Hallo miteinander,
nachdem ich nun seit langer Zeit stiller Mitleser dieses Forums bin, habe ich mich nun dazu entschlossen, hier einen Account anzulegen. Ich möchte zunächst den Erstellern dieses Forums ein großes Dankeschön aussprechen. Ihr gebt uns Betroffenen eine Stimme und das in einer im deutschsprachigen Raum einmaligen Form! Super.
Nun zu mir:
Ich bin 25 Jahre alt und komme aus Süddeutschland. Im Kindergarten- bzw. Grundschulalter konnte meine Vorhaut, so wie es eben normal ist, nicht zurückgezogen werden. Daraufhin wurde bei mir bei einer U-Untersuchung eine "Phimose" diagnostiziert. Ich weiß noch genau, wie der Kinderarzt dies mit meiner Mutter besprochen hat und mitteilte, dass es für diese "Erkrankung" eine gute medizinische Lösung gebe. Zunächst versuchte der Arzt, meine Vorhaut nach hinten zu ziehen, was nicht funktionierte. Er gab meiner Mutter die Aufgabe, mit mir zuhause regelmäßig die Vorhaut zurückzuziehen. Dies versuchten wir dann auch einige wenige Male, aber ohne Erfolg. Ich schrie jedes Mal vor Schmerz, fing an zu weinen und blockierte irgendwann komplett. Von Salben oder alternativen Eingriffen (Vorhauterhaltung etc.) war nie die Rede.
Mein Schicksal war damit besiegelt: Ich wurde radikal beschnitten. Das genaue Alter, in dem ich beschnitten wurde, kann ich nicht sagen, ich schätze aber, dass ich so zwischen 8 und 10 Jahre alt gewesen sein müsste. Es fand in den Ferien statt und ich weiß noch genau, wie unbekümmert ich ins Krankenhaus gegangen bin und dass ich überhaupt nicht wusste, was mit mir geschehen wird. Man sagte mir zwar, was operiert wird, verstehen konnte ich es selbstverständlich in diesem Alter noch nicht. Die anschließenden höllischen Schmerzen beim Wasserlassen und den Verband um mein bestes Stück kann ich mir noch genau ins Gedächtnis rufen.
Soweit verlief meine Kindheit und Pubertät erstmal normal. Ich erkundete meinen Körper und hatte noch vor der Geschlechtsreife die Selbstbefriedigung für mich entdeckt. Ich kann mich auch noch genau an meine ersten Orgasmen erinnern. Sie waren umwerfend und brachten meinen ganzen Körper zum Zittern. Ich konnte also zunächst nichts Negatives an der Funktionsweise meines Penis feststellen. Trotzdem schämte ich mich immer dafür, dass ich unten rum anders aussah als die meisten. Zwar waren andere Kinder in meinem Umfeld auch beschnitten, trotzdem konnte ich die Scham nie überwinden und meide heute noch z. B. Gemeinschaftsduschen, Saunas oder Pissoirs.
Erst in der späteren Pubertät und mit dem Erwachsenwerden wurde ich neugieriger und informierte mich genauer über die Thematik. Am Anfang ließ ich mich von Aussagen wie es sei hygienischer, man könne länger im Bett, Frauen fänden es schöner, noch beruhigen, aber die Fassade bröckelte immer weiter, je mehr ich mich in das Thema einlas. Mich interessierten nur die wissenschaftlichen Fakten und die sind im Fall der Beschneidung sehr eindeutig. Auch die Selbstbefriedigung und der Sex erregen mich zwar emotional (Kopfkino) und mal mehr und mal weniger körperlich, aber das große Gefühlskino bleibt eben aus. Ich eifere immer relativ schnell auf den Orgasmus hin und kann mich nicht fallen lassen. Das führt dazu, dass ich verkrampfe und zwanghaft versuche, Abwechslung reinzubringen (Sex mit wechselnden Partnerinnen, übermäßiger Pornokonsum...). Ich merke trotzdem nach jedem Orgasmus, dass die Befriedigung nicht anhaltend ist. Ich habe immer das Gefühl, etwas hinterherzurennen, dass ich einfach nicht erreichen kann und wünsche mir nichts sehnlicher, als intakt zu sein. Jedes mal, wenn ich meinen Penis sehe, werde ich an diesen lebensverändernden Eingriff und das damit einhergehende Trauma erinnert.
Wäre ich dick, könnte ich abnehmen. Wäre ich ungebildet, könnte ich die Schulbank drücken. Aber mein Problem, unser aller Problem, lässt sich eben nicht mit etwas Willen oder ein paar Medikamenten beheben. Die Absolutheit dieses "Schicksals" ist das, was mich mit am meisten belastet. Man steht vor vollendeten Tatsachen, ohne, dass man diese selbst geschaffen hat.
Mit Realisierung dessen begann für mich ein Teufelskreislauf aus Selbstzweifeln, mangelndem Selbstwertgefühl, teilweise emotionaler Abgestumpftheit, Ziellosigkeit und vielem mehr. Dazu kommt: von Jahr zu Jahr wird es schlimmer.
Neben den oben genannten Problemen habe ich bis heute ein gestörtes Verhältnis zu Sexualität, Liebe und Partnerschaft. Ich fühle mich und meine Gefühle weder politisch noch gesellschaftlich ernstgenommen, sondern vielmehr belächelt und bagatellisiert. Es gibt niemanden im realen Leben, mit dem ich über mein Leiden sprechen kann und will. Ich weiß zwar, dass ich beschnittene Freunde habe, diese leben aber in glücklichen Beziehungen und ich möchte sie mit diesem Punkt nicht belasten, davon abgesehen wüsste ich nicht, wie deren Reaktion ausfällt. Sie können sogar Witze über Sexualität und ihren eigenen Penis machen (was für mich z. B. ein rotes Tuch ist). Wie heißt es so schön: Ignorance is bliss. Ich fühle mich als Teil einer Randgruppe einer Randgruppe (in Deutschland).
Ich schreibe diesen langen Text vor allem, um meine eigenen Gedanken zu sortieren, in der Hoffnung, dass ich mich dadurch etwas beruhigen kann. Den richtigen "Coping-Mechanismus" habe ich nämlich noch nicht gefunden. Phasenweise wechseln sich meine Gefühle und die Intensität, mit der ich mich mit dem Thema beschäftige, ab. Mal ist es besser, mal ist es sehr schlecht (so wie momentan). Ihr kennt es vermutlich alle.
Ich bin eigentlich ein ausgeglichener und optimistischer Mensch, merke aber zunehmend, dass mir die Leichtigkeit im Leben abhanden kommt und die einsamen Momente, in denen ich nur noch meine Ruhe haben möchte, zunehmen. Alleine die Zeit und Kraft, die es mich kostet, dass meine Gedanken und Handlungen in ruhigen Minuten ständig um dieses Thema kreisen, könnten an anderer Stelle so viel besser investiert werden. Aber ich hatte eben nie eine andere Wahl. Es war kein Unfall, es war nicht meine eigene Entscheidung, es war ein Zwang, der auf falschen und überholten medizinischen Annahmen beruht. Ich bin fest davon überzeugt, dass ohne diese Beschneidung meine derzeitige Lebenslage eine völlig andere wäre. Der richtige Arzt, eine Mutter, die sich unabhängig informiert, staatliche Aufklärung. Ein was davon hätte vielleicht schon gereicht...
Ich habe derzeit nur zwei Hoffnungsschimmer: Foregen (die 2025 mit Versuchen an Menschen starten wollen) und die manuelle Wiederherstellung der Vorhaut. Hierzu gibt es glücklicherweise in amerikanischen Foren viele Infos. Darüber hinaus halte seit ca. einem halben Jahr meine Eichel dauerhaft mit einem Silkon-Überzug bedeckt. Der hält soweit recht gut und hat dazu geführt, dass zumindest die Eichel etwas dekeratinisiert und ich ein bisschen mehr fühlen kann.
Danke an alle, die bis hier gelesen haben! Falls ihr Fragen habt, oder etwas hinzufügen wollt, würde ich mich über Kommentare freuen.
Viele Grüße!
nachdem ich nun seit langer Zeit stiller Mitleser dieses Forums bin, habe ich mich nun dazu entschlossen, hier einen Account anzulegen. Ich möchte zunächst den Erstellern dieses Forums ein großes Dankeschön aussprechen. Ihr gebt uns Betroffenen eine Stimme und das in einer im deutschsprachigen Raum einmaligen Form! Super.
Nun zu mir:
Ich bin 25 Jahre alt und komme aus Süddeutschland. Im Kindergarten- bzw. Grundschulalter konnte meine Vorhaut, so wie es eben normal ist, nicht zurückgezogen werden. Daraufhin wurde bei mir bei einer U-Untersuchung eine "Phimose" diagnostiziert. Ich weiß noch genau, wie der Kinderarzt dies mit meiner Mutter besprochen hat und mitteilte, dass es für diese "Erkrankung" eine gute medizinische Lösung gebe. Zunächst versuchte der Arzt, meine Vorhaut nach hinten zu ziehen, was nicht funktionierte. Er gab meiner Mutter die Aufgabe, mit mir zuhause regelmäßig die Vorhaut zurückzuziehen. Dies versuchten wir dann auch einige wenige Male, aber ohne Erfolg. Ich schrie jedes Mal vor Schmerz, fing an zu weinen und blockierte irgendwann komplett. Von Salben oder alternativen Eingriffen (Vorhauterhaltung etc.) war nie die Rede.
Mein Schicksal war damit besiegelt: Ich wurde radikal beschnitten. Das genaue Alter, in dem ich beschnitten wurde, kann ich nicht sagen, ich schätze aber, dass ich so zwischen 8 und 10 Jahre alt gewesen sein müsste. Es fand in den Ferien statt und ich weiß noch genau, wie unbekümmert ich ins Krankenhaus gegangen bin und dass ich überhaupt nicht wusste, was mit mir geschehen wird. Man sagte mir zwar, was operiert wird, verstehen konnte ich es selbstverständlich in diesem Alter noch nicht. Die anschließenden höllischen Schmerzen beim Wasserlassen und den Verband um mein bestes Stück kann ich mir noch genau ins Gedächtnis rufen.
Soweit verlief meine Kindheit und Pubertät erstmal normal. Ich erkundete meinen Körper und hatte noch vor der Geschlechtsreife die Selbstbefriedigung für mich entdeckt. Ich kann mich auch noch genau an meine ersten Orgasmen erinnern. Sie waren umwerfend und brachten meinen ganzen Körper zum Zittern. Ich konnte also zunächst nichts Negatives an der Funktionsweise meines Penis feststellen. Trotzdem schämte ich mich immer dafür, dass ich unten rum anders aussah als die meisten. Zwar waren andere Kinder in meinem Umfeld auch beschnitten, trotzdem konnte ich die Scham nie überwinden und meide heute noch z. B. Gemeinschaftsduschen, Saunas oder Pissoirs.
Erst in der späteren Pubertät und mit dem Erwachsenwerden wurde ich neugieriger und informierte mich genauer über die Thematik. Am Anfang ließ ich mich von Aussagen wie es sei hygienischer, man könne länger im Bett, Frauen fänden es schöner, noch beruhigen, aber die Fassade bröckelte immer weiter, je mehr ich mich in das Thema einlas. Mich interessierten nur die wissenschaftlichen Fakten und die sind im Fall der Beschneidung sehr eindeutig. Auch die Selbstbefriedigung und der Sex erregen mich zwar emotional (Kopfkino) und mal mehr und mal weniger körperlich, aber das große Gefühlskino bleibt eben aus. Ich eifere immer relativ schnell auf den Orgasmus hin und kann mich nicht fallen lassen. Das führt dazu, dass ich verkrampfe und zwanghaft versuche, Abwechslung reinzubringen (Sex mit wechselnden Partnerinnen, übermäßiger Pornokonsum...). Ich merke trotzdem nach jedem Orgasmus, dass die Befriedigung nicht anhaltend ist. Ich habe immer das Gefühl, etwas hinterherzurennen, dass ich einfach nicht erreichen kann und wünsche mir nichts sehnlicher, als intakt zu sein. Jedes mal, wenn ich meinen Penis sehe, werde ich an diesen lebensverändernden Eingriff und das damit einhergehende Trauma erinnert.
Wäre ich dick, könnte ich abnehmen. Wäre ich ungebildet, könnte ich die Schulbank drücken. Aber mein Problem, unser aller Problem, lässt sich eben nicht mit etwas Willen oder ein paar Medikamenten beheben. Die Absolutheit dieses "Schicksals" ist das, was mich mit am meisten belastet. Man steht vor vollendeten Tatsachen, ohne, dass man diese selbst geschaffen hat.
Mit Realisierung dessen begann für mich ein Teufelskreislauf aus Selbstzweifeln, mangelndem Selbstwertgefühl, teilweise emotionaler Abgestumpftheit, Ziellosigkeit und vielem mehr. Dazu kommt: von Jahr zu Jahr wird es schlimmer.
Neben den oben genannten Problemen habe ich bis heute ein gestörtes Verhältnis zu Sexualität, Liebe und Partnerschaft. Ich fühle mich und meine Gefühle weder politisch noch gesellschaftlich ernstgenommen, sondern vielmehr belächelt und bagatellisiert. Es gibt niemanden im realen Leben, mit dem ich über mein Leiden sprechen kann und will. Ich weiß zwar, dass ich beschnittene Freunde habe, diese leben aber in glücklichen Beziehungen und ich möchte sie mit diesem Punkt nicht belasten, davon abgesehen wüsste ich nicht, wie deren Reaktion ausfällt. Sie können sogar Witze über Sexualität und ihren eigenen Penis machen (was für mich z. B. ein rotes Tuch ist). Wie heißt es so schön: Ignorance is bliss. Ich fühle mich als Teil einer Randgruppe einer Randgruppe (in Deutschland).
Ich schreibe diesen langen Text vor allem, um meine eigenen Gedanken zu sortieren, in der Hoffnung, dass ich mich dadurch etwas beruhigen kann. Den richtigen "Coping-Mechanismus" habe ich nämlich noch nicht gefunden. Phasenweise wechseln sich meine Gefühle und die Intensität, mit der ich mich mit dem Thema beschäftige, ab. Mal ist es besser, mal ist es sehr schlecht (so wie momentan). Ihr kennt es vermutlich alle.
Ich bin eigentlich ein ausgeglichener und optimistischer Mensch, merke aber zunehmend, dass mir die Leichtigkeit im Leben abhanden kommt und die einsamen Momente, in denen ich nur noch meine Ruhe haben möchte, zunehmen. Alleine die Zeit und Kraft, die es mich kostet, dass meine Gedanken und Handlungen in ruhigen Minuten ständig um dieses Thema kreisen, könnten an anderer Stelle so viel besser investiert werden. Aber ich hatte eben nie eine andere Wahl. Es war kein Unfall, es war nicht meine eigene Entscheidung, es war ein Zwang, der auf falschen und überholten medizinischen Annahmen beruht. Ich bin fest davon überzeugt, dass ohne diese Beschneidung meine derzeitige Lebenslage eine völlig andere wäre. Der richtige Arzt, eine Mutter, die sich unabhängig informiert, staatliche Aufklärung. Ein was davon hätte vielleicht schon gereicht...
Ich habe derzeit nur zwei Hoffnungsschimmer: Foregen (die 2025 mit Versuchen an Menschen starten wollen) und die manuelle Wiederherstellung der Vorhaut. Hierzu gibt es glücklicherweise in amerikanischen Foren viele Infos. Darüber hinaus halte seit ca. einem halben Jahr meine Eichel dauerhaft mit einem Silkon-Überzug bedeckt. Der hält soweit recht gut und hat dazu geführt, dass zumindest die Eichel etwas dekeratinisiert und ich ein bisschen mehr fühlen kann.
Danke an alle, die bis hier gelesen haben! Falls ihr Fragen habt, oder etwas hinzufügen wollt, würde ich mich über Kommentare freuen.

Viele Grüße!
„Je hilfloser ein Lebewesen ist, desto größer ist sein Anrecht auf Schutz vor menschlicher Grausamkeit.“
-Mahatma Gandhi-
-Mahatma Gandhi-