Altfälle und Verjährung

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    • Ein 15 jähriger kann gewiss nicht nach den Massgaben des §1631d vorhaut-amputiert worden sein. Denn ein 15-Jähriger ist kein Kind mehr, und nicht "nicht einsichts- und urteilsfähig".
      Realistischerweise scheint es mir für "Altfälle" unmöglich, wegen ihrer Verstümmelung in Karlsruhe vorstellig zu werden.
      Denn wer wurde schon 2009 mit 13 rituell vorhaut-amputiert? In Deutschland? Nach den Bedingungen des §1631d? Man beachte das Urteil des OLG Hamm, und das war ein nur sechsjähriger!
      Da wird man sich locker rauswinden: das war nicht nach 1631d!

      Wer als Kleinkind rituell verstümmelt wurde, dem wird höhnisch gesagt werden: "Was wollen sie denn, sie Jammerlappen? Ist doch längst verjährt!" Na ja, nicht ganz so direkt...

      Klageberechtigt vorm BVerfG gegen den 1631d müssten aber die "Neufälle" sein. Aber das kann altersbedingt erst in etlichen Jahren passieren. Bis dahin hofft man in der Politik auf die "normative Kraft des Gesetzes".

      Wenn wir in einer (kinder-) gerechten Welt lebten, dann würde die Verjährung für alle Straftaten ruhen, die an Kindern unter durch die Eltern oder mit Beteiligung der Eltern begangen wurden. Bis zum 21. Lebensjahr.
      Denn normalerweise sind die Eltern die erste Instanz, die die Rechte ihrer Kinder wahrnimmt. In diesem Fall sind sie aber selbst Partei.
      Wenn (auch erwachsene) Kinder die Straftat zu Anzeige bringen, zeigen sie damit auch ihre Eltern an. Das fällt den meisten Kindern naturgemäß schwer - i.d.R. haben die Eltern viel Zeit, Mühe und Geld aufgebracht, um sie großzuziehen.
      Das macht man auch kaum solange man noch "die Beine unter ihren Tisch streckt".
      Sie mögen über ihre Verstümmelung unglücklich sein, aber die eigenen Eltern, die ja ansonsten vielleicht liebevoll zu ihnen waren deswegen anzuzeigen ist so eine Sache.
      Deswegen muss Genitalverstümmelung von Kindern unbedingt als Offizialdelikt behandelt werden.

      Die Verjährung ruht ja bei einer ganzen Reihe von Straftaten (§§ 174 bis 174c, 176 bis 179, 225 und 226a)

      Interessant ist z.B:

      § 225
      Mißhandlung von Schutzbefohlenen

      (1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
      1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
      2. seinem Hausstand angehört,
      3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
      ...

      quält oder roh mißhandelt...


      Da geht das! Da kann man als Betroffener noch mit 31 Jahren Anzeige erstatten.

      Aber mit einem Messer oder einer Schere - das ist doch nicht roh! (Pino)

      Da muss man dann schon als Kleinkind Anzeige erstatten. Sonst ist es zu spät.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Wer als Kleinkind rituell verstümmelt wurde, dem wird höhnisch gesagt werden: "Was wollen sie denn, sie Jammerlappen? Ist doch längst verjährt!" Na ja, nicht ganz so direkt...

      Klageberechtigt vorm BVerfG gegen den 1631d müssten aber die "Neufälle" sein. Aber das kann altersbedingt erst in etlichen Jahren passieren. Bis dahin hofft man in der Politik auf die "normative Kraft des Gesetzes".

      Grund- und Menschenrechtsverletzungen unterliegen im Gegensatz zu Straftaten nicht der Verjährung. Und nur Grund- und Menschenrechtsverletzungen können in Karlsruhe (BVerfG) und in Straßburg (EGMR) vorgebracht werden. Eine hohe Hürde ist dabei das Kriterium der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit, die allerdings nicht an strafrechtliche Verjährung geknüpft sein muss. Insbesondere dann nicht, wenn man sich mit den Folgen für den Rest seines Lebens abfinden muss.
    • Gerhard schrieb:

      Fall 5:
      Können Eltern (ggf. stellvertretend für ihre Tochter) die Verfassungsmäßigkeit der Paragrafen 1631d und 226a angreifen, weil bei ihnen im Gegensatz zu Eltern mit einem Sohn (bzw. ihrem eigenen Sohn) die Personensorge in die Einwilligung einer medizinisch nicht erforderlichen Beschneidung z.B. vom Typ FGM Ia des nicht einsichts- und urteilsfähigen weiblichen Kindes verwehrt ist...


      Die Eltern würden dann aber nur gegen den 226a klagen. Gegen den 1631d zu klagen sind sie nicht berechtigt. Das BVerfG hätte also den 1631d gar nicht zu prüfen. Von sich aus darf es das aber nicht.

      Welche Eltern würden das in Deutschland wagen? Würden es in Kauf nehmen, von einem kreischenden Mob Feministinnen verfolgt und bespuckt zu werden? Dass ihre Konterfeis in Boulevard-Zeitungen an den Pranger gestellt werden (ggf. mit einem hauchdünnen Balken über den Augen)? "So sehen sie aus die Eltern, die ihre Tochter grausamst genitalverstümmeln wollen!"
      Würden es riskieren, dass das Jugendamt ihnen die Tochter wegnimmt, und in eine Pflegefamilie steckt?
      Und selbst wenn sie am Ende vor dem BVerfG obsiegen würden, wenn das BVerfG sagen würde:
      "Die Entfernung der Klitorisvorhaut, sofern sie nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt ist keine Genitalverstümmelung, Eltern können im Rahmen ihre Sorgerechtes..."
      Bis dahin wären evtl. einige Jahre ins Land gegangen.
      Dann würde evtl. gesagt werden: "Die Tochter ist jetzt ihren Eltern entfremdet, die Rückführung zu den Eltern ist für sie unzumutbar."
      So deppert können Eltern nicht sein. Wer klagt, wenn er selbst im "Erfolgsfall" der Dumme ist?
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Zitat von »Gerhard«
      Fall 5:
      Können Eltern (ggf. stellvertretend für ihre Tochter) die Verfassungsmäßigkeit der Paragrafen 1631d und 226a angreifen, weil bei ihnen im Gegensatz zu Eltern mit einem Sohn (bzw. ihrem eigenen Sohn) die Personensorge in die Einwilligung einer medizinisch nicht erforderlichen Beschneidung z.B. vom Typ FGM Ia des nicht einsichts- und urteilsfähigen weiblichen Kindes verwehrt ist...


      Das OLG Hamm hat sie anscheinend erlaubt, die FGM:

      Leitsätze:

      1. Zu den Voraussetzungen der summarischen Prüfung nach den §§ 49 ff., 26, 51 Abs. 1 S. 2, 31 FamFG im einstweiligen Sorgerechtsverfahren.

      2. Grundsätzlich erlaubt der am 28.12.2012 in Kraft getretene § 1631 d Abs. 1 BGB es den sorgeberechtigten Eltern bzw. dem allein sorgeberechtigten Elternteil, für ein noch nicht selbst urteils- und einwilligungsfähiges, mehr als sechs Monate altes Kind die Entscheidung zugunsten einer nicht medizinisch indizierten, aber nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführenden Beschneidung aus autonomen kulturell-rituellen Gründen zu treffen. Auch ein deutlich unter 14 Jahre altes Kind ist bzgl. seiner möglichen eigenen Einwilligungs- und Urteilsfähigkeit durch das Familiengericht jedoch gemäß § 159 Abs. 2 FamFG persönlich anzuhören, denn selbst im Falle dabei nicht feststellbarer eigener Einwilligungsfähigkeit sind die geäußerten Wünsche und Neigungen des Kindes im Rahmen des § 1631 d Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der §§ 1626 Abs. 2 S. 2, 1631 Abs. 2 BGB maßgeblich zu beachten. Der oder die sorgeberechtigten Elternteil(e) haben in einer dem Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechenden Art und Weise den beabsichtigten Eingriff mit ihm zu besprechen und in kindgerechter Weise zu versuchen, mit ihm Einvernehmen herzustellen.

      3. Die Entscheidung nach § 1631 d Abs. 1 BGB ist nur dann nicht wirksam von den oder dem sorgeberechtigten Elternteil(en) zu treffen, sondern im Streitfall zwischen Eltern zumindest im einstweiligen Anordnungsverfahren auf einen neutralen Ergänzungspfleger zu übertragen, wenn zwischen den Eltern in Streit steht, ob die Beschneidung zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen würde und sich im Rahmen einer Folgenabwägung kein gänzlich eindeutiges

      (Oberlandesgericht Hamm, 3 UF 133/13)
      (Satire off)
    • Aber ich habe Gerhards Fragen als von Anfang an eher theoretisch verstanden, um bestimmte Grundsätze und Unterschiede herauszuarbeiten.

      Genau so habe ich die Fragen auch gemeint.

      die Verfassungswidrigkeit wäre ja nicht nur an einem Grundrecht zu prüfen, sondern an mehreren.

      Ich habe nicht gesagt, dass ich nur auf den Artikel 3 GG abstellen würde, aber die Verletzung eines einzigen Grundrechtes würde doch bereits ausreichen, um das Gesetz für verfassungswidrig zu erklären. Vor einigen Jahrzehnten gab es in einigen Gemeinden eine Feuerwehrabgabe (ca. 250 DM/Jahr) nur für Männer, die nicht Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr waren. Diese Abgabe wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieß.
      Die Feuerwehrabgabe verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau. Zudem liege das Feuerlöschen im Interesse der Allgemeinheit, wofür nur allgemeine Steuern heranzuziehen seien.

      de.wikipedia.org/wiki/Feuerwehrabgabe

      Was die Vergleichbarkeit von männlicher und weiblicher Genitalverstümmelung betrifft, gibt es immer wieder Diskussionen darüber, was genau verglichen wird und wie. Die Anzahl der spezialisierten Tastkörperchen, die anatomische Vergleichbarkeit oder die funktionelle Vergleichbarkeit?

      schau Dir nur einmal an, was Urologenverbände dazu äußern

      Nach meinem Wissensstand ist es medizinisch unbestritten, dass die Klitorisvorhautreduktion anatomisch vergleichbar ist mit der Vorhautbeschneidung ist. Welche Quellen hast Du, dass z.B. Urologen oder Schönheitschirurgen die Klitorisvorhautreduktion nicht ebenfalls als kleinen Eingriff bezeichnen?
      Wikipedia meint:
      Die Klitorisvorhautreduktion der Frau ist anatomisch vergleichbar mit der männlichen Zirkumzision.

      de.wikipedia.org/wiki/Klitorisvorhautreduktion
      Durch einen minimalen chirurgischen Eingriff, die sogenannte Klitorisvorhautreduktion, lässt sich das Problem in der Regel beheben.

      de.wikipedia.org/wiki/Orgasmus

      Würden in einem Verfahren zu viele Sachverhalte unwahr dargestellt werden und hinterließen sie bei Gericht Zweifel, so könnte die Prüfung insgesamt zu "schwach" ausfallen.

      Von wem sollten sie unwahr dargestellt werden? Die Verfassungsbeschwerde muss vom Beschwerdeführer umfangreich begründet werden und dem Beschwerdeführer steht kein Antragsgegner gegenüber. In der umfangreichen Begründung könntest Du alle oder die meisten kursierenden Pro-Beschneidungs-Argumente widerlegen, bezweifeln oder relativieren.
      Muss das Bundesverfassungsgericht nicht auch die Höhe des Strafmaßes (insbesondere nach der Gesetzesänderung durch den §226a) bei seiner umfangreichen Prüfung berücksichtigen? Wie kann es sein, dass ein nach Meinung der Mediziner kleiner Eingriff an den Genitalien eines Kindes bei einem Geschlecht straffrei bleibt, beim anderen Geschlecht aber (bei minderschweren Fällen) eine Strafe von 6 Monaten bis 5 Jahren verhängt wird und wegen des Ruhens der Verjährungsfrist mit Sexualstraftaten an Kindern gleichgestellt wird?

      Wenn das Schundgesetz vom BVerfG gehalten werden würde, wären wir auf Jahrzehnte hinaus geliefert.

      Weshalb? Die Politik kann das Gesetz jederzeit rückgängig machen, wenn der politische Wille (z.B. durch Druck der Öffentlichkeit) und die Mehrheiten da sind.
    • Gerhard schrieb:

      Die Verfassungsbeschwerde muss vom Beschwerdeführer umfangreich begründet werden und dem Beschwerdeführer steht kein Antragsgegner gegenüber.


      Ganz ohne Gegnerschaft muss es nicht unbedingt ablaufen.

      § 94 BVerfGG

      (1) Das Bundesverfassungsgericht gibt dem Verfassungsorgan des Bundes oder des Landes, dessen Handlung oder Unterlassung in der Verfassungsbeschwerde beanstandet wird, Gelegenheit, sich binnen einer zu bestimmenden Frist zu äußern.

      (2) Ging die Handlung oder Unterlassung von einem Minister oder einer Behörde des Bundes oder des Landes aus, so ist dem zuständigen Minister Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

      (3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, so gibt das Bundesverfassungsgericht auch dem durch die Entscheidung Begünstigten Gelegenheit zur Äußerung.

      (4) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar oder mittelbar gegen ein Gesetz, so ist § 77 entsprechend anzuwenden.

      (5) Die in den Absätzen 1, 2 und 4 genannten Verfassungsorgane können dem Verfahren beitreten. Das Bundesverfassungsgericht kann von mündlicher Verhandlung absehen, wenn von ihr keine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten ist und die zur Äußerung berechtigten Verfassungsorgane, die dem Verfahren beigetreten sind, auf mündliche Verhandlung verzichten.

      Soweit ich weiß, gab es schon Fälle, wo man von staatlicher Seite die Frist hat widerstandslos verstreichen lassen. Darauf verlassen können wird man sich im Falle eines Angriffs auf den § 1631d BGB allerdings nicht, da Interessenverbände ordentlich Druck machen werden werden. Strategisches Vorausdenken wäre bestimmt nicht verkehrt.
    • Lutz Herzer schrieb:

      Strategisches Vorausdenken wäre bestimmt nicht verkehrt.
      Womit sich der Kreis wieder schließt und die Frage beantwortet ist, warum dieses Forum nicht mit Hurragebrüll jeder Idee von Verfassungsbeschwerde oder anderweitigen Klagen hinterher hechelt.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Weguer schrieb:

      Womit sich der Kreis wieder schließt und die Frage beantwortet ist, warum dieses Forum nicht mit Hurragebrüll jeder Idee von Verfassungsbeschwerde oder anderweitigen Klagen hinterher hechelt.


      Du brauchst deinen Unmut mir gegenüber nicht weiter kund zu tun.

      Wer sich als die Herren (und Damen) dieses Forums, das sich massiv in Google ausbreitet, betrachten, habe ich mittlerweile verstanden.
    • Lutz Herzer schrieb:

      Du brauchst deinen Unmut mir gegenüber nicht weiter kund zu tun.
      Du hast es noch nicht verstanden, Lutz. Ich hege keinen Unmut gegen Dich. Ich wollte damit nur nochmal klarstellen, warum die Admins dieses Forums so zögerlich auf Klagebestrebungen reagieren.

      Lutz Herzer schrieb:

      Wer sich als die Herren (und Damen) dieses Forums, das sich massiv in Google ausbreitet, betrachten, habe ich mittlerweile verstanden.
      Ist es denn so negativ, dass sich dieses Forum so "massiv in Google ausbreitet"?
      Und zu Deiner Bemerkung zu den Herren und Damen dieses Forums: Hier bleibt mir nur, mit dem Kopf zu schütteln, ehrlich.
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Weguer schrieb:

      Du hast es noch nicht verstanden, Lutz. Ich hege keinen Unmut gegen Dich. Ich wollte damit nur nochmal klarstellen, warum die Admins dieses Forums so zögerlich auf Klagebestrebungen reagieren.


      Deine Bemerkung "und die Frage beantwortet ist, warum dieses Forum nicht mit Hurragebrüll jeder Idee von Verfassungsbeschwerde oder anderweitigen Klagen hinterher hechelt." klang so, als hätte ich etwas völlig Unseriöses vorgeschlagen.

      Strategisches Vorausdenken meine ich im Hinblick auf eine zu erwartende Äußerung der staatlichen Seite gem. § 94 BVerfGG.

      In zehn Jahren dürfte damit zu rechnen sein, dass in dieser Äußerung zunächst der bis dahin womöglich erreichte über zehnjährige Rechtsfrieden über den grünen Klee gelobt werden wird.

      Er dürfte zwar kaum entscheidungserheblich sein, dennoch wüsste ich mal gern, wie Guy, Weguer, Pizzaro, MW etc. diesen schönen Rechtsfrieden vom Tisch bekommen wollten.
    • Gerhard schrieb:

      Ich habe nicht gesagt, dass ich nur auf den Artikel 3 GG abstellen würde, aber die Verletzung eines einzigen Grundrechtes würde doch bereits ausreichen, um das Gesetz für verfassungswidrig zu erklären. Vor einigen Jahrzehnten gab es in einigen Gemeinden eine Feuerwehrabgabe (ca. 250 DM/Jahr) nur für Männer, die nicht Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr waren. Diese Abgabe wurde vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieß.
      Es ist zunächst einmal vollkommen richtig, was Du sagst: ein Verstoß gegen ein Grundgesetz genügt bereits, um die Verfassungswidrigkeit festzustellen. So ist das auch grundsätzlich bei jedem anderen Gerichtsurteil: wenn das Ergebnis nach einem Gesetz feststeht, muss nicht zwingend noch ein anderes Gesetz besprochen werden, das auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen würde. Gleichwohl sind hier objektiv mehrere Grundrechte tangiert und es ist zunächst einmal davon auszugehen, dass die auch alle "durchgenudelt" werden. Was auch absolut sinnvoll wäre, sofern das Ergebnis tragbar ist, was am Ende dabei rauskommt. Nehmen wir an, das BVerfG prüft diese anderen Grundrechte überhaupt nicht: dann kann es immer noch sein, dass in der Begründung eher auf die anatomischen Unterschiede hingewiesen wird und daher eine sachliche Vergleichbarkeit abgelehnt wird. Bei der Feuerwehrabgabe ist das anders. Da ist die sachliche Vergleichbarkeit ganz schlicht feststellbar. Verstehe mich bitte nicht falsch an diesem Punkt, Gerhard. Man muss an dieser Stelle antizipieren, was geschehen könnte. Man kann nicht von sich selbst ausgehen, weder von seinem eigenen Wissensstand noch von seinem eigenem Standpunkt. Das siehst Du natürlich genauso, das weiß ich, dennoch muss man sich das immer wieder ganz aktiv ganz bewusst machen. Die Anatomie männlicher und weiblicher Geschlechtsteile ist grundsätzlich nicht gleich, auch wenn in einem gewissen Stadium in der Embryonalphase noch keine Auseinanderentwicklung stattgefunden hat. Klar ist jeder unnötige Eingriff oder sogar Gewaltanwendung an Geschlechtsteilen kleiner Kinder widerwärtig, egal ob Mädchen oder Junge. Das Gericht muss jedoch von einem anderen Standpunkt ausgehen. Es muss die sachliche Vergleichbarkeit prüfen.

      Gerhard schrieb:

      Nach meinem Wissensstand ist es medizinisch unbestritten, dass die Klitorisvorhautreduktion anatomisch vergleichbar ist mit der Vorhautbeschneidung ist. Welche Quellen hast Du, dass z.B. Urologen oder Schönheitschirurgen die Klitorisvorhautreduktion nicht ebenfalls als kleinen Eingriff bezeichnen?
      Wikipedia meint:

      Gerhard schrieb:

      Zitat

      Die Klitorisvorhautreduktion der Frau ist anatomisch vergleichbar mit der männlichen Zirkumzision.

      Gerhard schrieb:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Klitorisvorhautreduktion
      Ja, das wäre als Argument ins Feld zu führen. Dennoch hatte es selbst unter uns schon Diskussionen darüber gegeben, was mit was verglichen werden kann, wenn man da in die Einzelheiten geht.

      Gerhard schrieb:

      Von wem sollten sie unwahr dargestellt werden?
      Von verschiedenen Ärzteverbänden, beispielsweise den Urologen.

      Gerhard schrieb:

      Die Verfassungsbeschwerde muss vom Beschwerdeführer umfangreich begründet werden und dem Beschwerdeführer steht kein Antragsgegner gegenüber.
      Nein. In dem von Dir angesprochenen Strafverfahren herrscht der sog. "Amtsermittlungsgrundsatz". Man kann allenfalls Einfluss nehmen.

      Gerhard schrieb:

      Weshalb? Die Politik kann das Gesetz jederzeit rückgängig machen, wenn der politische Wille (z.B. durch Druck der Öffentlichkeit) und die Mehrheiten da sind.
      Rein theoretisch ja, allerdings bist Du da schon sehr optimistisch, meiner Meinung nach. :rolleyes: Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass so etwas in den nächsten Jahren passiert.
    • Rein theoretisch ja, allerdings bist Du da schon sehr optimistisch, meiner Meinung nach. :rolleyes: Ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass so etwas in den nächsten Jahren passiert.

      Nein, da bin ich leider nicht so optimistisch, Maria, es sei denn, es passiert irgend etwas Unvorhersehbares. Ich bin allerdings noch weniger optimistisch was die Aussichten der Aufklärung einer breiten Bevölkerung über die Folgen der Beschneidung betrifft. Mit einer Demonstration im Jahr in Köln, die weniger als 100 Teilnehmer hat, 99,9% der Bevölkerung gar nicht bekannt ist und von keiner größeren Zeitung erwähnt wurde wird man diese breite Aufklärung nicht erreichen, vergleichbares gilt für dieses Forum. Ob die Aussichten in 10 Jahren für ein Verfahren vor dem BVerG besser sein werden, wenn neue Richter ernannt sind, bei denen neben der fachlichen Qualifikation und dem richtigen Parteibuch vielleicht auch eine beschneidungsfreudige Haltung erwartet wird ist mehr als fraglich. Die Religionsfunktionäre werden sich in den nächsten Jahren sicher nicht entspannt zurücklehnen.
    • Naja weißt Du Gerhard, die Frage ist ja, was man machen kann. Zum einen nützt es m.E. nichts, eine Situation - etwa auch vor Gericht - unrealistisch einzuschätzen. Das ist manchmal ein bisschen wie Kriegsspiel oder Sport. Du musst Dir ein klares Bild von der Lage machen.

      Zum anderen finde ich es schade, wenn man dann, wenn sich herausstellt, dass es viele Hindernisse gibt, aus Frust resigniert. Es gibt viel Arbeit zu erledigen. Es gibt Ärmel hochzukrempeln. Der Kampf gegen FGM, die Durchsetzung der Frauenrechte oder ähnlich Sachen kamen auch nicht über Nacht, aber das heißt nicht, dass es nichts zu tun gäbe und alles aussichtslos sei, nur weil die strategischen Aussichten im Moment noch nicht sonderlich gut aussehen. Wohlgemerkt, die strategischen Aussichten, die Prognose. Wie etwas am Ende kommt, wenn es kommt, weißt Du vorher nie ganz genau.

      Diese Phase sehe ich persönlich als Chance an, die Arbeit zu erledigen und die Veränderungen zu bewirken, die notwendig sind für den Fall des Falles. Jetzt ist die Zeit, das Feld zu bestellen. Wie viele Leute auf eine Demo kommen, ist dabei nicht ganz so meine Prio. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, das Thema MGM überall einzubringen, und das MUSS auch gemacht werden. Viele von uns tun genau das. Wir befinden uns m.E. in einer wichtigen Phase, die nach außen hin ruhig aussieht, aber deswegen noch lange nicht ruhig ist. Für mich persönlich ist das hier die wichtigste Phase überhaupt.
    • Sich auf Recht und Politik zu verlassen, bringt bei dem Thema Beschneidung glaube ich nichts.Ich glaube auch hier hilft nur Aufklärung auf breiter Front. Den kam dieser § nicht nur durch Unwissenheit auf den Weg? Das hat ja keinerlei Auswirkungen, darum kann man es ja erlauben. Und nur wenn sich diese Unwissenheit ändert kann und wird dieser § wegfallen. Denn erst wenn MGM die gleiche Ächtung in unserer Gesellschaft erfährt wie FGM wird sich nachhaltig etwas verändern und verbessern. Ein Verbot von oben bringt nichts, erst eine Veränderung von unten wird was bewegen.


      (Zur Unwissenheit bei Ärzten:Erst vor ein paar Monaten schilderte ich einem (relativ jungen) Urologen mein Hauptproblem (Orgasmuslosigkeit). Zur Antwort bekam ich, er könne sich nicht vorstellen, das meine Probleme durch meine Beschneidung entstanden sind: "Wenn das real wäre, was sie mir sagen, würde dass doch keiner mehr machen. Bei Juden, Moslems und in den USA ist das ganz normal, da hat keiner solche Probleme und die wollen doch auch alle...".
      Inzwischen frage ich mich, wen er mit diesen Worten mehr beruhigen wollte, mich oder sich selber....)
      Menschen wurden erschaffen, um geliebt zu werden. Dinge wurden erschaffen, um benutzt zu werden. Der Grund, warum sich die Welt im Chaos befindet ist, weil Dinge geliebt und Menschen benutzt werden. -Dalai Lama
    • Lutz Herzer schrieb:

      Er dürfte zwar kaum entscheidungserheblich sein, dennoch wüsste ich mal gern, wie Guy, Weguer, Pizzaro, MW etc. diesen schönen Rechtsfrieden vom Tisch bekommen wollten.
      Gerne, Lutz.


      Ich sehe hier mehrere Komponenten:
      1. Ein Empörungslevel in der Bevölkerung, der noch zunehmen muss.
      2. Ein Erhöhung der Kenntnisse über die Negativfolgen der Beschneidung und die weite Verbreitung dieser Kenntnisse in der Bevölkerung.
      3. Eine zunehmende Verbreitung der Schicksale Betroffener
      4. Weitere seriösen Studien im Bereich der Medizin und Psychologie, die unsere Überzeugungen stützen
      5. Ein exogener Schock (Todesfall), der das ganze wieder hochkochen lässt. Unsere Politiker sind es ja gewohnt in Eile und anlassgezogen zu regieren (zu reagieren).


      Hab ich was vergessen? Wenn mehrere dieser Parameter erfüllt sind, stehen die Chancen besser, dass auch die höchsten Richter vor der Evidenz nachgeben.

      Wenn das zu lange geht, der probiert es halt auf seine Weise. Auch das Spektrum der FGM-Engagierten ist (war) heterogen und zerstritten über Mittel und Zwischenziele.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Urolüge schrieb:

      "Wenn das real wäre, was sie mir sagen, würde dass doch keiner mehr machen. Bei Juden, Moslems und in den USA ist das ganz normal, da hat keiner solche Probleme und die wollen doch auch alle...".
      Wie kann ein Arzt derart dünne Bretter bohren und so einen Mist unreflektiert von sich geben?

      1. weiß man das erst hinterher, ob man und wie stark man betroffen ist.
      2. redet man dann darüber am Wenigsten
      3. Wer will das? Doch nur die Eltern!
      4. Niemand behauptet das alle Problem haben, aber keiner? Das glaubt fast keiner mehr. Außer Beck, Grauman, Kramer, Montag, Morris, Cohn-Bendit, Gysi usw. usf.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Urolüge schrieb:

      (Zur Unwissenheit bei Ärzten:Erst vor ein paar Monaten schilderte ich einem (relativ jungen) Urologen mein Hauptproblem (Orgasmuslosigkeit). Zur Antwort bekam ich, er könne sich nicht vorstellen, das meine Probleme durch meine Beschneidung entstanden sind: "Wenn das real wäre, was sie mir sagen, würde dass doch keiner mehr machen. Bei Juden, Moslems und in den USA ist das ganz normal, da hat keiner solche Probleme und die wollen doch auch alle...".

      <Ironie>
      "Herr Doktor, könnte mein Lungenkrebs vom vielen Rauchen kommen?" - "Aber nein. Wenn das real wäre, was Sie mir sagen, würde doch niemand mehr rauchen. Es gibt Millionen Raucher auf der Welt, von denen viele ein hohes Alter erreichen und keine Probleme haben."
      </Ironie>
      Ein gerupfter Spatz verspottet das Gefieder seiner Artgenossen. (Sorbisches Sprichwort)
    • Urolüge schrieb:

      Zur Antwort bekam ich, er könne sich nicht vorstellen, das meine Probleme durch meine Beschneidung entstanden sind: "Wenn das real wäre, was sie mir sagen, würde dass doch keiner mehr machen. Bei Juden, Moslems und in den USA ist das ganz normal, da hat keiner solche Probleme und die wollen doch auch alle...".

      Genau, da liegt der Hase doch im Pfeffer. Seit Neuestem - nämlich seit 2013 - gibt es ein pädiatrisches Lehrbuch, in dem nach Auskunft eines Arztes, mit dem ich darüber sprach, die Faktenlage über Vorhaut und Phimose gut und korrekt dargestellt sein soll. Ich habe den Abschnitt selbst NICHT gelesen. Hier das Buch, das erst in der neuesten, vierten Auflage auf dem besagten Stand ist.

      Nochmal: das ist NEU. Und wir reden von einem Lehrbuch für Pädiatrie, nicht für Urologie. Gleichwohl gibt es das jetzt; vorher gab es ja nach meinem bisherigen Kenntnisstand wohl nicht einmal DAS.
    • Ich weiß nicht, was diese Diskussion jetzt soll. Realistisch gesehen gibt es in den nächsten 20-25 Jahren kaum eine Möglichkeit den §1631d vor das BVerfG zu bringen, das ist schon alles ganz link augeklügelt. Erst dann sind "Neufälle" unabhängig genug, um eine Verfassungsbeschwerde anzustrengen.
      Es ist nicht so, dass wir hier nur auf einen Knopf drücken müssen und Karlsruhe wird aktiv. Wir hier haben das nicht in der Hand.
      Man muss sich anschauen, wie das bei der FGM gelaufen ist.Vor neun Jahren lief das bei en.wikipedia noch unter "Circumcision":

      Female circumcision (including excision) loosely refers to a number of procedures performed on the female genitalia and which are generally of a cultural, rather than medical, nature. ... Opponents of these practices use the term female genital mutilation (FGM) when they are performed on a minor.


      Ergo: Das heißt Circumcsion, nur so ein paar Aktivisten-Hanseln nennen das Verstümmelung.

      Ein Jahr später hört sich das schon deutlich anders an:

      Female genital cutting (FGC) refers to a number of procedures performed for cultural, rather than medical, reasons on the female genitalia....
      Opponents of these practices use the term female genital mutilation (FGM). The official term female circumcision is also in common usage...


      Und heute läuft das unter dem Lemma "Female genital mutilation (FGM)"

      ...is defined by the World Health Organization (WHO) as "all procedures that involve partial or total removal of the external female genitalia or other injury to the female genital organs for non-medical reasons."


      Von den Anti-FGM-Aktivisten lernen heißt siegen lernen!

      Man kann MGM nicht "Beschneidung" nennen, das verschleiert den destruktiven Charakter dieser Gewalttat. Da wächst nicht mehr nach. Die Vorhaut ist dann kaputt, zerstört. Dieser dreiste Euphemismus muss aus dem öffentlichen Sprachgebrauch verschwinden. Es muss sich allgemein durchsetzen, dass jegliches Abschneiden an gesunden Kindergenitalien Verstümmelung und somit ein Verbrechen ist.
      Immer wenn jemand das Unwort benutzt und nicht irgendwelche Privilegien oder Büsche meint muss sich ein gellender Protestschrei erheben:

      Das heißt Verstümmelung, du Heuchler!


      Es handelt sich mit der Ausnahme von FGM Typ III (die aber nur rd. 6% der Fälle von FGM ausmacht) in beiden Fällen um die Entfernung von erogenem Gewebe von den kindlichen Genitalien, und jeglicher prinzipieller Unterschied ist ein herbeiphantasiertes Produkt der Propaganda.
      Es wird so getan, als ob die (männliche) Vorhaut nicht zu den Genitalien gehörte. Als ob sie eine Art Fremdkörper am Penis wäre, wie eine Hornhaut oder ein Hühnerauge am Fuß.
      Die weibliche Vorhaut dagegen - ganz klar - die ist heilig, heilig, heilig. Die gehört zu den Genitalien. Da nennt sich das dann "teilweise Entfernung der Genitalien". Da ist es glasklar Verstümmelung.

      Dieser groteske Doppelstandard, dieses zweierlei Maß muss immer wieder hartnäckig angegriffen und zerlegt werden. Da dürfen wir nicht müde werden.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Es ist nicht so, dass wir hier nur auf einen Knopf drücken müssen und Karlsruhe wird aktiv. Wir hier haben das nicht in der Hand.

      :thumbup:

      Genau. Wann und unter welchen Umständen es überhaupt zu einem Prozess kommt, in dem die Verfassungsfrage auf den Tisch kommt, ist nicht steuerbar. Und bis dahin müssen wir unser Tagwerk erledigt haben. Statt Frust zu schieben, weil nicht alles zack-zack geht, können wir doch auch mal realisieren, dass MGM vor 2012 ein Nicht-Thema war. Das Gros der Bevölkerung mag nicht in Scharen auf Demos gehen, das passiert bei vielen anderen Themen auch nicht. Aber es ist doch sehr viel mehr Bewusstsein geweckt worden, als es das vorher je gab. In der Medizin und in der Rechtswissenschaft wächst das Bewusstsein so langsam, auch wenn große Teile noch völlig im Argen liegen. Hier und da wurden schon Artikel in Zeitungen veröffentlicht, die durchaus kritisch mit dem Thema umgegangen sind und viele Fakten vermittelt haben, auch wenn wir zu einem großen Teil unerträgliche Schmierereien lesen mussten, die größtenteils darauf abzielten, Kritiker zu beleidigen und zu diffamieren, anstatt sich einmal sachlich auf Fakten einzulassen und diese zu diskutieren. In der Bilanz können wir heute viel mehr bewegen als noch vor einigen Jahren, aber das heißt noch lange nicht, dass jetzt entweder alles ratz-fatz über die Bühne geht oder dass wir aufgeben müssen.
    • Ihr Defätisten ! :D
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Guy schrieb:

      Ihr Defätisten ! :D

      Wieder ein neues Wort gelernt! :D
      Ich wollte damit nicht herumkritteln. Ich finde wirklich, dass es vorwärts geht. Auch, wenn vieles eher geräuschlos abläuft und oft auch ganz zäh und langsam geht. Die Bevölkerung ist im Großen und Ganzen latent für das Thema sensibilisiert, auch wenn Wissenslücken und Euphemisierungen immer noch ganz enorm groß und sehr stark verbreitet sind. Es liegt jetzt an jedem selbst, sich in die Aufklärungsarbeit einzubringen. Große Menschenrechtsfragen sind noch nie schnell und reibungslos über die Bühne gewuppt worden.
    • Guy schrieb:

      Ich sehe hier mehrere Komponenten:

      Ein Empörungslevel in der Bevölkerung, der noch zunehmen muss.
      Ein Erhöhung der Kenntnisse über die Negativfolgen der Beschneidung und die weite Verbreitung dieser Kenntnisse in der Bevölkerung.
      Eine zunehmende Verbreitung der Schicksale Betroffener
      Weitere seriösen Studien im Bereich der Medizin und Psychologie, die unsere Überzeugungen stützen
      Ein exogener Schock (Todesfall), der das ganze wieder hochkochen lässt. Unsere Politiker sind es ja gewohnt in Eile und anlassgezogen zu regieren (zu reagieren).

      Ich persönlich plane da gar nichts voraus. Ich habe nur zwei Handlungskomponenten:
      1. Die Frage, was ich jetzt, in diesem Moment tun kann, um die Lage zu verbessern. Da gibt es die Aufklärungsarbeit im Internet und alles, was halt noch so getan werden kann.
      2. Die realistische, nüchterne Einschätzung der Lage, das Abschätzen von Möglichkeiten und Gefahren und die Frage, welche Strategien wo aufgehen, was nützt und was schadet.
    • Guy schrieb:

      Ein exogener Schock (Todesfall), der das ganze wieder hochkochen lässt. Unsere Politiker sind es ja gewohnt in Eile und anlassgezogen zu regieren (zu reagieren).


      Es wäre natürlich total pervers, sich so etwas zu wünschen, damit es dann als Konsequenz in Sachen Kinderschutz vorangeht.
      So etwas wünscht sich hoffentlich niemand hier.
      Gerade deswegen, um zu verhindern, dass es dazu kommt müssen hoffentlich mehr und mehr Menschen dagegen angehen, dass Kinder Operationen unterzogen werden die rational betrachtet so überflüssig wie ein Kropf sind.
      In verschiedenen europäischen Ländern (z.B. Norwegen, GB, Irland) ist das schlimmste, der GAU, in den letzten Jahren passiert.
      Leider hat man dort nicht die einzig logische Konsequenz gezogen, sondern man fährt weiter auf der Schiene der Irrationalität.
      Norwegen ist besonders enttäuschend.
      In Deutschland ist Franjo gestorben - das war zwar keine rituelle OP, aber ähnliche Fehler können auch dabei passieren.
      Ob das in dem Münchner Fall (Kind schwerbehindert) rituell war, weiß ich nicht.

      Dass ein Kind bei/nach einer rituellen OP stirbt, das darf hier nicht passieren. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass an "medizinisch indizierte" VAs strengere Maßstäbe angelegt werden, dass es da mehr Kontrolle gibt. Denn der Missbrauch der "Indikation" springt einen ja förmlich an.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.

    • Ich sehe hier mehrere Komponenten:

      1.Ein Empörungslevel in der Bevölkerung, der noch zunehmen muss.

      2.Ein Erhöhung der Kenntnisse über die Negativfolgen der Beschneidung und die weite Verbreitung dieser Kenntnisse in der Bevölkerung.

      3.Eine zunehmende Verbreitung der Schicksale Betroffener

      Wie willst Du diese 3 Komponenten konkret mit geringen finanziellen Mitteln (ich nehme mal an, es steht uns kein Millionär zur Seite) in welchem Zeitraum erreichen?

      Ich weiß nicht, was diese Diskussion jetzt soll. Realistisch gesehen gibt es in den nächsten 20-25 Jahren kaum eine Möglichkeit den §1631d vor das BVerfG zu bringen, das ist schon alles ganz link augeklügelt.

      Ich habe diesen Thread begonnen, um zunächst theoretisch auszuloten, wer unter verschiedenen Konstellationen klageberechtigt sein könnte. Das einige Konstellationen eher unrealistisch sind ist mir schon klar. In der Wissenschaft und Technik ist es doch durchaus üblich, zunächst eine Aufgabe theoretisch zu lösen, um dann nach Wegen zu suchen, diese Aufgabe in die Praxis umzusetzen. Ohne Kläger gibt es bekanntlich keinen Richter, aber wenn ein Kläger da ist, dann wäre es vielleicht nicht schlecht, gut vorbereitet zu sein und ihn zu unterstützen. Eine Konstellation nach Fall 4 (Eltern lassen Tochter beschneiden und werden angezeigt) wäre jederzeit denkbar, und nicht erst in 20 Jahren.
    • Gerhard schrieb:

      Wie willst Du diese 3 Komponenten konkret mit geringen finanziellen Mitteln (ich nehme mal an, es steht uns kein Millionär zur Seite) in welchem Zeitraum erreichen?
      Das geht. Es bedeutet halt enorm viel Arbeit für einzelne Aktive. Die sich die Arbeit übrigens machen. Und Aufklärungsarbeit kann jeder leisten, damit meine ich jetzt nicht nur Beiträge in diesem Forum.

      Gerhard schrieb:

      In der Wissenschaft und Technik ist es doch durchaus üblich, zunächst eine Aufgabe theoretisch zu lösen, um dann nach Wegen zu suchen, diese Aufgabe in die Praxis umzusetzen.
      Sehr guter Ansatz. Deswegen fand ich die Fragen auch von Anfang an reizvoll. Ich hätte mir so ne Arbeit niemals aufgehalst, wenn ich nicht einen Sinn darin gesehen hätte, die Dinge erst einmal theoretisch aufzurollen und im Detail zu durchdenken. Dem steht nicht entgegen, dass ich vor einer Verfassungsklage im jetzigen Moment unter den jetzigen Prämissen und Umständen ziemliche Angst hätte.
    • Gerhard schrieb:

      Eine Konstellation nach Fall 4 (Eltern lassen Tochter beschneiden und werden angezeigt) wäre jederzeit denkbar, und nicht erst in 20 Jahren.
      Der Laie frägt: fehlt da nicht die Unmittelbare Betroffenheit des Klägers?
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Guy schrieb:

      Der Laie frägt: fehlt da nicht die Unmittelbare Betroffenheit des Klägers?
      Ey ich bin erst bei Fall 2 und der ist echt fuchsig (*knobel knobel*). Wenn ich mich jetzt nicht weiter mit Vorwürfen herumschlagen muss, weil ich bei einem Verfahren vor dem BVerfG zum jetzigen Zeitpunkt einen großen Knoten im Bauch hätte, dann kann ich ja mal daran weiterwerkeln. Brauche aber etwas Zeit und Muße dazu, ich mache ja nun nicht hauptberuflich Forenarbeit. ^^
    • fehlt da nicht die Unmittelbare Betroffenheit des Klägers?


      Klagen können sie, aber nur gegen den §226a StGB. Denn ein weibliches Kind ist nun mal kein männliches Kind. Hat also nix mit §1631d BGB zu tun. Das BVerfG darf von sich aus den 1631d nicht prüfen.
      Die Eltern können sich natürlich auf den 1631d und Ungleichbehandlung berufen. Aber zu prüfen ist nur der 226a.
      Das BVerfG kann dann entscheiden: ist OK, Klit-Vorhaut ist ja nur so eine kleine überstehende Haut, macht ja nüscht. Ist noch keine Verstümmelung.
      Oder: ist Genitalverstümmelung, böse, böse, böse. Ihr seid zu recht verknackt worden. Aber vom 1631d seid ihr ja gar nicht betroffen, also ist der auch nicht zu prüfen.
      Und jetzt wandert am besten aus, bevor sich der Mob über euch hermacht!

      Bloß, hey, ist euch klar wie extrem unwahrscheinlich diese Konstellation ist?
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Maria Werner prahlt an anderer Stelle im Forum damit, vor Kurzem eine Einstweilige Verfügung gegen eine Beschneidung erwirkt zu haben. Wie sie das hinbekommen haben möchte, darüber verrät sie mit dem Hinweis auf ihre Schweigepflicht nichts, auch nicht das, was keineswegs unter die Schweigepflicht fallen würde. Jedenfalls muss es ihr gelungen sein, einen Verfügungsrichter davon zu überzeugen, dass es Gründe gibt, einem Elternteil dessen Grundrecht auf freie Erziehung gem. Art. 6 Abs. 2 GG, umgesetzt in einfaches Recht in Form von § 1631d BGB ("Die Personensorge umfasst auch das Recht,..."), ohne vorherige Anhörung zu "beschneiden".

      Hingegen hätte sie vor einer Verfassungsklage "im jetzigen Moment unter den jetzigen Prämissen und Umständen ziemliche Angst".

      Das ist schon irgendwie alles etwas sonderbar und reimt sich nicht so richtig.

      Übrigens: sobald die EV vom Gerichtsvollzieher zugestellt wird, kann ein vollstreckbarer Kostenfestsetzungsbeschluss beantragt werden, über den der Anwalt wahrscheinlich mehr verdient als der Beschneider an der Beschneidung. Der § 1631d BGB dürfte somit für zahlreiche Familienrechtler eine zusätzliche Einnahmequelle bedeuten. Da kann sich ja jetzt jeder seinen eigenen Reim darauf machen.
    • Lutz Herzer schrieb:

      über den der Anwalt wahrscheinlich mehr verdient als der Beschneider an der Beschneidung

      Ich verdiene an dem Fall derart wenig, dass es nicht langt, meine Kosten zu decken. Und ich habe fast täglich weiterhin Arbeit damit. Die Verfügung allein ist es ja nicht. Am Ende lege ich drauf. Verlustgeschäft. Aus finanziellen Gründen würde ich sowas ganz bestimmt nicht machen. Ich mache das aus Überzeugung. So. Und damit ist von meiner Seite die Diskussion mit Lutz Herzer abgeschlossen.
    • Lutz Herzer schrieb:


      Maria Werner prahlt an anderer Stelle im Forum damit, vor Kurzem eine Einstweilige Verfügung gegen eine Beschneidung erwirkt zu haben. Wie sie das hinbekommen haben möchte, darüber verrät sie mit dem Hinweis auf ihre Schweigepflicht nichts, auch nicht das, was keineswegs unter die Schweigepflicht fallen würde. Jedenfalls muss es ihr gelungen sein, einen Verfügungsrichter davon zu überzeugen, dass es Gründe gibt, einem Elternteil dessen Grundrecht auf freie Erziehung gem. Art. 6 Abs. 2 GG, umgesetzt in einfaches Recht in Form von § 1631d BGB ("Die Personensorge umfasst auch das Recht,..."), ohne vorherige Anhörung zu "beschneiden".

      Hingegen hätte sie vor einer Verfassungsklage "im jetzigen Moment unter den jetzigen Prämissen und Umständen ziemliche Angst".

      Das ist schon irgendwie alles etwas sonderbar und reimt sich nicht so richtig.

      Übrigens: sobald die EV vom Gerichtsvollzieher zugestellt wird, kann ein vollstreckbarer Kostenfestsetzungsbeschluss beantragt werden, über den der Anwalt wahrscheinlich mehr verdient als der Beschneider an der Beschneidung. Der § 1631d BGB dürfte somit für zahlreiche Familienrechtler eine zusätzliche Einnahmequelle bedeuten. Da kann sich ja jetzt jeder seinen eigenen Reim darauf machen.
      Bohh Lutz Herzer,

      ich weiß echt nicht was das soll, warum Du immer auf Maria rumhackst. Ist mir eigentlich auch egal, aber du bist Nervtötend. Hör doch bitte auf, auf Aktivisten rum zu hacken. Das bringt doch nichts.

      Wir können froh sein über jeden der was aktiv macht. Da braucht man doch nicht aufeinander los gehen.
      Ich glaube nicht das Du Dir ein Urteil machen kannst, wer wie viel hier im Forum und außerhalb des Forums macht...

      Also wirklich,

      .....

      Im übrigen habe ich von Maria bislang ungeheuer viel gelernt

      Danke Maria für Deine Mühe
      "Those who cannot remember the past are condemned to repeat it"

      "Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."


      George Santayana (1863-1952)
    • Oder: ist Genitalverstümmelung, böse, böse, böse. Ihr seid zu recht verknackt worden. Aber vom 1631d seid ihr ja gar nicht betroffen, also ist der auch nicht zu prüfen.


      Das muss ich mich korrigieren. Im zweiten Fall, also Typ Ia ist GM, dann wäre das ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Niemand darf wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden.
      Es dürfen also auch Mädchen nicht "benachteiligt" werden, was Verstümmelung, äh "Sorge" angeht.
      Wollte das BVerfG also aus "übergeordneten" ;) Gründen die Knabenverstümmelung retten, blieben ihm nichts anderes, als auch die Klitorisvorhaut zu bagatellisieren und zum Abschneiden freizugeben.

      Aber das ist alles total hypothetisch, Spiegelfechterei. Das wird in absehbarer Zeit nicht passieren.
      Wie viele Fälle von FGM in Deutschland werden überhaupt zur Anzeige gebracht, und wie viele führen zu einer Verurteilung?
      Und wie viel Promille davon sind reine Typ Ia - Verstümmelungen?
      Eben!
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Niemand darf wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden.


      Im Bereich des Grundgesetzes sollten eigentlich Prinzipien (Grundsätze) zur Anwendung kommen.

      Ein Prinzip zum Thema Beschneidung abgeleitet aus Artikel 2 Abs. 2 S. 1 GG könnte z.B. lauten:

      "Der Körper eines nicht einsichts- und urteilsfähigen Menschen muss vor medizinisch nicht notwendigen Eingriffen geschützt werden"

      Man könnte es auch noch verfeinern:

      "Der Körper eines nicht einsichts- und urteilsfähigen Kindes muss vor medizinisch nicht notwendigen Eingriffen im Genitalbereich geschützt werden"

      Ab diesem Level könnte bereits die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes festgestellt werden. Die anatomischen Besonderheiten des jeweiligen Geschlechts (männlich, weiblich, intersexuell) wären dann schon nicht mehr ohne zwingende Gründe zu berücksichtigen.