ich habe großen Respekt vor Ihrer Position zur religiös motivierten Beschneidung von Jungen. Eine völlig zufriedenstellende Abwägung zwischen dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, dem elterlichen Sorgerecht und der Religionsfreiheit ist nach meiner Überzeugung nicht möglich. Dennoch war es nach der jüngst entstandenen Rechtsunsicherheit notwendig, eine Entscheidung zu treffen.
Aus meiner medizinischen Sicht stehen dabei zwei Fragen im Vordergrund: Erstens: Dürfen Eltern in einen solchen Eingriff an ihrem Kind einwilligen? Zweitens: Wer darf einen solchen Eingriff nach welchen Standards durchführen?
Eltern, die ihren Sohn beschneiden lassen, tun dies in Ausübung ihrer Religion zum Nutzen des Kindes, nämlich seiner Aufnahme in die Religionsgemeinschaft und für seine weltanschauliche Orientierung. Auch wenn es Außenstehenden schwer fallen sollte, dies zu akzeptieren oder sogar als stigmatisierend empfinden, ist es nicht Aufgabe des Staates zu entscheiden, was zur Identität einer Religionsgemeinschaft gehört. Aufgrund der bei fachgerechter Durchführung extrem niedrigen Komplikationsrate und des Umstandes, dass mit dem Verlust der Vorhaut keine funktionelle Einschränkung verbunden ist, kann dies meiner Überzeugung nicht vorrangig gegenüber dem Recht auf Religionsausübung sein. Damit sollen Eltern nach meiner Überzeugung rechtssicher in einen solchen Eingriff einwilligen können, dem dient die rechtliche Klarstellung.
In Hinblick auf die Durchführung ist die Einhaltung ärztlicher Standards für mich zwingend, dazu gehört auch eine angemessene Anästhesie. Insofern präferiere ich eine Durchführung durch Ärzte. Jedenfalls sind durch das neue Gesetz die Religionsgemeinschaften aufgefordert sicherzustellen, dass die Durchführenden in der Lage sind, ärztliche Standards einzuhalten.
Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir mit dem Gesetz nicht nur Rechtssicherheit geschaffen haben, sondern auch in Hinblick auf die Qualität der Durchführung der Eingriffe etwas positives erreicht haben.
Schon spassig, dass die noch immer an Rechtssicherheit glauben.
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