"Bildungs"veranstaltung in Freiburg, am 6.6.13 um 16h30 (bis 18h)

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    • Wir haben einige aus Freiburg und Umgebung hier im Forum.
      Bitte, geht da hin und lasst diesen Unsinn nicht unwidersprochen:
      Ein nur dekretiertes, von den Menschen nicht nachvollziehbares Grundrecht ist gefährdet.
      Aber in Einem hat der Schreiberling vielleicht recht:
      dass Religionsfreiheit ein Bildungsproblem ist.
      :D
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Dazu muss auch der evangelische Religionsunterricht beitragen und sich
      selbst Informationen vorzugsweise aus erster Hand beschaffen.
      Vielleicht werden demnächst ganze Schulklassen zu Synagogen gekarrt, um eine Brit Milah einmal aus "erster Hand" zu erleben, um diese desaströse Bildungslücke zu füllen?
      Bin ich froh, kein Mitglied der EKD mehr zu sein.

      Ich hoffe, irgendwer von hier hat Zeit, da hinzugehen und seine Informatonen aus erster Hand beizutragen, ist für mich leider zu weit weg.
    • " Ein nur dekretiertes, von den Menschen nicht nachvollziehbares Grundrecht ist gefährdet."


      Stimmt: aber nur das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ist durch die Legalisierung der Beschneidung von männlichen Säuglingen und Kindern gefährdet. Und dieses ist für mindestens 70% der Menschen in Deutschland sehr wohl nachvollziehbar.


      Außerdem ist die Aussage Quatsch: es gibt kein Grundrecht auf religiös begründete Verstümmelung, das man den Menschen nur einsichtig machen müsse, damit sie es akzeptieren. Genauso wenig wie ein Recht auf Todesstrafe für Gotteslästerung oder ein Recht auf religiös begründetes Schlagen und Unterdrücken von Frauen.




      "Darum gehört zu seiner Achtung jedenfalls ein Minimum an Einblick und Verständnis in Praxis, Sinn und Stellenwert der zentralen Rituale der Religionen in unserem Land."


      Die ach so progressiven evangelischen Christen fallen in die Denke der mittelalterlichen katholischen Kirche zurück.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Der These, dass der Mangel an Akzeptanz gegenüber der religiösen Beschneidung einem Bildungsmangel geschuldet sei, begegnet einem seit Beginn der Beschneidungsdebatte. Seitdem ist mehr als ein Jahr vergangen und die meisten Beschneidungskritiker haben ein tieferes Verständnis für das Ritual als die meisten Gläubigen. Dass Verständnis haben nicht automatisch Akzeptanz bedeutet, will den Befürwortern nicht in den Kopf. Ausserdem steht in keinster Weise das Ritual als solches in frage, sondern "nur" dessen blutige Umsetzung. Auch steht natürlich nicht "die" Religionsfreiheit in frage, sondern "nur" deren Grenze. Auch bei Beschneidung aus "gesundheitlichen" Gründen steht nicht "die" ärztliche Kunst in frage, sondern "nur" deren Grenzen.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Schmusekurs

      R(h)einwein wrote:

      Die ach so progressiven evangelischen Christen fallen in die Denke der mittelalterlichen katholischen Kirche zurück.
      Der Schmusekurs der evangelischen Kirche mit den Muslimen und den Menschen jüdischen Glaubens wurde auch in dem jüngsten Artikel von Frau Käßmann deutlich: chrismon.evangelisch.de/blog/a…grosser-fortschritt-18967

      Was treibt die Führungsebene dieser Kirche dazu? Ist es die nackte Angst, ohne den Schulterschluss mit anderen Religionsführern gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden? Eine andere Erklärung habe ich nicht.
    • R(h)einwein wrote:

      Die ach so progressiven evangelischen Christen fallen in die Denke der mittelalterlichen katholischen Kirche zurück.

      Vielleicht geschieht das ja aus einer gewissen Taktik heraus. Die katholische Kirche hat aufgrund des Missbrauchsskandals in den letzten Jahren viele Mitglieder verloren, die die EKD zu gerne auffischen würde. Dazu muss man ihnen ein halbwegs ansprechendes folkloristisches Programm bieten. Daher wahrscheinlich auch die Bestrebungen zum gemeinsamen Abendmahl. Das schien schon vor Jahren wichtiger zu sein, als den mittelalterlichen Anwandlungen des Papst Benedikts etwas Protestantisches entgegen zu setzen.
    • Zunächst, Herr Frankenstein äußerte sich persönlich gegen die Beschneidung und machte einen, zumindest auf mich, kompetenten und sympathisch Eindruck. Allerdings äußerte er sich auf rein theologischer Ebene.
      Die Einführung war recht zäh, die ersten 45 Minuten bestanden aus Bibel und Torazitaten, um den rituellen Bestandteil der Beschneidung zu erläutern. Es folgten nach diesen 45 Minuten emotionale Einwürfe von Zuhörerinnen sowie sachdienliche Aspekte von Guy, was den physiologischen und medizinischen Aspekt der Beschneidung anbelangte. Die 90 Minunten vergingen recht schnell, die Diskussion verlief sachlich und war, wie ich empfand, größtenteils contra Beschneidung, was mich für den Ort des Geschehens sehr überraschte. Unterm Strich jedoch nichts Neues, jedoch nett zu sehen, dass noch reges Engagement in Sachen Beschneidung vorhanden ist.
      Ich diskutiere nicht ob falsch oder wahr, ich propagiere nicht, ich lege dar (Arno Holz)
    • Ruben Frankenstein ist ein sympatischer Mann, vermutlich in den 70gern. Stimmen wie seine haben bei der Debatte schmerzlich gefehlt. Die Stimmen von Brückenbauern, die einerseits für Verständnis werben, darüber dass ein solches archaisches und grausames (Originalton Frankenstein) Ritual, sich nicht von heute auf morgen erledigt, andererseits diese Praxis ihrem eigenen Enkel gerne erspart hätten (so auch Frankenstein).

      Es folgten einige Zurechtrückungen und Ausweitungen meinerseits, über einige Aspekte:

      Darüber, dass es wohl eine Alternative gibt, die Brit shalom, die den Sinn des Blutopfers - des Opfers überhaupt - erhält, und den Bund mit Gott zelebriert, ohne Verletzung im Intimbereich. Wahrheitsgemäß hat Ruben Frankenstein beigepflichtet, dass es in Israel etwa 2% der Bevölkerung gibt, die nicht beschneiden.

      Darüber, dass die Schadensziffer im Dunkel liegt, aber Komplikationen zwischen 2 und 28% (Ausreisser) liegen, dass natürlich und nachgewiesener Maßen die Eichel abstumpft (chinesische Studie zur "Heilung" von ejaculatio praecox mittels Beschneidung), was freilich nicht zwingend und bei allen zu Störungen des Sexuallebens führt, aber eben doch bei einigen, deren Ansinnen man nicht abspeisen kann und darf, mit unterstellten psychischen Problemen.

      Über die moralische Nötigung der Politik, die darob den 1631d produziert hat.

      Über die Strafrechtler, die nun nach langem Nachdenken ("diese Leute reden nicht so schnell und unüberlegt daher wie unsere Politiker") der Legislativen nun ins Lenkrad greifen und darum, dass die Politik dem Judentum einen Bärendienst erwiesen hat.

      Darüber was eine Phimose wirklich ist und vor allem, was sie nicht ist.
      Unter 30 Anwesenden erzählten gleich 2(!!!) Damen von der Phimosebeschneidung ihrer Söhne, einer wurde im Alter von 3(!!!) Jahren beschnitten, wegen einer "Phimose". Ich kann berichten, dass das Interesse und die Verwunderung groß war, zu hören, dass es den vielbeschworenen Operationsgrund Phimose eigentlich (fast) nicht gibt, da sie meistens einen Normalzustand darstellt und allenfalls durch missglückte Rückzugsversuche und dadurch bedingte Vernarbung herbeigedehnt wird... Kurz, gegen Unwissenheit hilft eben nur Aufklärung, und wenn man das ohne Schaum vor dem Mund tut, dann wird es gerne angenommen. In Freiburg wissen nun 30 Leute mehr, was eine Phimose und was eine Schutzbehauptung mit Gewinnabsicht ist.

      Darüber dass die aufgeklärte, jüdische Freundin eines Teilnehmers, die erzählte wie ihr Sohn, nach der Beschneidung, nach 30 Sek. wieder eingeschlafen sei, an einer verzerrten Wahrnehmung gelitten haben dürfte und den Schmerzkoma ihres Sohnes umgedeutet hat, in einen normalen Schlaf. Eben eine Rationalisierung von Dingen, die man ansonsten - gerade als Mutter - nicht aushalten würde.

      Insgesamt eine wirklich offene und interressante Veranstaltung, wie auch eine sehr interressierte Teilnehmerschaft. Keine Spur von der üblichen Kumpanei unter den Religionen, die gegen den wütenden Atheismus den Schulterschluss proben.

      Mein Kompliment geht an den Veranstalter und den Vortragenden, der eine ganz gelungene Überraschung war.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Guy Sinden, ich verneige mich vor Dir, tolle Beiträge in dieser Debatte. Und ich bin über die Maßen froh und erleichtert, dass die Debatte so fruchtbar verlief und Herr Frankenstein ein so nachdenklicher, offenherziger Mensch zu sein scheint. Mit ihm kann man bestimmt gut diskutieren, auch mal kontrovers, aber ruhig und sachlich.

      Dialoge wie diese, jenseits des Fanatismus und der Frontenbildung, hätten uns allen - statt des vorschnellen Erlasses des Skandalgesetzes - gutgetan.
    • Danke Guy, danke Pallas!
      Da waren die Richtigen vor Ort... :thumbup:
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
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    • Ich vergaß....

      viele Anwesende waren Religionslehrer. Es freut mich über die Maßen diese Multiplikatoren zumindest sensibilisiert zu haben. Einige wollten wissen, wer ich bin, warum ich mich mit dem Thema ein Wenig auskenne, usw. Ich habe dann auf BVJ verwiesen zur Vertiefung des Themas. Und immer wieder musste ich an unseren Kurt denken... das hätte ihm gefallen, dass bei den Evangelen so etwas stattfindet, haben doch einige seiner Koreligionäre, während der Debatte, sich, aus falsch verstandener Solidarisierung, arg daneben benommen.

      Ruben Frankenstein machte sinngemäß darauf aufmerksam, dass für viel Säkulare Juden die Beschneidung die letzte Verbindung zum Judentum sei, und sie mithin für viele eine - ich nenne das mal - "kulturelle Dimension" besitzt.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • @ Guy

      Danke für den ausführlichen Bericht. Der Einladungstext zu dieser Veranstaltung hat Schlimmes befürchten lassen. Der Referent war offensichtlich differenzierter als die Vorankündigung erwarten ließ und die Einladenden vermutet haben.

      Danke Guy und Pallas für Eure Diskussionsbeiträge, die Zweifler bestärkt haben wird und bisher gutgläubige Befürworter zum Nachdenken bringen könnte.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Guy wrote:

      Ruben Frankenstein machte sinngemäß darauf aufmerksam, dass für viel Säkulare Juden die Beschneidung die letzte Verbindung zum Judentum sei, und sie mithin für viele eine - ich nenne das mal - "kulturelle Dimension" besitzt.

      Das hat man allenthalben in der Debatte so gehört.

      Zunächst zum Begriff "Säkulare Juden": für mich klingt das so wie Rassismus in Reinstform, da durch Wegfall der Weltanschauung nur noch die Abstammung zählen kann. Man belehre mich aber gerne eines besseren unter Berücksichtigung folgender Aspekte: Woran erkenne ich einen säkularen Juden? Kann ich als säkularer Nullachtfünfzehnmitteleuropäer säkularer Jude werden, wenn ich das möchte? Da ein Konvertieren ja nicht möglich ist, wie würde das dann vonstatten gehen?

      Wie hätte man sich vergleichsweise einen säkularen Moslem vorzustellen? Quasi als horror vacui?

      Man möge mir verzeihen, dass ich mich an bestimmten Begrifflichkeiten reibe.
    • Ein säkularer Jude ist nur noch Jude durch seine Abstammung. Das religiöse Element spielt hier keine Rolle mehr. Aber man will eben nicht aufgeben Jude zu sein. Hier sieht man, dass jüdisch sein, sich nicht auf die Religionszugehörigkeit beschränkt, sondern eine soziale, eine identitäre und kulturelle Dimension besitzt.
      Wenn nun schon der Glaube abhanden gekommen ist und man noch die Beschneidung verbietet, was unterscheidet dann noch einen deutschen säkularen Juden von einem nichtjüdischen Deutschen?
      Richtig! kaum noch etwas.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Vielen Dank Guy und Pallas!

      Ihr habt einen großartigen Job gemacht!
      Mensch und dann auch noch ohne den bisher stets traurigerweise gewohnten Frust!
      Das will ich auch noch mal erleben :D War ein JournalistIn anwesend?
      Ich würde mal sagen: heute abend wurde ein Bann gebrochen.

      Ruben Frankenstein machte sinngemäß darauf aufmerksam, dass für viel Säkulare Juden die Beschneidung die letzte Verbindung zum Judentum sei, und sie mithin für viele eine - ich nenne das mal - "kulturelle Dimension" besitzt.

      Das wird oft gesagt.
      Da stellt sich die Frage: warum gerade DAS?
      Und nicht irgendein anderer jüdisch traditioneller Brauch?

      Da scheint mir als naheliegendster Grund der TäterOpferKreislauf, der den sozialen Druck erzeugt.
      Außerdem wird die Handlung nicht den Erwachsenen selbst, sondern einem Dritten, einem wehrlosen Kind, angetan.
      Will damit sagen: auch diese verblumt "kulturell" genannten Gründe sind sehr vielschichtig und keinesfalls immer "kultureller" Natur.
    • Bei den spanischen Marranos soll sich in manchen Familien der Brauch gehalten haben, am Freitagabend zwei Leuchter anzuzünden und dann in einen geschlossenen Schrank zu stellen. Hintergrund dieses Brauchs soll die Erinnerung an die Feier des Schabbat gewesen sein, den die Zwangskonvertiten nicht mehr frei feiern konnte.

      Interessant wäre, ob unter den Marranos auch noch zirkumzidiert wurde...
      Gruß
      Hickhack
    • Guy wrote:

      Ein säkularer Jude ist nur noch Jude durch seine Abstammung. Das religiöse Element spielt hier keine Rolle mehr.


      Sekularität und Religiosität stehen sich nicht per se gegensätzlich gegenüber. Man kann sekular und religiös sein. Man kann aber auch atheistisch und jüdisch sein. Irgendwo habe ich mal das Wort "Schicksalsgemeinschaft" aufgeschnappt. Die jüdische Gemeinschaft identifiziert sich sicherlich durch weitaus mehr als nur durch religiöse Faktoren.

      Pizarro73 wrote:

      Und nicht irgendein anderer jüdisch traditioneller Brauch?

      Naja da gibt es bestimmt noch ganz viel anderes... das kleine Gebetskästchen an der Tür haben wohl auch die meisten Nichtreligiösen, soweit ich gehört habe. Einfach eine nette alte Tradition. Und die Feierlichkeiten, wie das Lichterfest, ganz bestimmt auch. Kultur und Geschichte wollen sicherlich gepflegt und tradiert werden - aber sie sind da, als geistige Elemente, nicht als körperliche. Und alles, was geistig und mit freiem Willen vonstatten geht, ist nicht überall vollkommen gleich. Nur - was rechtfertigt das? Und haben die Frauen nicht auch einen ganzen Körper...?
    • Eine befriedigende Antwort, weshalb das Ritual auch in säkularen Kreisen weiter fortgesetzt wird, scheint es nicht zu geben.

      Meine persönliche Erklärung des Phänomens ist da recht simpel: das Aufgeben des Rituals käme dem Eingeständnis gleich, in der Vergangenheit womöglich etwas falsches, unrechtes getan zu haben. Das scheint geradezu unvorstellbar zu sein. Wer käme schon auf die Idee, sich einzugestehen, Menschenrechte des eigenen Kindes verletzt zu haben. Der einfachste Verdrängungsmechanismus besteht also darin, an gewohnten Dingen weiter festzuhalten. Was hunderte Generationen zuvor gemacht haben, kann ja nicht falsch gewesen sein, auch wenn es nicht richtig war. Nur kommt man mit dieser Einstellung leider keinen Millimeter vom Fleck.
    • Pizarro73 wrote:

      Will damit sagen: auch diese verblumt "kulturell" genannten Gründe sind sehr vielschichtig und keinesfalls immer "kultureller" Natur.

      Ich sehe das genauso. Warum machen das fast alle, und warum ausgerechnet das? Warum wird das derart aggressiv verteidigt? Die religiöse Komponente dürfte für mindestens 70 % nicht ausschlaggebend sein gemäß eines Interviews, dass ich mal hier gepostet hatte. Ich verlinke das später vielleicht nochmal hierher. Der Identitätsfaktor scheint sehr viel bedeutsamer zu sein und was ich bislang hierzu an Äußerungen mitbekommen habe, wirkt auf mich, ehrlich gesagt, überaus pathetisch. Doch auch das allein dürfte kaum eine Erklärung sein. Die Mischung aus vielen Faktoren, vor allem auch den psychologischen, dürfte hier sicherlich maßgeblich sein.
    • Lutz Herzer wrote:

      Hickhack wrote:

      Der Körper der Frau ist vollkommen von Geburt an ...
      Vorsicht! Du bist dabei, dich zu später Stunde um Kopf und Kragen zu reden. Die Vervollkommnung des weiblichen Körpers nimmt schon einige Jahre in Anspruch. Ich weiß schon, dass du das so gemeint haben wirst.

      Sorry, ich hätte die Quelle mitliefern sollen. Die Aussage stammt sinngemäß von jüdischen Offiziellen zur Frage, warum Mädchen im Judentum nicht markiert werden.
      Gruß
      Hickhack
    • Vielen Dank, Pallas und Guy!
      So ist aus der "Bildungs"veranstaltung doch tatsächlich noch eine geworden.

      Sehr gut, dass auch die nichtreligiöse Motivation herausgearbeitet wurde.
      Dafür werden ja sonst immer nur die USA herangezogen. Dabei bezeichnen sich auch in Israel nach einer aktuellen Umfrage nur 24% der Einwohner als religiös, also sind selbst dort die meisten Jungenbeschneidungen nichtreligiös motiviert.

      Das zu tun, was schon die Eltern, Großeltern und unzählige Generationen zuvor getan haben, zumal in einer unsicheren Lebenssituation wie nach der Geburt eines (weiteren) Kindes, fühlt sich für die meisten Menschen weltweit immer irgendwie richtig an.
      Das ist schon paradox: Das Festhalten an einer Handlung, mit der sich eine Gruppe von den anderen abgrenzen und abheben möchte, macht sie im Grunde besonders gewöhnlich...
    • susanna wrote:

      Das zu tun, was schon die Eltern, Großeltern und unzählige Generationen zuvor getan haben, zumal in einer unsicheren Lebenssituation wie nach der Geburt eines (weiteren) Kindes, fühlt sich für die meisten Menschen weltweit immer irgendwie richtig an.


      The survey also found that nearly a third of the parents would prefer to forgo circumcision but nevertheless have it done for social reasons ‏(16.6 percent‏), health reasons ‏(10.4 percent‏) and because it is important for the grandparents ‏(2.1 percent‏).


      Haaretz vom 14. Juni 2012