Im Zweifel gehören Kinder dem Staat

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    • Im Zweifel gehören Kinder dem Staat

      Ja, wenn die Eltern Christen sind, dann ist der Staat zur Stelle!

      Denn das Amtsgericht Darmstadt sieht darin eine Gefährdung des Kindeswohls.

      ..die Entscheidung wäre eine Frage der Abwägung zwischen den Rechten der Eltern und dem Kindeswohl gewesen. Letzteres hätte aus Sicht des Richters überwogen.

      Da standen am frühen Morgen 20 Polizisten und Mitarbeiter des Jugendamtes vor der Tür.

      Das sollte bei drohender Genitalverstümmelung eigentlich auch drinsitzen.
      Nur 20 Polizisten? Ohne Maschinenpistolen und Schäferhunde? Na ja, war nicht in Bayern... :D

      Der Kern des ihnen ihrer Überzeugung nach von Gott gegebenen Elternrechts besteht darin, dass Mutter und Vater darüber entscheiden können, "was sie als Belehrung zulassen und was nicht."


      Und was sagt der Staat? Schietegal, was eure religiöse Überzeugung ist! Ihr seid doch bloß Christen!

      Auch der Kindeswille eines 14-Jährigen zählt nicht:
      Das Schulamt hat den Eltern bestätigt, dass die Kinder über einen hohen Leistungsstand verfügen. Seit Oktober gehen sie zur Schule. "Mir fällt es schwer, so künstlich lernen zu müssen", sagt Machsejah. "Ich habe keine Freude am Lernen, im Gegensatz zu früher, wo wir Heimschule gemacht haben."



      Und Deutschland verlassen dürfen sie auch nicht. Am deutschen Wesen sollen sie genesen. Ausreiseverbot, wie in der "Ehemaligen". Gefangen in Deutschland.

      Am 24. Dezember bekamen sie den Beschluss des Amtsgerichts, wonach das Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Jugendamt bleibt


      Denn In Österreich, in Frankreich, da wäre das kein Problem:

      Vorbildlich im Hinblick auf die Regelung der Bildungspflicht ist für ihn Österreich. Dort können Eltern ihre Kinder zu Hause unterrichten, unterliegen aber einer Meldepflicht und müssen die Lernfortschritte regelmäßig überprüfen lassen. Auch in Frankreich werden Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, regelmäßig von Behördenvertretern besucht. Sie kontrollieren Lernfortschritte und Gesundheit. Rund 20.000 Kinder bereiten sich ausschließlich zu Hause aufs Leben vor.


      So ist das eben mit der Religionsfreiheit. Mal so, mal so, es geht nur nach Lobby und Macht. Genitalverstümmelung, das muss sein, weil das ja religiös vorgeschrieben ist...

      Ja ja, im Zweifel gehören Kinder dem Staat. Aber nur, wenn die Eltern Christen sind. Sonst gehören sie zweifelsfrei den Eltern. Zweierlei Maß, und ganz ohne rot zu werden.

      welt.de/print/die_welt/vermisc…ren-Kinder-dem-Staat.html
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"

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    • Das Elternrecht ist eben nicht das Recht der Eltern, sondern Elternverantwortung:

      "Art.6 Abs.2 Satz 1 GG erlegt den Eltern die Pflicht auf, ihr Kind zu erziehen. Ziel der Erziehung ist das Wohl des Kindes. Das Wohl des Kindes ist eine Ausprägung der Menschenwürde aus Art.1 Satz 1 GG. Diese umfasst sämtliche Grundrechte. Besondere Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen, ist daher rechtsdogmatisch nicht sinnvoll. Da das _Elternrecht_ niemals ohne Bezug zum Kindeswohl ausgeübt werden kann, also ein _fremdnütziges Recht_ ist, bezeichnet man es einprägsamer als „Elternverantwortung“. Ein Gegensatz zwischen Elternrecht und Kindes recht existiert rechtsdogmatisch nicht, da das Elternrecht von vornherein durch die Verwirklichung der Kinderrechte begrenzt ist (BVerfGE 24, 119, 143)"
    • Ich finde das etwas zu weit gegriffen, hier gerade den christlichen Hintergrund der Eltern herauszustellen.
      Homeschooling ist in Deutschland nun mal untersagt - völlig unabhängig von der Motivation oder religiösen Vorstellungen der Eltern.

      Der Fall der Wunderlichs ist ein gutes Beispiel dafür, wie der deutsche Staat sich durchsetzen kann und echte oder vermeintliche Elternrechte ignorieren bzw. beschneiden kann, wenn er dies möchte.
      Ich finde das jetzt aber kein gelungenes Beispiel für einen Doppelstandard bezüglich der Behandlung unterschiedlicher Religionen.

      Wie gesagt wird Homeschooling grundsätzlich bei keinen Eltern toleriert, noch ist Homeschooling ein Glaubensinhalt des Christentums oder irgendeiner anderen Religion.
    • Und genau dieses Kindeswohl hat der Gesetzgeber jetzt herausdefiniert. Eine Kindeswohlgefährdung verhindert eine Beschneidung, aber nur, wenn diese eine über den Zweck der Beschneidung hinausgehende Gefährdung ist. Damit §1631d BGB nicht im Widerspruch zu dem BVerfG steht, muss man unterstellen, dass die Beschneidung an sich keine Kindeswohlgefährdung ist. Das man allgemein bereits bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit von viel geringerem Ausmaß eine Kindeswohlgefährdung erkennt, zeigt nur wie sehr hier das Recht gebogen wurde.
    • Sokrates schrieb:

      Homeschooling ist in Deutschland nun mal untersagt - völlig unabhängig von der Motivation oder religiösen Vorstellungen der Eltern.


      In Frankreich aber nicht. Wenn Unterricht zu Hause eine Menschenrechtsverletzung darstellt, dann muss die EU eingreifen, und der nicht auf den Mund gefallene Jagland obendrein müsste aufschreien. Aber der kümmert sich ja nur um Minderheiten, und das sind Christen ja nicht.
      Wir haben in der EU Reisefreiheit. Wenn jemand in ein anderes EU-Land ausreisen und nach dortigem Recht leben möchte kann er das - normalerweise. Von daher kann ich mir auch nicht vorstellen, dass das amtsgerichtliche Urteil Bestand hat.
      Aber das hat ja Zeeeeiiit! Da muss jetzt nicht sofort - wie in anderen Fällen - der dt Bundestag blitzschnell handeln, weil Eltern nicht so können, wie sie religiös wollen. Nein. Die können doch den Weg durch die Instanzen gehen, vielleicht geht ihnen ja unterwegs die Puste aus!
      Wohlgemerkt, ich halte das für ganz schlecht, wenn man Kinder nach Religionsgemeinschaft auseinandereißt. Dadurch entsteht das ganze Lager- und Blockdenken. Wir hier - und die da. Die Kindern kommen nämlich eigentlich ganz prima miteinander zurecht.
      Ich habe das alles in meiner Kindheit erfahren / erfahren müssen.
      Das ist genauso ein Mist, wie wenn man Kinder nach Hautfarbe getrennt unterrichtet.

      Aber was passiert denn auf den religiösen "Tagesschulen" und Internaten? Genau das, bloß keine fremden Einflüsse, da könnte ja was abfärben! Da könnte man ja sehen, dass die anderen auch ganz prima sind. Da könnte man sich gar in jemanden aus einem anderen "Lager" verlieben, gar heiraten, eine Katastrophe! Der Untergang der eigenen Gemeinschaft drohte, also müssen Barrieren aufgebaut werden.

      Freiheit, Freiheit, ist das einzige was fehlt...

      Doch, doch, das ist hier zweierlei Maß. Natürlich, Genitalverstümmelung ist jetzt nach 1631d für alle Eltern erlaubt - auch für Christen. Aber die wollen das gar nicht. Die haben das nicht bestellt.
      Mal geht Religionsfreiheit über alles - dann fällt sogar das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit unten durch.
      Dann ist Religionsfreiheit wieder nachrangig. Mal so mal so.
      Und jetzt überlege mal, wie es wäre, wenn es eine kleine Minderheit gäbe, für die Homeschooling "identitätsstiftend" und ein fundamentales Gebot ihres Gottes wäre. Und das wären keine Christen. Und dann kämen so Argumente wie "ausgerechnet in Deutschland!" Dämmert es jetzt?
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"
    • Trennen wir doch mal die Spreu vom Weizen.

      Im Mittelalter und davor stand die "reine Seele" im Mittelpunkt. Einige geißelten sich, andere opferten ihr Leben für ihre religiösen Überzeugungen oder es wurde sogar Geld bezahlt, damit die Seele in den Himmel springen kann.

      Dann kam aber die Aufklärung, die neben der Seele auch den Körper als schützenswertes Subjekt proklamierte. Die Aufklärung begann im 18. Jahrhundert und ist aber beileibe noch lange nicht abgeschlossen. Noch immer werden selbst in den USA Menschen hingerichtet, es gibt besonders im arabischen Raum Selbstmordattentäter und in Deutschland dürfen Kinder an ihren Genitalien verstümmelt werden.

      Die gesellschaftliche Entwicklung ist weiter als unser aktuelles Wertesystem. Regierungen schützen jedoch gewöhnlich nur das alte Wertesystem, welches sich sukzessive an den gesellschaftlichen Konsens anpassen muss. Z.B. war im letzten Jahrhundert selbst in Deutschland Homosexualität noch lange Zeit strafbar gewesen. Letztes Jahr blockierte die CDU/FDP ein Gesetz, weil es die steuerliche Gleichstellung von Homosexuellen gefordert hatte. Erst das BVG sorgte hier für ein Umdenken.

      Ein Hauptgarant für Wertesysteme sind aber oft die Religionsgemeinschaften. Ohne Wertesysteme hat es selbst ein Staat schwer eine Linie zu finden, die ein friedliches Miteinander ermöglicht. Unser Problem ist nun aber, dass sich die Religionsgemeinschaften durch ihre konservative Haltungen immer mehr von der Gesellschaft entfremdet haben. Regierungen, die sich nun an solchen Wertesystemen orientieren, verursachen daher immer häufiger groteske Situationen. Daher dürfen Eltern zwar ihr Kind nicht selbst unterrichten, aber für die Religionserziehung darf man den Kinder nach Belieben und mit unzureichender Schmerzbetäubung ein Stück ihres Genitals abschneiden.

      [Ironie on] Es lebe der Geist und gelobt sei was hart macht... [Ironie off]
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • NoCut schrieb:

      Unser Problem ist nun aber, dass sich die Religionsgemeinschaften durch ihre konservative Haltungen immer mehr von der Gesellschaft entfremdet haben.
      Ich würde hier gern etwas differenzieren: die Institutionen der Kirchen haben sich vielfach von den Gläubigen entfernt.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.