Beschnitten- eine komplexe Sache...

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    • Beschnitten- eine komplexe Sache...

      Diese Rubrik heißt „ Leidensgeschichten Beschnittener“. Na ja, das „ Leiden“ lasse ich mal weg. Das wäre übertrieben. Ich erzähle einfach meine Erfahrungen.



      Ich wurde mit knapp 3 Jahren beschnitten. Es geschah wohl aus medizinischer Notwendigkeit. Meine Erinnerungen sind sehr bruchstückhaft.
      Meine Beschneidung erfolgte durch die Plastibell-Methode. Ich erinnere mich an einen Plastibell-Ring, der sich einige Tage am meinem Penis befand und irgendwann abfiel. Ich erinnere mich auch daran, dass die Narbe sich wohl einige Zeit nach der OP noch mal entzündete und es diesbezüglich langwieriger entzündungshemmender Bäder bedurfte. Allerdings verbinde ich damit jetzt keine besonderen negativen Empfindungen, es ist eine Erinnerung aus früher Kindheit. Irgendwie war mir seitdem aber immer bewusst, dass mir am Penis ein Stück fehlte, das ich da anders war, als die anderen Jungen. Erstmals wurde das in der Schulzeit relevant. Es war mir vor und nach dem Sport- und Schwimmunterricht immer äußerst peinlich, mich vor den anderen Jungen auszuziehen. Ich fühlte mich verletzt, unvollständig , ja man kann es sicherlich als Minderwertigkeitskomplex bezeichnen. Die Angst vor Häme und Spott der anderen Jungen, und auch der Mädchen, war groß. Dazu kam es zwar tatsächlich nie, Häme
      und Spott brachte mir allerdings meine Angewohnheit ein, beim Umziehen immer die Hand vor meine Geschlechtsteile zu halten, damit ja niemand meinen beschnittenen Penis sieht. Ich galt als besonders verklemmt und schüchtern.
      Insgesamt hat die ganze Geschichte schon Hemmungen in mir verursacht, auch inmeiner sexuellen Entwicklung. Ich war ohnehin ein Junge mit eher schüchternem, zurückhaltendem Naturell und da waren die Hemmungen, die sich aus der Beschneidung ergaben, sicher eine zusätzliche Belastung.



      Erst im fortgeschritteneren Teenager-Alter, vielleicht so mit 16 , wurde ich ein wenig selbstbewusster. Was diesen Wandel hervorgerufen hat, kann ich gar nicht sagen, vielleicht war es die Lektüre diverser Aufklärungszeitschriften, aber ich erinnere mich daran, dass ich jedenfalls seitdem keine Hemmungen mehr hatte, mich vor anderen Leuten auszuziehen oder in Gemeinschaftsduschen zu duschen. Zu meiner Überraschung schenkte niemand meinem beschnittenen Penis besondere Beachtung, angesprochen darauf wurde ich nie.
      Vielleicht mal ein kurzer erstaunter Blick, wenn überhaupt, das wars. Mit etwa 30 fing ich an in die Sauna zu gehen, gelegentlich auch an den FKK-Badesee.
      Ganz ehrlich, es hat mich zu jener Zeit kaum mehr Überwindung gekostet, mich vor anderen Leuten nackt auszuziehen. Es ist für mich mittlerweile Normalität, und wie gesagt, mit Ausnahme seltener erstaunter Blicke, habe ich noch nie eine Reaktion von anderen auf meinen beschnittenen Penis bemerkt.





      Meine ersten sexuellen Erfahrungen mit Frauen kamen spät, ich war ein extremer Spätzünder Allerdings führe ich das nicht auf meine Beschneidung zurück, die Gründe dürften eher in meiner allgemeinen Zurückhaltung und Unsicherheit Frauen gegenüber zu finden sein. Und als es dann doch soweit war, waren die Reaktionen der Frauen dann doch immer sehr unspektakulär, fast desinteressiert. Dafür dass ich mir gerade hinsichtlich der Reaktion der Frauen doch immer einen wahnsinnigen Kopf gemacht habe, immer großes Herzklopfen hatte, wenn eine erfahren würde, dass ich beschnitten bin, waren ihre meist gleichgültigen Reaktionen fast schon ernüchternd.



      Und trotzdem, obwohl ich eigentlich von Dritten nie negative Erfahrungen gemacht habe, hat mich das Thema immer sehr beschäftigt. Ich habe ganze Abende Internetforen durchforstet um Meinungen, Reaktionen und Kommentare, von betroffenen Männern, wie auch Frauen nachzulesen. Ich kann mir das nur so erklären, dass es doch ein tiefsitzender Komplex ist, dass ich mich immer noch irgendwie verletzt und unvollständig fühle und auf diese Weise irgendwie nach Bestätigung (oder was auch immer , im Grunde weiß ich es selbst nicht, was eigentlich) suche.



      Das Thema beschäftigt mich also nach wie vor, auch wenn ich mich mit meiner Beschneidung irgendwie arrangiert habe . Meine Empfindungen heute sind sehr ambivalent. Optisch finde ich das Ergebnis gar nicht mal schlecht, aber den Empfindungsverlust, der mittlerweile eingetreten ist, bedaure ich. Bis zur Pubertät war meine Eichel noch teilweise von Resthaut bedeckt, erst seitdem liegt die Eichel völlig frei. Und daher erinnere ich mich auch noch, wie zart und empfindsam meine Eichel anfangs noch war. Davon ist so gut wie nichts geblieben, meine Eichel ist mittlerweile kaum empfindlicher als mein großer Zeh. Auch Masturbieren war immer mit Einschränkungen und Schwierigkeiten verbunden, erst vor wenigen Jahren habe ich eine „Technik“ ohne Gleitgel für mich herausgefunden. Aber mit Hilfsmitteln wie Babyöl, Cremes etc ist es immer noch wesentlich angenehmer. Für meine Partnerinnen war es immer ausgesprochen schwer und ermüdend , mich oral oder manuell zu befriedigen, oft musste es ohne Ergebnis abgebrochen werden, weil es einfach zu lange dauerte. Auf der anderen Seite spielt das Thema „beschnitten sein“ in meinen Kopfkino schon eine wichtige Rolle, die Vorstellung beschnitten zu sein, verschafft mir eine gewisse sexuelle Erregung. Vielleicht ist das eine unbewusste Verarbeitung meiner Erfahrungen und Empfindungen, es ist schwer in Worte zu fassen. So nach dem Motto „ mache zu Deinem Freund, was Du eh nicht ändern kannst“. Daher habe ich eigentlich nicht den Wunsch, meine Beschneidung rückgängig zu machen und eine Vorhautrestauration käme für mich nie in Frage. Es ist wirklich ein sehr zwiegespaltenes und ambivalentes Verhältnis, das ich zu meinem Beschnittensein entwickelt habe.
    • Danke, für Dein ausführliches Outing :)

      Ich habs ja woanders schon erwähnt, es gibt auch Frauen, die auf beschnittene Männer stehen. Wegen der Optik und der vermeintlich besseren Hygiene. Aber darüber werden sie sicher nicht in der ersten oder zweiten Nacht drüber reden. Damit will ich aber natürlich niemanden dazu aufrufen sich beschneiden zu lassen, der Preis ist es nicht Wert.
    • Hallo Picard,
      Vielen Dank für diesen Beitrag aus einer etwas anderen Sicht. Aus meiner Sicht ist es recht unwahrscheinlich, dass bei dir mit 3 Jahren eine medizinische Indikation vorlag. Mir scheint es, dass dies von Ärzten und/oder Eltern oftmals provoziert wird.

      Deine Angst aus der Schulzeit sich vor anderen Schülern zu zeigen kenne ich auch. Manchmal habe ich es regelrecht gehasst in die Schule gehen zu müssen. Auch ich habe mich deshalb mehr verschlossen als vielleicht sonst. Anders als du, sehe ich deshalb bei mir meine Beschneidung auch als Grund, dass ich bei meinen ersten Partnerinnen sehr unsicher war, da ich Angst hatte mich so vollkommen nackt zu zeigen und Frauen in hiesigen Gefilden auch nicht richtig umzugehen wissen und oftmals verschreckt sind. Es ist ja auch nicht so, dass alle Frauen Beschneidungs-Fetischistinnen sind. Aber ja, meist lief es unspektakulär ab und die Angst war rückblickend meist unberechtigt.

      Auch ich habe mich seit meiner Pubertät im Forum über das Thema Beschneidung informiert. Wie kann angenehmer masturbiert werden? Wie kommen andere Jungs damit zurecht? Was halten Mädchen/Frauen davon? Es gibt sehr viele Fragen für einen Jugendlichen. Aber auch das Wieso und das Warum dieser Verletzung, die nicht wirklich rückgängig gemacht werden kann! Aber erst im letzten Jahr habe ich mich nach 13 Jahren nach meiner Beschneidung wieder mehr damit beschäftigt. Ich hatte für kurze Zeit die Hoffnung, dass die deutsche Politik vielleicht doch moralisch handeln könnte. Leider wurde diese Hoffnung (noch) nicht erfüllt.

      Sehr interessant ist ja dein letzter Absatz.
      Mittlerweile (nach 13 Jahren) habe ich mich an den Anblick meines Penis gewöhnt, aber noch nicht abgefunden, auch wenn er meiner Ansicht nach nicht hässlich aussieht. Ich könnte mich sicherlich in ein paar Jahren mit der Optik zufrieden geben, wenn der Empfindungsverlust nicht derart heftig wäre und innerlich das Gefühl bestünde, dass ich nicht vollständig bin. Dein Vergleich der Empfindsamkeit mit dem großen Zeh finde ich gelungen, wenn ich daran denke, dass es manche eher mit ihrer Ferse vergleichen. ?( Mich würde sehr deine "Technik" interessieren, mit der du heute ohne Hilfsmittel masturbieren kannst.
      Für meine bisherigen Partnerinnen war es meist auch sehr anstrengend mich oral oder manuell zu befriedigen. Meine derzeitige Freundin kennt mich länger und besser und weiß mittlerweile auch wie sie mich besser auf Touren bringen kann. Sie meint, dass sie meinen Penis sehr erotisch findet, was ich bei ihr auch deutlich merke und sich auch auf mich beim Geschlechtsverkehr positiv auf mich überträgt. Auch wenn viele Nerven fehlen, aber wie bei dir, empfinde ich dann meine Beschnittensein ebenfalls auf eine gewisse Art erregend.
      Da ich mir aber große Gedanken darüber mache wie meine Sexualität in 10 oder 20 Jahren aussieht setze ich doch auf die Vorhautrestoration.

      Olaf