Begründung einer Verfassungsbeschwerde

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    • Hi TobiasSP - (bei soviel Denk- und Schreibarbeit will ich dir doch meinen Respekt zollen)-danke für deine enorme Arbeit. Leider hat Gauck sich ja schon sehr frühzeitig für die Beschneidung ausgesprochen (mit den üblichen Argumenten), von daher wird er dein sehr engagiertes Schreiben vermutlich mit sehr vielen anderen gleicher Intention irgenwo abgelegt haben.
      Natürlich hast du Recht, er könnte sich der Unterzeichnung des Gesetzes - so es denn den Bundestag passiert - widersetzen und dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen - aber mit dieser (für mich ziemlich kleinen Hoffnung) ist dann auch schon alles erledigt. - Ansonsten wird keiner einer Verfassungsbeschwerde einreichen können, da kein anderer dazu berechtigt ist - die notwendige Grundlage für eine Verfassungsbeschwerde (sei es seitens eines Bürgers oder einer Partei [Organklage]) ist nämlich nicht gegeben. Ansonsten - was irgendwo anders mal diskutiert wurde - es tritt jetzt noch ein neuer Fall der Zwangsbeschneidung auf der vor Gericht verhandelt wird, und das Gericht gibt die Entscheidung an das Verfassungsgericht ab. Das wird aber kaum vorkommen. Da wird mit Sicherheit alles unternommen, dass kein neuer Prozess vor Verabschiedung und Verkündung des Gesetzes gestartet wird. - Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass die für das umstrittene Urteil zuständigen Richer des Kölner Landerichts das Ende ihrer Karrierelaufbahn erreicht haben.

      Eine Klärung durch das Verfassungsgericht wird es nur im andern Fall geben, wenn nämlich der Bundestag ein Beschneidungsverbot erlässt, und dann ein Elternteil dagegen klagt.

      EuGH wird vermutlich auch keine Ausweichadresse sein, aber da kenne ich mich nun überhaupt nicht aus.
    • Descant schrieb:

      Ansonsten wird keiner einer Verfassungsbeschwerde einreichen können, da kein anderer dazu berechtigt ist - die notwendige Grundlage für eine Verfassungsbeschwerde (sei es seitens eines Bürgers oder einer Partei [Organklage])ist nämlich nicht gegeben.
      Das ist so - glücklicherweise - nicht korrekt! Jeder Junge bis zum 14. Lebensjahr bzw. dessen Sorgeberechtigte können Verfassungsbeschwerde einreichen! Nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4a kann jedermann Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung einreichen, er werde durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten verletzt. Unter öffentliche Gewalt ist auch die Gesetzgebung zu verstehen. Das sich das Beschneidungsgesetz auschliesslich an nicht urteils- und nicht einsichtsfähige Jungen richtet, sind diese bzw. deren Sorgeberechtigte auch klageberechtigt. Sogenannte Verbandsklagen, d.h. Verfassungsbeschwerde von der Deutschen Kinderhilfe etc., sind hingegen nicht zulässig. Ich meine, dass Herr Rolf Stöckel von der deutschen Kinderhilfe darauf bei einer Veranstaltung in Berlin mal eingegangen ist und sich dahingehend äusserte, die deutsche Kinderhilfe würde Eltern, die Verfassungsbeschwerde einreichen wollten, bei der Ausarbeitung einer Verfassungsbeschwerde helfen.

      Gruss
      Tobias
    • @Tobias - sehr guter Einwand, nur - wo findet man dieses Kind? Die Säuglinge scheiden aus, die anderen Jungen, die zwangsbeschnitten werden sollen, sind in der Regel zwischen 4 und 8 Jahre alt und wissen gar nichts von Verfassungsgericht oder so. Und die älteren machen entweder wegen Anpassungsdruck mit oder sperren sich dagegen. Das dürfte dann aber auch ohne Gerichtsanrufung von den Eltern akzeptiert werden.
    • Descant schrieb:

      @Tobias - sehr guter Einwand, nur - wo findet man dieses Kind? Die Säuglinge scheiden aus, die anderen Jungen, die zwangsbeschnitten werden sollen, sind in der Regel zwischen 4 und 8 Jahre alt und wissen gar nichts von Verfassungsgericht oder so. Und die älteren machen entweder wegen Anpassungsdruck mit oder sperren sich dagegen. Das dürfte dann aber auch ohne Gerichtsanrufung von den Eltern akzeptiert werden.
      Auf lange Sicht dürften sich schon Männer finden, die als Kinder beschnitten wurden und als Männer darunter leiden. Diese müssen nur leider erst noch produziert werden. Es dauert also noch eine Weile.

      Aber auch jetzt wird sich doch eine Familie finden lassen, die vorgibt ihre Kinder beschneiden zu wollen. Es muss ja nicht aus religiösen Gründen sein, denn darauf stellt das Gesetz nicht ab. Es muss ja noch nicht einmal ernst gemein sein. Es reicht eine typisch deutsche Familie, am besten mit 2 Kindern, einem Mädchen und einem Jungen im Alter von 12 und 13 Jahren, die eines Tages beschließen, dass es dem Kindeswohl förderlich wäre, wenn man sie beschneidet. Das kann man ja entsprechend überzeugend beim Kinderarzt vortragen. Gründe braucht es ja keine.

      Entsprechend überzeugend können sich diese Kinder -die natürlich nicht beschnitten werden wollen- an einen der zahlreichen bloggenden Anwälte -zum Beispiel an den Bundestagsanwärter Udo Vetter- mit einem Hilfeschrei wenden "Hilfe, wir sollen beschnitten werden". Das wäre gut fürs Blog und ich bin überzeugt davon, dass zahlreiche Leser spontan finanzielle Mittel bereitstellen würden, um die Verfassungsbeschwerde zu finanzieren. Insbesondere wenn sowohl Junge als auch Mädchen beschnitten werden sollen wird es eine Herausforderung für die Verfassungsrichter, dies in einer nachvollziehbaren Weise abzugrenzen, dass das eine legal sein soll und das andere nicht.

      Wenn man das ganze etwas überzeugender vorspielt als in den Dokusoaps wird sich das Gericht damit beschäftigen müssen.
    • Für mich stellt sich immer eine Frage. Können wir selber so einen Fall konstruieren? Damit meine ich nicht ein Kind zu beschneiden, es reicht ja anscheinend schon wenn sich die Eltern uneins sind. Oder vielleicht kann es ja doch auch sein das ein z.B. 16 Jähriger sich juristisch währen kann.

      Ist so etwas nicht denkbar? Der Grund ist den Eltern (fast) freigestielt. Also kommt so gut wie jeder mit minderjährigen (männlichen) Kindern in Frage. Und es ist auch schwerer nachzuweißen, dass nie die wirkliche Absicht einer Beschneidung bestand.

      Die Politik hat einfach Tatsachen geschaffen... vielleicht sollten wir uns daran ein Vorbild nehmen.



    • E.H.M. schrieb:

      Für mich stellt sich immer eine Frage. Können wir selber so einen Fall konstruieren? Damit meine ich nicht ein Kind zu beschneiden, es reicht ja anscheinend schon wenn sich die Eltern uneins sind. Oder vielleicht kann es ja doch auch sein das ein z.B. 16 Jähriger sich juristisch währen kann.

      Ein 16-jähriger, wenn unbeschnitten, könnte sich durchaus wehren, ist aber bereits einsichtsfähig und vom Gesetz nicht mehr betroffen. Der § 1631d BGB schließt ihn aus:
      "Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen,..."

      Wer aber gem. § 1631d BGB nicht einsichts- und urteilsfähig ist kann auch vom BVG leider nicht angehört werden. Eine gehörige Portion Perfidie und Verschlagenheit waren bei dieser Gesetzgebung am Werk.

      Denkbar wäre jedoch m.E. eine Verfassungsbeschwerde eines Jungen, der gem. § 1613d BGB beschnitten wurde und danach Einsichtsfähigkeit erlangt hat. Dazu muss er nicht einmal 14 Jahre alt sein. Er müsste zunächst die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz durch alle Instanzen verklagen. Da entweder er oder die BRD Revision einlegen würde, müsste der Fall beim BVG landen. Die BRD müsste nach jeder Instanz Revision einlegen, da sie nicht ein Gesetz aufrecht erhalten kann, dass systematisch Schadensersatzansprüche generiert. Also mit Vergleichsangebot und Rausdealen würde da nichts laufen. Ob und vorallem wann so etwas stattfindet, ist fraglich.

      Es gibt auch noch ein anderes Konstrukt für eine Verfassungsbeschwerde. Ich werde mich noch dazu äußern.
    • Meiner Ansicht nach gäbe es auch noch diese Variante:
      Solange ein Kind nicht einsichts- und urteilsfähig ist, übernehmen die Eltern wichtige Entscheidungen. Das bedeutet, wenn ein Elternteil den Jungen beschneiden lassen möchte, das andere aber nicht, hätten wir eine geeignete Ausgangsposition.
      Das Kind soll beschnitten werden (so argumentiert Elternteil 1 mit Verweis auf das neue Gesetz, da es die Beschneidung als mit dem Kindeswohl vereinbar hält), das Kind (in Vertretung durch Elternteil 2, das die Rechte des Kindes verletzt sieht) klagt dagegen.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Weguer schrieb:

      Meiner Ansicht nach gäbe es auch noch diese Variante:
      Solange ein Kind nicht einsichts- und urteilsfähig ist, übernehmen die Eltern wichtige Entscheidungen. Das bedeutet, wenn ein Elternteil den Jungen beschneiden lassen möchte, das andere aber nicht, hätten wir eine geeignete Ausgangsposition.
      Das Kind soll beschnitten werden (so argumentiert Elternteil 1 mit Verweis auf das neue Gesetz, da es die Beschneidung als mit dem Kindeswohl vereinbar hält), das Kind (in Vertretung durch Elternteil 2, das die Rechte des Kindes verletzt sieht) klagt dagegen.
      Das wäre die naheliegendste Konstellation. Die führt allerdings auch nicht am Familiengericht vorbei, da erst von § 1628 BGB Gebrauch gemacht werden müsste.
      § 1628 Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern
      Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
      In diese Richtung und darüber hinaus bis zum Sorgerechtsentzug gab es auch schon Fälle vor der Beschneidungsdebatte, die aber nicht beim BGH oder BVG gelandet sind. Allerdings gab es vor dem Beschneidungsgesetz auch nicht die Möglichkeit eines gerichtlichen Normenkontrollverfahrens. Die gibt es jetzt und so bleibt zu hoffen, dass das erste Gericht, das nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Beschneidungsstreit vorgelegt bekommt, das Gesetz zur Überprüfung nach Karlsruhe übergibt. Wer weiß, vielleicht läuft da ja schon was.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Die gibt es jetzt und so bleibt zu hoffen, dass das erste Gericht, das nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Beschneidungsstreit vorgelegt bekommt, das Gesetz zur Überprüfung nach Karlsruhe übergibt. Wer weiß, vielleicht läuft da ja schon was.
      Solange die Staatsanwaltschaften schon die Aufnahme von Ermittlungen ablehnen, wird kein Fall vor dem Richter landen.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Pöser Pürger schrieb:

      Die gibt es jetzt und so bleibt zu hoffen, dass das erste Gericht, das nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Beschneidungsstreit vorgelegt bekommt, das Gesetz zur Überprüfung nach Karlsruhe übergibt. Wer weiß, vielleicht läuft da ja schon was.
      Solange die Staatsanwaltschaften schon die Aufnahme von Ermittlungen ablehnen, wird kein Fall vor dem Richter landen.

      Ich meinte zivilrechtliche Streitigkeiten z.B. zwischen uneinigen Eltern oder zwischen Eltern und Arzt/Beschneider wegen Unzufriedenheit mit dem Beschneidungsergebnis usw.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Ich meinte zivilrechtliche Streitigkeiten z.B. zwischen uneinigen Eltern oder zwischen Eltern und Arzt/Beschneider wegen Unzufriedenheit mit dem Beschneidungsergebnis usw.
      Im ersteren Fall landet der Fall, wie Du bereits schriebst, vor dem Familiengericht, in letzterem Fall ist das Beschneidungsgesetz nicht tangiert, weil die Eltern ja zugestimmt haben. Möglichicherweise wird dann nach dem Patientenrechtgesetz verhandelt.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      ...in letzterem Fall ist das Beschneidungsgesetz nicht tangiert, weil die Eltern ja zugestimmt haben. Möglichicherweise wird dann nach dem Patientenrechtgesetz verhandelt.
      Hauptsache es würde vor Gericht landen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es jetzt Eltern gibt, die ihren Sohn aus ästhetischen Gründen beschneiden lassen und dann hinterher entsetzt sind über die "Optik". Klagefreudige Bürger gibt es ja auch genügend.