Multikulturalismus und Assimilation

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    • Multikulturalismus und Assimilation

      Im Zusammenhang mit der von mir angezettelten Habermas-Diskussion bin ich auf diesen "recht"interessierten Artikel von Berthold Löffler gestoßen: Integration zwischen Multikulturalismus und Assimilation, in dem er im Abschnitt "Recht als Integrationsmotor" und mit Bezug auf Habermas die entsprechenden Grundgesetzartikel einander gegenüberstellt und diskutiert. Die habermasche Diskursebene bezeichnet er als "lichte Höhe der Abstraktion". Da stimme ich zu.
    • "Habermas und mit ihm die Vertreter des politischen Mainstreams in Parteien und Gesellschaft klammern sich deshalb an die Idee, dass universell gültige,kulturneutrale Grundrechte die Basis für das friedliche Zusammenleben in einer multikulturellen Gesellschaft abgeben können." (Zitat Berthold Löffler)

      Das scheint mir im Lichte des von Dir eingebrachten Habermas-Vortrags diskussionsbedürftig. Dort plädiert er ja gerade ohne Gedanken an die kulturneutralen Grundrechte die Berücksichtigung religiös bedingter Kulturelemente im öffentlichen Diskurs.
      (Die abstrakte Theorie habe ich auch an anderer Stelle als wenig hilfreich für die Praxis kritisiert. Habermas überlässt immer den anderen, seine hehren Gedanken umzusetzen. Für einen Kommunikationstheoretiker benutzt er eine wenig kommunikative Sprache.)
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Assimilation und Multikulturalismus schliessen sich doch nicht gegenseitig aus, sondern existieren gleichzeitig und neben- bzw. miteinander. Dass die Frage des Diskurses nicht bloss abstrakt, sondern ganz konkret verhandelt wird, zeigt die Diskussion und das Gesetzgebungsverfahren bezüglich Beschneidung.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Meiner Ansicht nach gibt es so etwas wie „Assimilation“ im Sinne einer einseitigen Anpassung gar nicht. Jeder, der sich stark anpasst in einer zunächst fremden Gemeinschaft, erzeugt dort eine intensive Bewegung, auch wenn das vielleicht nicht sofort sichtbar wird.

      So von außen betrachtet, ist mein Mann, im arabischen Raum in muslimischer Gesellschaft großgeworden, komplett „assimiliert“, beherrscht die Sprache perfekt, hat einen hochqualifizierten Job und es sich angetan, mit einer „Einheimischen“ eine Familie zu gründen. Gleichzeitig hat er mich und meine Familie grundlegend verändert. Außerdem hat er nie ein deutsches Arbeitsethos entwickelt, wir sind ohne Promille fröhlich und der Meinung, dass man auch ohne Alkohol erwachsen werden kann (womit wir unter anderen deutsch-deutschen Eltern schon auffallen), und auch an Gestik und Mimik, der ganzen Art zu sprechen merkt man sofort an, dass er nicht hier aufgewachsen ist.

      Menschen sind überall mehr oder weniger Gewohnheitstiere. Traditionen sind letztendlich nichts anderes als kollektive Gewohnheiten. Die sich, wenn man genügend große Zeiträume betrachtet, [i]immer [/i]verändern. Auf der individuellen Ebene kann so etwas sehr schnell gehen, so frei sind Menschen dann doch. Wobei man sicher nicht leugnen darf, dass zu solchen Übergängen Trauer und Verlustgefühle dazugehören.

      Bräuche und Traditionen kann man tatsächlich getrost beschneiden - nach einer gewissen Zeit wächst immer was nach!

      Der Zusammenhang zwischen Recht und Kultur, den der Autor so sorgfältig herausarbeitet, finde ich durchaus nachvollziehbar: Soziale Sicherungssysteme machen nur in einer Gesellschaft Sinn, die kulturell einen gewissen Fleiß und Selbstverwirklichungsdrang unter ihren Mitgliedern etabliert hat.
      Aber bin ich mir nicht sicher, ob es praktisch ist, eine Integration über Befolgung der Grundgesetze und die „Assimilation“ so gegenüber zu stellen. Denn die Befolgung der Grundgesetze erzeugt eine vom Herkunftsland veränderte Lebenspraxis und kann doch zur „Assimilation“ eine Menge beitragen.
    • susanna schrieb:

      Traditionen sind letztendlich nichts anderes als kollektive Gewohnheiten.

      @susanna: Hallo Susanna, willkommen. Ich würde deine sSatz sogar in dem Sinn erweitern "die den Menschen ein Zuhause geben und Sicherheit in der Fremde/Masse". (Von daher wachsen sie auch nach). Daher gilt es aber auch, sie zu verändern, sie anzupassen oder sich anpassen zu lassen an eine gegenüber früher veränderte Mit- und Umwelt. Ein Ring, ein Kettchen, ein Haarschnitt würden es auch tun (und wären damit sichtbarer als das Taufwasser im Christentum, das ruckzuck getrocknet ist - oder die Armbanduhr vom Patenonkel (früher beliebtes Geschenk zur Erskommunion, heute wahrscheinlich durch ein neues "Smartphone" ersetzt).

      In dem Zusammenhang mache ich nochmals auf den Artikel "Bräuche rechtfertigen keine Beschneidung' " auf der hpd-Seite aufmerksam, (schon mal früher von Guy benannt).
    • @Susanna

      Wer, der mit einem Partner aus einem anderen Kulturkreis verbandelt ist, könnte über diese Fragen besser Auskunft geben:)

      Bei dieser Diskussion darf man nicht vergessen, dass es auch deutsche " Parallelgesellschaften" in Deutschland gibt. Und manchmal fühle ich mich diesem Land ziemlich " fremd"...:(
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.