Landgericht Kleve legitimiert medizinische Beschneidung an beschwerdefreien fünfjährigen Jungen

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    • Landgericht Kleve legitimiert medizinische Beschneidung an beschwerdefreien fünfjährigen Jungen

      Da haben wir es nun schwarz auf weiß. In diesem Land dürfen Urologen sanktionsfrei und ohne schriftliche Einwilligung der Erziehungsberechtigten in die OP, einem fünfjährigen gesunden Jungen ohne Gründe und ohne vorliegen von Beschwerden oder sonstigen Beeinträchtigungen die gesunde Vorhaut amputieren.

      Der medizinische Sachverständige ignoriert dabei die damals gültige Primärliteratur im Jahre 2003, legt die damals gültige Leitlinie der Kinderchirurgen logisch falsch aus (angeblich Interpretationsspielraum, andere nennen es alternative Fakten) und stützt seine Aussagen auf Zahlen der Studie von Douglas Gairdner aus dem Jahre 1949, die bereits in den 60er Jahren und nachfolgend mehrfach wiederlegt wurden.


      Die 2. Zivilkammer des Landgericht Kleve hat sich auch nicht an dem Umstand gestört, dass die Beklagten und der Sachverständige keine wissenschaftlich haltbaren Argumente vorlegen konnten, warum einem fünfjährigen Junge seine gesunde Vorhaut amputiert werden muss, bloß weil sie sich entwicklungsbedingt noch nicht zurückziehen lässt. Es wurden vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung genannt: HIV und Peniskrebs Prävention sowie bessere Hygiene.

      Das Urteil ist menschenrechtswidrig, mein Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung wurden wieder einmal mit Füßen getreten indem anerkanntes Fachwissen alternativen Fakten weicht.

      Ich halte dieses Urteil für eine Schande für den deutschen Rechtsstaat und jeder der auf dieses Ergebnis hingearbeitet hat, sollte sich abgrundtief in den Boden Schämen.



      Gegen das Urteil kann noch Berufung in der nächsten Instanz eingelegt werden. Dafür müsste erstmal geklärt werden, wie die weiteren Kosten in Höhe von circa 8000€ gestemmt werden könnten - ich denke über ein Crowdfunding nach.
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    • Hallo Yelock,
      ich finde es super, dass du diesen Schritt gewagt hast. Respekt!
      Wenn die Ärzteschaft mit Klagen überzogen wird und die Gerichte gezwungen werden, sich mit der Thematik zu befassen, dann wird sich in den Köpfen irgendwann etwas bewegen. Nur so kann man erreichen, dass wir als Geschädigte irgendwann vielleicht einmal
      1. Ansprüche auf medizinische Beratung und Kostenerstattung für nicht chirurgische Vorhaut-Wiederherstellung (Restoring) haben und
      2. Ärzte es sich künftig 3 mal überlegen, bevor sie einem Jungen zur Zirkumzision raten!
      Leider kenne ich die im Jahre 2003 gültige Leitlinie nicht, so dass ich mir zum Urteil selbst keine Meinung bilden kann.
      Ich kenne nur die heute gültige S2k-Leitlinie zur Behandlung von Phimose, die eine Beschneidung nur noch sehr zurückhaltend empfiehlt.
      Allerdings frage ich mich, ob eine Ablehnung deiner Klage nicht bereits aufgrund Verjährung hätte erfolgen können. Oder greift die hier nicht?
    • Die alte Leitlinnie gibt inhaltlich nicht so viel her, wenn das der gesamte Text ist.

      Ich fasse den Text mal nach meinem Verständnis zusammen:

      Angeborene Phimose:
      - bis zum 3. Lebensjahr physiologisch normal [Wir wissen ja, dass dies veraltetes Wissen ist!]
      - Behandlungsbedürftig bei:
      - wiederkehrenden Eichel-Vorhautentzündungen (Balanoposthitis)
      - erheblichen Beschwerden beim Wasserlassen (Mikrionsbeschwerden) durch Verengung (Ballonieren der Vorhaut)

      Vorhautverklebung:
      - nicht identisch mit Phimose
      - physiologisch normal, spontane Lösung erfolgt durch Wachstum, Erektion und allg. Körperhygiene
      - Behandlungsbedürftigkeit bei:
      - infizierten Smegmaretentionszysten

      Erworbene Phimose:
      - narbige Phimose: durch wiederkehrende Entzündungen oder gewaltsame Manipulation mit narbiger Abheilung entstanden
      - Lichen sclerosus et atrophicus [Das ist nach der heutigen Leitlinie tatsächlich noch einer der wenigen echten Beschneidungsgründe]

      Behandlungszeitraum:
      - Ab dem 3. Lebensjahr
      - wohl auch früher, wenn:
      - extreme Verengung mit Beschwerden bei Wasserlassen
      - wiederholende Entzündungen
      - bei erworbener Phimose (vernarbte Vorhautöffnung, Lichen sclerosus et atrophicus)

      Behandlungsmethode:
      - operative Erweiterung
      - Entfernung der engen Vorhaut

      Dehntherapie mit steroidhaltiger Salbe kannte die damalige Leitlinie wohl nicht offiziell. In der heute aktuellen Leitlinie ist Salbe/Dehnen das erste Mittel der Wahl und Behandlungsbedürftigkeit besteht grundsätzlich nur noch, wenn die Verengung echte Beschwerden macht.
      (Ausnahme: Lichen sclerosus)

      Für mich wird aus dem Text der alten LEitlinie nicht ganz klar, ob diese grundsätzlich ab dem 3. Lebensjahr zur Behandlung rät, oder ob - wie im Text weiter oben genannt wird - wiederkehrende Entzündungen bzw. erhebliche Beschwerden beim Wasserlassen bzw. Smegmaretentionszysten vorgelegen haben müssen, um die "Behandlung" einer angeborenen Phimose zu rechtfertigen.
      Ich verstehe den Text eigentlich schon so, dass auch damals eine reine kindliche Phimose (und/oder Verklebung) ohne sonstige Beschwerden keine ausreichende Rechtfertigung für die OP war.

      Inwieweit Ärzte in ihrer Entscheidung aber überhaupt an die Leitlinien gebunden waren, wäre noch eine andere Frage....
      Auch Frage ich mich, inwieweit Ärzte nach so langer Zeit noch verpflichtet sind eine schlüssig dokumentierte Begründung für die OP vorzulegen.

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    • Logo schrieb:

      Ich verstehe den Text eigentlich schon so, dass auch damals eine reine kindliche Phimose (und/oder Verklebung) ohne sonstige Beschwerden keine ausreichende Rechtfertigung für die OP war.

      Das haben zwei Gerichtsurteile zum Tatzeitpunkt 1999 und 1987 auch so bestätigt. Es entspricht dem Berufsethos von Ärzten, dass sie nur dann Tätig werden dürfen, wenn Leiden und Beschwerden behandelt oder gelindert werden können. Es MUSS konkrete Beschwerden geben, die Leitlinie schreibt eindeutig, was als Behandlungsbedürftig einzustufen ist.

      Als der Sachverständige in der Sitzung auf den Passus angesprochen wurde musste der auch erstmal 6 Sekunden lang die Zähne zusammenbeißen bevor er sich auf den Interpretationsspielraum berief.

      Meiner Auffassung und der meines Privatgutachters nach kommt der Reiter Therapie nur zum Tragen, wenn auch eine Therapie notwendig ist. Das bedeutet, dass man bei Beschwerden ab dem 2. Geburtstag eine operative Erweiterung oder Entfernung vornehmen darf. Bedeutet im Umkehrschluss auch, dass man vor dem 2. Geburtstag selbst bei Beschwerden abwartet, es seiden es liegen wirklich schwere Verläuft vor.



      Logo schrieb:

      bis zum 3. Lebensjahr physiologisch normal [Wir wissen ja, dass dies veraltetes Wissen ist!]
      Das war auch im Jahre 2003 schon lange überholtes wissen, das haben wir auch ausführlichst mit Fachliteratur bewiesen. Der Sachverständige meint ja ab dem 3. Lebensjahr wäre sie automatisch pathologisch, aber wie kann eine Pathologie ohne Krankheit bzw. Beschwerden existieren?

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Yelock ()