Stellungnahme Prof. Kristof Graf

    • Stellungnahme Prof. Kristof Graf

      Stellungnahme von Prof. Dr. med. Kristof Graf (Kardiologe, Chefarzt Jüdisches Krankenhaus Berlin) für den Rechtsausschuss des Bundestages:

      bundestag.de/bundestag/ausschu…en/Stellungnahme_Graf.pdf


      Zum Thema Anästhesie ist mir Folgendes aufgefallen (Text wurde für anderen Gebrauch geschrieben, daher wirkt er in der Formulierung vielleicht etwas komisch...):


      Unter Missachtung des aktuellen Standes der medizinischen Forschung hält Herr Prof. Hans Kristof Graf (ein Kardiologe!) in seiner Stellungnahme an der Auffassung fest, dass sich das Oberflächenanästhetikum EMLA "zur Analgesie und Schmerzlinderung bei Neugeborenen bis zum vierzehnten Lebenstag bewährt" hat. Er versäumt nur leider zu erklären, warum EMLA für Neugeborene bis zum vierzehnten Lebenstag angemessen ist (und nicht etwa der wirksamere Peniswurzelblock), Beschneidungen bei allen anderen Kindern aber nur unter Vollnarkose durchgeführt werden. Dieses Versäumnis dürfte wohl damit zu tun haben, dass der einzige Grund für diese Unterscheidung in der Tora zu finden ist, aus der Herr Prof. Hans Kristof Graf aber offensichtlich nicht zitieren möchte.

      Die Behauptung, dass keine klinischen Daten bzw. Evidenz dazu vorliegen, dass EMLA keine ausreichende Schmerzlinderung bewirkt, ist schlicht und einfach falsch, weil es erwiesenermaßen effektivere Methoden der Schmerzlinderung gibt als EMLA (vgl. Brady-Fryer, Wiebe & Lander 2004). Die Aussage ist entweder ein Zeugnis seiner fachlichen Inkompetenz oder aber einer boshaften wissenschaftlichen Unredlichkeit.

      Und für den Fall, dass doch einer mit Forschungsergebnissen kommt, stellt der Kardiologe Prof. Hans Kristof Graf mal eben im Vorbeigehen die Methodik der Schmerzforschung an Säuglingen in Frage, der er "aufgrund der langjährigen Erfahrung in unserem Hause weiche Parameter bei Operationen" entgegensetzt. Das heißt nichts anderes als "Geht schon. Haben wir doch immer so gemacht."

      Erstaunlich ist auch ein offensichtlicher Widerspruch in dem Gutachten. Einerseits wird gesagt, dass das Krankenhaus wegen des Narkoserisikos von Beschneidungen zwischen dem vierzehnten Lebenstag und der Vollendung des ersten/zweiten Lebensjahres abrät. Andererseits heißt es: "Bei gesunden Kindern ist der optimale Zeitpunkt des Eingriffs nach Erfahrung unseres Krankenhauses innerhalb der ersten drei Lebenswochen zu sehen, weil hier optimale Wundheilungsbedingungen gegeben sind". Offensichtlich hat der Herr Prof. Hans Kristof Graf Schwierigkeiten damit, Tage in Wochen umzurechnen. Kann ja dem besten Chefarzt mal passieren.

      Ich frage mich jetzt folgendes:

      a) Wie kann jemand, der dem Rechtsausschuss des Bundestages ein derart schäbiges Gesinnungsgutachten vorliegt, Professor für Medizin und Chefarzt eines Krankenhauses sein? (Nun gut, eigentlich eine rhetorische Frage...)

      b) Wieso lädt der Rechtsausschuss des Bundestages einen Kardiologen als Sachverständigen zum Thema Beschneidung ein?

      c) Was ist dieses "Jüdische Krankenhaus" eigentlich für ein dubioser Laden, in dem Ärzte nach Gutdünken (und Maßgabe der Tora) die Standards für Anästhesie absenken? Was sagen Krankenhausaufsicht und Ärztekammer zu diesem Vorgehen?

      d) Warum erspart uns der Rechtsausschuss des Bundestages nicht diese lächerliche Farce? Genauso gut hätte man Dieter Graumann als medizinischen Experten zum Thema Zirkumzision einladen können. Seine Aussagen hätten kaum weniger "kompetent" sein können als die von Herrn Prof. Hans Kristof Graf.


      Wäre nett, wenn Leute wie Graf in der Sitzung des Rechtsausschusses mal auseinander genommen würden. Fragt sich nur, a) wer das machen würde/könnte und b) ob das überhaupt üblich ist. Wer sind denn im Rechtsausschuss die Kritiker des Gesetzentwurfs? Bisher habe ich nur von Wolfgang Nešković etwas gehört, aber inwieweit der dann offensiv kritisch auftritt, ist die andere Frage.
    • Operationen an schreienden Neugeborenen

      Die Ärzte des Jüdischen Krankenhauses Berlin schreiben:
      Problematisch ist sicherlich, dass die Schmerzerfassung bei Neugeborenen mit wirklich sicheren Methoden nicht möglich ist. Es gibt aufgrund der langjährigen Erfahrung in unserem Hause weiche Parameter bei Operationen, die als Indikatoren für ein Wohlbefinden beobachtet werden. Dies beinhaltet eine sofortige Einstellung des Schreiens bei Rückkehr in die Arme der Mutter.
      Diese Auskunft bedeutet also, dass im Jüdischen Krankenhaus in Berlin in den letzten zehn Jahren mindestens 385 Operationen an schreienden Neugeborenen vorgenommen worden sind ??! Immer mehr kann ich den großen jüdischen Reformrabbiner Abraham Geiger verstehen. Schon 1845 nannte der die Beschneidung einen "barbarisch blutigen Akt, der den Vater mit Angst erfüllt". (Abraham Geigers Nachgelassene Schriften, 5. Band, S. 181)
    • ".....Dabei herrscht weitgehend Einigkeit, dass nicht alles, was die Medizin kann, auch tatsächlich durchgeführt werden soll: Das ethisch Richtige ergibt sich nicht aus dem technisch Möglichen. Immer häufiger stellt sich die Frage welche individuellen Maßnahmen für den betroffenen Patienten am besten geeignet sind, nicht zuletzt auch unter dem juristischen Aspekt der Patientenautonomie/Patientenverfügung.

      Die übergeordnete Aufgabe eines KEK besteht darin, die medizinethischen Prinzipien – Nutzen, Nichtschaden, Autonomie und Gerechtigkeit [7] – in Verbindung mit dem organisationsethischen Konsens (Leitbild des Krankenhauses) zu vertreten.
      Die Behandlung ethischer Fragestellungen in einem Krankenhaus wird durch Folgendes behindert [8]:
      .........

      F
      Verallgemeinerung der Ethik der jeweils eigenen Position und/oder Berufsgruppe;

      F Beharren auf die eigene Sichtweise und fehlende Bereitschaft zum Perspektivenwechsel; ......."

      Quelle


      Muß man nur noch umsetzen!
    • panther schrieb:

      Stellungnahme von Prof. Dr. med. Kristof Graf (Kardiologe, Chefarzt Jüdisches Krankenhaus Berlin) für den Rechtsausschuss des Bundestages:

      bundestag.de/bundestag/ausschu…en/Stellungnahme_Graf.pdf


      Zum Thema Anästhesie ist mir Folgendes aufgefallen (Text wurde für anderen Gebrauch geschrieben, daher wirkt er in der Formulierung vielleicht etwas komisch...):


      Unter Missachtung des aktuellen Standes der medizinischen Forschung hält Herr Prof. Hans Kristof Graf (ein Kardiologe!) in seiner Stellungnahme an der Auffassung fest, dass sich das Oberflächenanästhetikum EMLA "zur Analgesie und Schmerzlinderung bei Neugeborenen bis zum vierzehnten Lebenstag bewährt" hat. Er versäumt nur leider zu erklären, warum EMLA für Neugeborene bis zum vierzehnten Lebenstag angemessen ist (und nicht etwa der wirksamere Peniswurzelblock), Beschneidungen bei allen anderen Kindern aber nur unter Vollnarkose durchgeführt werden. Dieses Versäumnis dürfte wohl damit zu tun haben, dass der einzige Grund für diese Unterscheidung in der Tora zu finden ist, aus der Herr Prof. Hans Kristof Graf aber offensichtlich nicht zitieren möchte.

      [...] Und für den Fall, dass doch einer mit Forschungsergebnissen kommt, stellt der Kardiologe Prof. Hans Kristof Graf mal eben im Vorbeigehen die Methodik der Schmerzforschung an Säuglingen in Frage, der er "aufgrund der langjährigen Erfahrung in unserem Hause weiche Parameter bei Operationen" entgegensetzt. Das heißt nichts anderes als "Geht schon. Haben wir doch immer so gemacht."
      Hattest Du diesen Hinweis schon mal an die Ärztekammer Berlin, die Bundesärztekammer, die Deutsche Schmerzgesellschaft und die Mitglieder des Rechtsauschusses gegeben?
      Gruß
      Hickhack
    • Bei der Beurteilung der EMLA- Salbe seitens der Befürworter sollte man genau auf deren Wortwahl achten: bewährt, ausreichend, möglichst,ärztliche Kunst usw. Zusätzlich wird die Schmerzfrage durch die Behauptung, dieser sei angeblich (!) bei Säuglingen "schwer" zu messen, vernebelt. Auch sog. "weiche Faktoren" können wissenschaftlich standardisiert untersucht werden und sind auch bereits schon hinzugezogen worden.
      Festzuhalten ist: es gibt bemerkenswert wenige Untersuchungen zur Schmerzlinderung mit EMLA bei Säuglingen - bemerkenswert insofern, als dass sie doch eine so grosse Rolle in der Argumentation der Befürworter spielt. Und: die Angaben in den Untersuchungen über den Grad der Schmerzlinderung schwanken zwischen 10 und 20%. Es ist schon reichlich verwegen, dies als " ausreichend" zu bezeichnen. Wenn die ärztliche Kunst es bisher nicht geschafft hat, eine deutlichere Schmerzlinderung bereitzustellen, spricht alles dafür, solche Eingriffe wirklich nur im äussersten (!) Notfall vorzunehmen.

      Diese Vernebelung dient m.E. einzig und allein dazu, die nicht- ärztliche Mohel- Beschneidung mit allen zur Verfügung stehenden Worthülsen zu "retten".
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Noch ein Zusatz:

      Wenn ein Arzt, der (auch wenn er Kardiologe ist) in einem "Beschneidungskrankenhaus" arbeitet und mit Sicherheit schon etlichen Beschneidungen beigewohnt hat, angesichts der markerschütternden Schreie von Säuglingen, behauptet, Schmerz sei bei Säuglingen schwer zu messen, dann leidet er - mit Verlaub - an einer massiven Einfühlungsstörung, Dass er dann ein Kollabieren des Kindes in den Armen der Mutter als ruhiges Einschlafen deutet, wundert nicht. Wenn man die Interpretation " weicher Faktoren" den falschen Leuten überlässt, kann es gefährlich werden.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Es widerspricht jeglicher Logik, daß bei Erwachsenen Emla nicht ausreichend ist, bei Säuglingen jedoch schon- vor allem vor dem Hintergrund, daß Babies erwiesenermaßen(!) mehr Schmerzen als Erwachsene verspüren.
      Allerdings findet selbst diese Debatte auf dem falschen Boden statt, denn wenn ich nicht beschneide, stellt sich auch nicht die Frage, welche Form der Anästhesie ausreichend ist.