Dr. Christoph Kupferschmid

    • Dr. Christoph Kupferschmid

      schreibt in Prof. Franz´ Buch "Die Beschneidung von Jungen - ein trauriges Vermächtnis":
      (...)Das »Basiswissen« zum Thema Phimose, das heute Studenten und Ärzte aus den Lehrbüchern und aus den Leitlinien beziehen, ist weitgehend unbegründet und falsch. Bereits die Uneinheitlichkeit der Darstellungen hätte seit vielen Jahren Misstrauen erzeugen müssen. Unbegründete Empfehlungen für invasive Behandlungen kann man nicht hinnehmen. Wer Kinder aus medizinischen Gründen verletzt, braucht hierfür eine präzise begründete Indikation. Keinesfalls können die heutigen Lehrbücher und Leitlinien als Basis für eine Patientenaufklärung gemäß dem aktuellen Stand der Wissenschaft herangezogen werden....

      (...)Im Rahmen von qualitätsverbessernden Prozessen wurden die Indikation und die Grenzen für eine Beschneidung nie in der gebotenen Präzision definiert...

      (...)Die physiologische Entwicklung bis zur vollständigen Lösung der Vorhaut dauert also bei manchen Jungen bis zum Alter von 16–17 Jahren.

      (...)Aufgrund der Studienlage stellt die alleinige Tatsache, dass sich die Vorhaut nicht zurückstreifen lässt, bis ins Jugendlichenalter keinen pathologischen Zustand dar; insbesondere keine Indikation zur Operation.
    • Dr. Kupferschmid schrieb:

      stellt die alleinige Tatsache, dass sich die Vorhaut nicht zurückstreifen lässt, bis ins Jugendlichenalter keinen pathologischen Zustand dar; insbesondere keine Indikation zur Operation.

      ... und so hätte ich noch heute meine Vorhaut, wäre mein damaliger Kinderarzt ebenso schlau gewesen, wie Dr. Kupferschmid. ;(
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    • Krass oder...

      im Threat "Leidensgeschichten" bliebe kaum eine der "medizinischen" Fälle übrig

      ...ich krieg auch immer die Krise, wenn ich sowas wie von Kupferschmid lese, und meine Erlebnisse diesbezüglich rekapituliere...oder wenn ich mit Kindern in dem Alter zusammentreffe und mir vorstelle, dass diese Knirpse jahrzehntelang reihenweise unters Messer gelegt wurden, ich auch einmal so einer war und dass alle das NORMAL fanden...sowas von krank
    • Echt jetzt?

      In den 70/80ern gabs doch noch gar keine Salbenbehandlung und so ausschließlich die "Therapie" Vorhautamputation.

      In meinem Bekannten- und Freundeskreis mit x Söhnen gibt es keinen Jungen, bei dem je überhaupt eine VA zur Diskussion stand. In einem einzigen Fall sollte ein Sechsjähriger mit Salben traktiert werden, was sein Vater aber ablehnte, da er den Jungen zu Recht für gesund hielt.

      Ich weiß, was in den Mamaforen noch so los ist und dass es den ganzen Wahnsinn schon noch immer gibt. Aber ich hoffe, doch nicht in der Breite und in derartigem Ausmaß. In meiner Grundschulklasse war die Quote 30%.

      Dr. Fegeler sagte mir, dass in den letzten ca. 10 Jahren kein Junge in seiner Praxis vorstellig wurde, bei dem es tatsächlich zu einer VA kam.

      Das Problem ist der von Kupferschmid beschriebene noch immer viel zu große Ermessensspielraum der Ärzte, eine VA zu veranlassen - quasi eine ärztliche Willkür, die in überhaupt keinem Verhältnis zu der Tragweite der Entscheidung steht.
    • Wie hanebüchen der Kenntnisstand heute immer noch ist, macht Kupferschmid mit folgendem Hinweis deutlich:

      "In einem noch aktuellen Standardlehrbuch der Pädiatrie für Studenten wird die Phimose unter den urogenitalen Fehlbildungen abgehandelt. »Die distal enge Vorhaut lässt sich nicht zurückstreifen. [...] Bis zum Ende des 2.–3. Lebens- jahres ist eine Verklebung der Vorhaut mit der Glans physiologisch. [...] Eine echte Phimose erfordert eine Zirkumzision« (Michalk, 1995). Das muss man als heutiges »Basiswissen« zur Phimose ansehen. Nach dieser Lehre entspräche es einer »unphysiologischen Phimose«, wenn sich die Vorhaut bei einem kleinen Jungen im Kindergartenalter nicht zurückstreifen ließe."

      Auch auf die hier im Forum schon diskutierte Phimoseleitlinie der Kinderchirurgen geht Kupferschmid ein. Er weist dabei nicht nur auf den eingeschränkten Wert dieser Leitlinie, sondern auf einen eklatanten Widerspruch in der dortigen Argumentation hin.


      "Die neueste Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie zu Phi- mose und Paraphimose bleibt weiterhin auf der niedrigsten Qualitätsstufe (S1) und beschränkt sich auf die Auswertung von 17 Literaturzitaten. Obwohl die sparsam verwendete Literatur anderes aussagt, stellen die kinderchirurgischen Experten fest, dass Reifungsvorgänge eine »Auflösung der physiologischen Vor- hautverklebung und -enge bei der übergroßen Mehrzahl der Knaben im Alter von 3 bis 5 Jahren« bedingen würden (AWMF, 2013). Bei unkompliziertem Verlauf sei der Beginn einer Therapie im Vorschulalter, bei Beschwerdefreiheit auch später, zu empfehlen. Der unsinnig konstruierte Gegensatz zwischen »unkompliziert« und »Beschwerdefreiheit« wird nicht näher spezifiziert."


      Aus Kupferschmids Sicht trägt die Leitlinie nicht zur Klärung (was der eigentliche Sinn einer Leitlinie sein sollte) bei, sondern vergrössert noch die bestehende Verwirrnis.

      "Auch engt die Leitlinie auf der einen Seite die Gründe für eine Beschneidung auf Vorhautengen durch Entzündungen und Narben streng ein, auf der anderen Seite eröffnet sie jedoch durch mangelnde Präzision, Relativierungen und innere Widersprüche einen großen Graubereich der Behandlung, die auch eine Beschneidung sein kann. Die Empfehlung einer Therapie bei »unkompliziertem Verlauf« im Vor- schulalter pathologisiert einen Zustand, der an anderer Stelle der Leitlinie richtiger Weise als normal bezeichnet wird."


      Kupferschmid warnt davor, die Beschneidungsoperation auf die leichte Schulter zu nehmen, und sie als Übungsfeld im Rahmen der Ärzteausbildung zu betrachten.


      "Der Kinderchirurg und Mitautor der kinderchirurgischen Leitlinie, Karl Becker, klassifiziert in seinem selbst verlegten Buch »Die rituelle Beschneidung« den Eingriff als einen »kleinen«. Im Vergleich zu den komplexen großen kinderchirurgischen Operationen mag das sogar stimmen. Die Beschneidung sei für ihn »ein guter Einstieg in die subtilen Operationstechniken der Kinderchi- rurgie und somit für die Ausbildung gut geeignet« gewesen. Die jungen Ärzte hätten an den kleinen Jungen den »sorgsamen Umgang mit dem kindlichen Gewebe, das Nähen und verletzungsarme Präparieren« lernen können (Becker, 2013). Das Problem ist nicht die Notwendigkeit, dass lernende Chirurgen Schritt für Schritt an kompliziertere Operationen herangeführt werden müssen. In der Verharmlosung (im Wortsinn: harm-los) der einfachen Dinge steckt die Gefahr. Es darf in der Medizin keine Schwelle geben, unterhalb derer Eingriffe wegen ihrer Geringfügigkeit weniger gut begründet oder mit geringerer Sorgfalt ausgeführt werden müssen. Becker hält in seinem Buch Beschneidungen kleiner Jungen als Vorbeugemaßnahme von Erkrankungen der Vorhaut für gerechtfertigt, was er als Koautor der Leitlinie gleichzeitig strikt ablehnt."
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.