Beschneidungsmaschinerie im West-Berlin der 70er Jahre, beschnitten mit 3 Jahren ohne echte Indikation

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    • Beschneidungsmaschinerie im West-Berlin der 70er Jahre, beschnitten mit 3 Jahren ohne echte Indikation

      Wann war meine "Beschneidung"?

      Mit drei Jahren unmittelbar nach Diagnose durch den Kinderarzt, Vorhaut ging angeblich nicht vollständig und leicht genug zurück, Diagnose "überlange Vorhaut" und "wiederkehrende Phimose". Überweisung an die Chirurgie eines Krankenhauses zur ambulanten Operation "radikale Circumcision/komplette Beschneidung" mit der Plastibelltechnik, OP schon knapp drei Wochen nach Diagnose. Meine Meinung und Einstellung dazu war komplett gleichgültig, "es mußte sein", also wurde es gemacht. Es ging komplett über meinen Kopf hinweg, es wurde entschieden, auch gleich schon der OP-Termin durch den Kinderarzt, der diesen gleich nach Indikation und Therapieanweisung als "Service" mit dem Krankenhaus vereinbarte. Da kam ich nicht mehr raus. Was genau gemacht werden sollte, war mir auch nicht klar, etwas an der vorderen Haut an der Spitze, aber nichts Großes, nur ein kleiner Eingriff, was immer das zu bedeuten hatte. Was Beschneidung wirklich bedeutete (also in meinem Fall die komplette Entfernung der Vorhaut) und was man wirklich mit meinem Penis machen würde, habe ich nicht im geringsten geahnt. Es hätte aber nichts genutzt, wie hätte ich mich wehren können? Es war alles ausgemacht und geplant worden.

      Wie habe ich die "Beschneidung" erlebt?

      Komplette Überrumpelung, da alles sehr schnell ging von der Diagnose bis zur Voruntersuchung und zum Operationstermin. Ungeheure Machtdemonstration der riesigen Maschinerie Krankenhaus und Ärzte, gegen die ein kleiner Junge komplett machtlos ist. Er kann sich nur noch fügen und eben alles geschehen lassen. Fließbandabfertigung bei Voruntersuchung und Beschneidung selbst, alles mußte sehr schnell gehen, Voruntersuchung, am OP-Tag, Vorbereitung, Narkose, Aufwachen, Entlassung. Ich habe nur meinen Körper hingegeben, damit das Personal etwas mit ihm machen konnte. Was genau, das war mir erst hinter der Operation klar, als ich meinen Penis zum ersten Mal danach sah. Ich hatte ihn zuerst nicht wiedererkannt, so groß war der Unterschied vor und nach der Beschneidung.

      Gab es Probleme? Z.B. bei der Heilung?

      Plastibellring nach der Operation sehr schmerzhaft über Stunden, erträglich über Tage, bis zum Abfallen des Ringes scheinbar endlose Zeit (6 Tage mit Ring auf der Eichel), sehr lange Wundheilung der Narben und der wunden Haut der Eichel, des kleinen Vorhautrestes und der Beschneidungsnarbe rundherum nach der Beschneidung. Der Plastibellring mit seinem Kunststoff brannte wie Feuer auf der wunden Eichel. Das Wasserlassen brannte anfangs wie Tausende von Nadeln in der Harnröhre, wurde von Tag zu Tag besser. Gewöhnung an die freiliegende Eichel sehr langwierig über Monate. Bestimmte Unterwäsche war weniger unangenehm als andere. Das vollständig entfernte Frenulum war das geringste Problem, die Wunde wurde ja mit einem Elektrokauter geschlossen, das Frenulum also"verödet", weswegen die Narbenlinie, die ja unter der Plastibell lag, schon geschlossen war.

      Wie wurde ich versorgt?

      Ambulante Nachversorgung, Kontrollen immer wieder durch den Kinderarzt. Soweit in Ordnung, aber sehr peinlich, den frisch beschnittenen Penis ständig herzeigen zu müssen, v.a. wenn auch an der Resthaut gezogen wurde zur Untersuchung, ob genug entfernt wurde.

      Wurde ich mit Schmerzen o.ä. ernstgenommen?

      Schmerzen sind normal bei dieser Operation, diese gehen vorbei, wurde wiederholt gesagt.

      Welche Folgen hat meine "Beschneidung" bis jetzt?

      Ein Leben ohne Vorhaut mit allen Vor- und Nachteilen wie aus der bekannten Literatur ersichtlich, siehe dort. In Europa Außenseitertum als beschnittener Junge und Mann, Hänseleien in der Schule etc. In den USA genau andersrum.

      In der Pubertät dann die Erkenntnis, daß das "Bedienen" meines beschnittenen Penis ohne "Hilfsmittel" wie Gleitsubstanzen etc. nur sehr schwer möglich ist. Nicht unmöglich, aber den Preis dafür zahlte ich sehr schnell mit Wundsein der entsprechenden Hautregionen. Meine Partnerinnen gingen dann sehr schnell zu anderen Techniken über, weil ihnen das "Bedienen" ebenfalls zu mühsam war.

      Wogegen ich mich aber ganz klar ausspreche, das sind medizinisch nicht klar indizierte und vorschnelle medizinische Beschneidungen oder wenn Beschneidungen als willkommenes Heilmittel für alles mögliche herhalten sollen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß dieses vor allem bei kleinen Jungen aufgefahren wird (Thema Abhängigkeit und Wehrlosigkeit!), ab einem gewissen Alter wird es von den Ärzten und Eltern wohl schwerer durchzusetzen sein!

      Noch etwas. In meiner Umgebung tauchten damals mehr und mehr beschnittene Jungen auf, die teilweise bei dem gleichen Kinderarzt waren, teilweise auch in dem gleichen Krankenhaus operiert worden sind. Interessant ist, daß dieses mit dem Alter von 3 Jahren begonnen hat. Ich erinnere mich, daß das so formuliert wurde, daß "Phimosen" erst nach 3 Jahren Lebensalter operiert werden sollten. Es erschien so, als sei das Alter 3 Jahre der Startschuß gewesen für die Durchführung der Beschneidungen. Ich z.B. war gerade exakt 3 Jahre geworden, das war die erste Untersuchung nach meinem Geburtstag, wo dieses gleich "umgesetzt" wurde. Vorher wurde bei den Untersuchungen zwar auch immer schon geschaut, aber keine OP angewiesen. Ich denke schon, daß da ein System dahinterstand.

      Gruß Philipp.



      Mit 3 Jahren radikal beschnitten (low & tight, Frenulum entfernt).
    • Ganz herzlichen Dank, Philmos, für diese sehr ausführliche Schilderung. :thumbup:
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Dank und Mitgefühl

      Dir Genosse, ja die 70er waren schulmedizinisch richtig übel, habe das ähnlich, nur über Jahre hinweg erlebt. Das Frenulum blieb mir erstaunlicherweise erhalten - keine Ahnung, ob das Zufall war - wahrscheinlich schon - wer hat sich damals schon um sowas gekümmert? Ich kann alles sehr gut nachvollziehen und danke Dir für Deinen Bericht.
    • Es scheint tatsächlich so zu sein, dass die 70er (bei mir wars 1979) in dieser Hinsicht recht "ertragreich" waren.
      Damals gabs einfache Regeln (die Vorhaut musste zu einem bestimmten, jedoch völlig willkürlich gewählten Zeitpunkt zurückziehbar sein) mit scheinbar einfachen Konsequenzen.
      Das ist zum Glück besser geworden, wenn auch noch viel Mist in den Köpfen der Menschen rumschwirrt.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Der von Ava genannte Spiegel-Artikel ist echt interessant.

      Die statistischen Erhebungen, so rügen Kritiker jetzt, seien zumindest fehlerhaft gewesen: Die Zahl der indischen Karzinompatienten hätte in Beziehung gesetzt werden müssen zur Bevölkerungsstatistik. Wenn in einem Beobachtungsgebiet nur einige Dutzend beschnittene Juden leben, aber Millionen unbeschnittener Hindus, dann kämen dem Arzt notwendigerweise mehr kranke Hindus zu Gesicht.

      Ein medizinischer Grund für die chirurgische Verkürzung der Vorhaut ist allein deren krankhafte Verengung, die "Phimose". Während der ersten Lebensjahre läßt sich freilich bei kaum einem Knaben die Vorhaut vollständig zurückstreifen -- für viele Ärzte Anlaß, die Natur sofort zu korrigieren. Das ist voreilig: Echte Phimosen, die behandelt werden müssen, weil die Harnröhrenöffnung sonst blockiert bleibt, sind extrem selten.
    • Ava schrieb:

      Eure Eltern hätten besser mal den Spiegel gelesen:
      DER SPIEGEL 25/1978 -
      Schwapp - Ab!


      Sie haben sogar den Spiegel gelesen in meinem Fall, jedoch da war meine Beschneidung da schon drei Jahre her. Sie waren also auch da der Zeit voraus ;)

      Der Spiegel-Artikel beschreibt aber so ziemlich genau, wer in Deutschland beschneiden ließ, und zwar die Oberschicht mit einer kosmopolitischen Ausrichtung, was in meinem Fall genau zutrifft. Meine Vorhaut hatte also keine Chance zu überleben, Artikel hin oder her. Man blickte damals anders als heute in die USA, die US-Ärzte taten es ja auch, USA stand im medizinischen Bereich und sonst auch für Fortschritt in jeglicher Beziehung.

      Außerdem war West-Berlin in diesen Jahrzehnten unter den Alliierten. Meine Gegenden waren amerikanischer bzw. britischer Sektor, deswegen bekam ich auch eine typische US-Beschneidung, wie es scheint. Im Ausland werde ich dann auch oft für einen Amerikaner gehalten, Sauna, FKK, Sport etc.

      Ich habe eben einen typischen US-Penis... In den USA bin ich absolut die Norm.
    • Meine Eltern waren ´78 für längere Zeit im Iran- zum Glück für meinen Bruder haben sie sich diesbezüglich nicht inspirieren lassen ;)

      Es gab immer solche medizinischen Modewellen: Als meine Mutter Kind war, wurden allen Kindern die Tonsillen entfernt- sie mußte selbst die Nierenschale halten bei der OP.
      Dann kam die Phase als Medikamente en vogue wurden und tausende Kinder wurden dank Contergan behindert geboren.
      In meiner Kindheit hatte man schon in der Grundschule eine Zahnspange (Selbst als ich studierte, stand noch im Lehrbuch, daß nur ca 10% orthognath= mit richtiger Zahnstellung seien. Ein Witz!).
      Heute haben Kinder ADHS und brauchen Ritalin.
    • Die Modewelle, Beschneidungen

      Nur die "Modewelle" der Beschneidung hält schon sehr lange an, in Deutschland seit den 60er Jahren, mit Schwerpunkten in den 70er und 80er Jahren. Bei vielen meiner damaligen Klassenkameraden wurde die Zirkumzision bei anderen Operationen gleich "mitgemacht", wobei meine Klassenkameraden nur wußten, daß sie wegen Mandeln, Leisten oder was auch immer ins Krankenhaus kamen und danach eben meinten, daß sie auch am Penis operiert worden sind, weil das wohl besser sei. Sie wußten es also vorher nicht.

      Die Schulärzte damals verkörperten auch diese Einstellung, indem sie wohlwollend registrierten, bei wem es schon gemacht wurde, das Thema also erledigt sei, bei wem noch nicht.
    • Philmos schrieb:

      Die Schulärzte damals verkörperten auch diese Einstellung, indem sie wohlwollend registrierten, bei wem es schon gemacht wurde, das Thema also erledigt sei, bei wem noch nicht.
      Auch daran kann ich mich noch gut erinnern. Die Schulärztin sagte unaufgefordert und mir äußerst peinlich immer, wie gut und gesund es doch für die Jungs sei, da sie es mit der Genitalhygiene meist ohnehin nicht so genau nehmen. Wie habe ich doch diese Zwangsuntersuchungen gehasst!
    • Da sprichst Du mir aus der Seele...ich habe es auch so gehasst.
      Es kam mir damals so vor, als würden sich die Ärzte in erster Linie nur für meinen Penis interessieren, der für mein Gefühl völlig normal war - ich verstand ja gar nicht, warum da was zurückschiebbar sein sollte. Ich hatte ja auch keine Ahnung, wie es unter einer Vorhaut aussah.
      Aber immer wurde mir verdeutlicht, dass sei so "nicht in Ordnung" und müsse "dringend gemacht" werden.
      Die Untersuchungen fanden z.T. in der Schule vor den Augen der Lehrerin statt.
      Es gab keine Kinderarztuntersuchung ohne (schmerzhaften!) Phimosecheck.

      Es ist wichtig, dass wir dies aussprechen und thematisieren.
      Die Perspektive, wie Jungen diese Intimuntersuchungen erleben, ist etwas, womit sich selbst kritische Kinderärzte bis heute kaum beschäftigt haben. Es ist da genauso wie mit dem Ergebnis der VA: woher soll das Feedback denn kommen??? Die Jungen sind machtlos den Autoritäten ausgesetzt - und später im Erwachsenenalter fragt sie niemand mehr bzw. es ist einfach verdrängt worden.

      Wir finden langsam die Sprache für das, was wir erlebt haben. Und wir teilen uns mit. Schließlich ist es mit UNS geschehen! Also fordern wir, gehört zu werden, denn es war und ist UNSER Körper, über den andere bestimmen zu dürfen glaubten.
    • Ich kann mich noch daran erinnern, dass im Kindergarten überhaupt nicht auf die Trennung der Geschlechter geachtet wurde. Als ich mich damals daraufhin weigerte mich untersuchen zu lassen, wurde kurzerhand meine Mutter telefonisch herbeizitiert. Das war dann natürlich noch um einiges peinlicher, da es von den anderen als "feige" angesehen wurde nicht dort mitzumachen.

      Schuluntersuchungen gab es auch. Mit einem verschmitzten Lächeln meinte unser Biologie Lehrer der uns damals darauf vorbereitete, dass die Mädels ihre Unterhosen anbehalten dürfen, während es bei den Jungs wohl eher nicht so sei. Diese Redensweise sorgte dann für allgemeines Amüsement.

      Die Musterung fand ich besonders schlimm: Ausziehen per Verwaltungsakt und dann das Fassen in den Schritt, was als EKG ("Eierkontrollgriff"), oder auch "Geiergriff" lustig abgetan werden sollte.

      Der Sinn dieser Untersuchungen hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Wichtiger schienen sie dennoch, im Gegensatz zu solchen elementaren Dingen wie beispielsweise einem großen Blutbild zu sein.

      Was ich allerdings nicht weiß ist, wie sich die heutige Situation für die davon heute unmittelbar Betroffenen darstellt, sprich: ob es immer noch so "Phimose-fixiert" ist, weil ich befürchte die Antwort lautet eher ja.
    • Philmos schrieb:

      Die Modewelle, Beschneidungen

      Nur die "Modewelle" der Beschneidung hält schon sehr lange an, in Deutschland seit den 60er Jahren, mit Schwerpunkten in den 70er und 80er Jahren. Bei vielen meiner damaligen Klassenkameraden wurde die Zirkumzision bei anderen Operationen gleich "mitgemacht", wobei meine Klassenkameraden nur wußten, daß sie wegen Mandeln, Leisten oder was auch immer ins Krankenhaus kamen und danach eben meinten, daß sie auch am Penis operiert worden sind, weil das wohl besser sei. Sie wußten es also vorher nicht.

      Die Schulärzte damals verkörperten auch diese Einstellung, indem sie wohlwollend registrierten, bei wem es schon gemacht wurde, das Thema also erledigt sei, bei wem noch nicht.
      Die Aussage kann ich nur bestätigen. Der "Beschneidungswahn" setzte wohl schon in den 60er Jahren ein.
      Ich kenne mehrere Fälle von sog. "Rundum-Operationen".
      So musste mein Cousin als Kleinkind an einem Leistenbruch operiert werden. Der Chirurg nahm offensichtlich den Leistenbruch zum Anlass, ihm zugleich die Vorhaut komplett zu entfernen.
      Einem Schulfreund wurde bei der Korrektur eines Hodenhochstandes die Vorhaut beschnitten.

      Meine ersten Zweifel an dem Sinn und der Notwendigkeit der vollzogenen Operation kamen beim Konfirmandenunterricht auf. Unser Pastor war glücklicher Vater von 6 Buben. Als im Unterricht das Thema Beschneidung angesprochen wurde, äußerte er sich sehr kritisch und sagte: " Wenn es nach dem Willen einiger Ärzte an unserem Städtischen Krankenhaus ginge, würden wohl allen Buben nach der Geburt die Vorhaut entfernt oder würde man eine Reihenbeschneidung einführen " Offensichtlich gab es in seiner eigenen Familie entsprechende Vorfälle.

      Das Geschäft mit der Vorhaut war zu der Zeit recht lukrativ. Die Verweildauer im Rahmen der OP. belief sich damals auf knapp eine Woche ! Ich wurde als Kleinkind an einem Montagnachmittag eingeliefert, am Dienstag operiert und am Samstag wieder entlassen. Ähnlich erging es anderen.
      Heute werden Zirkumzisionen ambulant vorgenommen.

      Auffällig war auch der Beschneidungsstil, der sehr unterschiedlich geprägt war. Während das hiesige städtische Spital nur radikale Zirkumzisionen vornahm; war die Chirurgie des Spitals der katholischen Kirche bemüht, Vorhautverengungen durch eine Spaltung des Schnürringes zu beheben.
      Bei diesem Verfahren bleibt die Vorhaut erhalten, die unangenehmen Folgen der Zirkumzision bleiben dem Patienten erspart und der krasse, optische Unterschied stellt sich nicht ein.

      Auch die Schulärzte waren ein Thema für sich. In der 4. Klasse - kurz vor dem Ende unserer Grundschulzeit - fand diese Untersuchung bei uns statt. Wir mussten uns bis auf die Unterhose ausziehen. Die zuständige Ärztin nahm dann entsprechende Untersuchungen vor. ( Rachenmandeln, Plattfüße etc. ) Dann wurde den Buben - in Gegenwart der Klassenlehrerin - (ledig und kinderlos ) die Unterhose heruntergezogen. Als ich an der Reihe war, warf die Ärztin einen Blick auf meinen Penis, klappte die restliche, bei mir immer noch recht verdickte und rot schimmernde Vorhaut am Eichelkranz zurück und sagte nur "Saubere Arbeit". Ich spürte, wie mir die Röte in den Kopf schoss; ganz abgesehen von jenem unangenehmen Gefühl des Zurückziehens des Vorhautrestes. Das alles geschah in unmittelbarer Nähe der hinter mir in "Reih' und Glied" wartenden Schulkameraden und einer betagten, kinderlosen Grundschullehrerin.

    • Peniskontrolle in der Schule? Ich bin geschockt, was es alles gab (oder noch gibt?).
      Da hatte ich keine Ahnung von, das gab es bei mir weder in der Grundschule noch am Gymnasium. In welchem Bundesland war das denn?
      (Ich erinnere mich nur mit Grauen an den "Schulzahnarzt" mit dem fürchterlichen Mundgeruch, und daran, dass wir zu "Röntgen-Reihenuntersuchungen" geschleift wurden - verbrecherisch. Ich habe mich gedrückt, und wurde vom Lehrer vor der Klasse zur Gesundheits-Sau gemacht.)
      Wer weiß, vielleicht wäre ich sonst auch "dran" gewesen? Vielleicht hätte dem Doc mein Schniedel nicht gefallen?
      In meiner ganzen Schulzeit musste man sich NIE ausziehen. So ab der Oberstufe haben wir nach dem Sport (der ja dann schweißtreibender wurde) geduscht - aber das war freiwillig. Schwimmen war Wahlfach.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • I welchem Bundesland?

      In meinem Fall war es Bremen.
      In der ersten und dann nochmal in der vierten Klasse wurde uns vor den Augen der Lehrerin die Unterhose heruntergezogen und der Vorhautcheck absolviert.
      Nach Beendigung der Grundschule war in meiner Klasse eine Quote von 33% erreicht worden - fünf von fünfzehn Jungen waren vorhautamputiert worden, und zwar alle aus medizinischen Gründen.
      Mir ist kein einziger Fall bekannt, wo man es mit Dehnen wenigstens versucht hat.
    • Ich hab mal einen ganz interessanten Bericht gelesen über die gepflogenheiten vor einiger zeit in NY bezüglich der Entfernung von Rachenmandeln kurz vor der Einschulung. Bei etwas weniger als der Hälfte der Kinder wurden die Mandeln bereits entfernt und bei denen mit vorhandenen Mandeln hat man etwa 40% identifiziert, die man daraufhin behandelte. Bis hier alles ok. Jetzt hat man die verliebenen 60% einem anderen arzt vorgestellt, bei dem das ergebnis in etwa gleiche war. Und dann hat man das nochmal gemacht, wieder mit ähnlichem ergebnis...am ende des berichts über etwa 1000 jugendliche...von ~500 kindern 40%, dann wieder 40%, dann nochmal 40%.... bleiben dann noch 30-40 mit gesunden mandeln übrig... ich schau mal ob ich das nochmal wiederfinde...
      meiner vermutung nach steht entweder dahinter der gedanke, daß jeder arzt im kopf hat, daß etwa 40% aller kinder einer behandlung bedürfen (so in etwa wie es ja auch im schnitt bei jeder klassenarbeit 2 fünfen geben muss... da wird die gaußsche normalverteilung so gebogen, daß die 2 schlechtesten immer noch mit ner 5 rausgehen auch wenn ihre leistungen überdurchschnittlich gut sind, btw: ist genau das gleiche im öD bei der Mitarbeiterbewertung, wenn einer eine vom durchschnitt nach oben abweichende bewertung bekommt, dann bekommt ein anderer eine abwertung). oder die interessen sind einfach prekuniär... und 40% ist nicht zu auffällig.
    • Ich trau mich kaum es zu schreiben, aber als ich Ende der 70er als Kleinkind operiert wurde (in Vollnarkose) ist drumherum viel bescheiden gelaufen, aber eine Zirkumzision stand anscheinend nie zur Debatte (ich finde auch in meinem U-Heft keinen Hinweis, daß die Vorhaut überhaupt eigens untersucht worden wäre). Auch während meiner Grundschulzeit in den mittleren 80ern war das kein Thema. Auch kann ich mich an keine einzige Untersuchung wie oben beschrieben erinnern. Ob das nun am Bundesland (NRW) oder an meinem spezifischen Milieu (katholische Mittelschicht) lag, vermag ich kaum zu beurteilen.

      Was mich schockiert ist, daß ich eine solche "Untersuchung" bei einem meiner Kinder (katholische Grundschule) heute eigentlich direkt dem Missbrauchsbeauftragten unseres Bistums melden müsste - so wie ich die Richtlinien verstanden habe, wären die Verantwortlichen in Erklärungsnot...
      Gruß
      Hickhack
    • Die Untersuchungen variieren tatsächlich von Bundesland zu Bundesland.

      Schade dass sich Philmos nicht mehr gemeldet hat.


      Der Spiegel-Artikel beschreibt aber so ziemlich genau, wer in
      Deutschland beschneiden ließ, und zwar die Oberschicht mit einer
      kosmopolitischen Ausrichtung, was in meinem Fall genau zutrifft. Meine
      Vorhaut hatte also keine Chance zu überleben, Artikel hin oder her.
      Genau das ist es was mich am SPIEGEL-Artikel am meisten fragwürdig vorkommt. Woher will der Autor wissen, dass es ausgerechnet die "Oberschicht mit einer kosmopolitischen Ausrichtung" sei, die besonders eifrig ihre Söhne beschneiden lies?

      Ich meine statistische Erhebungen zur Beschneidung sind selbst heute noch rar und ferner ungenau.


      Man blickte damals anders als heute in die USA, die US-Ärzte taten es ja auch, USA stand im medizinischen Bereich und sonst auch für Fortschritt in jeglicher Beziehung.
      Ja, das ist korrekt. Ich denke der Einfluss der USA und der deutsche Blick auf die USA einen sicher nicht zu unterschätzenden Faktor für die bundesdeutsche und damit deutsch
      sprachige Beschneidungspraktik. In den 1950ern und 1960ern propagierten einige deutsche Ärzte - mehr als im Artikel angesprochen- für die Beschneidung und beriefen sich damit ausdrücklich auf die US-Praxis.