MANNdat schrieb:
Körperverletzung an Mädchen durch Beschneidung wird international geächtet. Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung wurde 2013 in Deutschland legalisiert und damit Jungen die Grundrechte aus Artikel 1, 2 und 3 wesentlich eingeschränkt. Die meisten FDP-Abgeordneten im Bundestag haben seinerzeit für die Legalisierung von Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung gestimmt. Wie stehen Sie dazu?
Susanne Schneider schrieb:
Die Frage nach Recht oder Unrecht der Beschneidung von Jungen und Männer kann ich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Zu Recht ist die Diskussion sehr ambivalent geführt worden und ich kann die Argumente beider Seiten nachvollziehen. Die weibliche Genitalverstümmelung wird im Verborgenen mit teils archaischen Werkzeugen ohne Betäubung durchgeführt und führt neben seelischen Spätfolgen auch zu teils erheblichen Einschränkungen bei Miktion und der sexueller Empfindsamkeit. Sie dient als Werkzeug der Unterdrückung. Deshalb stellt die weibliche Genitalverstümmelung nicht nur eine körperliche, sondern auch eine seelische Misshandlung dar und ist ein Verbrechen, das mittlerweile im Strafrecht verankert ist.
Die Beschneidung von Jungen und Männern ist fest im jüdischen und muslimischen Glauben verankert. Der jüdische Glaube sieht in der Beschneidung einen zentralen Bestandteil der jüdischen Identität. Sie ist von essentieller Bedeutung und konstitutiv für das Judesein. Ein Verbot der Beschneidung konkurriert damit zugleich mit der Religionsfreiheit bzw. der Religionsausübung. Dem gegenüber steht aber das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das mir als Gesundheitspolitikerin ein hohes Gut ist. Jeder Eingriff bringt Risiken mit sich, wie Infektionen oder Blutungen. Auch die psychischen und psychosomatischen Folgen einer Beschneidung sollten unbedingt berücksichtigt werden.
MANNdat schrieb:
Inwiefern sehen Sie eine Konkurrenz zwischen den beiden Grundrechten aus Art. 2 und Art. 4? Aus dem GG selber ergibt sich eine solche Konkurrenz nicht, sondern dort gibt es eine eindeutige Vorrangigkeit des Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit. Die sogenannten Religionsartikel 136 bis 139 und 141 der Weimarer Verfassung (WRV), die laut Art. 140 GG ausdrücklich Bestandteil des GG sind, besagen in Art. 136 (1), dass die bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten durch Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt werden. Das heißt, hier wird die Religionsfreiheit insofern eindeutig beschränkt, dass sie andere Grundrechte, also auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, nicht verletzen darf.
manndat.de/interview/das-eine-…das-andere-zu-lassen.htmlSusanne Schneider schrieb:
Hierzu gibt es unter den Juristen auch heute noch Diskussionen. Daher muss diese Frage konkret an einen Juristen gestellt werden. Meine Meinung habe ich versucht entsprechend darzustellen.