Leute, wir müssen reden...

    • Leute, wir müssen reden...

      “Wir müssen das Thema weg von der Religion lenken hin zu den medizinischen Problemen”

      Leute, wir müssen reden | Tante Jays Café
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Eine überaus intelligente Zusammenfassung.

      Man muss aufhören nach der Pfeife der Befürworter zu tanzen.
      Kleines Beispiel was ich meine?

      “Jüdisches Leben ist in Deutschland ohne Beschneidung nicht mehr möglich”

      Antwort normalerweise:
      “Diese Religioten sind unbelehrbar. Stellen einen imaginären Gott über das Wohl ihres Kindes”
      Und die Antwort ist in mehr als einer Hinsicht Bullshit.
      ...
      Richtige Antwort:
      “Ich dachte immer, dass die jüdische Religion ihren Mitgliedern mehr zu bieten hätte als eine gefährliche Operation, die nicht nur dauerhaft das Sexualempfinden herabsetzt, sondern auch das Kind sehr konkret gefährdet durch den immensen Schmerz, den dieser Eingriff verursacht und die Zahl der Komplikationen.. Ist das Judentum/der Islam wirklich so arm und so hohl, dass man Kinder verletzen muss, um diese Religion aufzuwerten?”
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Glaube ich nicht, dass dieser Text unterm Strich etwas anderes wäre. Denn mit der Frage, ob oder was diese Religionen sonst nichts anderes zu bieten hätten, und der Diskussion, ob das hohl ist oder was auch immer, bleibt man auf der Ebene von Wertigkeit und Position betreffend der jeweiligen Religionszugehörigkeit. Und darüber hat jeder eine andere Meinung.

      Auch über medizinische Fragen kann man trefflich streiten. Auch das würde nicht weiterführen.

      Meines Erachtens ist der kleinste gemeinsame Nenner, dass Erwachsene in die Unterhose von Kindern greifen und an deren Geschlechtsteilen ihre eigenen Interessen befriedigen. Ob man dies durch "Ritualisierung" legalisiert oder gar als "Religionsausübung" labelt, ändert nichts daran, dass DRITTE ihre Geschlechtsteile herhalten müssen dafür. Und dann auch noch wehrunfähige schutzlose Kleinkinder.

      Also dieser Übergriff auf den Körper anderer, diese Koppelung der eigenen Bedürfnisse (genannt "Religionsausübung") an den Körper eines anderen, das ist der kleinste gemeinsame Nenner. So lange dieser andere das nicht freiwillig entscheidet, ist das nach meinem Verständnis Unrecht. Und auch nicht durch das Elternrecht gedeckt, denn Kinder sind nicht deren "Besitz", die man für eigene Interessen "gebrauchen" kann. Auch wenn man das als angeblich "im späteren Interesse des Kindes" zu rechtfertigen versucht.

      Da erübrigt sich jede andere Diskussion um Religion oder Medizin.
    • Gode_RE schrieb:

      ...ihre eigenen Interessen befriedigen.
      Meine ganz persönliche Sicht ist, dass wir auch damit nicht "weiterkommen". Die Beschneidungsbefürworter sind ja felsenfest davon überzeugt, dass sie im Interesse des Kindes handeln, und sehen den "Griff in die Hose" als einen ebenso wenig schädlichen Eingriff wie z.B. ein Fernsehverbot bei mangelnden schulischen Leistungen. Aus ihrer Sicht sind die Vorteile der Beschneidung gerade nicht "angeblich". Darin kann also "der kleinste gemeinsame Nenner" zwar unter Kritikern liegen, aber nicht unter Kritikern und Befürwortern. Zwischen letzteren liegt der kleinste gemeinsame Nenner in der Akzeptanz von - wie auch immer begründeten - Ritualen. Überzeugt werden müssen die Befürworter davon, dass eine Beschneidung eben nicht mit einem Fernsehverbot verglichen werden kann, sondern ein ganz erhebliches ( wenn vielleicht auch nicht flächendeckendes) medizinisches und psychologisches Komplikationsrisiko in sich trägt, und ausserdem in eklatantem Widerspruch zur heutigen Erziehungsethik steht, wie sie auch gesetzlich vielfach festgeschrieben ist. Wir können es deshalb auch gar nicht verhindern, dass über ethische und medizinisch-psychologische Fragen diskutiert wird.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • "Ist das Judentum/der Islam wirklich so arm und so hohl, dass man Kinder verletzen muss, um diese Religion aufzuwerten?" (Zitat)


      Tante Jay wendet sich gegen die religiöse Argumentation, um dann doch wieder mit der Religion zu argumentieren. Es ist eben nicht möglich, den gesamten Komplex zu diskutieren, ohne auch auf die religiösen Argumente einzugehen, wenn sie von der Seite der Befürworter eingebracht werden.


      “Wir müssen das Thema weg von der Religion lenken hin zu den medizinischen Problemen” (Zitat)


      Auch das genügt nicht. Die Frage der Grund- und Menschenrechtsverletzung durch das Gesetz und seine Praxis ist m.E. sogar noch wichtiger.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • es ist ratsam, positiv zu argumentieren. Also nicht "wie hohl usw" sondern "Ihre Religion ist derart reich an kulturellen Errungenschaften und bietet dadurch einen riesigen Schatz an Identifikationsmöglichkeiten - ist eine irreversible chirurgische Genitalreduktion mit unvorhersehbaren Folgen da nicht entbehrlich? "
    • Guy schrieb:

      “Wir müssen das Thema weg von der Religion lenken hin zu den medizinischen Problemen”



      Ich bin hier geteilter Meinung. Grundsätzlich sind, wie wir alle wissen, die medizinischen Probleme gute Argumente gegen die Beschneidung. ABER:

      Der Umkehrschluss aus der Argumentation mit den medizinischen Problemen bedeutet, dass Beschneidung in Ordnung wäre, wenn die medizinische Harmlosigkeit nachgewiesen werden kann bzw so lange i.O. ist, wie nicht das Gegenteil zweifelsfrei erwiesen ist.

      Letztendlich schmeissen sich dadurch beide Seiten mit "Studien" zu und wir laufen mit unseren "aber schaut doch hier, diese Studien belegen..."-Argumenten immer nur hinterher.

      Es MUSS klar werden, dass Beschneidung selbst dann nicht i.O. ist, wenn diese nicht mit medizinischen Problemen verbunden wäre.

      Es gibt absolut keine Rechtfertigung dafür, einem gesunden Menschen ohne dessen ausdrückliche Zustimmung einen Teil seines Körpers, geschweige denn seines Genitals, abzuschneiden!

      So neu ist der Gedanke übrigens nicht, man schaue nur auf die allumfassende Ächtung der FGM.
      Art. 2 GG:
      (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Geschuldet der deutschen Vergangenheitsbewältigung gilt dieses Grundrecht ausdrücklich nicht, wenn die Person a) ein Kind und b) männlich ist, c) die Eltern entweder jüdischen oder muslimischen Glaubens sind und d) das kindliche Genital das Ziel der Versehrtheit ist.
    • So, ich habe auch meinen Senf auf die Seite geschmiert. Aber die Wurst bleibt gefälligst hier!

      Vielen Dank für diesen erfrischenden Kommentar. Mit Arroganz und Herabwürdigung erreicht man niemals einen Menschen.

      Meine persönliche Auffassung ist die, auf Theologie überhaupt nicht eingehen zu müssen. Mit Aufklärung und der Schilderung wissenschaftlich valider Fakten bleibt man selbst auf einer Basis, die fundiert ist. Körperverletzung, Menschenrechte, Schmerz, Leid, Vergleichbarkeit mit weiblicher Genitalverstümmelung, sexuelle Probleme usw. usw. – das sind unsere Argumente, unser Terrain. Hier können wir die Menschen auch mitnehmen, die wir überzeugen wollen, und zwar auch religiös orientierte Menschen, wie das Beispiel Eliyahu Ungar-Sargons sehr gut zeigt. Wie sie das dann in ihren religiösen Kontext einbetten, bleibt ihnen überlassen – sofern religiöse Überzeugungen überhaupt die eigentliche Triebfeder sind (auch atheistische Juden/ Muslime beschneiden meistens ihre männlichen Kinder; Täter-Opfer-Kreislauf, Gruppendruck, Identitätsgefühl, Tradition, Männlichkeitsritus, Witze über Unbeschnittene, Glaube an medizinische Märchen usw. können, je nach Einzelfall, auch von Gewicht sein). Der Prozess der Aufklärung ohne Respektlosigkeit mag ein mühsamer Prozess sein, aber Hassparolen wie “Religioten” führen von Vorneherein zu Frontenbildung, Abwehrhaltung und letztlich zum sicheren Scheitern des Anliegens, gegen Beschneidung von Jungen wirklich etwas zu unternehmen.

      Wir haben mittlerweile schon “Terre des Femmes” und den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte an unserer Seite. Das ist großartig. Mit sachlichen, wissenschaftlich belegbaren Argumenten, mit Leidensgeschichten Betroffener und mit dem Verweis auf die Menschenrechte können wir uns ggf. weitere Alliierte ins Boot holen – nicht jedoch mit Hassparolen, Belehrungen über “richtige” und “falsche” religiöse Ansichten oder einem künstlich vom Zaun gebrochenen “Krieg der Weltanschauungen”. Ich möchte auch nicht von jemand anderem in Meister-Lämpel-Manier über mein Weltbild belehrt werden. Auch dann nicht, wenn er’s gut meint. Aber nachvollziebare, gut begründete Argumente zu einer Thematik höre ich mir gern an.

      Manche Fundis von allen beteiligten Seiten mögen auch für Argumente nicht erreichbar sein, aber wenn man jemanden erreichen kann, dann so.
    • Gode_RE schrieb:

      Also dieser Übergriff auf den Körper anderer, diese Koppelung der eigenen Bedürfnisse (genannt "Religionsausübung") an den Körper eines anderen, das ist der kleinste gemeinsame Nenner.

      Tja das ist so die Frage, nä? Ist das so? Wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm. Also nehme ich mal meine Schaufel und buddele damit herum. Was dabei herauskommt, habe ich auch bei Tante Jay gepostet:

      Liebe Tante Jay,

      ich bin ganz Deiner Meinung. Die Fundis sind die lautesten – aber sind sie eigentlich die meisten? In diesem Video, in dem ein Intactivist in den USA (New Orleans) mit einem Arzt diskutiert, sagt der Intactivist, dass etwa 70% aller Juden in den USA die Beschneidung ohne religiösen Bezug (!) vornehmen lassen:
      [video]http://www.youtube.com/watch?v=iPm5SrZCTLI[/video]

      Ich kann die Aussage nicht weiter werten, weder faktisch noch inhaltlich, gehe aber davon aus, dass es in dieser Gemeinschaft mindestens genauso viele Menschen gibt, die zumindest der dogmatischen Religiosität den Rücken gekehrt haben wie bei uns (das bedeutet nicht zwingend, atheistisch geworden zu sein). Dennoch wird fast überall beschnitten, nachweislich beschneiden auch die meisten atheistischen Juden ihre männlichen Babys. In diesem Artikel wird beschrieben, dass und wie ein Identitätsgefühl für die Beschneidung eine Rolle spielen würde:
      http://www.fr-online.de/kultur/beschneidung-beschnitten-und-traumatisiert,1472786,16945268.html

      In diesem Video erfahren wir etwas von der Bedeutung des gesellschaftlichen Drucks:
      [video]http://www.youtube.com/watch?v=i8gRNBvCDpU[/video]

      Hingegen gibt es selbst unter Orthodoxen die Möglichkeit des Umdenkens. Hier nochmals Eliyahu Ungar-Sargon im Interview:
      http://www.humanist-news.com/eliyahu-ungar-sargon-ein-quer-schnitt-durch-die-beschneidungs-mythen/

      Und auch hier beschreibt ein orthodox-religiöser Mann seine Zweifel am Ritual:
      http://forward.com/articles/176023/a-fathers-pain-at-overseeing-sons-circumcision/?p=1

      Eine Beleuchtung der Problematik unter Muslimen habe ich leider noch nicht dezidiert vornehmen können.

      Doch die wenigen Puzzleteile, die ich hier aufgeführt habe, zeigen uns bereits das ganze Spektrum der Problematik. Auch hier zeigt sich, wie absurd es ist, der Frage mit Religionshass und Vorurteilen entgegenzutreten. Wir brauchen nicht zu glauben, alle und jeden erreichen zu können, wenn wir gegen Beschnidung argumentieren. Aber wie Du richtig hervorhebst, erreicht man immer einige, wenn man sachlich und respektvoll argumentiert. Und man stärkt denjenigen den Rücken, die sich innerhalb ihrer Gemeinschaft gegen Beschneidung aussprechen, statt sie in ihrer eigenen Gemeinschaft durch Hassparolen gegenüber religiösen Überzeugungen zu schwächen und ihnen den Boden unter den Füßen wegzureißen.


      Soweit noch mehr Senf, extrascharf.

      Josc schrieb:

      Es gibt absolut keine Rechtfertigung dafür, einem gesunden Menschen ohne dessen ausdrückliche Zustimmung einen Teil seines Körpers, geschweige denn seines Genitals, abzuschneiden!

      So neu ist der Gedanke übrigens nicht, man schaue nur auf die allumfassende Ächtung der FGM.


      Unterschrieben und gekauft! ^^