Schmerzens­geld­anspruch bei "Beschneidung"

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    • Endlich hat eine Vorhaut einen Preis...
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • "Der Schmerzensgeldanspruch ergebe sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts aus § 1664 BGB. Zwar werde durch diese Vorschrift nur der Haftungsmaßstab für die elterliche Haftung bei der Schädigung des Kindes geregelt. Die Vorschrift enthalte aber auch eine selbstständige Anspruchsgrundlage des Kindes gegenüber seinen Eltern, wenn diese bei Ausübung der elterlichen Sorge eine Pflicht verletzen."
      Das ist für mich der schönste Passus aus diesem Bericht. Ein Kind hat also einen selbständigen Anspruch daraus, wenn die Eltern die elterliche Sorge pflichtwidrig verletzen. Falls ich hier nicht ganz daneben liege, bedeutet dies dann wohl, dass Eltern nach § 1631d BGB zwar einer Beschneidung einwilligen dürfen und sie sich somit nicht strafbar machen, aber dennoch postwendend von den eigenen Kinder auf 12.000 EUR Schmerzensgeld verklagt werden könnten.

      Das wäre doch schon mal ein Fortschritt, wenn die Zwangsbeschneidungskosten neben der Arztrechnung (oder Rechnung für nebenberuflichen Zwangsbeschneider) und der Beschneidungsfeier plötzlich so in die Höhe schnellen würden. Ich könnte mir dann sogar vorstellen, dass die religöse Bedeutung der Zwangsbeschneidungen hier plötzlich vor monetären Interessen völlig verdrängt werden würde ;-)

      Und hier mal der § 1664 BGB:
      § 1664 Beschränkte Haftung der Eltern
      (1) Die Eltern haben bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.
      (2) Sind für einen Schaden beide Eltern verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

      Wenn also der Vater beschnitten ist und die Mutter sich in "eigenen Angelegenheiten" gegen eine Beschneidung (FGM) entschieden hat, haftet die Mutter im Zweifel alleine. Da kommt richtig Stimmung in die Familien ;-)
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Guy schrieb:

      Endlich hat eine Vorhaut einen Preis...


      Schadensersatz ist etwas anderes als ein Preis. In diesem Fall ist ein Ersatz des Schadens gar nicht möglich.
      Demoliert jemand dein Auto kannst du dir vom Schadensersatz optimalerweise ein neues bzw. gleichwertiges kaufen. Eine neue Vorhaut kann man nicht kaufen.
      Ein Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Das Angebot ist groß, die Nachfrage ist begrenzt. Der Preis soll so bei 100-150$ für eine Vorhaut liegen, habe ich gehört.
      Dieses Urteil ist kein Grund zum Jubeln. Erst mal sagt es nur Prozesskostenhilfe zu. Das heißt noch gar nichts.
      Ein Anspruch könnte sich lt. Gericht aus der widerrechtlichen Körperverletzung ableiten. Da die Mutter nicht zugestimmt hat greift hier der 1631d nicht.

      NoCut schrieb:

      Falls ich hier nicht ganz daneben liege, bedeutet dies dann wohl, dass Eltern nach § 1631d BGB zwar einer Beschneidung einwilligen dürfen und sie sich somit nicht strafbar machen, aber dennoch postwendend von den eigenen Kinder auf 12.000 EUR Schmerzensgeld verklagt werden könnten.


      1. M.E. hat sich der Vater strafbar gemacht! Der 1631d greift nicht, also strafbare Körperverletzung.

      2. Ich glaube, damit liegst du falsch, NoCut. Eine Verstümmelung nach 1631d wäre nicht rechtswidrig. Was gesetzlich zugesicherte Sorge ist kann keinen Schadensersatz begründen. Der §1631d besagt ja nichts anderes als dass eine Verstümmelung nach den Maßgaben dieses Paragraphen nicht dem Wohl des Kindes widerspricht. Mit einer Verstümmelung nach 1631d hat sich das Gericht überhaupt nicht beschäftigt.

      Man beachte auch:

      Da das Kind nach seiner Rückkehr nach Deutschland unter massiven Schmerzen und psychischen Beeinträchtigungen infolge der Beschneidung litt, verlangte es vom Vater ein Schmerzensgeld von mindestens 12.000 Euro.


      Der Schaden wird seitens des Klägers nicht auf den Verlust der Vorhaut und ihrer Funktionen begründet! Das ist wohl auch eine fatale Folge des fatalen 1631d, dass sich das gar nicht getraut wird. Weil der Staat ja gesagt hat: "ist überhaupt nicht schlimm!"
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Eine Vorhaut ist selbstverständlich PRICELESS.
      Das es aber ein wertloser und sogar gefährlicher Hautlappen ist, ist aber damit vom Tisch.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Und das schlimme ist doch, in diesem Verfahren geht es, so wie ich es verstanden habe, nur um die Schmerzen und die psychische Belastung, nicht um die lebenslangen Folgen für die Sexualität (die für diesen Jungen hoffentlich nie ein Problem werden...)

      Das wäre eine Schlammschlacht...
      Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden. Dinge wurden erschaffen, um benutzt zu werden. Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden. -Dalai Lama
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Ich glaube, damit liegst du falsch, NoCut. Eine Verstümmelung nach 1631d wäre nicht rechtswidrig. Was gesetzlich zugesicherte Sorge ist kann keinen Schadensersatz begründen. Der §1631d besagt ja nichts anderes als dass eine Verstümmelung nach den Maßgaben dieses Paragraphen nicht dem Wohl des Kindes widerspricht. Mit einer Verstümmelung nach 1631d hat sich das Gericht überhaupt nicht beschäftigt.
      Ich glaube, ich liege eigentlich gar nicht so falsch mit meiner Annahme. Das Gericht hat den § 1631d BGB nicht abschließend prüfen müssen, weil die Mutter nicht eingewilligt hatte. Der 1631d BGB soll ja aber bekanntlich nur das Strafrecht in Sachen Körperverletzung besänftigen / ruhigstellen.

      Wichtiger ist hier wohl eher der § 1664 BGB, den das Gericht ins Spiel gebracht hat. Im Grunde schränkt dieser die "Entscheidungsfreiheit" der Eltern wohl dahingehend ein, dass diese ihren Kindern nichts zumuten dürfen, was sie selbst sich nicht antun lassen würden.

      Väter die selbst beschnitten sind, dürften daher problemlos nach § 1631d BGB einwilligen dürfen (Ausnahme: zwangsbeschnittene Väter). Mütter, die aber nicht mindestens nach Typ 1a beschnitten wurden und sich auch nicht in dieser Art selbst beschneiden lassen wollen, würden ihren Kindern etwas zumuten, was sie sich selbst so nicht antun lassen möchten.

      Die Richter haben festgestellt, dass das Kind selbst einen Schadensersatzanspruch besitzt. Natürlich haben hier die psychischen Folgen wohl auch eine Rolle gespielt, aber nach meiner persönlichen Erfahrung zählen z.B. bei Renten psychische Folgen oder Schmerzen weniger als physische "Verluste". Ich würde daher die 12.000 EUR schon sehr stark mit dem Verlust der Vorhaut in Verbindung bringen. Hätten psychische Faktoren eine stärkere Rolle gespielt, hatte man ja auch sexuelle Defizite thematisieren müssen.

      Der Schmerz und die psychischen Folgen würde ich daher eher als Indiz dafür sehen, dass der Vater auch nicht im Sinne seines Sohne gehandelt hat. Dass er nicht im Einklang mit der Mutter gehandelt hatte, stand ja im vorliegenden Fall außer Frage.

      Der Fall wurde ja ans Amtsgericht Freiburg zurückverwiesen. So wie ich das aber lese, geht es hier im Grunde vorwiegend "nur" noch darum, ob der Junge 12.000 EUR Schadensersatz oder sogar mehr zugesprochen bekommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Amtsgericht Freiburg nach dem Urteil des OLG Karlsruhe einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach ablehnen wird. Würde dies dennoch geschehen, würde man sich ja kurze Zeit später wohl wieder in Karlsruhe die nächste "Watschen" abholen ;)

      Für Eltern, die ihre Söhne beschneiden lassen wollen und das Risiko einer Schadensersatzklage vermeiden wollen, müssten künftig wohl darauf achten, dass sowohl der Vater wie auch die Mutter beschnitten sein müsste. Somit gilt dann vorallem für die Mütter die Regel:

      Was Du nicht willst, was man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Soweit die Mehrzahl der Ärzte nicht die Auffassung vertritt, dass die Entfernung der Vorhaut mit einem qualitativen Nachteil gegenüber dem intakten Genital verbunden ist, kann insofern den Eltern auch kein Vorwurf wegen ihrer Einwilligung gemacht werden.
      Erstaunlich finde ich, dass es überhaupt Schuljungen mit Vorhaut gibt und vorher schon gab.
      Denn entsprechend dieses aktuellen Info-Materials für Eltern, wird als günstigstes "Zeitfenster" für den Eingriff das zweite oder dritte Lebensjahr empfohlen:
      kkh-erfurt.de/fileadmin/user_u…_Beitrag_KIDS_und_Co..pdf
    • Ich mag den Flyer gar nicht lesen (würg)
      ...Wir haben bis jetzt keine Freiheit des Einzelnen, des Individuums, des Bürgers. [Allen Menschen bei uns ist das Zugehörigkeitsgefühl] am wichtigsten. Sie sind Mitglieder der Nation oder Religion, aber nicht selbstbewusste und -verantwortliche Menschen.
      ein katholischer Theologe in einer Doku über Ex-Jugoslavien

      Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
      Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. ...
      Khalil Gibran