Parallelen zwischen Beschneidung und Gallenblasenentfernung?

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    • Parallelen zwischen Beschneidung und Gallenblasenentfernung?

      Hallo zusammen,

      meine persönliche Überzeugung ist, dass nach einer radikalen Beschneidung, bei der viele sensible Strukturen des inneren Vorhautblatts (Frenarband, frenulares Delta und ggf. Frenulum) entfernt oder beschädigt werden, unmittelbar ein erheblicher Sensibilitätsverlust und somit Verlust an sexuellen Spaß auftreten kann. Bei weniger radikalen Beschneidungen kommt es über Jahrzehnte hinweg zu ähnlich gravierenden Einbußen durch die sog. „Keratinisierung“ der verbleibenden Strukturen, so dass nach mehr als 30 Jahren ohne Vorhaut die Sensibilität massiv beeinträchtigt sein kann.

      In meiner Kindheit war es noch gängige Lehrmeinung, dass die kindliche Vorhautenge (physiologische Phimose), bist zum Schuleintritt behoben sein muss. Diese Festlegung „zum Schuleintritt“ war willkürlich. Dehnversuche wurden meistens nicht unternommen, so dass man direkt zur Beschneidung geschickt wurde. - Auch mich hat es getroffen.

      Heute weiß man, dass die kindliche Phimose bis in die Pubertät hinein fortbestehen kann und sich fast immer von alleine löst. Sie muss nur behandelt werden, wenn Beschwerden (z.B. ständige Entzündungen) auftreten. In fast allen Fällen hilft dann eine Behandlung mit einer steroidhaltigen Salbe und regelmäßige „Dehnübungen“. Falls wirklich eine OP erforderlich sein sollte, gibt es vorhauterhaltende Methoden wie z.B. die „Triple Incision“, bei der nichts abgeschnitten werden muss. Nur in seltenen Fällen (z.B. Lichen Sclerosus oder Diabetes) kann eine Beschneidung unter Umständen unumgänglich sein.

      Die aktuelle Behandlungsleitlinie zur Behandlung einer Phimose aus dem Jahr 2017 berücksichtigt diese Aspekte und stellt die Indikation zur Beschneidung sehr zurückhaltend.

      Nun der Vergleich mit einer Entfernung der Gallenblase:

      Die Erfahrung meiner eigenen Beschneidung hat mein Misstrauen gegenüber Ärzten und ihre gängige Lehrmeinung tief geprägt. Jetzt bin ich in der Situation, dass bei mir Gallensteine diagnostiziert wurden und zeitweise Beschwerden auftreten.

      Auch zur Behandlung von Gallensteinen gibt es eine Leitlinie. Diese stammt aus dem Jahr 2018.
      Gallensteine werden demnach nicht behandelt, so lange diese keine Beschwerden verursachen. (Bis auf wenige Ausnahmen: z.B. die sogenannte Porzellangallenblase oder sehr große Gallensteine. Dabei rät man zur Gallenblasenentfernung um einer Entartung vorzubeugen). Aber sobald die Gallenblasensteine Beschwerden verursachen, wird immer die Gallenblasenentfernung empfohlen. Es gilt also der Grundsatz „alles oder nichts“. Obwohl es auch ein Medikament gibt, mit dem man Gallensteine auflösen könnte, bevor diese irgendwann Beschwerden verursachen.

      Die Behandlungsleitlinie kennt das Medikament. Empfiehlt jedoch, dass dies nur in (wie auch immer gearteten) Einzelfällen erfolgen soll. Das Medikament (Ursodeoxycholsäure) hat kaum Nebenwirkungen und muss mehrere Monate bis zu 2 Jahren eingenommen werden und bewirkt laut Studien (sofern die Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind) in 60% der Fälle eine Steinfreiheit nach 6 Monaten. Voraussetzungen sind, dass die Steine maximal 5-10 mm groß sind, nur aus Cholesterin bestehen (Nachweis: röntgen-negativ – was meist der Fall ist) und die Gallenblase noch funktionstüchtig ist (d.h. sie muss sich bei einer fettigen Reizmahlzeit noch zusammenziehen; das lässt sich per Ultraschall prüfen. Wenn sie randvoll mit Steinen ist, wird sie nicht mehr funktionieren).

      Aufgrund meiner Erfahrung mit der Beschneidung als Kind und den Folgen daraus, lasse ich mir nur sehr ungern ein Organ unwiederbringlich amputieren.

      Wie bei der Vorhaut, die von manchen Ärzten immer noch als Hautlappen bezeichnet wird, der heutzutage keinen Nutzen mehr hat, argumentieren Ärzte oft, dass die Gallenblase nur bei unseren Ahnen wirklich notwendig war, die nach der Jagd auf einmal sehr viel fettige Nahrung aßen bevor sie dann wieder fasten mussten.

      Die Gallenflüssigkeit dient der Fettverdauung. Sie wird permanent in der Leber produziert und fließt direkt in den Dünndarm (Zwölffingerdarm) und wird in der Gallenblase zwischengespeichert und eingedickt, wenn man nichts isst. Gelangt fetthaltige Nahrung in den Dünndarm (Zwölffingerdarm), wird über ein Hormon die Kontraktion der Gallenblase stimuliert und sie gibt wie ein „Booster“ zusätzlich zu der permanent abfließenden Gallenflüssigkeit der Leber die gespeicherte Gallenflüssigkeit ab.
      Nachdem die Gallenblase entfernt ist, entfällt diese Speicherfunktion und die Gallenflüssigkeit läuft ungesteuert und unabhängig von einer Mahlzeit permanent in den Dünndarm. Da die Gallenflüssigkeit aggressiv ist, kann das bei manchen Menschen zu Problemen führen.

      Gängige Lehrmeinung ist, dass man gut ohne Gallenblase leben kann und die meisten Menschen danach keine Probleme haben. Die meisten Menschen! Aber wohl nicht alle! Vereinzelt hört man, dass manche Leute nach der OP dauerhaft (also für den Rest Ihres Lebens) auf ihre Ernährung achten müssen oder unter permanenten Durchfällen leiden (Cholezystektomiesyndrom oder Gallensäureverlustsyndrom). Kein Arzt spricht diese mögliche Problematik an! Ich hoffe, dass es wirklich nur sehr wenige Menschen sind, die davon betroffen sind. Oder gibt es womöglich auch hier eine riesige Dunkelziffer von Menschen, die die negativen Folgen einfach verdrängen und nicht darüber reden!?

      Da es zumindest ein gewisse Zahl negativ Betroffener nach einer Gallen-OP gibt, ist für mich nicht nachvollziehbar, warum nicht grundsätzlich als Alternative eine medikamentöse Steinauflösung frühzeitig vorgeschlagen wird, anstatt abzuwarten bis Beschwerden auftreten und dann die Organamputation zu empfehlen. Zu einer vollständigen Aufklärung gehört das m. E dazu! Denn ein Stück weit erinnert mich das Vorgehen an gewisse Urologenvereinigungen, die von etwaigen negativen Auswirkungen einer Beschneidung auf die Sexualität einfach nichts wissen wollen oder dies gegenüber den Patienten verschweigen.

      Die Entfernung der Gallenblase ist die häufigste OP hierzulande in chirurgischen Abteilungen und dank der minimalinvasiven Chirurgie ist es tatsächlich eine relative harmlose Operation. Mit 600 Euro (glaube ich gelesen zu haben) pro Fall, allerdings auch ein einträgliches Geschäft für die Chirurgen.

      Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass bei Gallenblasensteinen, die Beschwerden verursachen, ein erhöhtes Risiko für Komplikationen besteht, wenn z.B. ein Gallenstein in die Gallengänge wandert und sich dort verklemmt. Das kann gefährlich werden (Gallenentzündung, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Gallengangentzündung, seltener auch: Platzen der Gallenblase…) und die Koliken sollen dann etwa so schmerzhaft sein wie bei einer Geburt. Meine Beschwerden sind (noch) moderat.

      Gallensteine, die Beschwerden verursachen, nicht zu behandeln scheint daher keine gute Option zu sein.

      Aufgrund meiner Beschneidungserfahrung habe ich jedoch große Vorbehalte gegen die unumkehrbare Amputation eines Organs – zumal ich auch jetzt in Coronazeiten ungern in ein Krankenhaus gehe.

      Kurzum, ich würde gern einen medikamentösen Versuch zur Auflösung der Gallensteine durchführen. Ich finde jedoch keinen Arzt, der Erfahrung mit dem Medikament hat oder bereit wäre dies zu probieren. Fast immer wird gesagt, das funktioniere nicht (obwohl die Leitlinie und Studien etwa anderes sagen), nur die OP löse das Problem dauerhaft. Man nutze das Medikament nur noch bei Patienten, die eine OP nicht überstehen würden. Ein wenig erinnert mich das Ganze an die Suche nach einem Arzt, der die Triple Incision zur Behandlung einer Phimose beherrscht… Das soll ja auch sehr schwierig sein.

      Die medikamentöse Steinauflösung hat sicherlich einen entscheidenden Nachteil: Nach wenigen Jahren kommen die Steine i.d.R. zurück (hohe Rezidivrate). Aber wenn ich dadurch eine OP umgehen könnte, würde ich in Kauf nehmen, alle 3 Jahre eben für ein paar Monate dieses harmlose Medikament einzunehmen. Denn wer garantiert mir, dass ich nach der Gallenblasenentfernung wirklich keine Beschwerden haben werde?

      Ohne die Erfahrung meiner Beschneidung hätte ich vermutlich nicht diese kritische Haltung….

      Ich hoffe, dieser Beitrag ist nicht zu sehr „off topic“. Schreibt mir gerne, wie ihr das seht.

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    • Hey, danke für den ausführlichen Beitrag. Ich werde jetzt nicht auf die einzelnen Punkte eingehen.
      Ich kann dir aber versichern, dass ich dieses gebrochene Vertrauen in die Medizin und Ärzte generell zu 100% mit dir teile. Ich will nicht alle über einen Kamm scheren und bin mir sehr wohl darüber bewusst, dass es genug Ärzte gibt, die ihren Beruf ernst nehmen und tatsächlich daran interessiert sind, zusammen mit dem Patienten an einer Verbesserung seiner Lebensqualität zu arbeiten. Zum Thema Vorhautamputation gibt es genug Ärzte, die auf unserer Seite sind und beispielsweise die Anpassung der von dir angesprochenen Phimoseleitlinie bewirkt haben.

      Leider ist es aber so, dass sich nicht gerade wenige aus monetären Gründen für ein Medizinstudium entscheiden. Solche Ärzte haben eher Interesse daran, sich maximal zu bereichern, um sich ein Ferienhaus und einen Jaguar leisten zu können. Das merkt man sehr leicht daran, dass sie sich für möglichst einfache Behandlungsmethoden entscheiden, die nicht immer im Sinne des Patientenwohles sind. Auch sind solche Ärzte schnell überfordert, wenn es um seltene Erkrankungen geht, deren Behandlung von ihrer täglichen Routine abweicht und viel Arbeit macht. Ich war mal wegen eines orthopädischen Problems an der Uniklinik Frankfurt. Da mich dieses Problem ziemlich belastet, habe ich mich bereits im Internet über Behandlungs- und OP-Methoden informiert und wäre bereit gewesen, mich auf die extrem schmerzhafte Operation einzulassen. Anstatt einer ausführlichen Beratung wurde ich aber nach geschätzten fünf Minuten wieder nach Hause geschickt. Der Arzt hat zugegeben, dass mein Zustand extrem selten ist und er nicht wirklich wüsste, wie man so etwas behandelt. Mittlerweile leide ich unter Folgeerkrankungen, die mich schon in meiner Mobilität einschränken. All das hätte man vermeiden können, wenn man damals beherzt und mit Verstand eingegriffen hätte. Leider sind nicht wenige Ärzte einfach nur inkompetente, geldgeile W*chser. Wer glaubt, dass ein Arzt primär das Patientenwohl im Sinne hat, glaubt wohl auch, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet.

      Mein Tipp: Besorge dir eine Rechtsschutzversicherung, bevor du dich auf irgendwas einlässt. Lasse dir alles schriftlich geben und mache dir Kopien.
      "The only thing necessary for the triumph of evil is for good men to do nothing"
    • Wenn Du schoin so tief in die Materie eingearbeitet hast, kannst Du doch selbst entscheiden, was DU für den richtigen Weg hälst. Dann suche Dir den passenden Arzt bzw. Klinik dazu. Und das ist oft schwieriger, als die erste Entscheidung... ;)

      Und gerade in der Medizin gilt: es gibt keine Garantie, es gibt IMMER X Prozent, bei denen es ganz anders läuft. Man weiss nur oft genug nicht, zu welcher Gruppe man gehört.

      Da musst Du durch, so ist das Leben... Und meist weiss man erst hinterher, was richtig gewesen wäre. Tja, ist so. Nicht nur bei dieser Frage.