Weitere Strafrechtler gegen Beschneidung

    • Weitere Strafrechtler gegen Beschneidung

      Offenbar haben sich noch weitere berufene Strafrechtler gegen die Zwangsbeschneidung ausgesprochen.

      Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 28. Aufl. 2010, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 41.

      Schlehofer in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 43;


      Kann jemand das verifizieren?
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Das LG Köln hat in seiner Urteilsfindung die damalige Rechtslage vollständig aufgeführt:

      Nach wohl herrschender Auffassung in der Literatur (vgl. Schlehofer in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 43; Lenckner/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 41; Jerouschek NStZ 2008, 313, 319; wohl auch Exner a.a.O.; Herzberg a.a.O.; Putzke a.a.O.) entspricht die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Knaben weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfeldes noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes.


      Mehr dazu hier: Das Urteil des LG Köln im Volltext

      Was wir jetzt vornehmlich besprechen, ist die Rechtslage NACH Erlaß des Gesetzes zur Legalisierung von Genitalvertümmelungen Minderjähriger männlichen Geschlechts (§ 1631 d BGB).
    • Maria Werner schrieb:

      Was wir jetzt vornehmlich besprechen, ist die Rechtslage NACH Erlaß des Gesetzes zur Legalisierung von Genitalvertümmelungen Minderjähriger männlichen Geschlechts (§ 1631 d BGB).
      Ein absolut richtiger und notwendiger Hinweis. Danke.

      Es gibt jedoch Stellungnahmen zum Thema vor dem Kölner Urteil, die ihre zumindest inhaltliche (wenn vielleicht auch nicht streng juristische) Relevanz behalten haben wie z.B. diejenigen von Putzke, Herzberg und Jerouschek. Auf gleicher Ebene sehe ich die - übrigens auf der Mogis-Seite zitierte - Bemerkung von Sternberg-Lieben:

      "Die (verfassungs-)rechtlichen Grenzen elterlicher Vertretungsmacht im Falle religiös motivierter Zirkumzision (in Bezug auf die verstümmelnde Beschneidung weiblicher Geschlechtsorgane) fehlt den Eltern von vornherein jedwede Vertretungsbefugnis“

      Die Formulierung der Kölner Richter lässt darauf schliessen, dass Sternberg-Lieben dies auch auf die Knabenbeschneidung ausgedehnt hat.

      Mir scheint der Hinweis wichtig, dass schon vor dem Kölner Urteil bedeutende Rechtskommentare sich kritisch mit der Beschneidung auseinandergesetzt haben, und nicht "bloss" einige juristische Einzelmeinungen (Putzke u.a,).
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner, Du hast natürlich absolut Recht, bitte entschuldige, wenn ich mich während der Arbeit manchmal kurz fasse. Ich möchte deswegen nicht ruppig wirken. Einige der genannten Artikel, v.a. von Herzberg und Putzke, habe ich hier auch verlinkt; sie wurden nämlich nicht selten vollständig online gestellt.

      Jerouschek, der "Schö/Schrö" oder der "MüKo" (= Schönke-Schröder, Münchener Kommentar) wurden hier in diesem Forum in der Tat noch nicht besprochen. Wie das LG Köln richtig konstatierte, handelte es sich jedoch bereits zum damaligen Zeitpunkt um eine Mehrheitsmeinung und nicht um ein paar Nasen mit schrägen Ansichten. ;)
    • Ich weiss nicht, welche Revisionszyklen die beiden hier erwähnten Kommentare haben, gehe aber einfach mal davon aus, dass eine eventuelle Neuauflage, die dann das Kölner Urteil und das Beschneidungsgesetz berücksichtigt, die alte Version nicht grundsätzlich auf den Kopf stellt, zumal zentrale Fragen wie z.B. das Einwilligungsrecht der Eltern schon damals im Focus waren.

      Mit der Erwähnung der beiden juristischen Kommentare wollte ich den Blick des werten Laienpublikums auf die "herrschende Meinung" in dieser Frage ein bischen erweitern.

      (Ich fand Deinen Reply nicht "ruppig", kann aber auf eine Antwort auch bis zu Deinem wohlverdienten Feuerabend warten. ;) )
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Schlehofer, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2011, Vorbemerkung zu den §§ 32 ff, Randnummern 143/144, sieht vor allem Art. 4 I GG bezüglich des Kindes in seiner eigenen Ausübung seines Grundrechts auf Glaubensfreiheit verletzt. Denn dazu gehöre auch das geschützte Interesse des Kindes an sog. negativer Glaubensfreiheit, an der Freiheit, eine Religion und die zu ihr gehörenden Kennzeichnungen abzulehnen. Diesem Interesse laufe eine Beschneidung zuwider. Denn durch sie werde das Kind dauerhaft und irreparabel mit einem körperlichen Stigma versehen, das mit bestimmten Religionszugehörigkeiten verbunden wird. Schlehofer sieht allein bei einer medizinischen Indikation einen solchen Eingriff gerechtfertigt. Soll er hingegen vorgenommen werden, ohne dass er medizinisch indiziert ist, diene er nicht dem Wohl des Kindes und darf damit von den Eltern nicht veranlasst werden. Denn ihr Sorgerecht aus Art. 6 Abs. 2 GG werde auch insoweit durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eingeschränkt. Wenn für den Eingriff kein medizinischer Grund bestehe – weil etwa das Risiko zu erkranken, minimal oder die Prophylaxe medizinisch fragwürdig ist –, würde Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG durch Art. 6 Abs. 2 GG unverhältnismäßig, nämlich in nicht erforderlichem Maße beschränkt.


      de.wikipedia.org/w/index.php?t…kumzision&oldid=119729496
    • Holm Putzke veröffentlichte eine Gesamtliste juristischer Aufsätze über die Beschneidung, in der allerdings die Kommentarliteratur nicht enthalten ist. Die Literatur ohne Kommentare umfasst damit bereits 59 Schriften, die inhaltlich unterschiedlich ausfallen, pro und contra.

      Literatur Beschneidung

      Völlig unabhängig von Putzke hatte sich übrigens auch Jerouschek mit der Thematik befasst, beide veröffentlichten im Jahre 2008 eine Abhandlung zu dem Thema.

      Jerouschek, Günter: Beschneidung und das deutsche Recht. Historische, medizinische, psychologische und juristische Aspekte, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2008, S. 313–319

      Putzke, Holm: Die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung von Knaben. Zugleich ein Beitrag über die Grenzen der Einwilligung in Fällen der Personensorge, in: Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum siebzigsten Geburtstag am 14. Februar 2008, Tübingen 2008, S. 669–709