Volksabstimmung über Beschneidung?

    • "Es klingt auf den ersten Blick nicht so schlimm, wie es in Wirklicheit ist: Für die Beschneidung werden ja auch hygienische Gründe vorgetragen. Und wenn dann in den Debatten, an denen ich teilnahm, der Einwurf kommt "nicht Beschneiden, einfach mal waschen!" – welch' ein Bild von "den Anderen" steckt da dahinter? Der ungewaschene Jude, der ungewaschene Muslim – soll er sein Kind doch säubern, statt am Penis seines Sohnes rumzuschnippeln! "

      Ich wette, dass bei den Debatten, die Jerzy Montag erlebt hat, niemand "ungewaschene Muslime, ungewaschene Juden" gesagt hat. Wenn bei den Debatten das hygenische " Argument" von den Religionsvertretern ins Spiel gebracht wird, kommt natürlich der berechtigte Hinweis auf das Waschen. Das hat aber mit den religiösen Begründungen nichts zu tun. Es ist Jerzy Montag, der hinterher beides in einen Topf wirft.
      Ich habe ja immer gedacht, dass sich die Demagogie in dieser Debatte seitens einiger Politiker nicht mehr steigern lässt. Ich habe mich getäuscht.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • @quadrat

      Seit dem Interview mit Herrn Kramer ist die rein religiöse Begründung der Beschneidung jüdischerseits vom Tisch. Die Antworten der Rabbis haben Herrn Kramer nicht überzeugt. Es geht m.E. jetzt um "Volkszugehörigkeit", und die umfasst selbst (jüdische) Atheisten. Hat mir ein jüdischer Atheist (nicht Herr Montag) persönlich gesagt, und der ist absolut FÜR Beschneidung - eben wegen der "Volkszugehörigkeit".
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Wenn alle Regeln, die es für solche Volksabstimmungen gibt – Unterschriftenlisten, Fristen und so weiter – wenn das alles eingehalten wird, sehe ich keinen Grund, warum das Volk nicht auch über die Beschneidung abstimmen sollte.

      Montag ist Rechtsanwalt, daher wundert mich dieses Statement einigermaßen. Wie kann es über das Recht auf körperliche Unversehrtheit eine Volksabstimmung geben???
      Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
      George Orwell
    • Volkszugehörigkeit? Haha- das wird immer besser!
      Reisepaß auf den Popo tätowieren lassen....
      Welche Volkszugehörigkeit? VOR DEM HINTERGRUND DER DEUTSCHEN GESCHICHTE halte ich es für ziemlich problematisch die Volkszugehörigkeit mittels einer körperlichen Markierung festzuhalten.
      Darüberhinaus war ich immer der Ansicht, daß Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit Deutsche seien. Irre ich mich?

      Wenn es eine Volksabstimmung gäbe, käme das Verbot. Die Meinungsumfragen sind eindeutig.
    • werner schrieb:

      @quadrat

      Seit dem Interview mit Herrn Kramer ist die rein religiöse Begründung der Beschneidung jüdischerseits vom Tisch. Die Antworten der Rabbis haben Herrn Kramer nicht überzeugt. Es geht m.E. jetzt um "Volkszugehörigkeit", und die umfasst selbst (jüdische) Atheisten. Hat mir ein jüdischer Atheist (nicht Herr Montag) persönlich gesagt, und der ist absolut FÜR Beschneidung - eben wegen der "Volkszugehörigkeit".
      Meinst Du dieses Interview: Rituale: "Die jüdische Gemeinde muss über Beschneidung reden" | Gesellschaft | ZEIT ONLINE ?

      Da hat der Zentralrat ja nochmal nachgesetzt: Zentralrat der Juden in Deutschland: Beschneidung steht nicht zur Debatte Dort wird auch noch mal die religiöse Komponente unterstrichen. Wäre auch schwierig sonst - denn sonst müßte der Zentralrat sich als rassistisch outen, wenn er eine Sonderlösung auch für nichtreligiöse Juden fordern würde. Intern mag das vielleicht wünschenswert sein, wäre politisch aber schwierig zu fordern. Außerdem definiert sich Kramer selbst persönlich natürlich über die Religion, da er (vermutlich) kein geborener Jude ist, sondern erst als Erwachsener zum Judentum konvertiert ist.

      Disclaimer (es lesen ja noch andere mit): Grundsätzlich reduziere ich in meiner Kritik an der Kindes-Beschneidung nicht auf die religiöse (insbesondere nicht nur auf die jüdische), sondern vor allem auf kosmetische, traditionelle Beschneidung oder Beschneidung aus vermeintlich hygienischen Gründen.
    • B.O.Bachter schrieb:

      Wenn alle Regeln, die es für solche Volksabstimmungen gibt – Unterschriftenlisten, Fristen und so weiter – wenn das alles eingehalten wird, sehe ich keinen Grund, warum das Volk nicht auch über die Beschneidung abstimmen sollte.

      Montag ist Rechtsanwalt, daher wundert mich dieses Statement einigermaßen. Wie kann es über das Recht auf körperliche Unversehrtheit eine Volksabstimmung geben???
      Ich selbst bin kein Jurist, aber was ich in anderen Diskussionsforen gelesen habe, ist die Sache nicht so einfach. Sonst bräuchte man ja auch keine Diskussion, sondern müßte einfach nur abwarten was das Bundesverfassungsgericht sagt.

      Außerdem: Eine Volksabstimmungs ist doch u.a. dazu da neues Recht zu schaffen, oder altes abzuschaffen (Aber ich hab schon verstanden wie Du es meinst ;) ).
    • Herr Montag redet nur Bleich!

      Strafrecht und Familienrecht, wo die Beschneidung geregelt werden könnte, gehören gem Art. 74 I 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder können hier nur Gesetze erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. (Art. 72 I GG). Das dürfte hier aber der Fall sein, da der Bund sowohl die Körperverletzung im Strafrecht als auch das Sorgerecht im Familienrecht umfassend geregelt hat. Die Beschneidung könnte also nur durch ein Bundesgesetz geregelt werden. Auf Bundesebene sieht das GG jedoch eine Volksabstimmung nur für den Fall der Neugliederung des Bundesgebietes (Art.29 GG) und der Abstimmung über eine Verfassung (Art. 146 GG) vor. Um eine Volsabstimmung zum Thema Beschneidung durchführen zu können, müsste also das Grundgesetz geändert werden! Ha,ha!
    • Juden betrachten sich schon immer - unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit - als einVolk, wobei der Ausdruck Volk hier wohl besser als "Schicksalsgemeinschaft" zu vestehen ist.
      Ja, sicher, aber das ist ihre eigene Lesart der Dinge.
      Basken sehen sich auch nicht unbedingt als Spanier, aber es ändert nichts an den Tatsachen.
      Jemand, der hier einen spanischen Paß vorzeigt, wird als Spanier bezeichnet.

      Man kann es also als Tradition bezeichnen.....womit wir wieder am Anfang wären.
    • Der sprachlichen Schärfe wegen (und weil ich das Abstammungsgetue für problematisch halte) fände ich es auch besser, wenn man als Juden nur diejenigen bezeichnen würde, die tatsächlich jüdischen Glaubens sind. Aber es ist nun mal nichts so.

      Allerdings verfügen wir nicht über den Erfahrungshorizont einer über Jahrtausende hinweg marginalisierten Gruppe, deswegen mische mich in der Frage auch nicht ein.
      Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
      George Orwell
    • Mir ist egal, wer sich als was sieht- das geht mich nichts an. Aber aus dieser sehr individuellen Sichtweise können keine Begründungen für Ansprüche auf Sonderrechte abgeleitet werden.

      Etwas, das Menschen in einer bestimmten Region und/oder Abstammung unabhängig von ihrer Weltanschauung seit längerer Zeit machen, nennt man doch wohl Tradition, oder?
    • B.O.Bachter schrieb:

      Der sprachlichen Schärfe wegen (und weil ich das Abstammungsgetue für problematisch halte) fände ich es auch besser, wenn man als Juden nur diejenigen bezeichnen würde, die tatsächlich jüdischen Glaubens sind. Aber es ist nun mal nichts so.
      Nun ja, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es eine jüdische Identität gibt, die über die jüdische Religion hinaus geht. Und da spielt die Beschneidung offensichtlich eine wichtige Rolle. Man mag vieles daran merkwürdig finden, z.B. warum nur Männer dieses eindeutige Zeichen tragen sollen oder dürfen. Aber hier handelt es sich zumindest um ein halbwegs ernst zu nehmendes Argument: Wenn das Zeichen für die Identität verloren geht, geht auch irgendwann die Identität verloren.

      Ich halte diese Befürchtung in Deutschland aber für unbegründet. Die Juden sind nicht mehr in der Gefahr assimiliert oder ausgegrenzt zu werden. Wenn es um klaren Antisemitismus geht, haben die Juden eine breite Öffentlichkeit hinter sich. Sie sind hier gewollt. Aber hier gewollt zu sein, in einer pluralistischen Gesellschaft gewollt zu sein, heisst nicht, dass man jedem Konflikt aus dem Weg gehen kann, indem man andere Interessen als feindlichen Akt interpretiert. In der Beschneidungsdebatte geht es um Kinderrechte und das Recht von männlichen Heranwachsenden und Erwachsenden auf eine nicht chirurgisch verstümmelte Sexualität. Es geht vor allem um Wahlfreiheit, jeder soll selber entscheiden können, ob er beschnitten sein möchte oder nicht. Eben und besonders auch jeder jüdische Mann.

      Dass es es heute in Deutschland Rechte des Individuums gibt, die unveräusserlich sind und hinter denen jedes Interesse eines Kollektivs zurückstehen muss, das kommt ja nicht von irgendwoher. Das ist eine Lektion, die wir Deutschen aus unserer Geschichte gelernt haben. Dahinter können wir nicht mehr zurück. Und das können wir auch keinem wehrlosen Säugling vorenthalten, nur weil die Erwachsenen, die seine körperliche Unversehrtheit bedrohen, Juden sind.
    • Wie? Werden jetzt plötzlich die Juden zu Nazis, die im Gegensatz zu uns (Grundgesetz) nichts aus der Geschichte gelernt haben"?! Die "Tätowierung" der KZ- Insassen ist dasselbe wie die Beschneidung?! Das von den Nazis durch den Holocaust verletzte "Recht auf körperliche Unversehrtheit" ist dasselbe wie die Beschneidung? Das Werfen von Bomben (Basken) ist dasselbe wie die Beschneidung (Juden)? Jedes(!) ihrer Interessen muss hinter den Grundrechten zurückstehen? Aus ihrer individuellen Sichtweise können keine Sonderrechte abgeleitet werden? Ihre Traditionen sind Abstammungs"getue"!

      Eine Verfassung hatten wir schon VOR dem 3. Reich. Was den Unterschied zwischen der Weimarer Verfassung und dem Grundgesetz ausmacht (Lehren aus der Nazizeit) hat mit der Beschneidungsdebatte rein gar nichts zu tun. Schutz der körperlichen Unversehrtheit gab es auch vorher schon, ebenso das Recht und die Pflicht zur Erziehung, ebenso die Religionsfreiheit und den Minderheitenschutz. Juristisch gesehen hätte diese Debatte auch schon VOR dem 3. Reich stattfinden können. Was soll es also, den Juden vorzuwerfen, sie würden sich wie die Nazis verhalten, während "wir" Deutsche durch die Verkündung des Grundgesetzes zu lupenreinen "Widerstandskämpfern" geworden sind?

      Wir haben einen Konflikt und wir haben unsere Meinung dazu. Diffamierungen lehne ich persönlich in JEDER Richtung ab.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Wie? Werden jetzt plötzlich die Juden zu Nazis, die im Gegensatz zu uns (Grundgesetz) nichts aus der Geschichte gelernt haben"?! Die "Tätowierung" der KZ- Insassen ist dasselbe wie die Beschneidung?! Das von den Nazis durch den Holocaust verletzte "Recht auf körperliche Unversehrtheit" ist dasselbe wie die Beschneidung? Das Werfen von Bomben (Basken) ist dasselbe wie die Beschneidung (Juden)? Jedes(!) ihrer Interessen muss hinter den Grundrechten zurückstehen? Aus ihrer individuellen Sichtweise können keine Sonderrechte abgeleitet werden? Ihre Traditionen sind Abstammungs"getue"!
      Ich weiß nicht, was du jetzt gelesen hast, aber nichts von mir.
      Es IST problematisch Menschen lebenslang zu markieren und gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte können wir uns Zugehörigkeitsstempel auf den Körpern von Menschen, die das nicht selber entscheiden können(!),nicht leisten.
      Bomben von Basken? Davon hat niemand etwas geschrieben. Tatsache ist jedoch, daß sie sich in einer Sonderstellung sehen. Nicht alle Basken sind Bombenwerfer- ein Bruchteil ist es (war es).
      Ja, und ganz richtig: Weil sich irgendwer irgendwie definiert, kann er daraus erst mal keine Rechte ableiten.
      Von Getue habe ich nichts gesagt- das ist jedem selbst überlassen, wie er sich definiert.
    • Zurück zum Interview...mein Schreiben an Jerzy für Euch zur Kenntnisnahme

      Lieber Jerzy!

      Vielleicht erinnerst Du Dich an mich: auf der Podiumsdiskussion im Büro der Münchner Grünen hast Du mir auf meinen Beitrag gesagt ich sei "der erste Beschnittene, der damit unglücklich ist", von dem Du jemals gehört habest.

      Ohne mich zu wichtig zu nehmen, ich stand damals ja nur stellvertretend für viele : ich war schon verwundert, dass Du auf die Frage der ZEIT, ob Du in der Debatte irgendetwas für Dich Neues gehört habest, nur Diffamierendes über Menschen, die sich für genitale Selbstbestimmung einsetzen, sagtest (indem Du den sehr richtigen Hinweis, das Hygiene keine Begründung für die Amputation der Vorhaut sein kann vergeblich in eine Beleidigung umzudeuten versuchst), und nicht, dass Du in dieser Debatte nach Deinen eigenen Worten zum ersten Mal von MENSCHEN, von Betroffenen, erfuhrst, die darunter leiden, dass man ihnen ein gesundes Körperteil und nachweislich 70% der erogenen Zonen des männlichen Genitals amputierte.

      Ich finde das schade und unehrlich. NICHTS zu sagen kann auch die Unwahrheit sein. Wir haben alle in München Deine Worte gehört.



      Mit grünen Grüßen aus Nürnberg!
    • Veröffentlichung

      ja gerne. Soziale Konsequenzen...vielleicht bin ich da naiv. Was soll passieren? Gut ich würde gerne mal wieder eine Partnerschaft eingehen, aber dieses Thema ist in meinem Leben und will ich auch nicht mehr verheimlichen. Ich mache das alles und auch die Wiederherstellung ja u.a. auch, damit ich mit dem Thema irgendwann mal DURCH bin - ich habe auch noch anderes vor in meinem Leben ;) Wenn Frauen sich dann davon abgeschreckt fühlten, sie harte unverletzliche Kerle haben wollen - ich kanns nicht ändern, es gehört zu mir. Oder an was dachtet Ihr? Ich versuche in meinen öffentlichen Beiträgen immer sachlich zu bleiben und niemanden zu diffamieren. Und auf das Schreiben bezogen: was sollte ich von Jerzy Montag befürchten????
    • @B.O.Achter

      Da habe nicht nur Ava, sondern auch Dich missverstanden. Sorry. Ich dachte, Du meinst die Beschneidung als "Siegel" der Abstammung.

      Könnte es sich bei den Heiratsregeln nicht auch um ein religiöses Gebot handeln, und nicht nur um eine "Tradition"?
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      @B.O.Achter

      Da habe nicht nur Ava, sondern auch Dich missverstanden. Sorry. Ich dachte, Du meinst die Beschneidung als "Siegel" der Abstammung.

      Könnte es sich bei den Heiratsregeln nicht auch um ein religiöses Gebot handeln, und nicht nur um eine "Tradition"?

      Hallo Werner,

      das weiß ich nicht. Soweit ich informiert bin, ist die "Halacha" die rechtliche Tradition des Judentums, die sich unter anderem aus der Tora ergibt.

      BoB
      Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
      George Orwell
    • Weiß ich nicht, ob Mischehen dort verboten sind- ich frag mal meine Freundin.
      Außerhalb Israels scheint es jedoch recht verbreitet zu sein, Menschen anderen Glaubens zu heiraten:

      "....Für die kommenden Jahre rechnet della Pergola damit, dass die Zahl der Juden außerhalb Israels weiter sinken wird. Als Ursachen nennt er die niedrige Geburtenrate und die hohe Zahl der Mischehen - ihr Anteil beträgt in der Diaspora 48 Prozent. Ungefähr ein Drittel der Kinder aus diesen Ehen definiert sich selbst nicht als jüdisch...."


      AREF-Israel-News: Wieviele Juden gibt es auf der Welt ?


      Zwar recht interessant, aber für unser Anliegen ohne Bedeutung, oder?
    • Kramer schrieb:


      Nun ja, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es eine jüdische Identität gibt, die über die jüdische Religion hinaus geht. Und da spielt die Beschneidung offensichtlich eine wichtige Rolle. Man mag vieles daran merkwürdig finden, z.B. warum nur Männer dieses eindeutige Zeichen tragen sollen oder dürfen. Aber hier handelt es sich zumindest um ein halbwegs ernst zu nehmendes Argument: Wenn das Zeichen für die Identität verloren geht, geht auch irgendwann die Identität verloren.

      Hallo Kramer,

      zunächst einmal reden wir ja über Säuglingsbeschneidung und nicht Männerbeschneidung, daher ist dieses Zeichen der Identität durch die aktuelle Diskussion eh nicht gefährdet - Beschneidung soll ja nicht verboten werden, sondern nur um 18 Jahre verschoben werden.

      Dann frage ich mich, gibt es im 21. Jahrhundert, wirklich noch diese Identität und ist sie nach über 60 Jahren nach der Gründung Israels überhaupt notwendig? Ein atheistischer amerikanischer Jude hat sehr wahrscheinlich mehr mit mir gemeinsam (habe keine jüdischen Vorfahren), als mit einem ultraorthodoxen Juden aus einer Siedlung in der Westbank oder mit einem konvertierten Juden.

      Ich denke heutzutage reicht bei jüdischen Männern, wie bei jüdischen Frauen, die Abstammungsurkunde als identitätsstiftendes Merkmal, zumal sie dieses Merkmal ja nicht exklusiv tragen. Mich hat noch keiner beim Sport unter der Dusche gefragt ob ich jüdisch bin ;)
    • Ich glaube sowieso, dass interreligiöse Ehen die vielleicht grösste Bedrohung für das Judentum sind - eine Bedrohung von innen, nicht von aussen. In Europa und in den USA heiratet jede/r zweite Jude/Jüdin eine/n Partner/in aus einer anderen Religion. Ob die dann noch ihre Kinder beschneiden?

      Das Zitat von Richter Gunis zeigt, wie "ernst" die Situation mittlerweile ist.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Ich glaube sowieso, dass interreligiöse Ehen die vielleicht grösste Bedrohung für das Judentum sind - eine Bedrohung von innen, nicht von aussen.

      Das Bedrohungsszenario wird auch auf andere Weise aufgebaut, sh. z. B. hier:

      Messianisches Judentum

      Zitat:

      Wo die Kirchen es bisher nicht geschafft haben, versuchen es nun die
      "Juden für Jesus". Das Ziel ist dasselbe – die Beseitigung der Juden.
      Auch wenn man es nicht mehr direkt so nennt, es bleibt doch dasselbe.
      Und ob man einen Juden in der Gaskammer tötet oder durch Konversion – in
      beiden Fällen ist er als Jude tot.


      Schwer fassbar, oder? Und der Verfasser ist, oder sieht sich, als liberaler Jude!

      Allerdings bin ich mit Ava einer Meinung, dass die "Basis" das alles wesentlich entspannter sieht. Genauso wie in der Politik sind es wohl auch bei den Religionsgemeinschaften die "Spitzenkräfte", die den größten Mist verzapfen.
      Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
      George Orwell
    • Ava schrieb:

      Ich glaube sowieso, dass interreligiöse Ehen die vielleicht grösste Bedrohung für das Judentum sind


      Wieso? Für die Beschneidung vielleicht, aber eine 4000 Jahre alte Kultur hat sicherlich sehr viel mehr zu bieten als nur das. Wäre sonst ein jämmerliches Ergebnis, oder?

      Offensichtlich sind sich selbst die Juden da nicht so sicher - zumindest ihre Verteter. Das Volk fährt nach Zypern...
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Das Zitat von Richter Gunis zeigt, wie "ernst" die Situation mittlerweile ist.
      Die Situation ist in der Tat "ernst" und sie wird noch "ernster":

      Konflikte: Zahl von Juden und Arabern in Nahost bald gleich - Ausland - FOCUS Online - Nachrichten

      Fazit: die in Israel lebenden Araber vermehren sich wesentlich schneller als die Juden, d. h. man kann buchstäblich darauf warten, bis sie im eigenen Staat in der Minderheit sind. So gesehen ist Israel als "Staat der Juden" eigentlich ein failed state.
      Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
      George Orwell
    • Jetzt gleiten wir aber ab und die Debatte sollten wir nicht führen. Dann würde man uns in Sippenhaft nehmen, mal wieder für die Äußerungen einzelner, und uns ankreisen, die Beschneidungsgegnerschaft sei anti-israelisch. Als antisemitisch
      zu gelten,in manchen kranken Hirnen , sollte uns vorerst reichen, oder?
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Volksabstimmung - nein danke.

      Das Thema ist zu groß für eine Volksabstimmung, denn (behaupte ich) - auch wenn wir hier sehr engagiert sind und sehen auf wie vielen Plattformen sich noch mehr Leute (oder zum Teil dieselben) engagieren, kann nicht ausgeschlossen sein, dass es der Mehrheit der deutschen Bevölkerung SO WIE BIS ZUM KÖLNER URTEIL am ..... vorbeigeht. Die Abstimmung würde also so oder so nicht behaupten können, die wirklich vorhandene Mehrheitsmeinung wiederzugeben. Ausserdem: Die Demokratie -behaupte ich - muss auch die Mindermeinung nicht nur respektieren sondern auch schützen, d.h. nicht emotionale, utilitaristische oder religöse Gründe dürften hier zum Tragen kommen, sondern rein vernünftige. Vernunft aber ist ein Thema, mit dem wir seit der Aufklärung - und speziell wir als Deutsche seit Kant - vertraut sein sollten bzw. - seit der NS-Zeit wieder vertraut sein sollten oder vertraut gemacht werden sollten. Für den Haus- und Wiesengebrauch, selbst für die Chat-und-Chill-Generation sollte die Kenntnis des kategorischen Imperativs da schon reichen. Vernunft oder ihren kleiner Bruder, gesunden Menschenverstand, hat jeder selbst, sogar genug davon, wie schon Descartes begründete (Discours de la Méthode):
      Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt; denn jedermann glaubt, so wohl damit versehen zu sein, daß selbst einer, der in allen anderen Dingen nur sehr schwer zu befriedigen ist, für gewöhnlich nicht mehr davon wünscht, als er besitzt.
    • Jerzy Montag, Broder, Volksabstimmung

      Götz schrieb:

      Herr Montag redet nur Bleich!

      Strafrecht und Familienrecht, wo die Beschneidung geregelt werden könnte, gehören gem Art. 74 I 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung. Die Länder können hier nur Gesetze erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. (Art. 72 I GG). Das dürfte hier aber der Fall sein, da der Bund sowohl die Körperverletzung im Strafrecht als auch das Sorgerecht im Familienrecht umfassend geregelt hat. Die Beschneidung könnte also nur durch ein Bundesgesetz geregelt werden. Auf Bundesebene sieht das GG jedoch eine Volksabstimmung nur für den Fall der Neugliederung des Bundesgebietes (Art.29 GG) und der Abstimmung über eine Verfassung (Art. 146 GG) vor. Um eine Volsabstimmung zum Thema Beschneidung durchführen zu können, müsste also das Grundgesetz geändert werden! Ha,ha!
      M.E. gibt es unter dem gegenwärtigen GG keinen Weg zu einer Volksabstimmung, oder ist jemand anderer Meinung? A