Angepinnt Kompetenter Angriff auf §1631d von herausragender Seite: Prof. Dr. Dr. h.c. Josef Isensee, Bonn

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    • werner schrieb:

      Der Absatz VII ist also keine politische Stellungnahme und bedarf zu ihrer Entschlüsselung auch keiner Glaskugel, sondern führt direkt in ein haariges verfassungsrechtliches Grundproblem.

      Das war eine sehr sorgfältige und interessante Analyse aufgrund von im konkreten Text objektiv vorliegenden Begrifflichkeiten. Ein derartiges Vorgehen dürfte sich, in großem Stil angewendet, auf den Absatzhandel von Glaskugeln insgesamt eher negativ auswirken.

      Cato schrieb:

      Beschneidung wird nicht deshalb abgelehnt, weil sie ein religiöses Ritual ist, sondern weil sie Körperverletzung ist (ob religiös oder nicht, ist völlig irrelevant).

      :thumbup:
    • Götz schrieb:

      Wenn dies der Fall wäre, müsste es ein Gewohnheitsrecht mit dem Inhalt geben, dass Auseinandersetzungen zwischen Ideen, Auffassungen, religiösen und säkularen Überzeugungen der Verfassung widersprechen.


      Das wird ja bereits im einfachen Recht mehrheitlich abgelehnt, was auch Prof. Isensee selbst darlegt:
      Die Kategorie der Sozialadäquanz, falls nicht überhaupt überflüssig, ist auf die Amputation der Vorhaut nicht anwendbar.


      Dass Gewohnheitsrecht jedoch Verfassungsrecht (!) brechen könnte, ist eine absurde Vorstellung. Jedes Recht, geschrieben oder nicht, hat sich an der Verfassung messen zu lassen.
    • Der von mir gebraucht Ausdruck "Gewohnheitsrecht" ist in diesem Zusammenhang wohl missverständlich, wenn nicht sogar falsch. Er meint nicht Sozialadäquanz, sondern Verfassungsgewohnheitsrecht. Damit ist ungeschriebenes Verfassungsrecht gemeint, das die Verfassung ergänzt, ihr aber natürlich nicht widersprechen oder völlig losgelöst von ihr existieren darf (Praeter und nicht Contra).
      Ein Beispiel dafür ist der von Isensee erwähnte Volksverhetzungsparagraph ( Holocaust-Leugung). Seinen Status als Sondergesetz begründet das Verfassungsgericht aus dem "Geist" des Grundgesetzes, der auf konkreten historischen Erfahrungen beruht. Mit der "Unfassbarkeit" dieser Verbrechen begründet das Gericht diese an sich mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarende (besondere) Einschränkung der Meinungsfreiheit.

      Auf diesem Hintergrund ist es ja zumindest nicht völlig abwegig, dass es dem Geist des Grundgesetzes von 1949 entspricht, das Judentum in Deutschland für quasi sakrosankt zu erklären. Ob eine Verletzung dieses Tabus sich zu einem "Kulturkampf", der den inneren Frieden bedroht, ausweiten würde, lasse ich mal dahingestellt. Vielleicht heute noch, aber in 20 Jahren vielleicht schon nicht mehr.

      Es ist unbestritten, dass das Grundgesetz sich auf historische Erfahrungen bezieht, z.B. auch auf die Weimarer Verfassung, diese aber nicht in seinen Artikeln direkt erwähnt. Das meint Isensee mit "politisch" im Unterschied zu rein rechtlich. Das Recht findet ja nicht im luftleeren Raum statt.

      Natürlich will das Grundgesetz nicht jeglichen Kulturkampf ausschliessen. Das wäre ja gerade die Diktatur, die man nicht wieder haben möchte. Kulturkampf ja, aber mit einer Ausnahme.

      Auf diesem Hintergrund wäre es vielleicht besser gewesen, man hätte ein religiöses Sondergesetz erlassen. Aber dessen Verfassungswidrigkeit wäre noch schneller ins Auge gesprungen.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Eine ausgesprochen interessante Darlegung, werner, vielen Dank hierfür!

      Für mich persönlich fällt der Aspekt des angeblich verhinderten Kulturkampfes gleichwohl nicht allzu sehr ins Gewicht.

      Das Kapitel "Tabuvorbehalt praeter constitutionem" beginnt mit dem Satz:
      Wenn das Gesetz auch verfassungsrechtlich gescheitert ist (...)


      Es IST gescheitert. Bis hierhin läßt Isensee keine Fragen offen. Nun folgen seine Einlassungen darüber, dass der Gesetzgeber guten politischen Gewissens handele.

      Sollte er gleichwohl unter verfassungsrechtlichen Gewissensbissen leiden, so mag er Trost suchen in der Hypothese eines ungeschriebenen Tabuvorbehalts von materiell verfassungsrechtlicher Qualität.


      Was für ein merkwürdiger Satz. "Hypothese". "Tabuvorbehalt". "Trost suchen". Einerseits hält Isensee die Legalisierung für politisch weise, andererseits verwendet er hier eine durchaus bezeichnende Wortwahl.

      Was nun folgt, ist eine wenig verheißungsvolle Einschätzung der deutschen Justiz:

      Immerhin neigt die Schuljurisprudenz in Deutschland dazu, sich zurückzuhalten, wenn nicht gar, sich zurückzuziehen, wenn eine Kollision mit den NS-Traumata, zumal den Nachwirkungen der Shoa, droht. Das BVerfG weicht dem Tabu aus, zuweilen auch im offenen Widerspruch zum Verfassungstext und unter Bruch juristischer Konsequenz.


      Für mich die zentralste Aussage überhaupt (Hervorhebung von mir).

      Daraufhin zählt er hierfür einige Beispiele auf. Obwohl das Grundrecht der Meinungsfreiheit nur durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden darf, billigt das BVerfG das Sondergesetz der Strafnorm der Volksverhetzung. Das Schächten ist wegen der Handlungs- und Religionsfreiheit des Metzgers erlaubt, obwohl die Verfassung ausdrücklich den Tierschutz als Ziel anerkenne.

      Dann relativiert er das Beispiel des Schächtens wieder:

      Freilich ist diese Entscheidung nicht ohne weiteres für die Beschneidung präjudiziell. Denn es ist ein wesentlicher Unterschied, ob den Abwehrrechten des Handelnden ein mehrfach relativiertes Staatsziel Tierschutz gegenübersteht oder die körperliche Unversehrtheit eines Menschen. Überhaupt reichen Präjudizien dieser Art nicht aus, um die Hypothese eines Tabuvorbehalts praeter constitutionem zu verifizieren.


      Erst dann trägt Isensee vor, der Gesetzgeber könne sich aber darauf berufen, einen Kulturkampf verhindert zu haben. Ein allzu schwächliches Argument, wie hier im Forum übereinstimmend festgestellt wird.
    • Guy schrieb:

      Dann kann man achselzuckend behaupten, man habe ja alles versucht, um jüdisches Leben in Deutschland zu ermöglichen.
      Glaubst Du wirklich, dass die Mehrheit des Bundestages strategisch-taktisch so raffiniert gedacht hat? Ich halte die Wahrheit für schlichter: so ausgeklügelt denken und handeln Bundesregierung und Parlamentsmehrheit nicht. Sie wollten einen Kulturkampf vermeiden um jeden Preis. Auch um den eines schlechten und verfassungsrechtlich nicht haltbaren Gesetzes. Sie waren nur verfahrenstechnisch so schlau, etwaige Klagewege möglichst zu verbauen.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Maria Werner schrieb:

      Ein allzu schwächliches Argument, wie hier im Forum übereinstimmend festgestellt wird.
      Auch wenn ich mir ein klares Verbot der Beschneidung von Jungen gewünscht habe und noch immer wünsche: die Frage eines möglichen Kulturkampfes kann man m.E. nicht einfach vom Tisch wischen. Wir sehen gerade, wie die internationale Presse (zu Recht) rügt, dass es im NSU-Mordprozess bislang keine reservierten Plätze für türkische Medien gibt. Auch hier spielt im Hintergrund unsere politische Last des Nationalsozialismus eine Rolle, denn die NSU-Täter waren bzw. sind - wie der Name schon nahelegt - Rechtsradikale. Ein striktes Verbot der Jungenbeschneidung hätte sicher heftige Reaktionen im In- und Ausland hervorgerufen. Die Frage war, ob man diese guten Gewissens und mit überzeugender Argumentation hätte durchstehen können. Ich denke ja. Aber eine öffentliche Belastung wäre es sicher geworden. Da kann ich die Argumentation von Prof. Isensee durchaus nachvollziehen, der ehrlich, rechtlich konsequent und der aufklärerischen Tradition entsprechend argumentiert. Die vorläufige Straffreiheit hätte alle Möglichkeiten einer späteren Aufhebung offen gelassen, wenn sich die Meinung und die Praxis in den beiden Religionen ein Stück weiter säkularisiert hat. Und um letzteres zu erreichen, sind wir angetreten. Ich bin sicher, dass es diese gesellschaftspolitischen Verschiebungen bei einer nachhaltigen Informationsarbeit geben wird. Ich fürchte dagegen, dass es nicht leicht sein wird, das jetzige miese Gesetz auf dem verfassungs- oder menschenrechtlichem Wege aus der Welt zu schaffen (so weit ich das als juristischer Amateur aus den Beiträgen von Juristen verstanden habe.)
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Wir kehren also, wie ich meine, zum Ausgangspunkt der Debatte zurück - nur auf einer etwas anderen Ebene: handelt es sich bei der Debatte um einen "Kulturkampf" oder nur um ein "heisses verfassungsrechtliches Eisen".

      Die für mich sehr eindrucksvolle Begründung des Holocaustleugnungsverbots des Verfassungsgerichts findet man hier. Ich kann zwar nicht beurteilen, ob sich die Jurisprudenz bei uns generell bei Themen zum Holocaust zurückhält, hier tut es das aber nicht ( kann es auch nicht). Interessant ist der Gedankengang.

      DFR - BVerfGE 90, 241 - Auschwitzlge

      Im übrigen gebe ich R(h)einwein völlig recht: lange Zeit haben nich nicht mal Juristen getscheckt, wie geschickt hier die Klagewege verbaut wurden.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • R(h)einwein schrieb:

      Glaubst Du wirklich, dass die Mehrheit des Bundestages strategisch-taktisch so raffiniert gedacht hat?
      Ich würde sagen, die notwendige Bedingung war, den Kulturkampf zu vermeiden. Die Hinreichende ist, dass wenn es schiefgeht, sie doch guten Willens gewesen sind, die Beschneidung weiterhin zu ermöglichen. Ein Risiko gehen sie in beiden Fällen nicht ein.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Von einem Kulturkampf dürften eigentlich nur Befürworter des Gesetzes reden. Die und nur die können allenfalls meinen, die rituelle Zwangsbeschneidung von Jungen hätte irgendwas mit Kultur oder Erziehung im positiven Sinne zu tun. Konsequenterweise müssten die sich dann auch noch darüber streiten, ob das, was schlechterdings als Kinderpornografie eingestuft wird, in dem einen oder anderen Fall nicht doch noch unter die Kategorie Aktfotografie mit minderjährigen Modellen fallen könnte.

      Leider erkennt Prof. Isensee kein Tabu im willkürlichen Eingriff Erwachsener in den Genitalbereich kleiner Jungen. Dieser Wahrnehmung scheint er nicht zugänglich zu sein oder sein zu wollen. So erfasst die von ihm erwähnte Tabuzone offensichtlich nur das Verbot der Beschneidung, jedoch nicht die Beschneidung selbst. Das ist sehr bedauerlich.

      Bedauerlich ist auch, dass er sich auf den Unfug in der Begründung des Gesetzentwurfs so unkritisch einlässt. Er schreibt im Zusammenhang mit den Kautelen des Gesetzestextes: "Doch sie sind auch gar nicht auf praktische Durchsetzung angelegt. Vielmehr ist ihr Sinn, den Kindesrechten symbolische Reverenz zu erweisen, mehr aber auch nicht."

      Treffender als der Begriff "symbolische Reverenz" wäre die Feststellung von Heuchelei und Zynismus. Zur Alternative stünde nur noch die totale Borniertheit oder gemäßigter ausgedrückt: die "symbolische Reverenz" an die Unvernunft.

      Ich denke nicht, dass es darum ging, einen Kulturkampf zu vermeiden. Gäbe es den, würde ein solches Gesetz nicht ausreichen, ihn zu unterbinden, sofern wir uns noch nicht in einer Diktatur befinden.

      Über die wahren Gründe, die zu dem Gesetz geführt haben, kann man lange spekulieren. Fakt ist, dass Deutschland bei der Terrorbekämpfung auf Informationen ausländischer Geheimdienste angewiesen ist. Fakt ist auch, dass die jüdische Lehre Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik Israels hat und Bestandteil des Gründungsmythos diese Staates ist. Der Rest erklärt sich von selbst.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Bedauerlich ist auch, dass er sich auf den Unfug in der Begründung des Gesetzentwurfs so unkritisch einlässt. Er schreibt im Zusammenhang mit den Kautelen des Gesetzestextes: "Doch sie sind auch gar nicht auf praktische Durchsetzung angelegt. Vielmehr ist ihr Sinn, den Kindesrechten symbolische Reverenz zu erweisen, mehr aber auch nicht."
      Ich sehe in dieser Aussage weder Zynismus noch Heuchelei. Das ist brutalstmögliche Offenheit und bringt aus juristischer Sicht z.B. die Betäubungsdiskussion auf den Punkt.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Pöser Pürger schrieb:

      "Doch sie sind auch gar nicht auf praktische Durchsetzung angelegt. Vielmehr ist ihr Sinn, den Kindesrechten symbolische Reverenz zu erweisen, mehr aber auch nicht."
      Es zeigt sich hier wieder einmal, wie unterschiedlich man Aussagen interpretieren kann. Ich lese diesen Satz als ein vernichtendes Urteil über das Gesetz: In dem zuvor von Prof. Isensee Ausgeführten weist er auf die Pflicht des Staates zum Schutz des Säuglings oder Kleinkinds vor der Körperverletzung, Schmerzen usw. hin und vermisst Regelungen, die dieses gewährleisten, um dann zu obiger Feststellung zu kommen. Mit meinen Worten übersetzt: der Gesetzgeber hat in diesem Punkt total versagt und kaschiert sein (vorsätzliches) Versagen mit symbolischem Geschwätz. Deutlicher kann es ein Professor für öffentliches Recht kaum sagen. Wir sind da freier, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • R(h)einwein schrieb:

      Deutlicher kann es ein Professor für öffentliches Recht kaum sagen. Wir sind da freier, die Dinge auf den Punkt zu bringen.

      Meinst du wirklich, er könne es deutlicher nicht sagen?

      Er bringt erst die Schönwetter-Floskel "den Kindesrechten symbolische Reverenz zu erweisen". Als Leser erwarte ich nun einen Kommentar auf diese Feststellung über das Verhalten des Gesetzgebers. Das könnte man denkbar nobel formulieren, wie etwa Kachelmanns Anwalt, der dem vorsitzenden Richter eine "Verneigung vor der Unvernunft" unterstellt hatte. So würde gebotene Boshaftigkeit aussehen. Bei Isensee kommt dann halt leider nichts mehr. Vielleicht bin ich aber auch zu anspruchsvoll.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Leider erkennt Prof. Isensee kein Tabu im willkürlichen Eingriff Erwachsener in den Genitalbereich kleiner Jungen. Dieser Wahrnehmung scheint er nicht zugänglich zu sein oder sein zu wollen. So erfasst die von ihm erwähnte Tabuzone offensichtlich nur das Verbot der Beschneidung, jedoch nicht die Beschneidung selbst. Das ist sehr bedauerlich.

      Isensee läßt im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nicht die geringsten Zweifel offen. Religionsfreiheit rechtfertigt unter keinen Umständen die Körperverletzung eines Kindes; das elterliche Erziehungsrecht auch nicht; der Staat hat die Pflicht, die Rechte des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zu verteidigen und durchzusetzen. Basta. Das sind Prof. Isensees klare Statements, an denen auch nicht die leiseste Abweichung der argumentativen Stringenz zu erkennen ist.

      Ein mögliches "Tabuvorbehalt" macht er sich keinesfalls zu eigen. Er bespricht es, wie sich das für eine wissenschaftliche Abhandlung m.E. auch gehört. Doch spätestens die Aussage:

      Überhaupt reichen Präjudizien dieser Art nicht aus, um die Hypothese eines Tabuvorbehalts praeter constitutionem zu verifizieren


      machen seinen Standpunkt hier deutlich.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Meinst du wirklich, er könne es deutlicher nicht sagen?
      Können schon, aber nicht wollen. In den Kreisen von Professoren und Regierungen legt man sich in seinen Äußerungen große Zurückhaltung auf. Um so wirksamer sind dann solche Feststellungen. Der Adressat kann sie im Kontext der Gepflogenheiten sehr wohl dekodieren und .................. spürt die Ohrfeige um so mehr.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Maria Werner schrieb:

      Isensee läßt im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes nicht die geringsten Zweifel offen. Religionsfreiheit rechtfertigt unter keinen Umständen die Körperverletzung eines Kindes; das elterliche Erziehungsrecht auch nicht; der Staat hat die Pflicht, die Rechte des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zu verteidigen und durchzusetzen. Basta. Das sind Prof. Isensees klare Statements, an denen auch nicht die leiseste Abweichung der argumentativen Stringenz zu erkennen ist.
      @ Maria Werner

      Danke. Genau so lese ich ihn auch.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • R(h)einwein schrieb:

      Können schon, aber nicht wollen. In den Kreisen von Professoren und Regierungen legt man sich in seinen Äußerungen große Zurückhaltung auf. Um so wirksamer sind dann solche Feststellungen. Der Adressat kann sie im Kontext der Gepflogenheiten sehr wohl dekodieren...

      wenn er es denn für nötig hält durchaus.

      R(h)einwein schrieb:

      und .................. spürt die Ohrfeige um so mehr.
      Ob die in diesem Fall weh tun soll, bezweifle ich. Unter dem Strich bleibt ja dann doch "politische Weisheit".
    • Maria Werner schrieb:

      Erst dann trägt Isensee vor, der Gesetzgeber könne sich aber darauf berufen, einen Kulturkampf verhindert zu haben. Ein allzu schwächliches Argument, wie hier im Forum übereinstimmend festgestellt wird.
      Ja, aus unserer Sicht schwächlich. Wenn man sich jedoch ansieht, mit welcher Vehemenz sich die beiden christlichen Kirchen in die Debatte geworfen haben, ist "Kulturkampf" zumindest als Thema nicht völlig von der Hand zu weisen. Unser "Angebot", "lediglich" über körperliche Unversehrheit von Kindern zu "verhandeln", ist von den Religionsvertretern ja nicht angenommen worden. Im Gegentum: man meinte, an den Vorhäuten den Untergang von Abendland, Judentum und Staat festmachen zu müssen. Insofern könnte man sich verschwörungstheoretisch fragen, ob das Kölner Urteil nicht von den Religionsvertretern lanciert worden ist, um endlich mal wieder aus der defensiven in die offensive Position zu kommen.

      Aber selbst, wenn man annimmt, dass es sich um einen Kulturkampf handelt, ist die Dusseligkeit des Gesetzes nicht nur ein Armutszeugnis, sondern erreicht geradezu das Gegenteil der Absicht, um - mit Heribert Prantl - diesen Kulturkampf durch das Beschneidungsgesetz "einzuhegen." Es heizt ihn eher noch an.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Isensee schrieb:

      "Wenn das Gesetz auch verfassungsrechtlich gescheitert ist, so waltet in seinem Vorhaben doch ein Stück politische Weisheit. Im Konflikt zwischen rechtsstaatlicher Konsequenz und Wahrung des religiösen wie des gesellschaftlichen Friedens entscheidet es sich für den Frieden.Ein Kampf der Kulturen soll in Deutschland nicht ausbrechen,am allerwenigsten ein Kampf mit der jüdischen Kultur.


      Dazu schreibt Jörg Scheinfeld:


      "Isensee teilt die skizzierte Sicht auf die Verfassungsfragen weitgehend und erklärt das Erlaubnisgesetz des § BGB für "verfassungsrechtlich gescheitert".Er will am Ende aber doch einen Weg gefunden haben, eine enge Beschneidungserlaubnis gelten zu lassen: Der Gesetzgeber dürfe die Beschneidung erlauben, um in Deutschland einen "Kulturkampf" zu verhindern.So verständlich das politisch ist, so wenig plausibel ist es empirisch und verfassungsrechtlich. In aller Kürze nur dies: Schon das jetzt geltende Beschneidungsgesetz begrenzt die Kultur mancher Moslems und Juden. So wird etwa den Juden auferlegt, die Beschneidung unter Anwendung effektiver Schmerzbehandlung zu vollziehen (§ 1631d I BGB),was viele Strenggläubige aus religiösen Gründen ablehnen.Davor musste der Gesetzgeber weder empirisch noch verfassungsrechtlich zurückschrecken. Auch mit Teilen des Islam wird der "Kulturkampf" durchaus aufgenommen, wenn, wie behandelt, den Schafi’iten leichtere Eingriffe bei weiblichen Kindern untersagt werden. Schließlich ist weder von der Mehrheit der Moslems noch von der Mehrheit der Juden zu erwarten, dass sie ein letztlich fundamentalistisches Verständnis im Verhältnis von Religion und Staat einnehmen. Auch enthält Isensees Idee den unheimlichen Satz, der Gesetzgeber habe sich "im Konflikt zwischen rechtsstaatlicher Konsequenz und Wahrung des religiösen wie gesellschaftlichen Friedens" zulässiger Weise für den Frieden entschieden.Er sagt damit, der Gesetzgeber dürfe in utilitaristischer Verrechnung Grundrechte der Kinder opfern, um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren. Es ist aber gerade der Sinn eines Kerngrundrechts wie Art. 2 II 1 GG, einen solchen Utilitarismus zu verhindern. Droht vor diesem Hintergrund nicht vielleicht auch von der anderen Seite ein Kulturkampf, weil das Beschneidungsgesetz die Verfassungskultur antiutilitaristischer Kerngrundrechte preisgibt?"
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Manfred schrieb:

      Ich lese den Artikel so: Das Gesetz ist in vieler Hinsicht nicht verfassungskonform. Es kann aber bei bestem Willen nicht verfassungskonformer gestaltet werden. Seien wir froh, dass wir es haben, um einen Kulturkampf zu vermeiden …..

      Das verstehe ich bei Isensee auch so. Er selbst hält es schon deshalb für verfassungswidrig, weil das elterliche Erziehungsrecht es niemals rechtfertigt in die körperliche Unversehrtheit von Dritten einzugreifen. Dann führt er lediglich ergänzend die weiteren Aspekte auf, die er für verfassungswidrig hält: Verstoß gegen Gleichheitssatz, Unbestimmt etc.