Alternativer Gesetzesvorschlag

    • Alternativer Gesetzesvorschlag

      Angesichts der völligen Ausblendung der Auswirkungen für die Betroffenen im Gesetzentwurf der Bundesregierung und seiner offenkundigen Unvereinbarkeit mit der Verfassung und der UN-Menschenrechtskonvention möchte ich dem Bundesministerium der Justiz einen anderen Regelungsvorschlag machen, der mir geeignet erscheint, die scheinbar widersprüchlichen Interessen zum Ausgleich zu bringen.

      Anstelle der vorgesehenen Regelung im BGB sollte in das Strafgesetzbuch der §176c (alternativ §226b) "Genitalverstümmelung" mit folgendem Wortlaut eingefügt werden: "Wer eine Person an den Genitalien verstümmelt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Die besondere Schwere der Schuld ist festzustellen. Die Einwilligung durch Dritte ist ausgeschlossen."

      Die Erfordernisse an eine Einwilligung durch die betroffene Person selbst sollten an die Regelungen anknüpfen, die bereits heute für so genannte geschlechtsangleichende Operationen im Fall von Transsexualität gelten. Man würde mit einer solchen Regelung dem Gleichheitsgrundsatz und der UN-Menschenrechtskonvention genüge tun. Opfer könnten unabhängig von ihrem Alter und Geschlecht mit einer tat- und schuldangemessenen Bestrafung der Täter, soweit diese angesichts der Schranke des Art. 102 GG möglich ist, rechnen.

      Dem Anliegen von Religionsvertretern nach freier Religionsausübung und Nichteinmischung in ihre religiösen Angelegenheiten könnte - wenngleich unter erheblichen rechtsstaatlichen Bedenken - dadurch Genüge getan werden, dass eine Anklage nach §176c oder §226b StGB nur dann erfolgt, wenn dies von dem betroffenen Opfer gewünscht wird.
    • Um Deine Fragen zu beantworten: Verstümmeln wird - bezogen auf eine Person - definiert als "durch Abtrennen von Körperteilen schwer verletzen". Verstümmelung bedeutet also, dass vom Körper Organe (z. B. Finger, Füße, Zunge, Ohren, Klitoris, Vorhaut, etc.) oder auch Teile eines Organs entfernt werden.

      Im Fall aufgespritzter Lippen ist dies nicht der Fall. Dennoch würde dies, wenn es gegen den Willen der betroffenen Person geschehen sollte (allerdings ist mir kein derartiger Fall bekannt), als Körperverletzung bewertet werden.

      Auch Verstümmelungen werden im Strafrecht der Körperverletzung - ein sehr weit gefasstes und mehrfach abgestuftes Konzept - zugerechnet, d. h. sie werden bis auf die uns bekannte Ausnahme bereits bestraft und wurden es auch schon in der Vergangenheit. Auch die "Beschneidung" ist nach derzeitiger Rechtslage lediglich eine Köperverletzung. Allerdings wird bei dieser Einordnung die besondere Bedeutung der Sexualität für Wohlbefinden, Identität und psychische Stabilität des Menschen noch nicht berücksichtigt.

      Aufgrund dieser besonderen Bedeutung der Sexualität und des erheblichen Traumatisierungspotenzials von Eingriffen in die Sexualität des Menschen hat der Gesetzgeber im dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung normiert. Da eine Genitalverstümmelung die sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigt, sollte sie als eigener Tatbestand in diesen Abschnitt aufgenommen werden. Da es sich um eine besonders gravierende und nachhaltige Beeinträchtigung - zum lebenslangen psychischen kommt der lebenslange physische Schaden - handelt, sollte sie mit der vorgeschlagenen Strafandrohung versehen sein.