Im ersten Impulsgespräch schilderte Frau Dr. Edna Brocke die Bedeutung der Beschneidung für die jüdische Religion und das jüdische Volk. Besonderen Wert legte sie dabei auf die binome Lebensweise der Juden, die die Bedeutung von jüdischen Ritualen auch für säkulare Juden erklären sollte. Dabei versäumte es Frau Brocke jedoch, sich über den physiologischen Charakter der Beschneidung zu informieren. So wusste sie wenig über die Auswirkungen der Beschneidung auf den Mann, konnte nicht einmal sagen, was bei einer Beschneidung überhaupt weggeschnitten wird. Ein trauriges Ergebnis, bedenkt man, dass zu diesem Zeitpunkt die Debatte bereits seit einem Jahr tobte und sie sich in dieser Zeit mehrmals öffentlich für die Beschneidung urteilsunfähiger Jungen ausgesprochen hatte. Vor der Diskussion sprachen wir über verschiedene jüdische Riten/Regeln der Beschneidung, so beispielsweise auch die Betäubung. Frau Brocke war der Ansicht, das der Staat keine Legitimation hat, jüdische Bräuche in irgend einer Weise zu regulieren. Weder Recht, noch Verfassung hätten für die Juden in Deutschland Gültigkeit. So sei es dem Staat auch verboten, eine Betäubung während der Beschneidung zu fordern. Die Begründung war, dass während des Dritten Reiches Ärzte und Anwälte im Namen der Medizin und der Justiz gegen Juden agiert und somit bis heute jeden Anspruch auf Kritik gegen jüdische Bräuche verloren haben.
Frau Brockes sehr konservatives Wertebild trägt auch nicht zum Verständnis von Kinderrechten bei. Alte, religiös moralische Vorstellungen seien neuen, modernen gesellschaftlichen Moralvorstellungen vorzuziehen, weil sie sich schon viel länger bewährt hätten. Der Fall des vierjährigen muslimischen Jungen, der die Diskussion um die Beschneidung von den medizinischen und juristischen Fakultäten an die Öffentlichkeit brachte, war auch kein Grund zum Umdenken. Obwohl die Komplikationen viel gravierender waren als allgemein bekannt, gab es für Frau Brocke keinen Grund zur Kritik, denn der Junge hatte ja überlebt und trüge keine gravierenden Folgeschäden davon. Schmerzen und Leid des Kindes seien für den elterlichen Wunsch auf Beschneidung hinnehmbar. Für mich machte es den Eindruck, als sei Kritik nicht erwünscht, auch wenn sie begründet ist. So sei Prof. Holm Putzke, dessen Abhandlung zur Beschneidung -2008- den Anstoß zur juristischen Diskussion brachte, von antisemitischen Gefühlen getrieben. Frau Brocke begann ihren Vortrag mit den Worten, dass sie weder für noch gegen Beschneidung sei, sondern es den Eltern selbst überlassen wolle. Dass sie jedoch auf jedes negative Argument, egal wie begründet oder wissenschaftlich Fundiert, mit energischem Kopfschütteln reagierte, erzählt eine andere Geschichte.