Es gibt da Punkte in Ihrem Buch, da legen Sie sich ganz schön an mit
dem, was ich mal als jüdische Mehrheitsmeinung bezeichnen würde. Nehmen
wir mal das Beispiel Beschneidung. Da sagen Sie wörtlich: "Nicht die
Beschneidung macht den Juden". Warum erscheint Ihnen die Beschneidung
nicht so wichtig?
Wolffsohn: Ich beziehe mich auf die Quellen. Man muss die Quellen nicht immer nur so frisieren, wie man sie gerne hätte. Also, beispielsweise die Propheten Jesaja oder Jeremias weisen darauf hin, dass es nicht entscheidend sei, beschnitten zu sein oder die damals üblichen Opfer im Tempel zu bringen und die anderen Gebote einzuhalten im Sinne eines buchhalterischen Einhaltens, sondern dass es auf das Einhalten des Geistes der Gesetze ankommt.
Und hier sind wir wieder bei der unmittelbaren Nähe zwischen dem jesuanischen Christentum und dem Judentum. Also, kurzum, die Äußerlichkeiten sind immer nur Krücken und Brücken zum Wesentlichen. Und ich erlaube mir die Freiheit, das Wesentliche ohne diese Krücken anzustreben und habe nichts dagegen, wenn sich Juden dennoch dazu entschließen, ihre Söhne beschneiden zu lassen. Aber, wenn das nur der Inhalt des Jüdischen ist, dann steht es um die Inhalte schlecht.
Auch das Thema "Mischehe" kommt zur Sprache:Main: Sie sprechen dann von einer "Beschneidung des Herzens". Sie wollen die Beschneidung spiritualisieren. Verstehe ich Sie richtig?
Wolffsohn: Ja, aber auch das ist ein Zitat von Jeremias. Insofern merken Sie, dass ich hier an Quellen orientiert bin und mich löse von der Halacha, die im Grunde genommen die Frühform der Institutionalisierung von Religion sind.
Main: Herr Wolffsohn, es gibt noch einen weiteren religionspolitischen Punkt, der Sie so richtig aufregt – die "Mischehe" – in Anführungszeichen – bzw. die Befürchtung der Orthodoxie, das Judentum gehe unter, wenn Juden mit Nicht-Juden Familien gründen. Ich halte dagegen: Jude ist, wer eine jüdische Mutter hat. Das muss ich Ihnen nicht sagen. Verwässern Sie also eine Gemeinschaft, die mehr ist als eine Glaubensgemeinschaft, nämlich auch eine Ethnie?
"Verwässerung einer Ethnie", äh- wie hört sich das denn an? Und was ist das Gegenteil davon?
Wird nicht immer die "offene Gesellschaft" gefordert, ganz besonders z.B. in der "Jüdischen Allgemeinen"?
Vielleicht wird jetzt auch die Motivation klarer, warum Wolffsohn sich 2012 so angenehm differenziert geäußert hat.Wolffsohn schrieb:
Ich habe drei erwachsene Kinder. Ich bin verheiratet mit einer Nicht-Jüdin.
Nehmen wir mal an, unter den drei Kindern wäre mindestens ein Sohn...
Aha, für Wolffsohn ist also nicht das Weib dem Manne untertan. Dann muss man sich ggf. über eine "Beschneidung" einigen. Und wenn man sich nicht einigen kann - passiert - nichts?Aber auch das gehörte zur Selbstverständlichkeit der Gemeinsamkeit, dass nicht A über B – Anführungszeichen – "herrscht" oder B über A....
deutschlandfunk.de/weltreligio…ml?dram:article_id=389680
There is no skin like foreskin