Trauma auch bei Zirkumzision unter Vollnarkose?

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    • Trauma auch bei Zirkumzision unter Vollnarkose?

      Hallo liebes Forum,

      ich erhoffe mir mit dem Beitrag ein wenig Licht im Dunklen und freue mich über Eure Gedanken. Zu meiner Geschichte: Ich bin 27 (1993 geboren) und bin im Moment ein wenig auf Ursachensuche, was mit mir los ist. Mir geht es psychisch und körperlich momentan nicht gut. Ich habe soziale Phobien, Prüfungsangst, Angst zur Arbeit zu gehen, Angst vor Autoritäten, Konzentrations- und Merkschwierigkeiten, Gefühl von "Gehirnnebel" und neben mir selbst zu stehen, kleinste Aufgaben, wie Müll runter bringen, Nudeln kochen, aufstehen, mich duschen, auf Toilette gehen, fallen mir schwer. Ich habe andererseits seit ein paar Jahren auch sehr viel Stress: Uni, Arbeit und Pflege meiner Großeltern. Ich fühle mich nicht wirklich depressiv, denn ich liebe das Leben, aber es fehlt mir an Energie und merke immer wieder meine Panikattacken und Phobien im Alltag. Ich weiß nicht, ob ich auch Bindungsstörungen habe. Mir fällt es auf jeden Fall nicht schwer längerfristige Bindungen einzugehen. Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass es mir schwer fällt aus eigener Kraft auch aus Beziehungen raus zu gehen, die für mich toxisch sind. Vertrauen zu mir selbst ist aber definitiv gebrochen, würde ich sagen. Denke auch, dass ich hypersensibel bin...

      Nun versuche ich gerade ein wenig mein bisheriges Leben Revue passieren lassen,
      weil ich das Gefühl habe, dass irgendetwas in der (frühen) Kindheit gewesen sein muss.
      Das fällt vor allem deshalb schwer, weil ich eigentlich alles in Ordnung schien und ich im großen und ganzen eine schöne Kindheit hatte.
      Ich sage jedoch auch immer wieder dazu, dass als Kind die kleinsten Dingen auch eine Menge auswirken können,
      vielleicht gerade, weil ich mich so sensibel fühle und Dinge anders wahrnehme als manch andere? Ich weiß es nicht...

      Es sind zwei Sachen, die vielleicht im Zusammenhang stehen?

      Mit 2-3 (noch) Windel getragen. Mit 3 war ich trocken. Ab 5/6 habe ich manchmal nachts ins Bett gemacht. Das sogar manchmal noch bis zum 12 Lebensjahr. Meine Eltern sind damit eigentlich sehr kindgerecht umgegangen. Haben mir eigentlich nie das Gefühl gegeben daran selbst Schuld zu sein. Jedoch erinnere ich mich noch heute an eine Situation auf der Toilette: Mein Vater stand hinter mir und sagte so etwas wie: "So, du gehst jetzt auf Toilette, es kann doch nicht sein, dass man nicht auf Toilette muss.". Ich weiß, dass ich wirklich nicht auf Toilette konnte, ich konnte das nicht erzwingen, auch keine Tropfen oder ähnliches. Dafür hatte ich kein Gefühl. Der Kinderarzt empfahl dann mal so eine "Klingelhose", was ich damals als Kind schon als ziemlich bescheuert fand und nicht wirklich verstand, dass es klingelt, wenn ich bereits gepinkelt habe... was soll das bringen? Der Kinderarzt empfahl meinen Eltern auch, laut Aussage meiner Mutter, mich nachts zu wecken, damit ich auf Toilette gehe und nicht in die Hose mache. Das klappte aber nicht, laut Aussage meiner Mutter, weil ich so einen tiefen Schlaf hatte.

      Mit 5 wurde bei mir beim Kinderarzt eine Phimose diagnostiziert. An konservative Therapie o.ä. kann ich mich nicht erinnern. Mit 5 wurde ich dann in einer Kinderklinik unter Vollnakose operiert. Ich kann mich kaum erinnern, erinnere mich jedoch noch grob an das, für meine Kinderaugen, große Zimmer mit hoher Decke (Das muss vor der OP gewesen). An die Zeit nach der OP kann ich mich kaum erinnern. Ich habe nur klar in Erinnerung, dass mir meine Mutter mehrmals Apfelsaft mit einem Pulver zubereitete. Vermutlich ein Schmerzmittel oder Antibiotika in Pulverform. Es war sehr ekelhaft und ich habe den Geschmack wie Kotze in Erinnerung...
      Mein Vater berichtete mir, dass ich ihn nach der OP angemeckert hätte: "Du hast mich angelogen! Du hast gesagt, das tut nicht so weh!" Was vielleicht auf postoperativen Wundschmerz hindeuten kann? Ich kann mich ehrlich gesagt gar nicht mehr erinnern, ob es weh tat oder nicht bzw. wie sehr es wehtat. Ich weiß, dass ich quasi als Belohnung ein fernsteuerbares Legoauto geschenkt bekam.
      Wenn ich das so reflektiere, kann ich mich an meinen Penis vor der OP nicht wirklich erinnern, also ich kenne ihn quasi nur so - beschnitten.
      Meine Erinnerungen sind nur sehr vage - Verdrängung oder einfach dem Alter geschuldet?

      Sexuelle Einschränkungen habe ich bisher eigentlich nicht gespürt bzw. waren mir bisher nie bewusst, außer vielleicht die Fähigkeit den Orgasmus lange hinauszögern zu können...

      Also meine Frage wäre, kann ein Kind auch bei medizinisch korrekt durchgeführter Zirkumzision unter Vollnakose ein Trauma o.ä. erleiden?
      Ich bin mir da sehr unsicher, ich will auch nichts überinterpretieren bzw. überdramatisieren.
      Aber ich spüre ja, dass irgendetwas gewesen sein muss, was mich geprägt hat.

      Ich würde mich freuen über Eure Gedanken und Beiträge.

      Mit lieben Grüßen

      Julius
    • Ganz klar Ja.
      Bei Operationen wird/wurde oft ein Mittel gegeben das praktisch das Gedächtnis löscht.
      Ich hatte vor über 20 Jahren eine Darmspiegelung. Ich bin auf dem Untersuchungstisch eingeschlafen. Ich weiß das ich einmal kurz während der Untersuchung wach wurde. Dann bin ich in meinem Bett zu Hause wach geworden.
      Dazwischen ist ein kompletter Filmriss.
      Es kommt vor das Patienten bei Operationen wach werden. Sie können sich bloß nicht hinterher mehr erinnern. Das Kann auch dir passiert sein.
      Bettnässen kann auch bei Kindern auftreten wenn sie traumatisiert werden.
      Wenn du sagst du warst mit 3 Trocken und nach der Beschneidung trat dieses auf könnte das ein Hinweis sein.
      Wenn du ein Therapeuten hast sprich das durchaus mal an.
    • Hi sun,

      herzlich willkommen bei uns im Forum.
      Vorweg, es tut mir in der Seele weh, was man dir als Kleinkind, hoechstwahrscheinlich unnoetigerweise angetan - auf Lebzeit (Stand jetzt) genommen/angetan hat.
      Viele deiner beschriebenen Angste teile/teilte ich mit dir, dazu noch spontane Wutausbrueche, sowie Melancholie und Lethargie.
      Auch ich hatte in vielerlei Hinsicht eine schoene Kindheit, doch viel kurzfristige Erinnerungen haette ich, im Nachhinein dafuer eingetauscht...
      Wurde ebenso unter Narkose verstuemmelt im Alter von 11 Monaten - mein Vater meinte noch "Du hast, als die Narkose nachlies,geschrien wie am Spiess"...
      Mit 27 begann bei mir ebenso in Bezug auf dieses elende Thema der Aufwachprozess und somit das hinterfragen.
      Auch dank diesem Forum konnte ich viel lernen, habe einige Flyer und Briefe in meiner Umgebung hinterlassen, sowie einige Texte zu diesem Thema verfasst, um zumindest - hoffentlich, ein paar Eltern wach zu ruetteln.
      Schuetzt du deine Eichel mit Creme und Kinesiologietape z.B ? (was fuer ein erleichternder Unterschied)
      Dir und den Grosseltern Alles Gute
      # me 2 men
      Der Sinn des Lebens ? Fehler zu erkennen, sie der nächsten Generation zu ersparen !
    • Hallo sun347,
      willkommen hier im Forum.
      Ich werde mich aus Zeitmangel etwas kürzer als sonst fassen. Aber ja, du liegst absolut richtig mit deiner Vermutung. Ob dieser Eingriff unter Vollnarkose durchgeführt wurde, ist oft nebensächlich. Für die meisten Männer kommt das Trauma ja vor allem durch das "Erwachen" zustande. Viele beschnittene Männer lernen erst durch das Internet, was man ihnen mit der Beschneidung unter einem medizinischen Vorwand in der Kindheit grundlos geraubt hat. Dank dem Internet kann man sich heute viel medizinisches Fachwissen aneignen. Zudem ist entsprechendes "Filmmaterial" (du weißt, was ich meine) nur wenige Mausklicks entfernt. Dort kann man sehr leicht erkennen, das gewisse Dinge bei intakten Männern deutlich besser funktionieren und auch intensiver erlebt werden. Wie schädlich eine Beschneidung für die sexuelle Funktionstüchtigkeit ist, lässt sich heutzutage einfach nicht mehr so leicht leugnen wie noch vor 30 Jahren. Es gibt in der englischen Sprache ja den Ausspruch "ignorance is bliss". Gottseidank wachen aber auch gerade in den USA immer mehr junge Männer auf. Die jüngere Generation (Gen Z) lehnt den Eingriff dort mittlerweile mehrheitlich ab. Die Gen Y ist größtenteils indifferent und alles älter als Gen X befürwortet es noch.

      Ich kann mich in meinem Fall noch gut daran erinnern, dass es äußerst schmerzhaft die Tage nach der OP war. Das Trauma bzw. der Schock hat bei mir aber erst Jahre später nach meinen ersten sexuellen Erfahrungen mit intakten Männern eingeschlagen wie eine Bombe. Ich wusste allerdings vorher schon, dass da irgendwas äußerst komisches passiert war. Ich habe mir neulich mal wieder Bilder aus meiner Kindheit angeschaut. Man sieht wirklich am Gesichtsausdruck, welches Bild davor und welches danach aufgenommen wurde.

      Der psychische Zustand, den du beschreibst, kommt mir übrigens auch bekannt vor. Ich habe zeitlebens schwere Minderwertigkeitskomplexe und Depressionen in Verbindung mit einer schweren sozialen Angststörung. Welchen Anteil dabei die im Kindesalter grundlos durchgeführte Genitalverstümmelung hat, darüber kann ich nur spekulieren. Um das zu beurteilen, müsste ich mich selbst in einem Paralleluniversum beobachten, in dem ich noch intakt bin.
      "The only thing necessary for the triumph of evil is for good men to do nothing"
    • Servus sun347, auch von mir ein herzliches willkommen hier im Forum,

      Zu deiner Frage...ein klares ja...das ist ein Trauma...aber auch ein klares: Das ist sicher nicht DIE Ursache, für alle deine Probleme!!!

      Es hat sicher was mit dir gemacht...was...und was noch alles mit dir gemacht wurde...bzw. Lösungen für deine Probleme...kannst du nicht alleine finden...dafür braucht man Hilfe, einen guten Therapeuten...

      Und zu toxischen Beziehungen bzw. Toxischen Menschen...hab ich in letzter Zeit öfter gehört, und eine eigene Meinung...die einzige toxische Beziehung die es gibt...wenn ich nicht in Beziehung zu mir selbst bin...was will ich? Will ich Gestalter meines Lebens sein...oder bin ich Opfer der Umstände ? ;)
      Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden. Dinge wurden erschaffen, um benutzt zu werden. Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden. -Dalai Lama