Roman Lammers: §1631d BGB – Zehn Jahre gesetzliche Beschneidung des Kindeswohls

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    • Roman Lammers: §1631d BGB – Zehn Jahre gesetzliche Beschneidung des Kindeswohls

      Hört sich interessant an. Zumindest trifft der Titel den Nagel auf den Kopf.
      Leider gibt es anscheinend nicht mal ein Abstract.
      Kostet immerhin 39,95€. Vielleicht kann das mal jemand in der Uni-Bib einsehen.

      link.springer.com/article/10.1…0-022-6377-5#article-info
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"
    • Ich hatte jetzt Gelegenheit, Einblick in jenen Artikel zu nehmen. Sehr gelungen! :thumbup:

      Der Jurist Dr. Roman Lammers zerpflückt fein säuberlich den §1631d BGB und weist auf all die haarsträubenden Widersprüche in der damaligen Argumentation des Gesetzgebers, die Verdrehung des Kindeswohl-Begriffs, den Hinterzimmer-Blödsinn,


      Roman Lammers schrieb:

      Dächte man die Argumentation zu Ende, bräuchte ein Staat kindeswohlschützende Normen nur insoweit zu erlassen, als sie
      das weltweit niedrigste Schutzniveau nicht überschreiten,
      weil sonst die Flucht in ausländische Rechtssysteme drohte.

      die Augenwischerei in Sachen Schmerzbehandlung,
      Ob damit immer eine
      Schmerzbehandlung des Kindes gefordert wird, bleibt auch
      nach der Lektüre der Gesetzesbegründung unklar...

      Ja, wenn das volle Schmerzprogramm im "Einzelfall" halt religiös angemessen ist... oder ein Tropfen Rotwein danach


      Es lässt sich der Eindruck nicht
      vermeiden, als habe der Gesetzgeber hier bewusst eine unpräzise Formulierung gewählt, um die Antwort auf die heikle Frage nach Zirkumzisionen ohne jede Betäubung schlicht der Praxis zu überlassen

      Der Gesetzgeber hat hinterlistig gedacht; "wo kein Kläger, da kein Richter - und wie soll ein Baby Anzeige erstatten?"


      Dass der Gesetzgeber das geschaffene Privileg auf die ersten sechs Lebensmonate beschränkt, aber die staatliche Schutzpflicht anführt, um ab dem siebten Monat die Beschneidung durch einen Arzt vorzuschreiben, ist reichlich willkürlich und medizinisch nicht begründbar.
      Es ist auch deshalb schwer nachvollziehbar, weil nach dem
      heutigen medizinischen Wissen das System der körpereigenen Schmerzunterdrückung bei Säuglingen noch nicht vollständig ausgebildet ist, Säuglinge also sogar mehr Schmerzen empfinden als Erwachsene
      Wissenschaftler erklären sich damit das Phänomen des stillen Schlafs („quiet sleep“) von Neugeborenen: Einige der Säuglinge fallen nach der Beschneidung in einen Zustand der völligen Erschöpfung bzw. in einen neurogenen Schock – ein Schutzmechanis- mus des zentralen Nervensystems, hervorgerufen durch den traumatischen Schmerz.
      Bin in der Hinsicht zwar kein Wissenschaftler, aber das ist auch mein Eindruck: Schockstarre, dass es kein friedlicher Schlaf ist erkennt man am Gesichtsausdruck.

      ... die künstliche und singuläre Reduzierung des staatlichen Wächteramtes und die diversen Grundrechtsverletzungen hin.

      Hier argumentiert Lammers allerdings, dass BGM nicht gegen den Art. 1, GG, gegen die unantastbare Menschenwürde verstößt - was ich anders sehe.


      Zwischen beiden Grundrechten besteht ein qualitativer Unter-
      schied81, den zu leugnen bedeutete, Art. 1 Abs. 1 GG seinen
      eigenständigen Gehalt abzusprechen. Die Beschneidung
      verletzt daher nicht die Menschenwürde des Kindes
      Natürlich sind Art. 1 und Art. 2 nicht äquivalent. Das bedeutet aber nicht, dass eine Tat nicht gegen beide Artikel verstoßen kann.

      Jemandem ein sensibles und funktionales Körperteil zu zerstören ist selbstverständlich eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit - das ist schon eine Ohrfeige. Aber GM geht weit darüber hinaus.
      Auch Kinder, auch Babys haben eine Menschenwürde. Im GG steht "Mensch" nicht "Erwachsener". Und Genitalverstümmelung ist alles andere als "würdevoll". Die Genitalien eines Kindes sind psychologisch nicht irgend eine, sondern eine höchst sensible Zone.
      Das Kind versteht z.T überhaupt nicht, was mit ihm passiert, es hat schmerzen, es hat Angst, evtl. sogar Kastrationsängste, das sind mit die stärksten Ängste die es überhaupt gibt. Es ist eine entwürdigende Behandlung, was mit dem Kind passiert. Z.T. wird über seine Ängste gelacht, die Ängste werden sogar noch von anderem Kindern geschürt, das Kind wird ausgelacht, wenn es weint. All das gehört zum Spektrum. Menschen ungefragt einen Teil ihre gesunden Körpers zu rauben verletzt ihre Würde, unabhängig vom Alter. Ganz besonders, wenn es an den Genitalien passiert. Auch wenn das von den Tätern nicht entwürdigend, sonder als Perfektionierung oder als Erhebung zum Manne gemeint ist.
      GM verletzt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Denn dazu gehört auch, über seine Genitalien und somit über die Qualität seiner zukünftigen Sexualität zu bestimmen Und wenn das keine Antastung der Würde des Betroffenen ist, was dann überhaupt noch?


      Die These, dass eine Beschneidung innerhalb einer Religionsgemeinschaft Halt und Identifikation vermitteln und
      damit dem seelischen Wohl des Kindes dienen kann, mag nicht zu widerlegen sein.

      Muss man diese These überhaupt widerlegen? Sie müsste als erstes bewiesen werden!
      Man muss sich doch fragen, wie es einem Kind "Halt" geben soll, wenn es in einem entscheidenden Moment seines Lebens von seinen eigenen Eltern, die es doch eigentlich beschützen sollten im Stich gelassen, bzw. ans Messer geliefert wird?
      Identifikation? Womit? Dass sie keine Vorhaut haben? Ansonsten unterscheiden sich z.B. Juden und Muslime doch in ihrer Identifikation sicher erheblich. Sicher würde sich kein Jude als Moslem und kein Moslem als Jude identifizieren, nur weil beide genitalreduziert sind.
      Und? Wie ist das mit den Mädchen bzw. Frauen? Denen wird "Identifikation" verweigert?

      "Halt" geben jedem Kind als erstes die Eltern, die Großeltern, die Geschwister, die Verwandten, die Freunde, der Sportverein, vielleicht auch die Jugendgruppe eine religiösen Gemeinschaft - zu all dem bedarf es keiner Vorhautlosigkeit,
      Im Umkehrschluss würde dass bedeuten, dass ein intaktes Kind von einer Religionsgemeinschaft gedisst würde. Und das haben Vertreter des Judentums und des Islams 2012 vehement bestritten.


      Man mag sich probehalber vorstellen, eine – gemessen am Alter des Judentums
      und des Islams – junge, neue Religionsgemeinschaft erdächte sich den Ritus, allen ihren Neugeborenen ein gut sichtbares religiöses Motiv auf die Brust zu tätowieren und hielte dies für identitätsstiftend. Der gesellschaftliche Aufschrei wäre zurecht groß und es folgten wohl bald strafrechtliche Verurteilungen wegen Körperverletzung. Weshalb für die Genitalbeschneidung von einwilligungsunfähigen Jungen etwas anderes gelten soll, erschließt sich nicht.

      Oder Ohrläppchen abschneiden, oder das Endglied des kleinen Fingers - Zeter und Mordio! Besonders, wenn man das auch bei MÄDCHEN!!! machen würde, da würde Frau Schwarzer zur rasenden Gartenschnecke! :thumbsup:

      Ob etwas seit 5 oder seit 100.000 Jahren von einigen gemacht wird ändert nichts, wenn es falsch ist. Man kann im letzteren Fall nur sagen: um so schlimmer, dass man damit so lange durch kam!
      Lange Zeit hatten Frauen keine Rechte - war das deshalb OK? Lange Zeit durften Ehemänner ihre Frauen verdreschen - war es deshalb OK? Weil es doch so lange gemacht wurde?

      An dieser Stelle wird eindeutig die Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften aufgegeben, der Gesetzgeber hat einige gefühlte "Wichtiger-Religionsgemeinschaften" im Hinterkopf. Um das zu vertuschen hat er die Genitalverstümmelung für alle Eltern freigegeben, hat er alle Jungen entrechtet.

      Lammers geht natürlich auch auf das Schein-Argument der "gesundheitlichen Vorteile" ein, auf die eklatante geschlechtliche Diskriminierung.

      Auch wenn ich ein paar Feinheiten anders sehe (ich bin aber auch kein Jurist) und es noch ein paar Ergänzungsmöglichkeiten gäbe ist es hocherfreulich, dass dieser Artikel in einer Fachzeitschrift für Medizinrecht erscheint.
      Vielen Dank, Herr Dr. Lammers!

      Diesen Artikel sollten eigentlich alle Politiker und vor allem die Kinderentrechter des 12.12.2012 lesen.
      Sollten!

      Aber wer bekommt schon gerne einen Spiegel vorgehalten, wer hört gerne seine eigene Schande?
      Und heute will sich niemand von den Feiglingen an dem Thema die Finger verbrennen. Zu groß ist die Angst, als "Antisemit" oder wegen "Fremdenfeindlichkeit" diffamiert zu werden.

      Aber "steter Tropfen höhlt den Stein" - und dieser Artikel ist ein dicker Tropfen.
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"