In der Zeitschrift „Anästhesie und Intensivmedizin“ vom Januar 2014 ist ein „Brief an den Herausgeber“ von der Anästhesistin Dr. Birgit Pabst veröffentlicht, der eine Stellungnahme zu einem Artikel von Dr. Jost Kaufmann, Prof. Leo Laschat und Prof. Frank Wappler mit dem Titel „Perioperative Schmerztherapie bei Frühgeborenen, Säuglingen und Kleinkindern“ enthält. Der Artikel von Dr. Kaufmann et.al. erschien im Jahre 2012 ebenfalls in der o.g. Zeitschrift und wurde hier im Forum bereits erwähnt und diskutiert.
Angehängt an die Stellungnahme von Frau Dr. Pabst sind Erwiderungen des verantwortlichen Artikelautors Dr. Kaufmann sowie von Prof. Bernhard Roth aus der Abteilung „Neonatalogie und pädiatrische Intensivmedizin“ der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Köln, der in der Stellungnahme von Dr. Pabst Erwähnung fand.
In ihrer Stellungnahme belegt Dr. Pabst, dass die im Originalartikel zitierte Referenzliteratur „auf keinen Fall für eine Empfehlung und einen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit des NNS (Nicht-nutrives-Saugen) hinreichend“ ist, um eine adäquate Schmerzreduktion bei Neugeborenen zu erreichen. Des weiteren weist Dr. Pabst darauf hin, dass nach neuerer wissenschaftlicher Forschung die beobachtbaren Ausdrucksweisen sowohl des kindlichen als auch des erwachsenen Patienten keinen unmittelbaren Schluss auf die tatsächliche Schmerzerfahrung zulassen (Slater-Studie). Dr. Pabst sieht ein erhebliches Missbrauchspotential in der von Dr. Kaufmann et.al. gegebenen Empfehlung durch rituelle Beschneider und findet sich (neben Prof. Latasch im Ethikrat und Stephan Kramer vor dem Rechtsausschuss) durch einen Vortrag von Prof. Roth auf dem Kongress jüdischer Mediziner im Jahre 2012 bestätigt, in dem Prof. Roth (neben der Anwendung der EMLA-Creme) das NNS mit einer Glukoselösung für die Schmerzbehandlung bei der rituellen Beschneidung empfahl.
Dr. Pabst zeigt in ihrer Stellungnahme darüber hinaus die Co-Autorenschaft von Forschern über NNS und über EMLA sowie die Beteiligung des Herstellers der Creme an den einschlägigen Untersuchungen auf, und weist zusätzlich darauf hin, dass die Europäische Arzneimittelagentur die Anwendung von EMLA mittlerweile als „ethisch inakzeptabel“ eingestuft hat. Darauf hin seien die Anwendungshinweise in den Gebrauchsinformationen entsprechend getilgt worden.
In seiner Stellungnahme zum Leserbrief von Dr. Pabst besteht Dr. Kaufmann darauf, dass er sich in seinem Artikel ausschliesslich auf die Anwendung des NNS und der Emla-Creme bei Venenpunktionen und nicht bei operativen Schmerzen bezogen habe.
„Wie die Kollegin dann aus unseren Ausführungen ableitet, dass wir das NNS als ‚wirksames Schmerzlinderungsverfahren‘ zur Neugeborenenzirkuszision empfehlen, bleibt ein unlösbares Rätsel und bedarf keines weiteren inhaltlichen Kommentars.“
Dr. Pabst hat jedoch überhaupt gar nichts „abgeleitet“, sondern auf das „Missbrauchspotential“ der Dr. Kaufmann’schen Empfehlung durch rituelle Beschneider hingewiesen und dies auch belegt. Dr. Kaufmann unterstellt auf gröblich unredliche Art, dass Dr. Pabst „unseren Zeitschriftenartikel in verfälschender Weise zu instrumentalisieren“ sucht, nämlich für ihre Forderung nach adäquater Anästhesie bei der rituellen Beschneidung. Dr. Kaufmann nennt dies „inakzeptabel“. Er empfiehlt Dr. Pabst, „der eigenen Sache keinen Schaden durch den unsachgemässen Umgang mit den Aussagen Anderer zuzufügen“.
Für mich selbst bleibt es viel eher ein „ungelöstes Rätsel“, warum Dr. Kaufmann sich nach wie vor hartnäckig weigert, auf das von Dr. Pabst belegte Missbrauchspotential seiner Empfehlung einzugehen, und sich hinter dem Hinweis zu verschanzen, er habe ja doch keinerlei Aussagen zur Beschneidung gemacht. Stattdessen wird Dr. Pabst von ihm unterstellt, sie habe seinen Artikel „in verfälschender Weise instrumentalisiert“. Wer ihren Artikel jedoch genau liest, wird ohne weiteres erkennen, dass dies in keinster Weise der Fall ist.
In einer weiteren Stellungnahme zum Leserbrief von Dr. Pabst bezeichnet Prof. Roth diesen als „ausgesprochen investigativ“. (Ich hoffe, mich getäuscht zu haben, hier einen negativen Unterton herauszuhören.)
Prof. Roth weist wie Dr. Kaufmann auf die schmerzstillende Wirkung des NNS mit Glukose- bzw. Saccaroselösungen hin, die er für wissenschaftlich bewiesen hält. Jedoch nur bei „kurzdauernden und und gering schmerzhaften Massnahmen bei Früh- und Neugeborenen in den ersten zwei Lebenswochen“.
„Für die Behandlung von postoperativen Schmerzen sind Saccarose-/Glukoselösungen als alleinige Massnahmen jedoch völlig ungeeignet“.
Man freut sich (wenigstens bis dahin), dass wenigstens Prof. Roth hier zu einer eindeutigen Stellungnahme bereit ist!
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen nimmt Prof. Roth diese Aussage jedoch erstaunlicherweise wieder zurück:
„Die Anwendung nicht-pharmakologischer Massnahmen ist im Ritual der Brit Milah in gewissem Sinne bereits enthalten und leicht in dem hier gewünschten Sinne zu intensivieren.“
Wenn etwas „völlig ungeeignet“ ist, nützt es wohl kaum, wenn es „intensiviert“ wird. Dass Prof. Roth sich hier selbst widerspricht, scheint ihm nicht aufgefallen zu ein.
Die EMLA-Creme betreffend macht Prof. Roth dann einen Unterschied:
„In der Tat, EMLA ist als analgetische Massnahme im Rahmen der ‚medizinischen‘ Zirkumzision ungeeignet, aber für die Brit Milah kann das Präparat zur Schmerzprävention wertvoll sein.“
Den Grund dafür sieht Prof. Roth in der besonderen Schnittechnik mit der Mogen-Klemme, die genau dort ansetze, wo EMLA wirke. Dass EMLA dort nur ein kleines bisschen wirkt, unterschlägt Prof. Roth. Von einer angemessenen Schmerzbekämpfung kann jedenfalls keine Rede sein!
Prof. Roth bedauert zum Schluss seiner Stellungnahme, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMLA als ehtisch inakzeptabel eingestuft habe. Daraus sei ein „neues ethisches Dilemma“ entstanden. Dabei vergisst Prof. Roth, welches „ethische Dilemma“ durch die auch von ihm selbst als ungeeignet eingestufte Anwendung von EMLA bestanden hat!!!
Ich empfinde die Stellungnahmen von Dr. Kaufmann und Prof. Roth schlichtweg als Eiertanz. Die Auswahl der von ihnen zitierten Studien ist selektiv; die Weigerung, auf bestimmte von Dr. Pabst aufgezeigte Fakten wie z.B. die Verwicklung des EMLA-Herstellers und den Missbrauchsverdacht der Studien durch rituelle Beschneider einzugehen, ist unverständlich; die Charakterisierung des Vorgehens von Dr. Pabst ist aus meiner Sicht ehrenrührig, wenn nicht beleidigend.
Statt dieser und anderer Eiertänze um die Übertragbarkeit von umstrittenen und zweifelhaften Untersuchungen über die Schmerztherapie bei Neugeborenen auf die rituelle Beschneidung fortzuführen, sind die Befürworter aufgefordert, den exakten Ablauf der rituellen Beschneidung zu beschreiben, und die Wirksamkeit von schmerzbekämpfenden Massnahmen wissenschaftlich darzustellen. Solange dies nicht erfolgt ist, kommt die rituelle Säuglingsbeschneidung aus dem Geruch, eine Kindsmisshandlung zu sein, nicht heraus.
Aufgefordert ist aber auch die deutsche Ärzteschaft, die offensichtlichen Widersprüche in der Argumentation von Prof. Roth zu kritisieren. Es kann ja wohl nicht angehen, dass ein und derselbe Professor eine Methode empfiehlt, die er selbst für ungeeignet hält!
Angehängt an die Stellungnahme von Frau Dr. Pabst sind Erwiderungen des verantwortlichen Artikelautors Dr. Kaufmann sowie von Prof. Bernhard Roth aus der Abteilung „Neonatalogie und pädiatrische Intensivmedizin“ der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Köln, der in der Stellungnahme von Dr. Pabst Erwähnung fand.
In ihrer Stellungnahme belegt Dr. Pabst, dass die im Originalartikel zitierte Referenzliteratur „auf keinen Fall für eine Empfehlung und einen wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit des NNS (Nicht-nutrives-Saugen) hinreichend“ ist, um eine adäquate Schmerzreduktion bei Neugeborenen zu erreichen. Des weiteren weist Dr. Pabst darauf hin, dass nach neuerer wissenschaftlicher Forschung die beobachtbaren Ausdrucksweisen sowohl des kindlichen als auch des erwachsenen Patienten keinen unmittelbaren Schluss auf die tatsächliche Schmerzerfahrung zulassen (Slater-Studie). Dr. Pabst sieht ein erhebliches Missbrauchspotential in der von Dr. Kaufmann et.al. gegebenen Empfehlung durch rituelle Beschneider und findet sich (neben Prof. Latasch im Ethikrat und Stephan Kramer vor dem Rechtsausschuss) durch einen Vortrag von Prof. Roth auf dem Kongress jüdischer Mediziner im Jahre 2012 bestätigt, in dem Prof. Roth (neben der Anwendung der EMLA-Creme) das NNS mit einer Glukoselösung für die Schmerzbehandlung bei der rituellen Beschneidung empfahl.
Dr. Pabst zeigt in ihrer Stellungnahme darüber hinaus die Co-Autorenschaft von Forschern über NNS und über EMLA sowie die Beteiligung des Herstellers der Creme an den einschlägigen Untersuchungen auf, und weist zusätzlich darauf hin, dass die Europäische Arzneimittelagentur die Anwendung von EMLA mittlerweile als „ethisch inakzeptabel“ eingestuft hat. Darauf hin seien die Anwendungshinweise in den Gebrauchsinformationen entsprechend getilgt worden.
In seiner Stellungnahme zum Leserbrief von Dr. Pabst besteht Dr. Kaufmann darauf, dass er sich in seinem Artikel ausschliesslich auf die Anwendung des NNS und der Emla-Creme bei Venenpunktionen und nicht bei operativen Schmerzen bezogen habe.
„Wie die Kollegin dann aus unseren Ausführungen ableitet, dass wir das NNS als ‚wirksames Schmerzlinderungsverfahren‘ zur Neugeborenenzirkuszision empfehlen, bleibt ein unlösbares Rätsel und bedarf keines weiteren inhaltlichen Kommentars.“
Dr. Pabst hat jedoch überhaupt gar nichts „abgeleitet“, sondern auf das „Missbrauchspotential“ der Dr. Kaufmann’schen Empfehlung durch rituelle Beschneider hingewiesen und dies auch belegt. Dr. Kaufmann unterstellt auf gröblich unredliche Art, dass Dr. Pabst „unseren Zeitschriftenartikel in verfälschender Weise zu instrumentalisieren“ sucht, nämlich für ihre Forderung nach adäquater Anästhesie bei der rituellen Beschneidung. Dr. Kaufmann nennt dies „inakzeptabel“. Er empfiehlt Dr. Pabst, „der eigenen Sache keinen Schaden durch den unsachgemässen Umgang mit den Aussagen Anderer zuzufügen“.
Für mich selbst bleibt es viel eher ein „ungelöstes Rätsel“, warum Dr. Kaufmann sich nach wie vor hartnäckig weigert, auf das von Dr. Pabst belegte Missbrauchspotential seiner Empfehlung einzugehen, und sich hinter dem Hinweis zu verschanzen, er habe ja doch keinerlei Aussagen zur Beschneidung gemacht. Stattdessen wird Dr. Pabst von ihm unterstellt, sie habe seinen Artikel „in verfälschender Weise instrumentalisiert“. Wer ihren Artikel jedoch genau liest, wird ohne weiteres erkennen, dass dies in keinster Weise der Fall ist.
In einer weiteren Stellungnahme zum Leserbrief von Dr. Pabst bezeichnet Prof. Roth diesen als „ausgesprochen investigativ“. (Ich hoffe, mich getäuscht zu haben, hier einen negativen Unterton herauszuhören.)
Prof. Roth weist wie Dr. Kaufmann auf die schmerzstillende Wirkung des NNS mit Glukose- bzw. Saccaroselösungen hin, die er für wissenschaftlich bewiesen hält. Jedoch nur bei „kurzdauernden und und gering schmerzhaften Massnahmen bei Früh- und Neugeborenen in den ersten zwei Lebenswochen“.
„Für die Behandlung von postoperativen Schmerzen sind Saccarose-/Glukoselösungen als alleinige Massnahmen jedoch völlig ungeeignet“.
Man freut sich (wenigstens bis dahin), dass wenigstens Prof. Roth hier zu einer eindeutigen Stellungnahme bereit ist!
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen nimmt Prof. Roth diese Aussage jedoch erstaunlicherweise wieder zurück:
„Die Anwendung nicht-pharmakologischer Massnahmen ist im Ritual der Brit Milah in gewissem Sinne bereits enthalten und leicht in dem hier gewünschten Sinne zu intensivieren.“
Wenn etwas „völlig ungeeignet“ ist, nützt es wohl kaum, wenn es „intensiviert“ wird. Dass Prof. Roth sich hier selbst widerspricht, scheint ihm nicht aufgefallen zu ein.
Die EMLA-Creme betreffend macht Prof. Roth dann einen Unterschied:
„In der Tat, EMLA ist als analgetische Massnahme im Rahmen der ‚medizinischen‘ Zirkumzision ungeeignet, aber für die Brit Milah kann das Präparat zur Schmerzprävention wertvoll sein.“
Den Grund dafür sieht Prof. Roth in der besonderen Schnittechnik mit der Mogen-Klemme, die genau dort ansetze, wo EMLA wirke. Dass EMLA dort nur ein kleines bisschen wirkt, unterschlägt Prof. Roth. Von einer angemessenen Schmerzbekämpfung kann jedenfalls keine Rede sein!
Prof. Roth bedauert zum Schluss seiner Stellungnahme, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMLA als ehtisch inakzeptabel eingestuft habe. Daraus sei ein „neues ethisches Dilemma“ entstanden. Dabei vergisst Prof. Roth, welches „ethische Dilemma“ durch die auch von ihm selbst als ungeeignet eingestufte Anwendung von EMLA bestanden hat!!!
Ich empfinde die Stellungnahmen von Dr. Kaufmann und Prof. Roth schlichtweg als Eiertanz. Die Auswahl der von ihnen zitierten Studien ist selektiv; die Weigerung, auf bestimmte von Dr. Pabst aufgezeigte Fakten wie z.B. die Verwicklung des EMLA-Herstellers und den Missbrauchsverdacht der Studien durch rituelle Beschneider einzugehen, ist unverständlich; die Charakterisierung des Vorgehens von Dr. Pabst ist aus meiner Sicht ehrenrührig, wenn nicht beleidigend.
Statt dieser und anderer Eiertänze um die Übertragbarkeit von umstrittenen und zweifelhaften Untersuchungen über die Schmerztherapie bei Neugeborenen auf die rituelle Beschneidung fortzuführen, sind die Befürworter aufgefordert, den exakten Ablauf der rituellen Beschneidung zu beschreiben, und die Wirksamkeit von schmerzbekämpfenden Massnahmen wissenschaftlich darzustellen. Solange dies nicht erfolgt ist, kommt die rituelle Säuglingsbeschneidung aus dem Geruch, eine Kindsmisshandlung zu sein, nicht heraus.
Aufgefordert ist aber auch die deutsche Ärzteschaft, die offensichtlichen Widersprüche in der Argumentation von Prof. Roth zu kritisieren. Es kann ja wohl nicht angehen, dass ein und derselbe Professor eine Methode empfiehlt, die er selbst für ungeeignet hält!
"Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.