Hallo ihr Lieben,

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    • Hallo ihr Lieben,

      Ich hatte in den letzten Tagen einen Nachtdienst auf einer chirurgischen Station. Da lag auch ein vierzehnjähriger Junge mit Komplikationen nach einer Beschneidung. Das hat mich irgendwie so bewegt...

      In der Übergabe sagte mir der Spätdienst, dass es dem Jungen gerade sehr schlecht geht, weil man ihm erzählte, dass er ein Leben lang Errektionsstörungen haben würde. Ich fand es schockierend, nahm mir vor in der Nacht die Akte des Jungen mal genauer zu studieren...kam aber leider nicht dazu, da zu viel zu tun war. Als ich beim ersten Durchgang ins Zimmer schaute, lag er eingekuschelt in seine Decke im Bett vor dem Fernseher, schlief, oder tat so als würde er schlafen, um seine Ruhe zu haben. Später war dann ohnehehin nicht mehr die Zeit, um zu reden...

      Irgendwie muss ich ständig daran denken. Da waren jede Menge anderer Patienten mit viel schwerwiegenderen Problemen und Krankheiten, keine Ahnung warum mich gerade dieses Schicksal so bewegt.

      Aber, selbst wenn er wach gewesen wäre, wie kann man eigentlich am Besten mit einem Menschen in der Situation umgehen, kann man ihm überhaupt Trost spenden...so kurz nach der OP? Ich bin da so unsicher...

      LG
    • Das weiß ich leider nicht. Ich war auch schockiert. Wollte ja in der Akte nachsehen, kam nur leider nicht dazu, da die Nacht wirklich stressig war. In der Übergabe war nur von einer Komplikation nach Bescheidung die Rede, einem "Hautdefekt am Penis" und einer Infektion. Ich nehme an, dass es schon ein wenig gravierender war, da der junge Patient auch einen suprapubischen Katheter hatte (durch die Bauchdecke). Also nehme ich an, dass zumindest der Infekt nicht nur auf die Haut beschränkt ist. Aber wie gesagt, ich konnte den kompletten Verlauf nicht mehr nachlesen.

      Ich hatte aber auch den Eindruck, dass da ziemlich unsensibel mit dem Jungen umgegangen wurde. Das hat sich auch bestätigt, als ich das Ganze an den Frühdienst weitergab (die ihn schon kannten). Denn die reagierten auch ziemlich geschockt und sprachen davon, dass es Errektionsstörungen zur Folge haben KANN ober nicht MUSS.

      Eigentlich krass, oder? Da ist ein 14jähriger Junge, und man konfrontiert ihn knallhart mit einer solchen "Diagnose"?
    • Mal schauen, wann ich wieder auf dieser Station eingesetzt werde. Es ist nicht "meine" Station. Ich bin dort nur eingesprungen für eine einzige Nacht. Wenn ich noch mal dort arbeiten sollte und er dann auch noch dort ist, werde ich mich bemühen mal alles genau zu lesen...

      Aber hier scheint also solch eine gravierende Folge auch nicht bekannt zu sein....
    • Hallo Anna, freut mich sehr, Dich wieder mal hier zu sehen! *umarmunddrück* :love:
      Deine mitfühlende, empathische Art hat mir sehr gefehlt und an diesem Thread kann man sofort sehen, warum. :)
      Bleib bitte an dieser Sache dran, wenn es irgendwie geht, und halt uns auf dem Laufenden.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
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      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Mit "hier" meinte ich dieses Forum. Hier sind ja die Experten.

      Danke, lieber Weguer *ebenfalls umarmunddrück* :)

      Ich hoffe, dass ich demnächst noch mal dort arbeiten kann. Irgendwie lässt mich das nicht so recht los. Wobei ich nach der Reaktion des Frühdienstes doch recht hoffnungsvoll bin, dass das alles nicht soooo endgültig ist, und sie mit ihm nochmal darüber redeten.
    • Manchmal entstehen Missverständnisse dadurch, dass Ärzte verpflichtet sind, auch über das grösstmögliche Unglück aufklären zu müssen, selbst, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit nur ein paar Prozente sind. Manche Patienten kriegen das dann in den falschen Hals. Aber aus der Ferne kann man natürlich nicht beurteilen, ob es in diesem Fall so gelaufen ist.
      Fraglich ist auch, in welchem Verhältnis die Diagnose zu den Therapien steht. Es gibt heutzutage für Erektionsstörungen vielfältige Behandlungsmöglichkeiten. Sehr wichtig ist ja auch das ganze Umfeld des Patienten. Möglicherweise hat Dein Patient es ja damit besser, als Du vielleicht im Moment denkst. Es soll ja auch ganz tolle Familien geben...

      Wie auch immer - nicht nur, aber ganz besonders für einen 14jährigen sind solche Sachen natürlich hammerartig.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Ich war gestern noch mal auf dieser Station. Der Junge ist natürlich schon längst entlassen und somit ist auch die Akte längst weg.

      Ich hab die anderen Krankenschwestern noch einmal nach ihm gefragt. Er bekam dann noch eine Plastik und wird vermutlich tatsächlich ein Leben lang Probleme haben. Genaueres hat sie nicht gesagt, es ging dann schon wieder zu einem anderen Thema über, und ich wollte mich auch nicht zu sehr an diesem Jungen festbeißen und das Gespräch nicht ständig wieder darauf lenken. (Das ist dann peinlich, ihr versteht?)

      Jedenfalls erfuhr ich auch, dass dies ein weiterer völlig unnötiger Eingriff war. Der Junge wollte die Beschneidung aus ästhetischen Gründen, und wurde darin von seiner Familie, insbesondere der Mutter, die wohl ziemlich "speziell" gewesen sein soll, unterstützt.

      Positiv empfand ich, dass es von allen anwesenden Pflegekräften (Examinierte, Assistenten und auch Schülerinnen) zutiefst verurteilt wurde. Ich hatte mich nämlich erst auf eine Grundsatzdiskussion vorbereitet, war aber absolut nicht nötig.

      Liebe Grüße
    • Ich bin Krankenschwester, ich darf natürlich in die Akten sehen. Das ist sogar wünschenswert und bei den Planetten (Teil der Akte) auch obligatorisch. Ich darf nur nichts nach außen dringen lassen, wegen der Schweigepflicht. Aber das habe ich ja auch nicht getan. Ich habe keinen Namen genannt und wie Maria schon erwähnte, nicht mal den Namen des Krankenhauses.

      Identifizieren durch diese Geschichte könnten mich nur meine Kolleginnen, und das wäre auch nicht weiter schlimm, da ich ja nichts verbotenes gemacht habe.