03.02.2016 in Jena: Beschneidung – Kopftuch – Kirchenasyl: Religion und Recht im Widerstreit

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    • 03.02.2016 in Jena: Beschneidung – Kopftuch – Kirchenasyl: Religion und Recht im Widerstreit

      idw-online.de schrieb:

      Theologen der Universität Jena veranstalten am 3. Februar den öffentlichen Studientag 2016 „Beschneidung – Kopftuch – Kirchenasyl: Religion und Recht im Widerstreit“, so lautet der Titel einer öffentlichen Podiumsdiskussion am Mittwoch (3. Februar) ab 18.15 Uhr im Hörsaal 3 am Jenaer Uni-Campus (Carl-Zeiß-Straße 3). Über dieses Thema diskutieren der Strafrechtler Prof. Dr. Dr. h. c. Heiner Alwart von der Universität Jena und Vertreter der drei betroffenen Religionsgemeinschaften: der christliche Theologe PD Dr. Alf Christophersen von der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg, die Rabbinerin Dr. Elisa Klapheck von der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt/M. und die islamische Theologin und Juristin Hamideh Mohagheghi von der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Dicke von der Universität Jena wird moderieren. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei.
    • Ohne sich gegen die jüdische Beschneidungspraxis aus-
      zusprechen, stellt Heiner Alwart in seinem Beitrag »Sacrifi-
      cium Intellectus. Wie sich die deutsche Rechtsphilosophie in
      der Debatte über die Knabenbeschneidung erneut auf einen
      Irrweg begibt« insbesondere die juristischen Befürworter der
      GesetzesnovellierungaufdenPrüfstand.InihrerArgumenta-
      tion erkennt Alwart eine weniger rechtsphilosophisch fun-
      dierte, als vielmehr rechtspolitisch intendierte Denkfigur,
      die nach wie vor in einer Dialektik des »durch Hitler inte-
      grierte[n] Kollektiv<s>« (Adorno) verfangen sei. Alwart weist
      die rechtspolitische Begründung, das Grundrecht auf kör-
      perliche Unversehrtheit müsse mit Blick auf die Knabenbe-
      schneidung wegen der besonderen historischen Verpflich-
      tungDeutschlandsgegenüberdenJudenindenHintergrund
      treten, als »verheerende Preisgabe der eigenständigen Tra-
      dition des Denkens« zurück. Stattdessen sei »das systemkri-
      tische Potenzial der Aufklärung in seiner Affinität zu Diffe-
      renz und Freiheit« in Anspruch zu nehmen, um zu einer »an
      sich selbstverständlichen Respektierung des Anderen und
      vielleicht Fremden zu gelangen«.

      Ich vermute jetzt mal, mit dem zu respektierende "Anderen und Fremden" meint er nicht die Vorhaut von Jungen.

      eva-leipzig.de/material/lesepr…3374037971_digital_LP.pdf
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Alwart, Heiner: Die Beschneidung, eine nur scheinbare Rechtsverletzung. Kritik einer nur exemplarischen Debatte, in: Neubacher/Kubink (Hrsg.), Kriminologie – Jugendkriminalrecht – Strafvollzug, Gedächtnisschrift für Michael Walter, Berlin 2014, S. 671–686

      Das Ergebnis der Debatte dürfte bereits feststehen, vielleicht wird man sich ein wenig über die Begründung kabbeln...
      :rolleyes:
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • "Wie sich die deutsche Rechtsphilosophie in der Debatte über die Knabenbeschneidung erneut auf einen Irrweg begibt"

      Damit kann ja eigentlich nur §1631d BGB gemeint sein. ;)

      Im Ziel dürften sich alle wohl mehr oder weniger einig sein: Das Kollektiv übertrumpft die Individualrechte, zumindest wenn man ein Junge ist. In der Diskussion wird es wohl mehr oder weniger um Nuancen gehen.
    • Auch schön:

      "Religiöse Bildung ist unverzichtbar für die Entwicklung einer eigenen Identität und zugleich liefert sie das Rüstzeug für die Fähigkeit zum Dialog"

      Schon erstaunlich mit welcher Selbstverständlichkeit nicht religiösen Menschen das Fehlen jegliche Grundlagen der Menschlichkeit unterstellt wird.
    • Wenn das bei mir ums Eck wär, und einer mitgehen würde...ich würd einen Stapel Bullshit-Bingo-Blätter mitnehmen, dort verteilen und mitspielen :D
      Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden. Dinge wurden erschaffen, um benutzt zu werden. Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden. -Dalai Lama
    • Aber wenns weiter weg ist, einen also keine alte Sau kennt, hätt es einen Vorteil...wenn "es gibt keine negativ von Beschneidung Betroffene" fiele, könnt man aufstehen und "Kuckuck, hier bin ich" rufen... :D Die Reaktionen...?
      Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden. Dinge wurden erschaffen, um benutzt zu werden. Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden. -Dalai Lama
    • Mich stört an dem "Beschneidungs-Bingo" der beleidigende Ausdruck "Religioten".

      Ausserdem fehlen ganz wichtige Bestandteile der Argumenten-Gebetsmühle:

      - Wenn man das verbietet machen die das nicht mehr im Wohnzimmer (z.B. mit 120 sich drängelnden "sterilen" Gästen wie bei Adriana Antaras) oder auf dem Küchentisch (AAP-Vorbeter Freedman), sondern im HINTERzimmer! Und Hinterzimmer sind gefährlich!

      - Haare schneiden und Lieblingsjeans waschen ist viel grausamer!

      - Ja, ganz selten gibt es mal schwere Komplikationen - aber man kann doch auch vom Bus überfahren werden!

      - Wenn der intakte Sohn beim Familien-FKK-Urlaub den vorhautlosen Vater das erste mal nackt sieht hat er ein traumatisches Schockerlebnis und glaubt ein Kuckuckskind zu sein - der eigene Vater ist ihm fortan FREMD!

      - Durch die resultierenden elterlichen Schuldgefühle kümmern sich die Eltern später um so liebevoller um den Sohn, unterm Strich profitiert der Sohn also. (Töchter müssen da leider leer ausgehen)

      - Kinder verletzen sich doch eh hunderte male während ihrer Kindheit, was spielt einmal mehr da für eine Rolle?

      - Das härtet ab! Die werden später bessere Soldaten, und das wird bei den zunehmenden Kriegen auf der Welt immer wichtiger!

      - Nelson Mandela war ein Xhosa, und die dürfen sonst nicht heiraten oder erben (unsere Regierung)

      - Die fühlen sich sonst hier sonst nicht willkommen!!! Und wir wollen doch wohl Willkommenskultur-Europa- nein -Weltmeister sein, oder sind sie etwa auch ein Nazi????

      - Früher, vor Millionen Jahren, da machte die Vorhaut einen Sinn. Aber wir laufen doch nicht mehr nackt herum und klettern auf Bäume!

      - Wasser und Seife sind so teuer geworden!

      - Alle genitalen Feuchtgebiete sind Brutstätten von nützlichen, symbiotischen Bakterien und müssen rrrradikal trockengelegt werden! (ausser bei Mädchen)

      - Die Amputation erogenen Gewebes von den Genitalien von Jungen ist ganz was anderes als die Amputation erogenen Gewebes von den Genitalien von Mädchen!
      Das darf man nicht vergleichen, weil man das nicht vergleichen darf.

      - Die Vorhaut-Amputation bei kleinen Jungen macht Tierversuche überflüssig! (danke an Mario für diese wichtige Ergänzung!)
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Mich stört an dem "Beschneidungs-Bingo" der beleidigende Ausdruck "Religioten".
      Warum?

      Das ist eine Facebookseite der GBS. Der Begriff stammt meines Wissens aus Schmidt-Salomon, Keine Macht den Doofen - ein lesenswertes Büchlein, wenn auch vielleicht in der Begriffswahl etwas sehr direkt.

      Aber warum auch nicht? Da fühlen sich z. B. - wie man immer mal wieder lesen kann - Leute durch Worte in ihren "religiösen Gefühlen" verletzt, dass man meinen könnte, man habe die reinsten Unschulds-Dotterchen vor sich - und haben kein Problem damit, zu fünft einen Jungen festzuhalten, damit ihm der sechste die Vorhaut bei vollem bewusstsein wegsäbeln kann.

      Man muss ja nicht unsachlich und beleidigend werden, aber man sollte solche Leute auch nicht mit übertrieben weichen Samthandschuhen anfassen.

      Die ergänzende Liste ist ziemlich interessant! Es fehlt noch das neueste Argument, dass man durch die Beschneidung kleiner Jungs Tierversuche unnötig machen kann. Ist doch toll, oder?
      „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)
    • Ich habe eine Mail an Frau Prof. Dr. Bracht und Herrn Prof. Dr. Wermke geschrieben.


      Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Bracht, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wermke,

      ich möchte nachfragen, ob die Podiumsdiskussion am Mittwoch (3. Februar) ab 18.15 Uhr im Hörsaal 3 am Jenaer Uni-Campus (Carl-Zeiß-Straße 3) später für die Öffentlichkeit per Video, bspw. auf youtube.com zugänglich sein wird.

      Die Genitalverstümmelung auch des männlichen Kindes ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mit § 1631d BGB wird "eine identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt" (§ 7 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) Verbrechen gegen die Menschlichkeit) Sie werden jetzt sicher nicht einwenden, der Sinn dieses Paragraphen sei nicht erfüllt, weil es keine offizielle Kriegserklärung gegen das Kind gibt.

      § 1631d BGB verletzt das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit (Art.2 Abs. 2 S. 1 GG) und das Persönlichkeitsrecht des Kindes (Art. 2 Abs. 1 mit Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Recht auf negative Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG). Er verletzt damit die höchsten Werte der menschenwürdebasierten Rechtsordnung bis hin sogar zur Menschenwürde. Die deutsche menschenwürdebasierte Rechtsordnung mit der Menschenwürde als höchstem Wert ist das Antiprinzip zur faschistischen Werteordnung. Die Festschreibung der Menschenwürde als höchstem Wert und die Verabsolutierung des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit gegenüber Freiheitsrechten sind die herausragenden Lehren aus dem Holocaust. § 1631d BGB negiert diese Werte auf beispiellose Weise.

      Den Charakter der Beschneidung erkennt Karl-Josef Pazzini, Gründungsmitglied des Jüdischen Salons im Grindel: "Halten wir zunächst fest: Die Beschneidung ist ein Akt der Gewalt." (S. 149) [...] Diese rituelle Praktik ist [...] nicht nur selber Gewaltanwendung... (S. 150) [...] Die zu Recht diskriminierte Gewalt hat möglicherweise bei der Beschneidung [...] "Gewalt schafft so ohne Zustimmung desjenigen, dem sie angetan wird ..." [...] Diese Gewalt ... [...] Das heißt nicht, dass die Beschneidung jeglicher Grausamkeit entbehre. S. 161 [...] Der Schmerz ist sympathetisch ... [...] ...der Schmerz [...] trifft [...] alle Beteiligten S. 161 [...] Die „Beschneidung“ in ihrer Gewaltförmigkeit ... S. 163"

      Karl-Josef Pazzini, Gründungsmitglied des Jüdischen Salons im Grindel, bescheinigt der Beschneidung also, ein Akt der grausamkeitsbehafteten Gewalt gegen das Kind zu sein. Aus dieser Diagnose zieht er nun allerdings nicht den menschenwürdekonform notwendigen Schluss, die Beschneidung sofort zu beenden. Ganz im Gegenteil. Er erkennt fehlerfrei die notwendigen Eigenschaften einer anderen Rechtsordnung, die geeignet ist, um den Akt der Beschneidung und das entsprechende Erlaubnisgesetz, § 1631d BGB, widerspruchsfrei aufzunehmen.

      Die Grund- und Menschenrechte als Individualrechte nach derzeitiger Lehre.

      Prof. Dr. Dr. h.c. Josef Isensee: "Die grundrechtliche Ordnung ist individualistisch angelegt. Ihr Fundament ist die Würde des Individuums als Person und als Träger ursprunghafter Freiheit."

      Prof. Dr. Karl Doehring, Allgemeine Staatslehre. Eine systematische Darstellung, S. 217: "Erst das Grundgesetz von 1949 gestaltete dann die Grundrechte als Individualrechte des Bürgers bzw. des Menschen in der Art aus, dass nun subjektive Rechte gegen den Staat anerkannt waren, die auch durch den Gesetzgeber nur in Grenzen eingeschränkt werden können, z. T. sich der Einschränkung völlig entziehen. Selbstverständlich sind auch diese Rechte nicht grenzenlos, sondern ihre Beschränkung ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Rechte anderer zu respektieren, ein Gebot, das vielfältig in der Verfassung zum Ausdruck kommt."

      Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Klaus Stern, Stern Becker Grundrecht-Kommentar 2016, Einl. Die Hauptprinzipien des Grundrechtssystems des Grundgesetzes Rn 4: "Diese individuell-personale Komponente der Grundrechte ist heute unbestritten. Sie garantiert den Status als Mensch und Person und definiert die Grundrechte weithin als Rechte des Individuums, als Rechte eines jeden Menschen. Sie ist seit 1945 durch die Charta der Vereinten Nationen der Idee nach auch universell, selbst wenn sie noch nicht weltweit verwirklicht ist; sie hat die nationale Rechtsebene verlassen und ist mittlerweile Bestandteil des internationalen Rechts geworden (unten Rdn. 197 ff.)."

      Nun der Wunsch von Karl-Josef Pazzini, Gründungsmitglied des Jüdischen Salons im Grindel:

      Karl-Josef Pazzini in Bildung und Gewalt: "Die alte Frage taucht wieder auf: Kann es ein Primat der Individualrechte geben, ohne Zerstörung von Gesellschaft?" (S. 151)

      Die menschenwürdebasierte Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem individualrechtlichen Grundrechteprinzip, das in Gegenreaktion auf den verbrecherischen Hitlerfaschismus entstand, ist für Karl-Josef Pazzini keine unaufgebbare, unantastbare Errungenschaft der Menschheit, weil für sie Millionen Juden ihr Leben auf furchtbarste Weise lassen mussten. Es ergibt sich für ihn eine alte, in offenbar aller Selbstverständlichkeit auftauchende Frage, diese menschenwürdebasierte Rechtsordnung zur Disposition zu stellen, um einer anderen Rechtsordnung Platz zu verschaffen, die keinen Widerspruch zu § 1631d BGB erzeugt.

      Auch hier wird deutlich wie klar Rolf Schwanitz den Unrechtsgehalt von § 1631d BGB erkannte, wenn er diesen als "gesetzliches Unrecht" bezeichnet hat. Die bei Prof. Dr. Hans Michael Heinig Empörung erzeugende Bezugnahme auf die Formel vom "gesetzlichen Unrecht" die "bekanntlich Gustav Radbruch prominent gemacht [hat], der damit die nationalsozialistische Rechtsperversion brandmarken wollte" möchte ich hier ausdrücklich unterstützen.

      § 1631d BGB negiert die Lehren aus dem Holocaust. Er ist das Antiprinzip zum Antiprinzip.

      Soweit ich sehe, hat die Podiumsdiskussion den Zweck, den Bestand von § 1631d BGB abzusichern. Wenn Sie also schon daran arbeiten, die Verfassung zu unterminieren, sollten Sie Ihre Argumentationen dazu wenigstens noch der Öffentlichkeit zugänglich machen. Dies für den Zweck des historischen Nachweises, wer erneut damit begonnen hat, die Körperverletzung an anderen aus rein weltanschaulichen Gründen zum gewollten Prinzip zu erheben.

      Mit freundlichen Grüßen
      Steffen Wasmund