Peniswurzelblock: Versagerquote bei 34,4%

    • Peniswurzelblock: Versagerquote bei 34,4%

      Eine erstaunliche Entdeckung machte die Doktorantin Susanne Stegmeiner an der Charite in Berlin. In einer retrospektiven Untersuchung von Operationsprotokollen von Zirkumzisionen bei Kindern stellte sie fest, dass nach der Verabreichung eines Peniswurzelblocks beim Aufwachen aus der Allgemeinanästhesie nicht, wie in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen behauptet, schlimmstenfalls ein paar mickrige Prozent der Kinder noch weitere schmerzstillende Medikamente (an der Charite ist das Piritramid) brauchten, sondern 34,4%.

      Einen Reim konnte sich Frau Stegmeiner darauf zwar nicht machen, ihr fiel aber auf, dass in 61% der Protokolle nicht angegeben war, welchen Beruf derjenige hatte, der den Peniswurzelblock gegeben hatte.

      Wie dem auch sei - was lernen wir daraus? Dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen und die Wirklichkeit manchmal zwei Paar Stiefel sein können.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Ou, das ist ernst!

      Hast Du Näheres zu den Beobachtungen der Dotorandin? Denn Piritramid ist ein stark wirksames Opiat. Das wird nicht als erstes Schmerzmedikament postoperativ eingesetzt. In der Regel kriegen die Zwerge als erstes Ibuprofen (oder früher: Paracetamol). Wenn das nicht ausreichend wirkt, kommt in vielen Kliniken als nächstes Novalgin. Sowohl Ibuprofen als auch Novalgin sind oral applizierbar, sprich: Man braucht keine liegende Venenverweilkanüle

      Erst wenn weder Ibu noch Novalgin ausreichend schmerzdämpfend wirksam sind, dann greift man zu Piritramid. Das ist nur intravenös applizierbar. Die Nebenwirkung Atemdepression macht eine lückenlose Überwachung notwendig. Ich hab' -- ehrlich gesagt -- immer mit Ibuprofen und Novalgin Schmerzen nach Zirkumzisionen gut behandeln können, auch wenn kein Peniswurzelblock durch den Operateur gelegt worden war. Und ich bin nicht zurückhaltend mit Schmerzmittelgabe an meine kleinen und großen Patienten. Ich finde, im Krankenhaus muß niemand unnötig Schmerzen haben und den Indianer spielen.

      Der Einsatz von Piritramid ist an sich schon ein Hinweis darauf, daß die anderen Schmerzmittel vermutlich unterdosiert gegeben werden, was ich mir in der Charite nur schwer vorstellen kann. Der Einsatz von Piritramid ist aber auf jeden Fall ein deutliches Indiz dafür, daß der Peniswurzelblock überhaupt nicht wirkt.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Warum heute nicht mehr Paracetamol
      ev. wegen der Leberschädigenden Wirkung?
      Aber, heiss ich Wakankar? nein! :S
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Jetzt aber Wakankar in echt:

      Begründung für das allmähliche Verschwinden von Paracetamol aus der Schmerztherapie bei Kindern:


      Paracetamol ist ein schwach wirksames Schmerzmittel, dessen Wirkung oft überschätzt wird (Stellungnahme des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) von 2009). Zudem wird die Wirkung von Paracetamol durch einige Medikamente gegen Übelkeit aufgehoben.

      In der o.g. Stellungnahme der DGAI wird auch darauf hingewiesen, daß ein Zusammenhang der Gabe von Paracetamol mit später auftretendem kindlichen Asthma bestehen könnte.


      Der Abbau von Paracetamol erfolgt in der Leber und zwar über ein giftiges Abbauprodukt, das nur in Anwesenheit von SH-Gruppen weiter abgebaut werden kann. Bei unzureichender Leberfunktion kann das giftige Abbauprodukt kumulieren und zu schweren Leberschäden führen. Paracetamol gilt als die häufigste Ursache für ein akutes Leberversagen bei Kindern. In 48% der Fälle liegt eine unbeabsichtigte Überdosierung zugrunde. Auf der anderen Seite sind bei Dosierung nach Herstellerangabe subtherapeutische Wirkspiegel zu erwarten. Eindeutig wird nach rektaler Gabe erst nach 2 – 3 Stundne der maximale Wirkspiegel erreicht.


      Das Resümee der Stellungnahme „Perioperative Schmerztherapie bei Frühgeborenen, Säuglingen und Kleinkindern“ (Anästh Intensivmed 2012;53:656-669) zu Paracetamol ist daher:

      „Aufgrund der geringen Wirksamkeit, der langen Anschlagzeit, einer in der Klinik oft stattfindenden Unterdosierung und den möglichen Nebenwirkungen erscheint Paracetamol kaum sinnvoll für eine Verwendung zur Akutschmerztherapie.“
    • Die Doktorarbeit habe ich gerade grob quergelesen.

      Da sind für mich viele Fragezeichen drin, die mit einer Einrichtung vom Renomee der Charite nur schwer vereinbar sind. Von der Sicht der Anästhesistin ist es für mich nur schwer nachvollziehbar, daß eine ungeordnete Anzahl Kinder während der Narkose Lachgas erhalten hat. Das ist eins der potentesten Kotzmittel der Anästhesie. Ich verwende es seit über zehn Jahren nicht mehr. Das Zeug ist billig und macht sonst nichts als Probleme.

      Auch die Narkoseeinleitung und Narkoseführung mit Narkosegasen ist zwar State of the Art, aber mit einer extrem erhöhten Rate postoperativer Delire bei Kindern verbunden (über 30% vs. 10% bei reiner i.v.-Anästhesie). Auch hier kann ich auf zehn Jahre rein intravenöse Anästhesie zurückblicken -- mit der Ausnahme der seltenen Fälle, wo ich mehrfach den Venenweg versemmelt habe und eine Maskennarkose sozusagen "in Notwehr" eingeleitet habe.

      Was ich an der Studie auch nicht so recht verstehe, ist, daß in einer Einrichtung wie der Charite keine Dokumentation erfolgt, wer den Peniswurzelblock gelegt hat. In den Kliniken und Einrichtungen, in denen ich gearbeitet habe, ist es Usus, klar zu dokumentieren, wer was gemacht hat -- schon aus forensischen Gründen. Der Staatsanwalt will ja wissen, wen er an die Wand nageln soll, wenn was schiefgeht. Sowas in einer derartigen Häufigkeit nicht zu wissen, wirft ein schlechtes Bild auf die Studie.

      Fazit:
      Man kann diese Versagerquote mal in die Diskussion werfen als Verdachtsmoment. Die Gegenargumentation und die Angriffsmöglichkeiten gegen diese Doktorarbeit dürften aber viel fundierter sein als beispielsweise gegen die Studie zur wahrscheinlichen Unwirksamkeit von Zuckerwassernuckeln von Rebecca Slater.
    • Immerhin nahm die Charite eine kritische Selbstevalution als Doktorarbeit an und liess dadurch das Ergebnis nach Aussen dringen. Das findet man nicht so oft.

      Mein o.g. Fazit, dass die medizinische Realität oft anders aussieht als in kontrollierten wissenschaftlichen Untersuchungen dargestellt, kennen wir z.B. auch aus den afrikanischen Studien. Mag sein, dass das eine Plattitüde ist. Leider oft aber mit fatalen Folgen.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Meine Bedenken gehen eher dahin, daß der Charite da was durch die Sorgfalt "durchgerutscht" ist. Ich glaube nicht, daß die sich über die kritische Potenz dieser Doktorarbeit im Klaren waren. Da mußte wahrscheinlich einfach ein PD noch was liefern, um Professor werden zu können.

      Ich wollte auch nicht sagen, daß man diese Arbeit und die dort festgestellte Versagerquote nicht als Diskussionseinstieg verwenden soll. Ich wollte nur zu bedenken geben, daß die Arbeit viele Angriffspunkte bietet.

      Und:
      Jede Doktorarbeit ist öffentlich. Aus dieser kann man nicht mal Absätze kopieren. Noch weniger irgendwas speichern. Das ist mir bisher bei den meisten Arbeiten gelungen. Auch bei der Arbeit meiner Tochter, die er 2013 promoviert hat.
    • Auch die PDF-Konvertierung hilft - jedenfalls bei mir - nicht. Man kann das Dokument speichen, wenn man aber Textstellen markiert, kopiert und woanders hinstellen will, erhält man nur Zeichensalat.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Wakankar schrieb:

      Ich wollte nur zu bedenken geben, daß die Arbeit viele Angriffspunkte bietet.

      Wenn man das Ergebnis der Arbeit ("34,4% brauchen trotz DPWB zusätzliche Schmerzmittel") kombiniert mit den zahlreichen internationalen Umfragen in "Neonatal Intensive Care Units (NICU)", bei denen sich herausstellte, dass das Wissen über den kindlichen Schmerz noch lange nicht bedeutet, dass entsprechende Massnahmen eingeleitet werden, und diese Hinweise wiederum kombiniert mit der Aussage von Prof. Graf vor dem Rechtsausschuss, dass im Berliner Jüdischen Krankenhaus EMLA nicht wie vorgeschrieben, eine ganze, sondern nur eine halbe Stunde vor der Beschneidung aufgetragen wird, dann frage mich ernsthaft, was dieser ganze "wissenschaftliche" Untersuchungsunsinn soll, wenn niemand daraus Konsequenzen zieht.

      Oder soll mit den Untersuchungen nur die Öffentlichkeit betäubt werden - als EMLA für's Gehirn sozusagen?
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Nicht ganz trivial, aber ich vermute daß das Dokument auf nem mac erstellt wurde und es ein Problem mit den Schriftarteinbettungen/Enkodierung geht.
      Einfache Lösung: PDF XChange Viewer -> Dokument OCR Erkennung.
      Komplizierte Lösung: speichern als Multipage Tiff und dann Erkennung mit (zumeist kostenpflichtiger) OCR. Die kostenlosen machen da nur einzelne/ein paar Seiten oder haben ein Volumenlimit.
    • Wakankar schrieb:

      Aus dieser kann man nicht mal Absätze kopieren. Noch weniger irgendwas speichern. Das ist mir bisher bei den meisten Arbeiten gelungen


      Ich jag die mal durch meine tools... OCR Erkennnung mit 600dpi.
      Das wird zwar ein Monster, aber das wird schon gehen.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • höhö
      14,6 MB ! und durchsuchbar.

      beschneidungsforum.de/dissertation.pdf

      Aber tückisch. Musste erst einen Druck nach PDF24 machen, dann die OCR-Engine von Docutracker drüberjagen, aber das Ergebis ist OK, denke ich mal:

      höhö
      14,6 MB ! und durchsuchbar.
      Aber tückisch. Musste erst einen Druck nach PDF24 machen, dann die OCR-Engine von Docutracker drüberjagen, aber das Ergebnis ist OK, denke ich mal.

      e Differentialdiagnose zu Schmerzen bei postoperativen Unmutsäußerungen
      ist das Delirium zu nennen. Die Einführung von neueren kurzwirksamen Wirkstoffen,
      wie zum Beispiel Sevofluran als lnhalationsnarkotikum, scheint vor allem bei Kindern
      die Problematik einer postoperativen Agitation als viel beschriebenes Phänomen des
      Emergence Delirium (ED) im Alltag des Aufwachraumes verschärft zu haben [31, 32,
      68]. Es äußert sich durch Unruhe, außergewöhnliche körperliche Aktivität, Halluzinatio-
      nen, Schreien, Weinen und Um-sich-Schlagen. Die Kinder reagieren inadäquat auf Zu-
      wendung und sind oft auch durch die eigenen Eltern nicht zu beruhigen [2, 4, 68]. Ein
      ED tritt typischerweise innerhalb der ersten 30 Minuten nach einer Vollnarkose und - in
      Abhängigkeit von unterschiedlichen Einflussfaktoren und Definitionen - mit einer Häu-
      figkeit von 11 ,5-55% auf [2, 15, 35, 37, 63]. Dabei limitiert es sich oft nach 4-30 Minuten
      spontan von selbst [17, 60, 68]. Diese Eigenschaften machen es zu einer Herausforde-
      rung einen Schmerzzustand von einem ED zu unterscheiden [41]. Sikich und Lerman
      entwickelten 2004 den Score um ein ED zu diagnostizieren und von einem Schmerzzu-
      stand zu unterscheiden [51]. Bei einem unruhigen und untröstlichen Kind sollte stets
      differentialdiagnostisch an Delir, Schmerz, Hunger, Übelkeit, ...
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)