Elternrecht / Sorgerecht und Beschneidung

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    • Elternrecht / Sorgerecht und Beschneidung

      "Neben den in einer Art Grauzone stattfindenden eigenmächtigen Umzügen unter Mitnahme des Kindes schwebt über Eltern ohne Sorgerecht nun ein weiteres Damoklesschwert: Die Beschneidung des gemeinsamen Kindes. Notabene: Sofern das Kind männlich ist. Allein dadurch m. E. unter dem Aspekt einer Gleichberechtigung der Geschlechter äußerst kritisch zu sehen.":

      familien-u-erbrecht.de/sorgerecht-und-beschneidung/
    • Sorgerecht und Beschneidung - Recht auf gewaltfreie Erziehung

      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Erstaunlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht anscheindend auf die vom Gesetzgeber vorgegebene Verharmlosung des Eingriffs einlässt. Wie man dann irgendwann mal aus dieser Nummer wieder raus kommen und etwas anderes feststellen möchte, ist mir nicht klar.

      Interessant zu wissen wäre natürlich, wie der Eilantrag genau gestellt worden ist.

      Mal zum Vergleich, für welche verbraucherfeindlichen Interessen Eilanträge durchgehen können, sozusagen um Verbraucher noch ein paar Monate länger abzocken zu dürfen:
      Das Bundesverfassungsgericht

      Als ob Preisansagen für Dienstleistungen welcher Art auch immer nicht von Haus aus selbstverständlich wären.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Erstaunlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht anscheindend auf die vom Gesetzgeber vorgegebene Verharmlosung des Eingriffs einlässt.
      Wenn ich das richtig sehe, hat sich Gericht gar nicht auf das Gesetz eingelassen, sondern nur das Verfahren geklärt. Der Eilantrag hätte zunächst an das Familiengericht gestellt werden müssen.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Wenn ich das richtig sehe, hat sich Gericht gar nicht auf das Gesetz eingelassen, sondern nur das Verfahren geklärt. Der Eilantrag hätte zunächst an das Familiengericht gestellt werden müssen.

      Beim Bundesverfassungsgericht können nur Grundrechtsverletzungen geltend gemacht werden, insofern würde mich schon interessieren, was in dem Eilantrag drin stand.

      "Soeben hat das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag eines Elternteils, der Sorge hatte, der nun alleinsorgeberechtigte Elternteil würde dieses nach Inkrafttreten des neue § 1631 d BGB nunmehr nutzen, um eine Beschneidung des gemeinsamen Kindes vornehmen zu lassen, abgeschmettert"
      Ich kann ja nicht bloß gegen eine Nutzung eines Gesetzes vorgehen, ohne gegen das Gesetz selbst vorzugehen. Der Eilantrag selbst könnte sich zwar nur gegen die Nutzung gerichtet haben, dann müsste allerdings eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz nachgeschoben werden, sofern die nicht zeitgleich erhoben worden ist. Die würde das BVG aber wohl kaum anders entscheiden, sonst hätte es dem Eilantrag stattgeben müssen.
    • Ach, die Klage kenne ich ja noch gar nicht. Gibt es da Infos zu? Was war der Grund für die Klageabweisung? Dass mit dem Gesetz ein Berufsverbot für nichtreligiöse Beschneider einhergeht ist ja nun mehr als offensichtlich. Man stelle sich vor, irgendein anderer medizinischer Beruf würde von der Zustimmung einer Religionsgemeinschaft abhängig gemacht werden.
    • R2D2 schrieb:

      Ach, die Klage kenne ich ja noch gar nicht. Gibt es da Infos zu? Was war der Grund für die Klageabweisung?


      Ich gehe mal davon aus, dass es sich um diesem Beschluss gehandelt hatte:

      BVerfG 1. Kammer, Einstweilige Anordnung vom 13.02.2013, Az.: 1 BvQ 2/13

      I.

      Der Antragsteller wendet sich im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für seinen Sohn auf die Kindesmutter.

      1. Aus der Ehe der Kindeseltern ist ein im Jahr 2010 geborener gemeinsamer Sohn hervorgegangen. Im April 2011 trennten sich die Eltern. Seither lebt das Kind mit seiner Mutter in einem Haushalt. Zwischen den Eltern bestehen seit der Trennung erhebliche Streitigkeiten und Konflikte. Durch Beschluss des Amtsgerichts wurde zunächst den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet. Im Rahmen des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens wurde - im Einverständnis mit den Eltern - die vorläufige Regelung wieder aufgehoben und bestimmt, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt.

      a) Einige Monate später wurde der Mutter auf ihren Antrag hin durch Beschluss des Amtsgerichts das Sorgerecht für den Sohn zur alleinigen Ausübung übertragen. Das Gericht ging nach den Ermittlungen in diesem Verfahren davon aus, dass die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter dem Kindeswohl am besten entspreche (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

      b) Durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. Dezember 2012 wurde die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter seien gegeben. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge, die der Vater mit seiner Beschwerde erstrebe, setze ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Daran fehle es hier. Aus dem beiderseitigen Vortrag der Eltern ergebe sich, dass ihre Erziehungsvorstellungen erheblich voneinander abwichen. Insbesondere in der Bedeutung ihrer Religionszugehörigkeit unterschieden sich die Vorstellungen auch nach dem Vortrag des Antragstellers gravierend. Diese grundsätzlichen Unterschiede zeigten bereits erste Folgen in konkreten Kindesangelegenheiten, nämlich bei der Frage der Beschneidung des Kindes und der Ausstellung von Ausweispapieren. Auch wenn die Auswirkungen bislang noch gering erschienen, spreche alles dafür, dass in Zukunft weiterhin die unterschiedlichen Sichtweisen der Eltern ein Miteinander zum Wohl des Kindes nicht zuließen, sondern zu Streitigkeiten führten, in denen das Kind zum Objekt des Streites werde. Vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung und mangelnden Kooperationsbereitschaft erscheine zumindest auf absehbare Zeit eine gemeinsame Elternberatung oder Mediation nicht erfolgversprechend. Die so beschriebene Situation sei auf Dauer dem Wohl des Kindes abträglich. Sei die gemeinsame Sorge der Eltern aufzuheben, komme nur die Übertragung des Sorgerechts auf seine Mutter in Betracht. Für das Kind sei die Mutter seit seiner Geburt und ganz besonders seit der Trennung vom Vater die Hauptbezugsperson.

      2. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt der Antragsteller zur Abwehr schwerer Nachteile (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) die Aussetzung der Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts. Die schweren Nachteile bestünden darin, dass dem Kind durch die Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts ein Elternteil entzogen und damit auch der Schutz durch diesen vor Eingriffen in seine Grundrechte genommen sei.

      Der Antragsteller führt hierzu im Wesentlichen aus, zwischen den Eltern bestünden Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Religion, hier insbesondere bezüglich der Frage, ob der minderjährige Sohn beschnitten werden solle oder nicht. Ausweislich der Entscheidung des Landgerichts Köln (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 - 151 Ns 169/11 -, juris) stelle die Beschneidung eines kleinen Jungen eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 in Verbindung mit § 224 Abs. 1 StGB dar. Damit bedürfe es auch im Rahmen der ausnahmsweisen Straffreistellung der Elternteile bei einer Beschneidung aus religiösen Gründen einer gründlichen elterlichen Überlegung, ob sie ihrem Kind diese schmerzhaften Verletzungen im Kleinkindalter zumuten wollten oder ob hiermit bis zu einem späteren Zeitpunkt zu warten sei. Bei Eltern, die diesbezüglich gegensätzliche Auffassungen hätten, sei eine Rechtfertigung dieser gefährlichen Körperverletzung zu verneinen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts diene damit lediglich dazu, in die körperliche Unversehrtheit des Kleinkindes einzugreifen, indem es des Schutzes durch den sorgeberechtigten Vater beraubt werde.

      II.

      Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

      Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch dann nicht dringend geboten, wenn das erstrebte Ziel auch auf einem anderen Wege, insbesondere durch das Anrufen anderer Gerichte erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 17, 120 <122>; 21, 50 <51>; 29, 120 <125>; 35, 379 <380>; 37, 150 <151>). So liegt der Fall hier. Der Antragsteller kann zunächst (einstweiligen) Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren suchen.

      Der Antragsteller erstrebt beim Bundesverfassungsgericht die Aussetzung der fachgerichtlichen Entscheidungen im Wege der einstweiligen Anordnung, um zu verhindern, dass die Kindesmutter in Ausübung ihres alleinigen Sorgerechts die aus seiner Sicht kindeswohlgefährdende Beschneidung des Kindes vornehmen lässt.


      Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 27. Dezember 2012 wäre die Vornahme der Beschneidung des Kindes unter Zugrundelegung der im Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 - 151 Ns 169/11 -, juris) vertretenen Auffassung strafbar und der Mutter daher nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Mit dem nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 28. Dezember 2012 in Kraft getretenen Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (BGBl I 2012 S. 2749), wonach "§ 1631d - Beschneidung des männlichen Kindes" in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt wurde, hat die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschneidung von männlichen Kindern ausdrücklich eine gesetzliche Regelung erfahren. Danach könnte die Mutter als alleinige Personensorgeberechtigte im Rahmen der Ausübung der Gesundheitssorge gemäß § 1631d Abs. 1 Satz 1 BGB nunmehr grundsätzlich die Beschneidung des Kindes veranlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es vorliegend zu einer vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes kommt, dürfte damit gestiegen sein.


      Vor diesem Hintergrund ist eine fachgerichtliche Entscheidung über eine einstweilige Verhinderung der vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes nicht unerreichbar. So könnte der Antragsteller nach § 166 FamFG, §§ 1696, 1671 BGB eine vorläufige Abänderung der Sorgerechtsentscheidung - zumindest in dem für die Beschneidung relevanten Teilbereich der Gesundheitssorge - beantragen. Ferner könnte er bei den Fachgerichten eine Prüfung nach § 1666 BGB mit dem Ziel veranlassen, einstweilen zu verhindern, dass die Mutter die Beschneidung des Kindes vornehmen lässt. Über den Erfolg solcher Anträge müssen zunächst die Fachgerichte nach der aktuellen geltenden Rechtslage entscheiden. Es ist dem Antragsteller auch zumutbar, vorläufigen Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen, da sich aus seinem Vortrag nicht entnehmen lässt, dass die Beschneidung des mittlerweile zweieinhalbjährigen Kindes unmittelbar bevorsteht.
    • @ Pöser Pürger: wegen der formellen Voraussetzungen. Man prüft erst die formellen Voraussetzungen (Zulässigkeit) und dann die materiellen Voraussetzungen (Begründetheit). Kommt man auf Stufe 1 zu dem Ergebnis, dass die formellen Voraussetzungen nicht vorliegen, ist die Prüfung zu Ende. Auf die Begründetheit wird dann nicht mehr eingegangen. Unter anderem deswegen sind die Instanzgerichte dann auch frei und ungebunden in ihrer Entscheidung über den Fall. Denn wenn das BVerfG etwas zum Inhalt gesagt hätte, wären sie präjudiziert. Sie entscheiden also erst einmal selbst. Erst dann, wenn der Klageweg dananch über die Instanzen fortgesetzt wird, kann es u.U. zu einem Revisionsverfahren vor dem BVerfG kommen. Das BVerfG ist in diesem Fall keine "Superrevisionsinstanz", die sich mit allen möglichen rechtlichen oder tatsächlichen Fragen beschäftigt. Es überprüft nur das Urteil oder ggf. das Gesetz daraufhin, ob es mit der Verfassung im Einklang steht oder nicht.

      Das entscheidende Instanzgericht kann DANN aber wiederum dem BVerfG die Frage vorlegen, ob § 1631 d BGB mit der Verfassung vereinbar sei oder nicht, vorausgesetzt, die Frage der Anwendbarkeit dieser Norm ist für die Entscheidung des (Instanz-) Gerichts unabdingbar und das Gericht zweifelt an, dass sie verfassungsgemäß sei. Dies wäre dann das sog. "konkrete Normenkontrollverfahren":
    • Vor dem BVG wäre das Beschneidungsgesetz zum ersten Mal direkt angreifbar gewesen. Das wäre vor den einfachen Gerichten nicht möglich gewesen. Allerdings scheint der Kläger ohnehin ein anderes Gesetz zu meinen.


      Maria Werner schrieb:

      ...Damit bedürfe es auch im Rahmen der ausnahmsweisen Straffreistellung der Elternteile bei einer Beschneidung aus religiösen Gründen einer gründlichen elterlichen Überlegung, ob sie ihrem Kind diese schmerzhaften Verletzungen im Kleinkindalter zumuten wollten oder ob hiermit bis zu einem späteren Zeitpunkt zu warten sei...

      Ein Gesetz, das so eine religiöse Sonderregelung vorsieht, ist mir nicht bekannt.

      Davon abgesehen bezweifle ich, dass ein gemeinsames Sorgerecht ausreichen würde, um eine Beschneidung zu verhindern. Braucht man für eine Impfung auch die Einwilligung beider Elternteile? Das wäre mir neu.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Vor dem BVG wäre das Beschneidungsgesetz zum ersten Mal direkt angreifbar gewesen. Das wäre vor den einfachen Gerichten nicht möglich gewesen.


      Naja über das konkrete Normenkontrollverfahren könnte man das ggf. veranlassen; die Sache würde DANN zulässigerweise dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt werden und dieses würde sich auch mit den materiellen Rechtsfragen befassen. Dann müsste das Instanzgericht vor allen Dingen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 1631 d BGB haben und diese Norm müsste entscheidungserheblich sein.

      Pöser Pürger schrieb:

      Allerdings scheint der Kläger ohnehin ein anderes Gesetz zu meinen.

      Haha ja. Sauberkeitswahn genügt schließlich auch.

      Pöser Pürger schrieb:

      Davon abgesehen bezweifle ich, dass ein gemeinsames Sorgerecht ausreichen würde, um eine Beschneidung zu verhindern

      Beim Sorgerecht wird unterschieden, ob es um Angelegenheiten des täglichen Lebens oder solche geht, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind. Im zweiten Fall müssen beide Eltern, falls beide sorgeberechtigt sind, gemeinsam eine Entscheidung treffen. In diesem Fall hier ist ja nur ein Elternteil sorgeberechtigt.
    • Maria Werner schrieb:

      Naja über das konkrete Normenkontrollverfahren könnte man das ggf. veranlassen; die Sache würde DANN zulässigerweise dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt werden und dieses würde sich auch mit den materiellen Rechtsfragen befassen.

      Und wie ist das dann? Muss ein Antrag zum Normenkontrollverfahren schon in der Klageschrift enthalten sein?

      Maria Werner schrieb:

      Beim Sorgerecht wird unterschieden, ob es um Angelegenheiten des täglichen Lebens oder solche geht, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind.

      Und wie sähe das konkret im Falle der Beschneidung aus? Die religiöse Mutter muss den Vater fragen? Die nichtreligiöse Mutter kann alleine entscheiden? Vielleicht mit der Begründung: braucht mein Sohn nicht. Wenn der auf Bäumen herumklettert, soll er sich vorher was anziehen.
    • Nehmen wir mal ein Paar, das seit Jahren in einer Art nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft lebt. Und nun kommt ein Kind, zur Welt. Lange Jahrzehnte hatte der Vater dann (verfassungswidrigerweise) keine Chance auf Sorgerecht. Erst als 2009 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die deutsche Gesetzeslage als menschnerechtswidrig verurteilte kam Bewegung in die Sache, es dauerte dann immer noch vier Jahre, bis es ein Gesetz gab - und auch das war wieder verfassungswidriger Murks.
      Zwar kann der Vater prinzipiell das gemeinsame Sorgerecht erlangen, aber er muss es in einem gerichtlichen Verfahren beantragen.
      Also das Baby ist ein Sohn, Vadder fährt morgens auf Maloche, Mudder fährt mit dem Baby zum Urologen oder "Beschneider", Vadder kommt abends nach Hause, das Baby hat so einen seltsam-traurigen Gesichtsausdruck, Mudder: "Ach, was ich dir noch sagen wollte..".
      Und wenn vorher klipp und klar abgemacht war - das Kind wird nicht verstümmelt - das nützt gar nichts. Der Vater hat weder eine Möglichkeit, die Verstümmelung seines Kindes zu verhindern, noch kann er die Mutter danach rechtlich belangen - und rückgängig machen lässt sich die Verstümmelung nicht.

      Und in der ganzen beschissenen Diskussion in der Politik 2012 hieß es ständig: "aber es müssen doch beide Elternteile zustimmen!"

      z.B.:

      Der Deutsche Ethikrat hat Ende August nach der zuvor kontrovers geführten Debatte dafür plädiert, religiöse Beschneidungen nicht zu verbieten (vgl. MuB 6/12). Dies sei jedoch nur unter Vorbehalten denkbar, erklärte die Vorsitzende Christiane Woopen. Diese Vorbehalte sind: Beide Elternteile müssen einwilligen


      bpb.de/gesellschaft/migration/…kurzmeldungen-deutschland

      In der Begründung zum 1631d heißt es ständig "die Eltern", "der Eltern", "den Eltern", usw. z.B.:

      Die Personensorge der Eltern umfasst das Recht, in eine Be- schneidung nach Absatz 1 einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll, was Ärzte regelmäßig gewährleisten können.
      ...
      Das Elternrecht beruht dabei auf dem Grundgedanken, dass in aller Regel den Eltern das Wohl ihres Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner an- deren Person oder Institution


      Aber es geht beim 1631d überhaupt nicht um die Eltern, sondern um den oder die Sorgeberechtigten. Und das muss/müssen überhaupt nicht die Eltern sein.
      Ja, Pustekuchen! Ein Drittel aller Kinder wird heute nicht-ehelich geboren (in meinen Augen keine gute Entwicklung) - das ist heute allgegenwärtig. Und in alle diesen Fällen haben die Väter rechtlich keine Chance, die Verstümmelung ihres Sohnes zu verhindern. Um das sicher zu verhüten, müssten sie schon mit ihrem Sohn "türmen", was aber als strafbare Entführung ausgelegt würde, dafür könnte sie ins Gefängnis kommen.

      Witzigerweise steht das Wort "Eltern" dreiundneunzig mal in der Begründung zum 1631d, das Wort "sorgeberechtigte" gerade mal viermal!
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Nur zur sachlichen Ergänzung:


      "In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steht das Sorgerecht für die gemeinsamen nichtehelichen Kinder nach dem Gesetz allein der Mutter zu. Die Eltern können im gegenseitigen Einvernehmen das gemeinsame Sorgerecht dadurch begründen, indem sie eine Sorgerechtserklärung abgeben oder heiraten."


      scheidung.de/wer-hat-das-sorge…n-lebensgemeinschaft.html
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Dass es nicht um Eltern sondern um Sorgeberechtigte geht, beklage ich schon lange. Ein Verkehrsunfall mit zwei toten Eltern und es kann jeden Jungen treffen. Jedes Jahr erhalten mehrere tausend Jungen einen Vormund, viele davon auch völlig familienfremd. Auch dieser darf einen Jungen beschneiden lassen, selbst wenn seine leiblichen Eltern das niemals zugelassen hätten.
    • Ich weiß ganz konkret von so einem Fall, bei der den Eltern die beiden Söhne entzogen wurden und im Pflegeheim dann einer der Jungs beschnitten wurde, obwohl - nach Aussage der Mutter - der Junge nie Probleme mit der Vorhaut hatte.
      Soweit ich weiß (jedoch nichts im Detail), strebt die Mutter eine Klage an. Wie aussichtsreich diese für eine nicht sorgeberechtigte Mutter ist, steht natürlich wieder auf einem anderen Blatt.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Zitat
      "In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steht das Sorgerecht für die gemeinsamen nichtehelichen Kinder nach dem Gesetz allein der Mutter zu. Die Eltern können im gegenseitigen Einvernehmen das gemeinsame Sorgerecht dadurch begründen, indem sie eine Sorgerechtserklärung abgeben oder heiraten."

      scheidung.de/wer-hat-das-sorg…meinschaft.html



      Das war der verfassungswidrige Stand der Dinge vor dem neuen Gesetz. Damals war das ein "weiblicher Gnadenakt", wenn die Mutter dem gemeinsamen Sorgerecht zustimmte. Das wurde der Mutter dann auf dem Standesamt oft noch von Beamtinnen versucht auszureden: "Bedenken sie, dass sie das niemals rückgängig machen können!!!"

      Der heutige Murks (ab und an schreibt Prantl auch mal was vernünftiges):

      sueddeutsche.de/leben/neues-ge…t-geburtsfehler-1.1587717

      Muddi hat Zeit genug, das Kind zehnmal verstümmeln zu lassen. Legt sie gegen das Begehren des Vaters Widerspruch ein, hat sie sogar Zeit bis zum Abwinken...
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Was im Regelfall das Beste für alle Beteiligten ist, das hat indes bereits das Bundesverfassungsgericht formuliert: Danach entspricht die gemeinsame elterliche Sorge "grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen".


      sueddeutsche.de/leben/sorgerec…d-erzieher-sein-1.1324800

      Ich transponiere mal: "Danach entspricht die gemeinsame elterliche Sorge "grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu all seinen Körperteilen" :P
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • R2D2 schrieb:

      Oder habe ich das falsch verstanden?

      Nein, im Endeffekt leider völlig richtig.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
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      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/