"Das verlorene Stück" (deutsch-israelischer Film 2006)

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    • "Das verlorene Stück" (deutsch-israelischer Film 2006)

      Ich fand jetzt einen sehr nachdenklich machenden israelisch-deutschen Dokumentarfilm von Oded Lotan aus dem Jahr 2006: "Das verlorene Stück". Die deutsche Erstausstrahlung war auf arte am 17.3.2007. Der Film wurde auf Filmfestivals in Israel, den USA und Kanada gezeigt.

      In der Form eines Märchens und mit einer gewissen Selbstironie wid erzählt, wie ein junger homosexueller Mann in der Hochzeitsnacht gewahr wird, dass sein Ehemann ein Stück an seinem Körper mehr hat. Der junge Mann geht fortan der Frage nach, warum ihm dieses Stück fehlt und begibt sich in Israel und in Deutschland auf die Suche nach dem verlorenen Stück. Er spricht mit vielen Menschen: mit seiner Mutter, mit Ärzten, Wissenschaftlern, Mohalim, Rabbinern, mit seinem Psychotherapeuten, mit seinen jüdischen Verwandten und mit jungen Eltern in Israel, mit solchen, die ihre Söhne unter Gewissensbissen beschneiden lassen, und mit solchen, die ihre Kinder intakt lassen. Er trifft in Israel auf eine junge Mutter, die nur aus dem einen Grund Jura studiert hat, um den Beschneidungsbrauch besser bekämpfen zu können. Er begegnet einem israelischen Soldaten, der aus Russland stammt und den er in die Klinik begleiten darf, wo dieser sich beschneiden lässt. In einer Kirche findet er ein Bild von der Beschneidung Jesu Christi und unterhält sich mit einem Pfarrer. Als Gast nimmt er an einem kurdischen Beschneidungsfest in Berlin teil. Am Ende findet er sein verlorenes Stück nicht wirklich wieder. Auf Wunsch einer Freundin wird er sogar selber Pate bei einer Brit Mila. Aber seine Frage bleibt bestehen ...
      Das verlorene Stück / Jüdische Beschneidungstraditionen - Dailymotion-Video
    • @Werner
      Ich habe mich ein bisschen in diese Diskussion im Marokko-Forum, die vom 13.9.2009 bis 19.09.2009 dauerte, eingelesen.
      Die Diskussion begann dort mit einer völligen Desinformation eines offenbar nicht-muslimischen adam09. Er schrieb, in dem Film hätten (muslimische) Mütter sich vehemt, sogar gegen den Widerstand ihrer Familien, gegen die Beschneidung ausgesprochen und sich dabei auf den Propheten Mohammed und auf Allah berufen.

      In Wirklichkeit sprechen sich in dem Film aber mehrere jüdische Mütter in Israel gegen die Beschneidung ihrer Söhne aus. Dieser "adam09" hat zwar den gleichen Film gesehen (lief auf Arte tatsächlich am 12.9.2009) Er entstellte den Film dann aber für seine Zwecke.

      In "Das verlorene Stück" äußern sich wohlgemerkt nur jüdische Mütter entsprechend, aber keine muslimischen. Die junge Israelin Maja wollte die Beschneidung ihres Sohnes eigentlich verhindern, konnte sich aber gegen ihren Mann nicht durchsetzen. Sie ließ ihr Baby dann wenigstens in einer Klinik von einem Arzt beschneiden. Hinterher sagt sie in dem Film (bei Minute 5:30):
      Wenn ich noch irgendwelche Gefühle dem Judentum gegenüber habe, dann deswegen, weil es eine relativ aufgeklärte Religion ist. Aber dieses Ritual ist der heidnischste und inhumanste Aspekt unserer Religion. Ich habe mich wie ein Kind gefühlt, das von anderen gezwungen wird Dinge zu machen, die es nicht machen will. ... Drei Tage habe ich nicht aufgehört zu weinen. Ich habe gefühlt, dass ich genau das mache, was ich am wenigsten will, und kann es nicht verhindern."
      Es gibt eine weitere Filmsequenz, wo junge israelische Mütter und Väter mit ihren Kindern beim Treffen einer Anti-Beschneidungsgruppe zusammen sitzen. Die erzählen von der großen Kraft, die es gekostet hat, sich gegen ihre Familien und ihren Freundeskreis durchzusetzen und ihre Söhne intakt zu lassen. (Min. 19:00-21:40 und 22:35-23:25)
    • Herzlichen Dank für den tollen Tipp, Benni!!

      Zum Thema Mütter wollen Beschneidung oftmals nicht fand ich auch diese Aussage einer US-amerikanischen Hebamme interessant. Den Blick auf die USA finde ich vor allem deshalb spannend, weil hier Beschneidung idR ohne religiöse Motivation stattfindet - damit wird der Blick auf psychologische Aspekte freigegeben. Inwieweit Religion, Tradition, Identität und gesellschaftlicher Druck eine Rolle spielen, dürfte von Fall zu Fall verschieden ausfallen.

      Hier also die Hebamme (wenn sie am Ende sagt, Jungen seien verletzlicher als Mädchen, kann man sicher geteilter Meinung sein; interessant finde ich hier den Erfahrungsbericht):

      Gloria Lemay - Will You Keep Your Son Intact? - YouTube

      Selbstverständlich gibt es auch Mütter, die die Beschneidung durchsetzen wollen, das darf man keinesfalls einseitig sehen.

      In jedem Fall ist es höchst eindrucksvoll, wenn sich Eltern unter derartigem gesellschaftlichem Druck dazu entscheiden, ihr Kind intakt zu lassen.

      Auch die Krankenschwester Tora Springer erzählt, dass jüdische Familien enormem Druck ausgesetzt seien, wenn sie eine solche Entscheidung treffen:

      Nurse for the Rights of the Child - YouTube