"Beschneidung erfolgt überfallartig"

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    • "Beschneidung erfolgt überfallartig"

      Ich hatte gestern wieder einmal ein Gespräch mit einer türkischen Muslima über die Beschneidung. Sie erzählte mir - wie schon etliche vor ihr -, dass die muslimischen Jungen in keinster Weise darauf vorbereitet werden, dass sie auf dem angekündigten grossen Fest beschnitten werden sollen. Geredet wird nur von Geschenken. Irgendwann während des Festes werden die Jungen beiseite genommen und "überfallartig" unter dem Hinweis, dass sie jetzt zum Mann gemacht würden, beschnitten. Die Jungen sollten mit diesem "Argument" mundtot gemacht werden. Etwaige Bedenken der Eltern der Jungen scheiterten an deren grundsätzlicher, "kulturell" bedingter Unfähigkeit, hier (wie auch bei anderen Konflikten) ihren eigenen Eltern zu widersprechen,

      Um das klar zu stellen: ich behaupte nicht, dass diese Muslimas, mit denen ich sprach, irgendwie repräsentativ für die türkische Gemeinde sind. Und natürlich sind es auch nicht Muslimas, die besonders gläubig sind. Ihre Aussagen deuten jedoch daraufhin, dass die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der religiösen Gemeinden grösser sind als ihre Religionsvertreter immer wieder behaupten.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Danke werner. Sowas dachte ich mir schon und habe ich in anderen Foren auch schon gelesen. Positiv sehe ich hier die grundsätzliche Bereitschaft, über dieses Thema überhaupt zu sprechen. Das scheint mir vor einigen Jahren noch noch nicht so gewesen zu sein.
      Negativ ist in meinen Augen, dass wir hier noch viele dicke Bretter bohren müssen, damit diese Offenheit und der Wille zu hinterfragen bei viel mehr Mitgliedern der muslimischen und jüdischen Kultur Fuß fasst.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • werner schrieb:

      Sie erzählte mir - wie schon etliche vor ihr -, dass die muslimischen Jungen in keinster Weise darauf vorbereitet werden, dass sie auf dem angekündigten grossen Fest beschnitten werden sollen. Geredet wird nur von Geschenken. Irgendwann während des Festes werden die Jungen beiseite genommen und "überfallartig" unter dem Hinweis, dass sie jetzt zum Mann gemacht würden, beschnitten. Die Jungen sollten mit diesem "Argument" mundtot gemacht werden. Etwaige Bedenken der Eltern der Jungen scheiterten an deren grundsätzlicher, "kulturell" bedingter Unfähigkeit, hier (wie auch bei anderen Konflikten) ihren eigenen Eltern zu widersprechen,
      Die Aussage ist meines Erachtens zu einseitig. Insbesondere deshalb, weil den meisten vermutlich der Einblick in die türkische Kultur fehlt. Wenn man dann natürlich Bruchstücke davon zu sehen bzw. hören bekommt, tönt das ganze natürlich recht brutal.

      Als erstes muss man verstehen, dass in der Türkei jeder, und wirklich jeder, beschnitten ist. So was wie unbeschnitten, gibt es nicht. So wie die Jungs mitbekommen, dass man irgendwann ins Militär muss, bekommen sie auch mit, dass sie irgendwann beschnitten werden. Das was was die Türkin gesagt hat, ist insofern korrekt, dass die Eltern auschliesslich vom Fest und den Geschenken reden, jedoch nicht über das, was genau dort passiert. Was genau da gemacht wird, wurde mir auch nicht erklärt, ich kann mir jedoch vorstellen, dass dies je nach Familie anders ist.

      Das Thema Beschneidung ist irgendwann auch bei den Kindern aktuell und man fragt untereinander wer nun nun alles beschnitten ist und wer nicht. Wer nicht beschnitten ist, gehört nicht dazu. Die Kinder, welche über sich die Prozedur ergehen lassen haben, erzählen es den anderen, was ihnen bevor steht. Ist sicherlich nicht die optimalste Variante, aber die Kinder bekommen sehr wohl im Vorfeld mit, was mit ihnen geschehen wird. Wie ich dies in meinem Beitrag über meine Beschneidung bereits geschrieben habe, habe ich den Eingriff in keinster Weise als brutal oder als Misshandlung erlebt.

      Aus diesem Gesichtspunkt ist es für die Kinder nicht brutal, dass die Eltern ihnen nicht erklären was da genau mit ihnen gemacht wird. Genau genommen ist es brutaler nicht beschnitten zu sein, da man nicht dazu gehört. Ich hatte mal einen Kommentar von einem Leser des Buchs Sünnet gelesen gehabt. Der Vater gab an, dass er seinen Sohn nicht hat beschneiden lassen. Im Alter von 12 war jedoch der Druck von seiner Umgebung (andere Kinder, nicht die Familie) so gross, dass er es selber wünschte beschnitten zu werden.

      Aus der Sicht der Türkin welche in Deutschland lebt, ist dies natürlich sehr brutal, da in Deutschland schlicht und einfach die Umgebung dazu fehlt. Die Kinder werden nicht von ihren Freunden gefragt, ob sie schon beschnitten sind und es wird ihnen auch nicht erzählt, was da passiert.
    • noskin schrieb:

      Die Kinder werden nicht von ihren Freunden gefragt, ob sie schon beschnitten sind und es wird ihnen auch nicht erzählt, was da passiert.
      Auf diesem Hintergrund klingt die Darstellung der von mir zitierten Türkin ja doch plausibel.

      Es handelt sich in der Tat um eine Türkin, die schon lange in Deutschland lebt, der ich jedoch eine intime Kenntnis der türkischen Kultur zutraue. Dass ich nicht behaupte, dass ihre Darstellung repräsentativ ist, habe ich versucht zu betonen.

      Auf alle Fälle danke ich Dir für Deine ergänzenden/korrigierenden Anmerkungen. Es ist gut, jemanden im Forum zu haben, der sich in der türkischen Kultur auskennt, und gegebenfalls "eingreifen" kann. :thumbup:
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.