, hätte nach deren Religionsfreiheit kein Hahn gekräht.
      Dies bestärkt mich in meinem Bestreben, den Einfluß der Religionen besonders im Bildungs- und Gesundheitswesen möglichst zurückzudrängen (u.a. durch meine Mitgliedschaft in der Giordano-Bruno-Stiftung). Leider ist dieses eine langwierige Entwicklung.
      Konkrete Schritte auf rechtlicher Ebene:
      Verfassungsklagen unterstützen duch Öffentlichkeitsarbeit und finanzielle Beiträge.
      Auf Länderebene auf möglichst strenge Umsetzung des Verstümmlungsgesetzes dringen, z.B. das Gesundheitsministerium auffordern, die fachlichen Qualifikationen der Beschneider besonders streng zu prüfen und so hohe sterile Anforderungen an Beschneidungsräume zu stellen, daß diese nicht mehr in Privathäusern, Moscheen und Synagogen, sondern nur noch in Kliniken erfüllt werden können.
      Auf politischer Ebene:
      Druck auf alle Parteien ausüben, indem man ihnen mitteilt, daß Verstümmlungsbefürworter keine wählbaren Kandidaten sind.
      Zu Beginn des Bundestagswahlkampfs 2013 die Büger informieren, wie die zur Wahl stehenden Kandidaten zum Verstümmlungsgesetz abgestimmt haben.
      In öffentlichen Wahldebatten Verstümmlungsbefürworter zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung befragen.
      Verstümmlungsgegner unterstützen.
      Auf zivilgesellschaftlicher Ebene:
      Mitglied in Kinderschutzorganisationen, Menschenrechtsgruppen, religionskritischen Vereinigungen u.ä werden.
      Auf Länder- u. Kreisebene Runde Tische organisieren, unter Einbeziehung von Ärzte- Lehrer- Soizalarbeiter- und Rechtsberufsvereinigungen, die das Beschneidungsgeschehen beobachten und beeinflussen.

      Was fällt Euch noch alles ein?
    • NoCut schrieb:

      Jetzt begebe ich mich wieder etwas mehr in den Hintergrund und freue mich schon auf Eure Vorschläge.
      Jetzt bleib mal schön vorne stehen ^^ Wir können auch nach vorne rufen.


      Wie geht es weiter?
      Vielleicht erdreistet sich jemand einen Klage vor das BVG oder auf Europaebene.
      Das hängt stark davon ab, ob wir das einzige Land bleiben, in dem Beschneidung derart legalisiert ist.
      Vielleicht gehen die nordischen Länder dezidiert und bar jeder Kollektivschuld gegen dieses Problem vor....

      Wir hier werden weiterhin Beschnittenen eine Zuflucht bieten und informieren, informieren, informieren. Beschneidung-von-jungen ist, wie phimose-info die quelle für fundierte Information. Die werden wir ausmisten und aktuell halten.
      Anderweitig - mehr dazu in wenigen Tagen, hoffe ich - werden weiter agitieren, etwa durch Aufklärung auf Seiten der Ärzte. Wie wir wissen ist der Verband der Kinderärzte nicht gerade beschneidungsfreundlich... Ich hoffe auf und rechne da mit schönen Synergien.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Noch mehr Aufklärung bei den Müttern

      Waldfaun schrieb:

      Vielleicht erdreistet sich jemand einen Klage vor das BVG oder auf Europaebene.
      Das Traurige bei einer Klage vorm BVG wäre aber, dass dann wieder erst ein Kind durch Komplikationen ums Überleben kämpfen muss oder mit Einschränkungen leben muss, die noch massiver sind als eine "normale" Beschneidung. Eine Klage vorm BVG setzt ja leider die direkte Betroffenheit voraus.

      Auf Europa-Ebene sehe ich aktuell nicht viel kommen. Selbst die UNO hat ja erst jetzt gegen die Beschneidungen von Frauen reagiert.

      Dass der Gesetzgeber die Beschneidung teilweise ohne Betäubung nicht verboten hat, könnte zum Vorteil werden. Für die Kinder ist dies absolut grausam, aber eben auch für die Öffentlichkeit wesentlich schockierender als wenn hier alles unter Vollnarkose stattfinden würde. Vielleicht ist genau dies das eingebaute "Verfallsdatum" des § 1631d BGB, der zwar von einer Juristen (= Frau Leutheuser-Schnarrenberger), aber dem Eindruck nach ohne Reflexion der seit etwa 2008 stattfindenden juristischen Debatte, zusammengeschustert wurde.

      Somit wäre noch mehr Aufklärung besonders bei den Müttern, welche häufig bei den Beschneidungen ja nicht anwesend sind, die aktuell einzige Möglichkeit, um hier ein Umdenken zu forcieren. Hier müsste man vorallem Bereiche finden, wo man die Mütter am besten alleine ansprechen könnte (Frauenarztpraxen, Krabbelgruppen, Frauenzeitschriften, etc.).
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • NoCut schrieb:

      Somit wäre noch mehr Aufklärung besonders bei den Müttern, welche häufig bei den Beschneidungen ja nicht anwesend sind, die aktuell einzige Möglichkeit, um hier ein Umdenken zu forcieren. Hier müsste man vorallem Bereiche finden, wo man die Mütter am besten alleine ansprechen könnte (Frauenarztpraxen, Krabbelgruppen, Frauenzeitschriften, etc.).
      Es mag auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, dass selbst auf der Agenda der jüdischen Frauenbewegung die Beschneidung ganz weit unten steht. Auch die Genderforschung, die die Beschneidung als patriarchalisches Ritual deutet, hat daran nichts geändert. Im Gegenteil: ausserjüdische Kritik an der Stellung der Frau im Judentum wird von dort immer schon als weiteres Beispiel von Antisemitismus wahrgenommen.
      Auch an den amerikanischen Hygienefanatikerinnen sieht man, dass die Sorge um die Gesundheit (angebliche HIV-Ansteckung), um die spätere Eingliederung in die Peer-Group (Vergleich unter der Dusche) und die Angst um die spätere Ehefähigkeit (Frauen ekeln sich vor unbeschnittenen Männern) zur Definition von Mutterschaft gehören können.
      Das soll nicht heissen, dass ich Aufklärung für sinnlos halte. Schliesslich nehmen die Beschneidungsraten in westlichen Ländern immer mehr ab. Ich glaube bloss nicht, dass Mütter dabei eine spezifische Zielgruppe sind.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Können Frauen bei der Abschaffung der Beschneidung eine Schlüsselrolle übernehmen

      Die Stellung der Frau im Judentum (incl. Christentum und später im Islam) hängt ja im wesentlichen nur mit der Bibelschreibung und dabei erfolgten Umdeutungen der Überlieferungen zusammen (männliche Autoren, etc.). Im Paradies sind Adam und Eva so wie der Eindruck erkennen lässt noch gleichberechtigt. Wer also wieder ins Paradies will, sollte sich schon mal an die Gleichberechtigung gewöhnen ;)

      Zum Thema Beschneidung und Hygiene war dies wohl nie ein Grund für deren Einführung. Kaum jemand würde doch den Nomadenstämmen zu Abrahamszeiten unterstellen, dass die sich viele Gedanken über Hygiene gemacht hätten. Und mit der Hygiene in den USA ist ja wohl eher die "moralische Hygiene" gemeint, welche die Masturbation verhindern soll. Ging es wirklich um Reinlichkeit, müsste man ja bereits Babys die Ohren abschneiden, damit sie sich später nicht hinter den Ohren waschen müssen ;)

      Das Argument, warum aber gerade Frauen tendenziell am besten für das Thema zu sensibilisieren sein müssten, wäre doch, dass sie einerseits durch ihre Muttergefühle die Beschneidung vermutlich noch traumatischer erleben als es wohl die Männer tun, welchen das selbe bereit angetan wurde. Und andererseits werden gerade Frauen, bei denen die Beschneidung ein Thema ist mit Männern verheiratet sein, die selbst beschnitten sind. Wenn man hier ein Bewusstsein dafür etablieren könnte, dass sexuelle Probleme in der Ehe teilweise mit der Beschneidung des Ehemanns im Zusammenhang stehen können, bin ich mir sicher, dass sich hier deren Haltung bezüglich der Beschneidung der eigenen Söhne grundlegend ändern würde.

      Die Geschichte mit der Agenda der jüdischen Frauenbewegung irritiert mich jetzt aber in meinen Überlegungen. Weiß jemand hier im Forum, wie es damals 1998 zur Petition gegen die Beschneidungen in Israel gekommen ist bzw. ob hier nicht doch auch Frauen maßgeblich involviert waren. Die Frage wäre ja dann, ob sich nur genügend Frauen zusammenfinden müssten, damit sie sich auch trauen hier öffentlich eine andere Stellung gegen ihre Männer zu beziehen.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Meines Erachtens sollte der Schwerpunkt künftig darauf liegen, zunächst einmal ein allgemeines Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es sich nicht um einen harmlosen Eingriff handelt. Damit meine ich aber nicht Schockmeldungen über Todesfälle und mißglückte Beschneidungen- das sollte man zwar auch nicht vergessen und durchaus auch darauf hinweisen, aber nur dann, wenn die Verharmloser wieder mal mit unsäglichen Vergleichen (Impfungen usw.) ankommen. Es geht mir vielmehr um die langfristigen Folgen, die vielen möglichen Facetten, die die Beschneidung in psychischer, physischer und sexueller Hinsicht für die Betroffenen haben kann. Dabei wäre zunächst bei den politischen und gesellschaftlich relevanten Gruppen (Medien, Politiker, NGO-Vertreter, Menschenrechtsgruppen, Medizinerverbände, Psychologen usw. usw.) ein Bewusstsein zu schaffen, dass es sich eben nicht um eine Bagatelle handelt. Die religiösen Lobbyisten und ihre Vertreter und linientreuen Anhänger sollten wir hingegen erst mal vergessen. Da ist zur Zeit eh nichts zu ändern und außer aufgeregten und emotionalen Diskussionen kommt da nichts bei rum. Religionen können sich ändern, aber das geschieht in der Regel von innen heraus und meist von unten, von der Basis. Hier sollten wir auch ansetzen. Wenn aufgrund eines gesellschaftlichen Bewusstseinswandels immer mehr Eltern und Gemeindemitglieder sich der Beschneidung verweigern werden die ganz von selbst auf Alternativen ausweichen und irgendwann werden die "Hardliner" marginalisiert. Aber so was braucht Zeit, wahrscheinlich mehrere Generationen. Das Ganze mit der Brechstange eines sofortigen gesetzlichen Verbots durchsetzen zu wollen, war mE ein Fehler, von vornherein völlig aussichtslos und hat uns viel Energie und gute Leute gekostet, die sich in der Emotionalität der Auseinandersetzung zu ungeschickten (und manchmal maßlosen) Äußerungen haben hinreißen lassen und nun ein gefundenes Fressen für unsere Gegner in dieser Debatte sind (ich denke hier insbesondere an den grünen Landtagskandidaten aus Cloppenburg).

      Ich möchte nochmal hier unfreiwillig Beschnittene und ihre Partner/innen ermuntern, ihre Geschichten und Erfahrungen niederzuschreiben. Hier könnte ein Ort sein, diese Erfahrungsberichte zu sammeln und vielleicht mit Unterstützung eines Verlages zu veröffentlichen. Die GBS und ihr nahestehende Verläge würden dies sicherlich unterstützen und promoten.
    • Auch wenn der medizinische Aspekt bei der Argumentation gegen Beschneidung eine wichtige Rolle darstellt, möchte ich nur noch einmal betonen, dass dieser in einer generellen Betrachtung eigentlich völlig irrelevant ist und unsere Position oft unnötigerweise in die Defensive drängt bzw. uns die Beweislast zuschiebt.

      Selbst wenn das Abschneiden eines Körperteils ausserhalb medizinischer Notwendigkeit keine späteren körperlichen oder psychischen Nachteile hätte, so ist eine solche Massnahme ethisch und juristisch in keinster Weise zu rechtfertigen, wenn diese von einer anderen Person beschlossen wird. Alleine der Zielperson obliegt es, Manipulationen (insbesonders irreversible) an ihrem Körper ohne medizinische Indikation ausdrücklich und bewusst zuzulassen, und nur dann dürfen die Gründe gerne Hygiene, Ästhetik, Religion oder sonstwas sein. Die default Position ist daher selbstverständlich "Nein".

      Dies sollten wir nicht vergessen, wenn wir uns auf die Diskussion "Vor- und Nachteile der Beschneidung" einlassen.
      Art. 2 GG:
      (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Geschuldet der deutschen Vergangenheitsbewältigung gilt dieses Grundrecht ausdrücklich nicht, wenn die Person a) ein Kind und b) männlich ist, c) die Eltern entweder jüdischen oder muslimischen Glaubens sind und d) das kindliche Genital das Ziel der Versehrtheit ist.
    • @ picard 72
      Ich denke, die meisten Gegner der Kinderzwangsbeschneidung hatten nicht die Brechstange mit einer sofortigen strafrechtlichen Verfolgung im Sinn, sondern ein mehrjähriges Moratorium, um eine umfassend imformierte rechtliche Lösung ausarbeiten zu können.
      In Schweden ist die jüdische Zwangsbeschneidung an Säuglingen unter effektiver Schmerzbekämpfung (leider noch) erlaubt, allerdings wird das Ritual von offizieller, auch politischer Seite aus systematisch entmutigt und in vielen Distrikten verweigern die Kliniken aus ethischen Gründen die Durchführung, was dazu beigetragen hat, dass über die Hälfte der Jungs in jüdischen Elternhäusern intakt aufwachsen. Das Ganze eingebettet in ein gesellschaftliches Klima, dass die Bedürfnisse und Rechte von Kindern sehr ernst nimmt. Letztlich kommt bei dieser Art der Legalisierung auch nur eine Duldung heraus, allen ist klar, wohin die Reise gehen soll - und unter diesen Bedingungen wird es nicht noch Generationen dauern, bis sich das Ritual erübrigt hat!

      Deutschland hat dagegen praktisch jede Form der religiös oder sonstwie motivierten Zwangsbeschneidung erlaubt und, mindestens ebenso enttäuschend, von offizieller Seite aus (z. B. BZgA) ist von geplanten Aufklärungskampagnen oder wissenschaftlicher Begleitung nichts zu hören - das Bewustsein für die Tragweite dieser Operation ist nicht nur kaum vorhanden, sondern von politischer Seite aus ausdrücklich nicht erwünscht! Letzteres macht das Gesetzgebungsverfahren samt Ergebnis noch einmal um ein Vielfaches abstoßender.

      Wäre es vielleicht jetzt kurz nach dem Inkrafttreten ein wichtiges Signal, Entschuldigungsschreiben an die skandinavischen Regierungen, die bei dem Thema ohnehin bereits stärker sensibilisiert sind, zu richten?

      Sich nicht so sehr auf die ideologisch verhärteten Funktionäre zu konzentrieren und zu beziehen ist ein guter Rat. Deren Art der Argumentationsführung färbt sonst noch zu sehr ab, das will ja wirklich keiner.
      Bei einer Veröffentlichung der Erfahrungsberichte in einem geeigneten Rahmen (wie in einem meiner früheren Beiträge beschrieben) würde ich in einer gemischten Autorengruppe gerne mitwirken.
    • Genau so sehe ich das auch, Susanna. Ein Gesetz hätte die Beschneidung, wie auch jeden anderen medizinisch nicht notwendigen Eingriff, für grundsätzlich rechtswidrig erklären müssen und die legale Vornahme zur Ausnahme erklären müssen und auch nur unter sehr strengen Voraussetzungen, insbesondere ärztliche Aufklärung und Erfordernis einer Gewissenserklärung der Eltern. Das wäre zwar für zur Beschneidung entschlossene Eltern kein wirkliches Hindernis gewesen, aber der Appell des Gesetzes, " Halt! Überlegt genau, was ihr hier tut! " wäre deutlich gewesen und hätte sicherlich so manchen zum Umdenken bewegt. Nun ist es genau umgekehrt , die Beschneidung ist grundsätzlich erlaubt, und nur in Ausnahmefällen rechtswidrig. Ein fatales Signal des Gesetzgebers, der hoffentlich irgendwann vom Verfassungsgericht kassiert wird. Hier hätte man vielleicht doch eher eine Kompromisslinie fahren sollen und nicht auf " alles oder nichts" setzen sollen. Aber gut, lassen wir das. Jetzt haben wir ein schlechtes Gesetz und müssen erstmal ein breites Bewusstsein dafür schaffen, dass dem so ist. Auch wenn 70 % der Bevölkerung dagegen ist, dies reicht nicht, solange wir nicht mehrheitlich die entscheidungsrelevanten und meinungsbildenden Gruppen unserer Gesellschaft ( Medien, Verbände, Parteien, NGOs usw ) auf unserer Seite haben...
    • Eine Gewissenserklärung der Eltern

      gibt es bei VAs durch Ärzte ja jetzt schon in der Form, dass vorher von den Eltern u.a. der Hinweis zu unterschreiben ist:


      "Nicht die mögliche sondern notwendige Folge der Zirkumzision ist die reduzierte Empfindung beim Geschlechtsverkehr"

      Das scheint traurigerweise wenig abschreckend zu sein.
    • Wenn man sich die Situation vor dem Bekanntwerden des Kölner Urteils ansieht, müsste doch eigentlich klar sein, was die Debatte erreicht hat: eine offen geäusserte und überwältigende Ablehnung der religiös motivierten Beschneidung in der Bevölkerung, die von einer erheblichen Zahl von Bundestagsabgeordneten sowie von seriösen Fachleuten in Medizin und Recht und auch von Gläubigen mitgetragen wird. Ist das nichts?

      Des weiteren ist deutlich geworden, dass das Beschneidungsgesetz ein Sondergesetz für eine bestimmte Gruppe darstellt und entsprechend manipulativ durchgepeitscht worden ist. Man kann das positiv oder negativ sehen - es bleibt ein Faktum und ein politischer und rechtspolitischer "Sündenfall", der uns noch weiter beschäftigen wird.

      Man kann das Beschneidungsgesetz auch als "Einstieg in den Ausstieg" sehen. Ein religiöses Ritual ist erstmals unter die Augen von Medizin und Recht getreten. Die Religionsvertreter haben erkannt, dass allein schon dieser Vorgang Ausdruck gesellschaftlicher Ächtung ist. Wir sind dabei vielleicht noch nicht so weit wie die Schweden, aber die Debatte läuft dort auch schon viel länger.

      Für zielgerichtete Aktivitäten sollte man m.E. Organisationen benutzen und ihre Kräfte bündeln. Ein Forum ist dazu m.E. nicht geeignet. Ein Forum kann aber die Debatte wachhalten. Ein ganz wichtiger Aspekt, wenn jetzt die aktuelle Diskussion abebbt.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • @ Susanna. Leider ist dem nicht so. Die Eltern können einfach so zustimmen. Niemand verlangt von ihnen, ihre Gründe darzulegen und sich damit auseinanderzusetzen. Vielmehr wäre im Gegenteil im Streitfall zu belegen, dass die Beschneidung NICHT dem Kindeswohl entsprach. Sozusagen eine Beweislastumkehr. Das halte ich für den schwersten Fehler des Gesetztes, nämlich das das Gesetz grundsätzlich davon ausgeht, dass die Beschneidung dem Kindeswohl entspricht und dem nur ausnahmsweise entgegensteht. mE müsste es aber genau andersrum sein...
    • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

      Den Hinweis von Susanna bezüglich BZgA finde ich genial. Warum sollte man nicht unsere Regierenden mit ihren eigenen Waffen schlagen.

      Man könnt doch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung per Petition dazu verdonnern lassen, eine Kampagne gegen Beschneidungen incl. derer bei vermeintlicher Phimose zu starten. Aktuell wäre dies natürlich ein schlechter Zeitpunkt, um hier aktiv zu werden. Aber sobald der Frühling und sich damit die Frühlingsgefühle überall breit machen, könnte man doch auf die sexuellen Defizite, welche eine Beschneidung i.d.R. verursacht, aufmerksam machen und somit Stimmen für eine Petition im Bundestag sammeln.

      Da es ja dann nicht um ein Beschneidungsverbot geht, sondern um die entsprechende Aufklärung, die ja bei einer religiösen Beschneidung zukünftig ebenfalls vorgeschrieben ist ("Regeln der ärztlichen Kunst..."), wäre es ohnehin zweckmäßig, wenn die BZgA in diesem Rahmen entsprechende Merkblätter mit allen Risiken incl. dem möglichen Todesfall auflistet, welche dann von den jeweiligen Eltern zu unterschreiben wären. Vielleicht dann noch der Hinweis, dass neben den Kosten für den Eingriff auch sämtliche Kosten für Komplikationen incl. eventueller lebenslanger psychiatrischer Behandlungskosten nicht zu lasten der Allgemeinheit gehen dürfen und schon hätte man eine völlig neue Situation:

      "Beschneiden von Kinder nur noch auf eigene Kosten und Gefahr"

      Eltern, die sich für eine religiöse Beschneidung entscheiden, werden ohnehin tendenziell weniger Selbstbewusstsein haben als solche, welche sich gegen eine Beschneidung entscheiden. Daher hat ja vermutlich auch bereits das Urteil vom 07.05.2012 zu einer sehr großen Verunsicherung geführt ;)

      Taktisch würde ich es für zweckmäßig halten, wenn diese Petition z.B. von Phimose-Info eingereicht würde, damit das ganze nicht gleich wieder zu sehr als Keule gegen die Religionen gesehen wird. Auch müsste sofort nach Einreichung der Petition sämtliche Foren und sonstige Mitstreiter im Internet mobilisiert werden, damit auch genügend Bürger online oder per Formular in Papierform sich an der Petition beteiligen können.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Problematisch an der BZgA ist aber, dass sie keinerlei Interesse an einer echten Aufklärung hat. Für die BZgA ist die Beschneidung das Mittel der Wahl bei Vorhautproblemen aller Art, ist ein kleiner harmloser Eingriff, wird in vielen Ländern routinemäßig durchgeführt, vermindert das Risiko für Peniskrebs und so weiter ...
      Die gesamte Palette der Pro-Beschneidungsargumente werden von der BZgA aufgeführt, vollkommen unabhängig davon, dass das Alles wissenschaftlich unhaltbar ist. Ich halte daher die Idee, die BZgA bei der Aufklärung über die männliche Beschneidung mit einbeziehen zu wollen, für eine Totgeburt.

      Gruss
      Tobias
    • Auf der BZgA Seite finde ich nichts zum Thema Penisbeschneidung (wohl aber eine Menge zur FGM). Ich bin gespannt, was man mir auf meine mail antwortet.
      Art. 2 GG:
      (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Geschuldet der deutschen Vergangenheitsbewältigung gilt dieses Grundrecht ausdrücklich nicht, wenn die Person a) ein Kind und b) männlich ist, c) die Eltern entweder jüdischen oder muslimischen Glaubens sind und d) das kindliche Genital das Ziel der Versehrtheit ist.