Viola Schäfer, Vorsitzende des Vereins "intaktiv e.V., im Interview mit MANNdat

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    • Viola Schäfer, Vorsitzende des Vereins "intaktiv e.V., im Interview mit MANNdat

      MANNdat: Jüdisches und muslimisches Leben, behaupten die Politiker, wäre ohne die Legalisierung von Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung unmöglich. Haben sich die politischen Verantwortlichen Ihrer Ansicht nach ehrlich um einen Kompromiss bemüht?

      Viola Schäfer: Eine Regelung, die menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien gerecht wird, hätte in einem gesetzlichen Schutz aller Minderjährigen vor unnötigen Genitaleingriffen gelegen. Einen “Kompromiss“ kann es aus der Perspektive der zu schützenden Jungen und ihrer Rechte auf Unversehrtheit und spätere körperliche und religiöse Selbstbestimmung praktisch nicht geben, denn sie haben schließlich nur eine Vorhaut, mit deren Verlust sie für einen „Kompromiss“ zwischen über ihren Kopf hinweg entscheidenden Erwachsenen ihr Leben lang teuer – und aus meiner Sicht zu teuer – hätten bezahlen müssen.
      Jeder Erwachsene, der für seine Religion oder aus sonstigen Gründen seine Vorhaut amputieren lassen möchte, sollte dies natürlich jederzeit tun dürfen.
      Merkwürdig ist dabei, dass der Eingriff der Vorhautamputation von seinen politischen Verfechtern einerseits als vorteilhaft (gesundheitlich wie auch sexuell) und harmlos dargestellt wird und andererseits auf das Recht der Zwangs“beschneidung“ wehrloser Jungen gepocht wird. Denn ob erwachsene Männer, die bereits Erfahrung mit einer Sexualität mit Vorhaut gemacht haben, sich reihenweise freiwillig Vorhautamputationen unterziehen würden – da ist man sich dann offenbar doch nicht so sicher….

      MANNdat: Es gibt ja auch jüdische und muslimische Gläubige, die nicht beschnitten sind oder eine tatsächliche Beschneidung ablehnen. Wurden diese bei der Anhörung durch die politisch Verantwortlichen gehört?

      Viola Schäfer: Nein. Um ein Beispiel zu nennen: Eran Sadeh, Jude und Gründer von „Protect the Child“, einer israelischen Organisation, die sich gegen Vorhautamputationen einsetzt, appellierte bereits im September 2012 bei einer Pressekonferenz in Berlin eindringlich an Kanzlerin Merkel, der Legalisierung unnötiger Zirkumzisionen entgegenzuwirken. Zur Anhörung wurde er allerdings nicht eingeladen.

      MANNdat: Kritik an der Beschneidung von Jungen ist ja alles andere als „politisch korrekt“. Sogar Bundeskanzlerin Merkel diffamierte Beschneidungskritiker als „Komiker“. Es bedarf also einer entsprechenden Zivilcourage, sich für die Abschaffung der Legalisierung von Körperverletzung an Jungen durch Beschneidung so offen einzusetzen, wie Sie und Ihr Verein dies tun. Worin liegt Ihre Motivation bzw. die Motivation Ihrer Mitglieder, sich für diese Sache so sehr zu engagieren?

      Viola Schäfer: Da kann ich natürlich nicht für jedes einzelne Mitglied sprechen. Viele unserer Mitglieder sind selbst von Vorhautamputationen negativ betroffen und haben die „Beschneidungsdebatte“ und die dabei kursierenden Bagatellisierungen, sowie die Verabschiedung des § 1631d BGB als unerträglich empfunden. Einige unserer Mitglieder beschäftigen sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema „Beschneidung“ und andere waren schlichtweg empört über den Verlauf der Debatte und das “Beschneidungsgesetz”. Und natürlich kommen bei einigen auch mehrere Gründe zusammen.
      Meine persönliche Motivation liegt in meiner grundsätzlichen Überzeugung, dass der Umgang mit Kindern als den wehrlosesten Mitgliedern einer menschlichen Gesellschaft von zentraler Bedeutung für die persönliche Entwicklung und das Zusammenleben ist. Einem demokratischen Rechtsstaat darf der Schutz der körperlichen Unversehrtheit und die Würde von Kindern nicht so wenig wert sein, dass ein § 1631d BGB möglich ist. Dieses rückschrittliche und eines Rechtsstaates unwürdige Gesetz habe ich als so untragbar empfunden, dass ich einfach aktiv werden musste. Die Lektüre des Erfahrungsberichts „Der Schnitt“ und des Aufklärungsratgebers „un-heil“ haben mich in dieser Motivation noch weiter bestärkt.


      manndat.de/gewalt-gegen-maenne…und-rueckschrittlich.html