Techniker Krankenkasse empfiehlt Behandlung für entwicklungsbedingte Vorhautverklebung.

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    • Techniker Krankenkasse empfiehlt Behandlung für entwicklungsbedingte Vorhautverklebung.

      In Deutschland können die Krankenkassen gar nicht genug Geld ihrer Beitragszahler für unnötige Beschneidungen ausgeben. Zumindest muss man das annehmen, wenn man den Artikel der Techniker-Krankenkasse liest:

      tk.de/techniker/service/gesund…-ist-eine-phimose-2013284


      Der Artikel beginnt schon schlecht, indem er veraltete Angaben zur Entwicklung der Vorhaut macht. Es sind die Werte aus Gairdners „Fate of the Foreskin“" von 1949.
      Bei Jungen bis zu einem Alter von etwa drei bis fünf Jahren ist es völlig normal, dass sich die Vorhaut nicht über die Eichel schieben lässt. Oftmals klebt dabei das innere Blatt der Vorhaut (noch) an der Eichel fest.
      Zwischen 1968 bis heute erschienen 10 Studien über die Vorhautentwicklung, die alle zeigen, dass die Vorhaut bei vielen Jungen erst im Pubertätsalter komplett zurückziehbar wird, und dass im Alter von 5 Jahren noch die Mehrheit der Jungen eine Vorhaut hat, die nur teilweise oder gar nicht zurückziehbar ist. (1-10)


      Unter der Überschrift „Wann ist dann eine Operation erforderlich“ nennt der Artikel alle möglichen Phänomene und orientiert sich dabei wohl an der AWMF-Phimose-Leitlinie von 2013.

      Wann ist eine Operation erforderlich?

      Einige Situationen erfordern unabhängig vom Alter des Kindes eine Operation der Phimose. Dazu gehören wiederkehrende Entzündungen der Vorhaut, Narbenbildung oder ein deutlich erhöhtes Risiko für Harnwegsinfektionen, Hautveränderungen durch die Krankheit Lichen sclerosus et atrophicus und eine Aufblähung der Vorhaut beim Wasserlassen.
      „Wiederkehrende Entzündungen“, „Narbenbildung“, „Lichen sclerosus“ sind wenn überhaupt Indikationen für eine Behandlung.

      Mit dem „deutlichen erhöhten Risisko für Harnwegsinfektionen“ sind bestimmte Harntraktananolien gemeint, genauer gesagt Formen des „vesikorenale Reflux“. Dies ist ein eigenständiges, komplexes Krankheitsbild, das verschiedene Ursachen haben kann.

      Die Ballonierung der Vorhaut wird seit mindestens 10 Jahren in der internationalen Literatur einhellig als physiologisches, nicht-behandlungsbedürtiges Phänomen beschrieben.(11 -17)

      Im Jahr 2004 führten Babu et al. zudem eine Studie durch, in der die Ballonierung objektiv untersucht wurde.(18) Die Autoren stellten fest, dass die Ballonierung keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen hatte. Jungen mit ballonierender Vorhaut wiesen bei der Ultraschalluntersuchung normale Harntrakte und normale Blasenwanddicken auf. Darüber hinaus unterschieden sich die maximalen Harnflussraten von Jungen mit Ballonierung nicht von Jungen ohne Ballonierung.(18)


      Entwicklungsbedingte Vorhautengen und Vorhautverklebungen sollen behandelt werden:

      Da alle echten krankhaften Formen der Phimose (narbiger Vorhautring, Lichen scleorus) und sonstigen Beschwerden (wiederkehrende Entzündungen), die tatsächlich eine Behandlungsindikation darstellen können, gleich zum Grund für eine sofortigen Operation erklärt werden, bleiben für die konservative Behandlung nur noch entwicklungsbedingte, physiologische Phimosen ohne Beschwerden übrig:
      Liegt bei Jungen lediglich eine Verklebung der Vorhaut, aber keine Verengung und auch keine weitere Erkrankung vor, dann erfolgt eine Behandlung mit kortisonhaltigen Salben. Auch wenn Kinder eine Vorhautverengung ohne weitere Komplikationen aufweisen, ist ein Behandlungsversuch mit kortisonhaltigen Salben sinnvoll. ...

      Vorhautverklebung oder Vorhautverengung ohne weitere Komplikationen - das ist die Definition von physiologischer Phimose, d. h. einer normalen, gesunden Vorhaut, die entwicklungsbedingt (noch) nicht zurückziehbar ist.

      Der Artikel empfiehlt also, völlig gesunde Kinder wegen eines entwicklungsbedingten, normalen Zustandes zu „behandeln“ und – im Falle des Misserfolgs einr konservativen Behandlung – auch noch zu beschneiden.

      Diese Textzeilen im Verbund mit der Einleitung zu den OP-Indikationen (Einige Situationen erfordern unabhängig vom Alter“) und den Ausführungen zur Vorhautentwicklung („bis zu einem Alter von etwa drei bis fünf Jahren“) lassen tatsächlich nur den Schluss zu, dass hier eine Altersgrenze aufgestellt wird, ab der auch Jungen mit physiologischer Phimose „behandelt“ und ggf. beschnitten werden sollen, auch wenn diese nicht explizit genannt wird.

      Der Artikel zeigt die Folgen, wenn sich deutsche Autoren medizinischer Laienliteratur nur auf deutschsprachige Sekundärliteratur (Buchartikel, Leitlinien ect.) stützen und die gesamte internationale Fachliteratur ignorieren. Wenn sich die Autoren an die internationale Literatur gehalten hätten, dann wüssten sie, dass seit 1968 bis 2014 neun Studien belegten, dass nur etwa 10 (9) bis 31 % (3) der 5-Jährigen eine vollständig zurückziehbare Vorhaut haben, dass seit mindestens 2007 bis 2014 keine Übersichtsarbeit eine Behandlungsindikation am Alter festsetzte (11- 16) und das Ballonieren in der Literatur einhellig als nicht-behandlungsbedürtig betrachtet wird. (11 -16; 19)


      Fazit:

      Während in der Schweiz Krankenkassen bei Beschneidungen mittlerweile genauer hinsehen, in Großbritannien der National Health Service die Beschneidung bei Kindern nur noch bei narbigen Phimosen und wiederkehrenden Eichelentzündungen gestattet, möchten deutsche Krankenkassen offenbar das Geld Beitragszahler-Geld gerne für unnötige Genitaloperationen hinauswerfen.

      Dieser Artikel widersprach selbst zum Datum seiner vermutlich wahren Erstellung (2014) der aktuellen internationalen Literatur zur normalen Entwicklung der Vorhaut bzw. zur Therapie der Phimose.

      Mit solchen Artikeln wird Chirurgen und Urologen eine "Carte blanche" erteilt, nach Lust und Laune kleine und größere Jungen zu beschneiden.


      Einzelnachweise:
      1. Øster J. Further fate of the foreskin: incidence of preputial adhesions, phimosis, and smegma among Danish Schoolboys. Arch Dis Child 1968;43:200-3.
      2. Kayaba H, Tamura H, Kitajima S, et al. Analysis of shape and retractability of the prepuce in 603 Japanese boys. J Urol 1996;156(5):1813-5.
      3. Morales Concepcion JC, Cordies Jackson E, Guerra Rodriguez M, et al. Fimosis: ¿Son necesarias la circuncisión o la dilatación forzada?". Rev Cubana Pediatr 2001;73(4):206-11.
      4. Morales Concepción JC, Cordies Jackson E, Guerra Rodriguez M, et al. ¿Debe realizarse circuncisión en la infancia. Arch Esp Urol 2002;55(7):807-11.
      5. Ishikawa E, Kawakita M. [Preputial development in Japanese boys]. Hinyokika Kiyo 2004;50(5):305-8.
      6. Agawal A, Mohta A, Anand RK. Preputial retraction in children. J Indian Assoc Pediatr Surg 2005;10(2):89-91.
      7. Hsieh TF, Chang CH, Chang SS. Foreskin development before adolescence in 2149 schoolboys. Int J Urol. 2006 Jul;13(7):968-70.
      8. Ko MC, Lui CK, Lee WK, et al. Age-specific prevalence rates of phimosis and circumcision in Taiwanese boys. J Formos Med Assoc 2007;106(4):302–7.
      9. Yang C, Liu X, Wei GH.Foreskin development in 10 421 Chinese boys aged 0-18 years. World J Pediatr. 2009 Nov;5(4):312-5.
      10. Yu SH, Yu HS, Kim S. Age-specific foreskin development before adolescence in boys. Curr Pediatr Res 2017;21(1):136-139
      11. McGregor TB, Pike JG, Leonard MP. Pathologic and physiologic phimosis. Approach to the phimotic foreskin Can Fam Physician 2007;53:445–448.
      12. Malone P, Steinbrecher H. Medical aspects of male circumcision. BMJ 2007;335(7631):1206–90.
      13. Metcalfe PD, Elyas R. Foreskin management: Survey of Canadian pediatric urologists. Can Fam Physician 2010 Aug;56(8):e290-5.
      14. Shahid SK. Phimosis in children. ISRN Urol 2012:707329.
      15. Keys C, Lam JPH. Foreskin and penile problems in childhood. Surgery 2013;31(3):130-134.
      16. Drake T, Rustom J, Davies M. Phimosis in childhood. BMJ 2013;346:f3678
      17. Abbas T, McCarhy L. Foreskin and penile problems in childhood. Surgery 2016;34(5):221-22.
      18. Abara EO. Prepuce health and childhood circumcision: Choices in Canada.Can Urol Assoc J 2016 Jan-Feb;11(1-2Suppl1):S55-S62.
      19. Babu R, Harrison SK, Hutton KA. Ballooning of the foreskin and physiological phimosis: is there any objective evidence of obstructed voiding? BJU Int 2004;94(3):384-7.

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    • Au Backe, das ist wirklich ein gruseliges Traktat voller Fehler

      Moment, Technikerkasse, war da nicht was? ;)

      Verfassungsrechtliche Einschätzung der religiös motivierten Beschneidung bei nicht-einwilligungsfähigen minderjährigen Jungen
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Au Backe, das ist wirklich ein gruseliges Traktat voller Fehler

      Moment, Technikerkasse, war da nicht was? ;)

      Verfassungsrechtliche Einschätzung der religiös motivierten Beschneidung bei nicht-einwilligungsfähigen minderjährigen Jungen

      Fehler? Ja so könnte man es natürlich nennen.

      Ich halte Fehler in diesem Zusammenhang fast schon für eine Übertreibung.

      Dieser Artikel pathologisiert einen natürlichen, entwicklungsbedingten Zustand in einem Alter, in dem dieser noch bei rund 70% der Jungen vorliegt.


      Und es gibt Gründe, warum dieser Artikel diese Fehler angibt.
    • Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:


      Bei Kindern führt man die Operation in Narkose durch.....
      Eine bestimmte Operationstechnik, die man vor allem bei Neugeborenen einsetzt, ist die Plastibell-Technik.
      Sind Neugeborene Kinder, oder Aliens? Und, macht man bei denen Narkose bei einer GM?


      In einzelnen Fällen kann nach der Behandlung die Blasenwand infolge von Harnverhalten einreißen oder Teile des Penis-Gewebes können absterben.
      Und diesem Risiko setzt man Neugeborenen aus? Wozu?
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"
    • Die Technikerkrankenkasse setzt sich für Ihre Daseins-Berechtigung sehr gut ein. Je mehr Operationen gemacht werden, ist doch für das Krankenkassensystem sehr gut.

      Die Krankenkasse hat gute Gründe etwas an Geld einzuziehen, sie kann ihre Verwaltung und die Ärzte bezahlen, alle sind glücklich. Eine Reduktion von Operationen ist für das Krankenkassensystem eher destruktiv, dann braucht man diese überhaupt nicht.
    • Ich habe die Ärztin angeschrieben die als Autorin des Artikel genant wird. Hier ist ihre Antwort:
      Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich bei mir gemeldet haben. Mir war nicht bewusst, dass der Artikel- den ich zwischen 1998 und 2000 geschrieben habe- noch im Netz steht und mit einem neueren Datum versehen wurde, ich werde mich darum kümmern. Da der Artikel schon so alt ist, sind natürlich keine neueren Informationen erhalten und der Artikel entspricht dem damaligen Wissensstand. Da ich schon lange nicht mehr für die Firma arbeite, für die ich den Artikel geschrieben habe, muss ich mich erst informieren auf welchem Weg der Artikel überarbeitet werden kann.
      Es lohnt sich halt immer nachzuforschen. Wer hier bei der TK ist würde ich anraten sich zu beschweren damit der Artikel umgehend korrigiert wird.
      Die TK hat auch dieses fragwürdiges Video veröffentlicht: youtube.com/watch?v=QxNSHIK1OcM
      Ein bisschen Druck machen bei denen kann nicht schaden.
    • brokendream schrieb:

      Moment mal. Wenn der Text 20 Jahre alt ist war der seiner Zeit aber weit vorraus.
      Ich habe erst 2006 von einer Salbentherapie gelesen.
      Die Salbentherapie wurde zum ersten Mal in 1993 durch 2 Studien als erfolgreiche Therapiemassnahme anerkannt.

      Seit 1993 gibt es einen alternativen Ansatz für die Patienten und Elternder Kinder, die einen Vorhauterhalt wünschen. Kikiros und Woodward warenWegbereiter für die neue Lösung, die Phimose mit einer topischen Applikationeiner steroidhaltigen Creme zu therapieren [49].