Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

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    • Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

      Eine Initiative von:
      Stiftung Mercator, VolkswagenStiftung, Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
      und Vodafone Stiftung Deutschland
      Wenigstens weiß man, woher der Wind weht.
      Götter, ein Staat: Religiöse Vielfalt und Teilhabe im Einwanderungsland
      Die einzelnen Kapitel des Gutachtens lassen sich auch als eine Art Register lesen, das Bereiche identifiziert, in denen der deutsche Weg einer generellen Religionsfreundlichkeit bzw. eines religionsrechtlichen Multikulturalismus aus der Sicht des SVR in einem religiös vielfältigen und säkularen Deutschland zu Problemen führt. Dies gilt etwa für den Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts, das Religionsgemeinschaften gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht eitgehende Sonderrechte einräumt, den Aufbau einer islamischen Theologie an deutschen Hochschulen, in deren Rahmen Verbänden mit fraglicher Legitimität zu große Mitspracherechte eingeräumt wurden, oder die vom Gesetzgeber in großer Eile erlassene Beschneidungsgestattung, die vor allem hinsichtlich der Schmerzbehandlung der Kleinkinder einiges im Unklaren lässt.



      Höhere Anforderungen dürften indes für § 1631d Abs. 2 BGB gelten, wonach Knabenbeschneidungen in den ersten sechs Lebensmonaten unter bestimmten Voraussetzungen auch von Personen vorgenommen wer-den dürfen, die nicht Ärzte sind, sofern sie „von einer Religionsgesellschaft dafür vorgesehen[ ]“ sind (s. dazu ausführlicher Kap. B.3.3). Diese Ausnahme vom Arztvorbehalt, der in Abs. 1 dieser Regelung festgelegt ist, dient der Gesetzesbegründung zufolge der Verwirklichung der individuellen Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG) und des Selbstverwaltungsrechts der Religionsgemeinschaften (Art. 137 Abs. 3 WRV) (s. BT-Drs. 17/11295). Die Tragweite dieser Glaubenspraxis spricht dagegen, die institutionellen Anforderungen abzusenken, denn der Staat muss sich im Einzelfall unzweifelhaft versichern können, dass dies religiös geboten ist. In der Gesetzesbegründung heißt es weiter: „Von dem Begriff ‚Religionsgesellschaft’ sind die unter dem Schutz von Artikel 4 Abs. 1, 2 GG sowie Artikel 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV stehenden Gemeinschaften unabhängig von ihrer Verfassung (etwa Körperschaft des öffentlichen Rechts) erfasst.“ Dies ist offenbar so zu verstehen, dass in jedem Fall eine bestehende Religionsgemeinschaft vorauszusetzen ist. Allerdings hat diese Frage keine praktische Bedeutung, da Abs. 2 auf die jüdische Beschneidung abzielt (vgl. BT-Drs.17/11295) und der Zentralrat der Juden in Deutschland eine anerkannte Religionsgemeinschaft mit dem Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist. Höhere Anforderungen dürften indes für § 1631d Abs. 2 BGB gelten, wonach Knabenbeschneidungen in den ersten sechs Lebensmonaten unter bestimmten Voraussetzungen auch von Personen vorgenommen wer-den dürfen, die nicht Ärzte sind, sofern sie „von einer Religionsgesellschaft dafür vorgesehen[ ]“ sind (s. dazu ausführlicher Kap. B.3.3). Diese Ausnahme vom Arztvorbehalt, der in Abs. 1 dieser Regelung festgelegt ist, dient der Gesetzesbegründung zufolge der Verwirklichung der individuellen Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG) und des Selbstverwaltungsrechts der Religionsgemeinschaften (Art. 137 Abs. 3 WRV) (s. BT-Drs. 17/11295). Die Tragweite dieser Glaubenspraxis spricht dagegen, die institutionellen Anforderungen abzusenken, denn der Staat muss sich im Einzelfall unzweifelhaft versichern können, dass dies religiös geboten ist. In der Gesetzesbegründung heißt es weiter: „Von dem Begriff ‚Religionsgesellschaft’ sind die unter dem Schutz von Artikel 4 Abs. 1, 2 GG sowie Artikel 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV stehenden Gemeinschaften unabhängig von ihrer Verfassung (etwa Körperschaft des öffentlichen Rechts) erfasst.“ Dies ist offenbar so zu verstehen, dass in jedem Fall eine bestehende Religionsgemeinschaft vorauszusetzen ist. Allerdings hat diese Frage keine praktische Bedeutung, da Abs. 2 auf die jüdische Beschneidung abzielt (vgl. BT-Drs.17/11295) und der Zentralrat der Juden in Deutschland eine anerkannte Religionsgemeinschaft mit dem Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist.
      Unlogisch. Nicht jeder Jude glaubt an Gott. Und warum sollten Juden gegenüber Muslimen bevorzugt werden die sich auf Abraham berufen?


      m Kölner Fall liegt eine klassische Kollision verschiedener Grundrechte vor, die gegeneinander in Stellung gebracht werden. Für ein Beschneidungsverbot können die Schutzpflichtdimensionen des Grundgesetzes und mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG eines „der vornehmsten Güter des Individuums“ (Krüper 2015: 21) angeführt werden, ebenso die negative Religionsfreiheit des Kindes (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG).272 Dem steht die
      positive Religionsfreiheit der Eltern gegenüber, nach der sie im Rahmen ihres Erziehungsrechts (Art. 6 Abs. 2 GG) u. a. die Zugehörigkeit ihres Kindes zu einer Religionsgemeinschaft festlegen können – und damit eben auch die Beschneidung im Kleinkind- bzw. Säuglingsalter, die vor allem für Juden elementar ist (Unruh 2015: 55).
      Das Kölner Urteil hat großes Aufsehen erregt.
      Unlogisch. Dann müsste der Junge, wenn er es wünscht mit 14 Jahren - also mit Erreichen der Religionsmündigkeit - die Verstümmelung rückgängig machen können. So, wie er mit 14 Jahren aus der im oktroyierten Religionsgemeinschaft austreten kann.



      B.3.3.2 Gesetzesänderung im Eilverfahren: die zivilrechtliche Lösung über § 1631d BGB. Nur wenige Monate nach dem Kölner Urteil – und damit in einer „Windeseile“, die durchaus irritierend ist, da gesetzgeberische Verfahren sonst deutlich länger dauern (Joppke 2013: 412; s. auch Eser 2014: § 223 Rn. 12a)
      – hat der Gesetzgeber diese Normenkollision durch die Einführung einer Beschneidungserlaubnisnorm (§ 1631d BGB) geklärt. Danach ist auch die Entscheidung bzw. die Einwilligung zu „eine[r] medizinisch nicht erforderliche[n] Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes“ als Teil der Personensorge anzusehen, wenn sie „nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt“ wird und das „Kindswohl“ dadurch nicht gefährdet ist. Damit hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Erlaubnis zur Durchführung einer Beschneidung von einer religiösen Motivation abhängig zu machen;
      Beschneidungen sind danach auch aus ästhetischen oder anderen Gründen gestattet. Befürworter loben diese Regelung als „diskriminierungsfrei[...]“ (zitiert nach Fischer 2015: § 223 Rn. 46a) – allerdings hat sie einen hohen Preis: Damit ist es aktuell „allen Bürgern gestattet, ihren Knaben – aus welchen Gründen auch immer – die Penis Vorhaut abzuschneiden“; dies erscheint gerade „vor dem Hintergrund der zeitgleich ablaufenden Kampagne gegen die Genitalverstümmelung von weiblichen Personen [...] ziemlich irrational“ (Fischer 2015: § 223 Rn. 46a, Herv. im Original). Die „Ungleichbehandlung im Verhältnis zu entsprechenden Amputationen an Mädchen“, die mit der Einführung des § 1631d BGB geschaffen wurde, ist laut Eser (2014: § 223 Rn. 12c) auch eine von verschiedenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Norm. Aus rechtlicher Sicht spricht nichts dagegen, die Zulässigkeit auf Fälle zu begrenzen, in denen eine religiöse Motivation vorliegt.278 Gerade deshalb ist es zu kritisieren, dass eine Beschneidung ohne Rechtfertigung gestattet wird, denn damit wird ein irreversibler Eingriff in den Körper eines Kindes banalisiert (dazu Langenfeld 2015a; s. auch Deutscher Juristentag 2014: 9; Walter, T. 2012: 1110; Krüper 2015: 21f.).
      "Aus rechtlicher Sicht spricht nichts dagegen, die Zulässigkeit auf Fälle zu begrenzen, in denen eine religiöse Motivation vorliegt.2"
      Nicht zu Ende gedacht (erstmal spricht nichts dafür, Genitalverstümmelung überhaupt zu legalisieren)
      Wie sollte das gehen? Religiöse Gewissensprüfung? Lächerlich!
      Außerdem: Wer seinen Sohn genital verstümmeln will, kann in einer Minute dem Islam beitreten.
      Hier bitte, ich bin jetzt Muslima, ich darf das!


      Darüber hinaus fällt auf, dass das Gesetz von dem in Abs. 1 festgelegten Arztvorbehalt in Abs. 2 abrückt:
      Danach können „in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes“ auch andere „von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind“. Dies trägt besonders den religiösen Traditionen im Judentum Rechnung, nach denen die Beschneidung am achten
      Lebenstag des Jungen von einem darauf spezialisierten Geistlichen (Mohel) durchgeführt werden muss. Für die Gruppe der Muslime gilt dagegen keine feste zeitliche Begrenzung, die Beschneidung ist im Prinzip bis zur Pubertät möglich und wird in der Regel ausschließlich von medizinisch ausgebildeten Personen durchgeführt.
      Man zieht sich an Einzelaspekten hoch, und übersieht dabei das Hauptproblem. An den Symptomen kurieren beseitigt nicht das Grundübel. Mit dieser Einstellung könnte man auch die Medikalisierung der FGM fordern.

      B.3.3.4 Fazit: Abrücken vom Arztvorbehalt und unzureichende Schmerzbehandlung. Neben dieser ambivalenten Grundeinschätzung wirft das Gesetz in seiner jetzigen Fassung noch einige Fragen auf, die aus der Sicht des SVR dringend geklärt werden müssen. Das betrifft vor allem die Tatsache, dass Abs. 2
      des Gesetzes für Kinder unter sechs Monaten den Arztvorbehalt aufgibt, denn danach dürfen auch Geistliche ohne eine behördliche Erlaubnis die Beschneidung vornehmen. Mit § 1631d Abs. 2 BGB dürfen also erstmals im deutschen Recht Personen am Körper eines anderen (in diesem Fall eines Kleinkinds) einen Eingriff vornehmen,280 die nicht gegenüber einer staatlichen Stelle ihre Kompetenz dafür nachgewiesen haben (Ringel/Meyer 2014:
      23). Zwar plant der Zentralrat der Juden, ein Institut einzurichten, in dem Mohalim zertifiziert werden und eine den medizinischen Standards entsprechende Ausbildung erhalten. Jedoch ist (zumindest bislang) nicht vorgesehen, dass dieses Institut irgendeiner staatlichen Kontrolle unterliegt. Entsprechend sollte die Politik zumindest prüfen, ob nicht eine behördliche Erlaubnis zur Durchführung der Beschneidung verpflichtend eingeführt werden sollte.
      Kontrovers diskutiert wird der § 1631d Abs. 2 BGB aber auch, weil er hinsichtlich der in Abs. 1 geforderten Schmerzbehandlung281 einiges im Unklaren lässt. Nun ist die Frage nach der Form der Schmerzbehandlung grundsätzlich umstritten. In der Medizin setzt sich zunehmend die Auffassung durch, dass eine Schmerzbehandlung nur mit anästhesierenden Salben oder Paracetamol-Zäpfchen nicht ausreicht282 und sich mit der lege artis-Bedingung nicht in Einklang bringen lässt;283 man hält zumindest eine lokalanästhesierende Medikation für erforderlich.284
      Folgt man dieser Auffassung, müsste ein Geistlicher, der nach § 1631d Abs. 2 BGB die Beschneidung vornimmt, dabei von einem Arzt unterstützt werden, der mit der Betäubung betraut ist.285 Ist dies nicht der Fall, macht sich der Beschneider der Körperverletzung schuldig (in diesem Sinne auch Fischer 2015: § 223 Rn. 50). In dieser Interpretation widerspricht das Gesetz allerdings der Forderung, die Vertreter der jüdischen Gemeinde im Rahmen der Gesetzesberatungen aufgestellt haben: Es müsse „sichergestellt sein, dass der Mohel die Beschneidung in den ersten sechs Lebensmonaten eines Jungen auch ohne Anwesenheit eines Arztes oder Krankenschwester durchführen kann“ (Kramer 2012: 4, Herv. im Original).
      Empirische Erkenntnisse zur Beschneidungspraxis nach § 1631d Abs. 2 BGB liegen bisher nicht vor. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die damit normierten Beschneidungen derzeit von Nichtmedizinern ohne medizinische Begleitung und infolgedessen ohne hinreichende Betäubung durchgeführt werden. Insofern ist hier im Sinne des Kindeswohls eine Klarstellung des Gesetzgebers geboten.
      Quatsch. 1631d ersatzlos streichen. Integration von MGM in den §226a StGB.

      svr-migration.de/wp-content/up…grationsbarometer_WEB.pdf
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"

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    • Empirische Erkenntnisse zur Beschneidungspraxis nach
      § 1631d Abs. 2 BGB liegen bisher nicht vor.
      Das hat der Bundestag ja explizit so gewollt, bzw. eine solche Erfassung verunmöglicht. Der dahingehende Änderungsantrag von Lischka et. al. wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
      Man möchte es ja nicht erleben, dass die Ergebnisse einer solchen Evaluierung die eigenen Behauptungen und Verharmlosungen Lügen strafen.
      Sauber! :-((
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"