Rolf Schwanitz, SPD, nimmt klar Stellung gegen Legalisierung

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    • Rolf Schwanitz, SPD, nimmt klar Stellung gegen Legalisierung

      Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit hat Vorrang

      In der Sondersitzung des Deutschen Bundestages am 19. Juli wurde auch ein kurzfristig eingebrachter Antrag zur rechtlichen Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen behandelt. Rolf Schwanitz hat gegen diesen Antrag gestimmt und gemeinsam mit acht weiteren Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion die folgende Erklärung zu Protokoll gegeben, in denen seine Ablehnungsgründe erläutert werden:

      Wir haben heute gegen den Antrag gestimmt, weil das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung des Kindes nach unserer Meinung keinen Vorrang hat gegenüber dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung.

      Seit einigen Wochen wird in der deutschen Öffentlichkeit das Urteil des Landgerichts Köln zur Strafbarkeit der Beschneidung ohne medizinische Indikation (Urteil vom 07.05.2012, Aktenzeichen 151 Ns 169/11) diskutiert. Das Landgericht Köln kam darin zu der Einschätzung, dass dem Recht der Eltern auf religiöse Erziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, so dass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen ist. Begründet wurde diese in unseren Augen richtige Entscheidung damit, dass die Grundrechte der Eltern aus Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Absatz 1 und 2 Satz 1 Grundgesetz begrenzt sind.

      Wir verkennen nicht, dass die Entscheidung des Kölner Landgerichts mit erheblichen Irritationen und gesellschaftlichen Verwerfungen, insbesondere bei Angehörigen der jüdischen oder muslimischen Glaubensgemeinschaft, verbunden sein kann. Sie können nur schwer oder überhaupt nicht verstehen, weshalb eine über viele Generationen vollzogene Praxis ihres Glaubensbekenntnisses nun in Deutschland verboten und strafrechtlich relevant sein soll. Dennoch können Grundrechtsfragen nach unserer Auffassung aber nicht allein mit Verweis auf das tradierte Handeln und dadurch beantwortet werden, dass man ein rechtliches Problem auf einen scheinbar rechtsfreien Raum verschiebt.

      Tatsächlich ist die Frage der Strafbarkeit der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Kindern aber seit langem ein gesellschaftliches Thema in Deutschland. Bei der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Mädchen (Genitale Verstümmelung) hat sich in Deutschland in den letzten Jahren ein breiter ablehnender gesellschaftlicher Konsens herausgebildet. Auch bei der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen hat dessen kritische Reflexion in den letzten Jahren erkennbar zugenommen. So verwies zum Beispiel das Deutsche Ärzteblatt bereits im Jahre 2008 auf die strafrechtliche Relevanz solcher Eingriffe und empfahl den Ärzten, diese abzulehnen. Das Urteil des Landgerichts Köln ist deshalb in unseren Augen kein singuläres, abweichendes Ereignis. Es ist in unseren Augen vielmehr nur ein vorläufiger Status einer neuen, auf dem Grundgesetz fußenden und sich im Interesse des Kindeswohls vollziehenden rechtlichen Weiterentwicklung in Deutschland. Ausdruck dieser Weiterentwicklung ist nicht zuletzt auch die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention und deren Ratifikation in Deutschland.

      Dass es sich bei der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen um einen schädigenden, irreversiblen Eingriff im Sinne einer tatbestandlichen Körperverletzung handelt, erscheint uns unstreitig und klar. Die Häufigkeit der damit verbundenen, zum Teil sehr schweren gesundheitlichen Komplikationen wird in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben. Wir halten eine Komplikationsrate von bis zu 10 Prozent für realistisch. Auch schwere gesundheitliche Spätfolgen und Todesfälle werden in der Literatur beschrieben. Auch dies spricht für eine sorgsame und umfängliche Diskussion des Themas im Interesse des Kindeswohls und nicht für eine im Eilverfahren vollzogene unkritische Legitimation der bisherigen Tradition, wie sie im Antrag präjudiziert wird.

      Die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat sich mit dem von uns abgelehnten Antrag dafür ausgesprochen, in naher Zukunft eine gesetzliche Regelung zur Rechtfertigung der religiös motivierten, medizinisch nicht indizierten Beschneidung von Jungen zu schaffen. Ein solches Gesetz stünde in unseren Augen auch im Widerspruch zum Grundgesetz. Dies vor allem deshalb, weil das Grundgesetz weder einen Vorrang des elterlichen Rechts auf religiöse Kindererziehung vor dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung kennt und weil im Grundgesetz durch die Rechte der Religionsgemeinschaften nach Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 136 Abs. 1 WRV die staatbürgerlichen Rechte des Kindes richtigerweise nicht beschränkt werden. Auch deshalb lehnen wir das Ansinnen des Antrages ab.

      19.7.2012
    • Rolf Schwanitz hat Wort gehalten und eine überzeugende Erklärung im Bundestag abgeben. Seine Antwort auf mein anerkennendes Schreiben:


      "Sehr geehrter Herr xxxxxxx,


      vielen Dank für die Unterstützung meiner Position zur Beschneidung männlicher Kinder. Auf meine mündliche Erklärung zur Abstimmung habe ich ein fast ausschließlich positives Echo erhalten. Dies bestärkt mich in meiner Haltung. Ich gehe davon aus, dass die Debatte über die Zirkumzision nicht zu Ende ist und werde mich dabei weiterhin einbringen. Es gibt inzwischen auch viele jüdische und muslimische Eltern, die die Beschneidung kritisch sehen.
      Diese Menschen brauchen unsere Unterstützung und dafür werde ich mich künftig einsetzen.

      Mit freundlichen Grüßen

      Rolf Schwanitz "
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)