Altfälle und Verjährung

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    • Altfälle und Verjährung

      Ich habe ein paar Fragen an die Juristen in diesem Forum:

      Kann ein Mann, der vor dem Inkrafttreten des §1631d als Kind beschnitten/verstümmelt wurde noch Strafanzeige wegen Körperverletzung nach §223 (bzw. §224 oder §225) stellen, sofern die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist oder gilt hier die neue Regelung nach §1631d?

      Welche Verjährungsfrist gilt für eine Frau, das vor dem Inkrafttreten des §226a als Kind beschnitten/verstümmelt wurde, die Regelung nach §223 (bzw. §224 oder §225) oder die Regelung nach §226a?

      In den Jahren 1969 und 1979 wurde die Verjährungsfrist für Mord, die ursprünglich 20 Jahre betrug, aufgehoben, dies galt auch für Altfälle, also Morde, die vor der Änderung der Verjährungsfrist begangen wurden. Das müsste doch eigentlich auch für den §226a gelten, der ja längere Verjährungsfristen als der §223 vorsieht.

      de.wikipedia.org/wiki/Verj%C3%A4hrungsdebatte
    • Hallo Gerhard, na, das ist ja ein Quiz am Abend. :D

      Gerhard schrieb:

      Kann ein Mann, der vor dem Inkrafttreten des §1631d als Kind beschnitten/verstümmelt wurde noch Strafanzeige wegen Körperverletzung nach §223 (bzw. §224 oder §225) stellen, sofern die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist oder gilt hier die neue Regelung nach §1631d?

      Strafanzeige (bzw. Strafantrag) kann er stellen, wenn die Verjährung noch nicht abgelaufen ist. Auf die neue Regelung des § 1631d BGB wäre ggf. zurückzugreifen wegen des sogenannten "Meistbegünstigungsprinzips" nach § 2 Abs.3 StGB. Wenn das materielle Recht nach der Beendigung der Tat und vor der Entscheidung geändert wurde (also hier: der § 1631d nach Beendigung der Tat in Kraft trat), so ist das "mildeste Gesetz", also die für den Täter günstigste Fassung anzuwenden. Sofern also § 1631d BGB überhaupt eine Rolle spielen würde - etwa weil beide Sorgeberechtigten dem Eingriff zugestimmt hätten, umfassend über alle möglichen und alle zwingenden Folgen aufgeklärt worden seien, der Junge in die Entscheidung, je nach Alter, einbezogen worden wäre usw. usf. - dann müsste die Vorschrift für die Frage der Strafbarkeit Berücksichtigung finden. Hier könnte man dann, wenn und soweit es bei der Entscheidung auf diese Vorschrift ankäme, die Verfassungsmäßigkeit des § 1631d BGB problematisieren. Wirklich wichtig ist also die Frage, ob die Verjährung eingetreten ist oder nicht.

      Gerhard schrieb:

      Welche Verjährungsfrist gilt für eine Frau, das vor dem Inkrafttreten des §226a als Kind beschnitten/verstümmelt wurde, die Regelung nach §223 (bzw. §224 oder §225) oder die Regelung nach §226a?
      Eine gute Frage, weil mit der Einführung des §226a StGB auch die Verjährungsfrist geändert wurde - und zwar NUR und AUSSCHIESSLICH für den Fall der Genitalverstümmelungen von Mädchen. In der neuen Fassung des § 78b Abs.1 Ziffer 1 StGB steht, die Verjährung würde bis zum 21. Lebensjahr des Opfers "ruhen", und dabei gibt es eben einen Verweis auf § 226a, in dem die FGM unter Strafe gestellt wird. Das Mädchen kann also erst einmal 21 Jahre alt werden und erst dann fängt die Verjährung wegen Körperverletzung nach § 226a StGB überhaupt erst an, zu laufen. In dieser Zeit kann die inzwischen erwachsene Frau also in Ruhe Strafanzeige erstatten und als Nebenklägerin im Prozess agieren. Vergleichbares gibt es für männliche Opfer selbstverständlich nicht. Gültig ist diese Vorschrift aber erst seit dem 28.09.2013.

      Nun zu Deiner Frage: was Rückwirkungen der neuen Verjährungsvorschrift betrifft, so wurde bei der letzten Änderung des § 78b StGB explizit Art. 316c EGStGB erlassen. Diese Vorschrift lautet:
      § 78b Abs. 1 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Artikels 1 des Dreißigsten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 23. Juni 1994 (BGBl. I S. 1310) gilt auch für vor dem Inkrafttreten des Dreißigsten Strafrechtsänderungsgesetzes am 30. Juni 1994 begangene Taten, es sei denn, dass deren Verfolgung zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt ist.
      Nach der Rechtsprechung des BGH bedeutet das: Diese Regelung gilt zwar auch rückwirkend für vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. April 2004 begangene Taten; ihre Anwendung ist indes ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits Verjährung eingetreten war (BGH, Beschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 281/13 –). Und nun, mit der ganz brandaktuellen Neuregelung? Diese Krieterien gelten offensichtlich auch für die insoweit jetzt ganz neue Regelung des § 78b Abs.1 StGB, in die nunmehr neben die Missbrauchsfälle auch die weibliche Genitalverstümmelung aufgenommen wurde.
    • Nur aus der bescheidenen Perspektive eines Nichtjuristen:

      Wer sich als Opfer einer Straftat fühlt, sollte Strafanzeige erstatten.

      Zu überlegen ist, ob man den Rechtsweg über Beschwerde, Klageerzwingungsverfahren etc. ausschöpft, um ggf. wegen Entzug des Opferstatus durch § 1631d BGB die Verletzung der Menschenwürde beim Bundesverfassungsgericht rügen zu können. Muss jeder für sich entscheiden.
    • Gerhard schrieb:

      Welche Verjährungsfrist gilt für eine Frau, das vor dem Inkrafttreten des §226a als Kind beschnitten/verstümmelt wurde, die Regelung nach §223 (bzw. §224 oder §225) oder die Regelung nach §226a?

      ...wobei ich nun, da ich so drüber nachdenke, aber noch darauf aufmerksam machen möchte, dass das mit der Verjährung ein eher theoretischer Exkurs war. Denn wenn wir uns mal überlegen, nach welchem Straftatbestand sich der Täter zu verantworten hätte, käme ja § 226a StGB gar nicht erst in Betracht, wenn die Tat vor Erlaß dieser Vorschrift begangen wurde. Dies liegt an § 1 StGB: keine Strafe ohne Gesetz. Ein uralter Grundsatz, der schon von den alten Römern beherzigt wurde. Ein Strafgesetz muss immer schon VOR Begehung der Tat erlassen worden sein. Da bleiben also nur die anderen Vorschriften übrig, die Du oben aufgezählt hast.
      Und weil die lange Verjährungsfrist ja nur für § 226a neu geregelt wurde, dieser Paragraf aber gar nicht anwendbar ist, kommen wir wieder zurück auf die normalen Regelungen mit ihren eigenen Verjährungsfristen.
    • Vielen Dank nochmals für Deine Antworten, Maria.

      Wenn ich als Nichtjurist Deine Erläuterungen richtig verstanden habe, dann müssten doch die folgenden Szenarien richtig sein:

      Fall 1:
      Ein Mann, der vor dem Inkrafttreten des §1631d als Kind „§1631d-konform“ (beide Sorgeberechtigten haben dem Eingriff zugestimmt, wurden umfassend über alle möglichen und alle zwingenden Folgen aufgeklärt, der Junge wurde in die Entscheidung, je nach Alter, einbezogen usw.) beschnitten/verstümmelt wurde kann Strafanzeige wegen Körperverletzung nach §223 (bzw. §224 oder §225) stellen, sofern die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Das Gericht müsste dann nach §1631d entscheiden (Freispruch), der Betroffene kann aber die Verfassungsmäßigkeit des §1631d BGB angreifen.

      Fall 2:
      Ein Mann, der nach dem Inkrafttreten des §226a als Kind beschnitten/verstümmelt wurde (egal ob „§1631d-konform“ oder nicht) kann die Verfassungsmäßigkeit des §226b und des §1631d BGB angreifen (GG Artikel 3 (3): Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.), als Verjährungsfrist müsste doch dann die Verjährungsfrist des §226a (21. Lebensjahr + Verjährungsfrist $226a) gelten.

      Fall 3:
      Erziehungsberechtigte, die ihren Sohn beschnitten/verstümmelt haben, können stellvertretend für Ihren Sohn die Verfassungsmäßigkeit des §1631d BGB angreifen, sofern die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Erfolgte die Beschneidung/Verstümmelung nach dem Inkrafttreten des §226a kann zusätzlich auch dieser Paragraf angegriffen werden.
      Das könnte in den Fällen relevant sein, bei denen ein Elternteil (bzw. beide Elternteile) seine Einstellung zur Beschneidung ändert oder wenn die Erziehungsberechtigung auf eine neue Person übergeht.

      Fall 4:
      Eltern, die ihre Tochter beschnitten/verstümmelt haben und angezeigt werden, könnten im Gerichtsverfahren die Verfassungsmäßigkeit des §1631d BGB (und des §226, wenn die Beschneidung/Verstümmelung nach dem Inkrafttreten des §226a erfolgte) angreifen.

      Fall 5:
      Können Eltern (ggf. stellvertretend für ihre Tochter) die Verfassungsmäßigkeit der Paragrafen 1631d und 226a angreifen, weil bei ihnen im Gegensatz zu Eltern mit einem Sohn (bzw. ihrem eigenen Sohn) die Personensorge in die Einwilligung einer medizinisch nicht erforderlichen Beschneidung z.B. vom Typ FGM Ia des nicht einsichts- und urteilsfähigen weiblichen Kindes verwehrt ist, so dass die Tochter nicht die „Vorteile“ eines Sohnes „genießen“ kann (z.B. vollwertiges Mitglied einer religiöse Gemeinschaft, verbesserte Hygiene usw.)?

      Ich hoffe, dass ich Euch mit meinen Fragen nicht zu sehr nerve.
    • Gerhard schrieb:

      Ich hoffe, dass ich Euch mit meinen Fragen nicht zu sehr nerve.

      Hallo Gerhard,

      nein, im Gegenteil! Es macht mir Spaß, das alles zu durchdenken und zu prüfen. Nur werde ich das ggf. Stück für Stück abarbeiten; manche dieser Fälle sind ziemlich komplex (aber hoch interessant). Vor allem nach einer Konstellation wie in Fall 2 war ich schon einmal gefragt worden, hatte das aber nicht zu Ende ausgearbeitet. Es lohnt sich jedoch, diese Fragen zu prüfen. Senf von den anderen Juristen hier im Forum nehme ich natürlich auch gerne entgegen! ^^

      LG Maria
    • So, hier mein erstes Stückchen. Sorry, ich hab die Tage grad viel um die Ohren und muss das häppchenweise abarbeiten.

      Gerhard schrieb:

      Fall 1:
      Ein Mann, der vor dem Inkrafttreten des §1631d als Kind „§1631d-konform“ (beide Sorgeberechtigten haben dem Eingriff zugestimmt, wurden umfassend über alle möglichen und alle zwingenden Folgen aufgeklärt, der Junge wurde in die Entscheidung, je nach Alter, einbezogen usw.) beschnitten/verstümmelt wurde kann Strafanzeige wegen Körperverletzung nach §223 (bzw. §224 oder §225) stellen, sofern die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Das Gericht müsste dann nach §1631d entscheiden (Freispruch), der Betroffene kann aber die Verfassungsmäßigkeit des §1631d BGB angreifen.

      Ja, wobei ich noch deutlich machen möchte, dass der Betroffene in einem Strafverfahren selbst keine "Partei" wäre, sondern bloß ein Zeuge, wenn und soweit er nicht auch als "Nebenkläger" auftritt, was ihm freisteht. Er würde also Strafantrag stellen. Sollte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen § 1631d BGB einstellen, so könnte der Betroffene nach § 172 StPO vorgehen. Er würde sich innerhalb von 2 Wochen beim Vorgesetzten der StA beschweren, also bei der Generalstaatsanwaltschaft. Das ist eine Dienstaufsichtsbeschwerde, wie man sie überall in der öffentlichen Verwaltung erheben kann; er müsste sich aber strikt an die 2-Wochen-Frist halten. Wenn jetzt die Generalstaatsanwaltschaft ebenfalls den Antrag auf die Eröffnung eines Hauptverfahrens ablehnt, so kann der Betroffene binnen eines Monats eine gerichtliche Entscheidung beantragen (sog. "Klageerzwingungsverfahren"). In beiden Fällen, am Besten schon bei der Erstattung des Strafantrages selbst, wäre es sehr ratsam, die Verfassungswidrigkeit des § 1631d BGB argumentativ sehr gut und umfassend darzulegen, wozu auch gehören würde, die Schwere des Eingriffes bei einer Beschneidung und deren Folgen dezidiert und gut belegt darzustellen und daraus die einzelnen Verstöße gegen die Verfassung sauber zu schlussfolgern. Auch wenn es rein formell die Aufgabe der StA wäre, diese Faktoren selbst zu ermitteln, wird sie in der Praxis wohl kaum den Humbug anzweifeln, den die Regierung in ihrer Regierungsbegründung zusammengekleistert hat. Ausgesprochen wichtig wären auch die angebotenen Beweismittel und Belege für die Darstellung der Tatsachenseite bei einer Beschneidung. Von Anfang an sollte der Betroffene hier also ganz, ganz sauber arbeiten, seine Darlegungen sehr gut begründen und belegen können und daraus die Verstöße gegen die Verfassung gut nachvollziehbar herleiten.

      Das Klageerzwingungsverfahren findet vor dem Oberlandesgericht (OLG) statt. Das ist insofern schon nicht ganz uninteressant, als das Gericht unabhängig ist, während die Staatsanwaltschaft bekanntlich weisungsgebunden ist. Obwohl sich hier die "Politik" normalerweise nicht einmischt, ist das bei einer Sache wie Beschneidung nicht von vorneherein völlig auszuschließen, wie ich meine - wiewohl ich hierbei wirklich nur spekulieren kann und eine reine Mutmaßung aufstelle!

      Ist das Hauptverfahren eröffnet, so kann das Gericht die Frage direkt dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen (sog. konkretes Normenkontrollverfahren), wenn und soweit es seine Entscheidung nicht auch aus anderen Gründen treffen kann und es für die Entscheidung absolut zwingend und unausweichlich auf die Frage ankommt, ob § 1631d BGB nun verfassungswidrig ist oder nicht.

      Ich persönlich habe gewisse Befürchtungen im Hinblick auf ein solches Verfahren, solange nicht die Ärzteschaft in ihrer großen Mehrheit die medizinischen Folgen der Beschneidung fachlich korrekt darstellt und die medizinische Literatur hierzu in einem stabilen Maße und in einem gewissen Umfang vorliegt.
    • Zu Fall 1 möchte ich noch ergänzen, dass es darauf ankäme, ob die Einbeziehung des Jungen schon als eigene Einwilligung zu werten sein könnte. Anders als die Geschäftsfähigkeit ist die Einwilligungssfähigkeit nicht an starre Altersgrenzen gebunden. Es kommt hier sehr auf die eigene persönliche Entwicklung und die jeweilige Einsichtsfähigkeit an.

    • Ich persönlich habe gewisse Befürchtungen im Hinblick auf ein solches Verfahren, solange nicht die Ärzteschaft in ihrer großen Mehrheit die medizinischen Folgen der Beschneidung fachlich korrekt darstellt und die medizinische Literatur hierzu in einem stabilen Maße und in einem gewissen Umfang vorliegt.


      Dankeschön Maria für das erste Häppchen, da ergibt sich für mich gleich noch eine Zusatzfrage: Weshalb sollte zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit nach GG Art. 3 (3) einer medizinisch nicht erforderlichen Beschneidung die Mehrheitsmeinung der Ärzteschaft zu den medizinischen Folgen einer Beschneidung relevant sein? Ich könnte nachvollziehen, dass die Meinung der Ärzteschaft für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit nach GG Art. 2 (2) interessant ist, dann müsste das Gesetz aber geschlechtsneutral formuliert sein.
    • Gerhard schrieb:

      Weshalb sollte zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit nach GG Art. 3 (3) einer medizinisch nicht erforderlichen Beschneidung die Mehrheitsmeinung der Ärzteschaft zu den medizinischen Folgen einer Beschneidung relevant sein?

      Lieber Gerhard,

      die Verfassungswidrigkeit wäre ja nicht nur an einem Grundrecht zu prüfen, sondern an mehreren. Was die Vergleichbarkeit von männlicher und weiblicher Genitalverstümmelung betrifft, gibt es immer wieder Diskussionen darüber, was genau verglichen wird und wie. Die Anzahl der spezialisierten Tastkörperchen, die anatomische Vergleichbarkeit oder die funktionelle Vergleichbarkeit? Natürlich ist das alles eine gleich absurde Menschenrechtsverletzung, aber wenn Du "nur" auf Art.3 GG abstellst, kommst Du in so eine seltsame Diskussion. Selbstverständlich werden Jungen und Mädchen vom Gesetz her rechtlich insgesamt ungleich behandelt, ich möchte das betonen.

      Wichtig sind aber auch noch die anderen Grundrechtsverletzungen: die sexuelle Selbstbestimmung etwa, natürlich die körperliche Unversehrtheit, das sog. "Wächteramt" des Staates und ganz zuletzt, wenn von der Sache her für das Gericht zweifellos nachgewiesen wurde, welche Folgen MGM tatsächlich hat und dass diese Folgen nicht angezweifelt werden können, würde sich die Frage nach dem Eingriff in die Menschenwürde stellen.

      Würden in einem Verfahren zu viele Sachverhalte unwahr dargestellt werden und hinterließen sie bei Gericht Zweifel, so könnte die Prüfung insgesamt zu "schwach" ausfallen.

      Zudem muss man sich vor Augen halten, dass auch das Verfassungsgericht nicht ganz frei von politischen und gesellschaftlichen Einflüssen ist. Bekannt ist ja, dass die Verfolgung Homosexueller früher vom BVerfG gehalten wurde, heute verwirft man das.

      Deswegen brauchen wir mehr "Background". Wenn zu viele Organisationen vor Gericht Sachverständigengutachten erstellen würden, in denen bunte Märchen und Fabelgeschichten von der angeblichen Harmlosigkeit der MGM erzählt werden würden - schau Dir nur einmal an, was Urologenverbände dazu äußern - dann werden unsere Chancen extrem kritisch. Wenn das Schundgesetz vom BVerfG gehalten werden würde, wären wir auf Jahrzehnte hinaus geliefert.

      In der Praxis möchte ich schon keine Urteilsgründe haben, in denen steht, die MGM beeinträchtige die Sexuälität des späteren Mannes überhaupt nicht, sei ein klitzkleiner Eingriff und beuge sogar Krankheiten vor. Denn bereits das hätte Auswirkungen für die Praxis. Stell Dir vor, ein Ehepartner möchte ein Kind in den Sommerferien ins Ausland schaffen, um heimlich eine MGM zu veranlassen (natürlich würde er nur was von der lieben Familie erzählen und im Ausland würde ein Arzt für den Gegenwert von ca. 50 € diagnostizieren, dass der Junge schwerkrank sei und das Präputium wegen Gefahr in Verzug sofort amputiert werden müsse), dann wären solche Urteilsgründe seitens des Verfassungsgerichts ein Desaster. Denn in der Praxis könntest Du den Jungen gar nicht schützen. Du könntest ihm etwa über Anordnungen des Familiengerichts oder schon im Vorfeld durch die Intervention des Jugendamtes wegen der Möglichkeit und der latenten Gefahr einer MGM nicht helfen, indem beispielsweise die Auslandsreise untersagt wird. Dann könnte die liebe Familie schnell als wichtiger eingestuft werden als die Möglichkeit eines harmlosen, winzigen Schnittchens, das doch so sehr gesund ist und den Kleinen in den Kreis seiner Familie aufnimmt [Ironie off].

      Zudem würden diese Einschätzungen des BVerfG weite Verbreitung und Verfestigung innerhalb der gesamten Rechtsprechung finden, mit fatalen Folgen für den Einzelfall.

      Und wenn das BVerfG sich schön auf die Märchen der Urologen und was nicht noch alles stützen könnte, könnte es einen Weg finden wollen, sich rauszuwinden, um die Verfassungswidrigkeit von § 1631d BGB nicht feststellen zu müssen. Das wäre der Super-Gau.

      LG Maria
    • Vielen Dank Frau Werner!

      Es handelt sich um zusammengeschwurbelte Mutmaßungen über das BVerfG, die durch nichts belegt sind, außer durch MWs Phantasie.

      Die Befürchtung, das BVerfG könnte sich auf "bunte Märchen und Fabelgeschichten" einlassen und sei nicht ganz frei von politischen und gesellschaftlichen Einflüssen, grenzt schon an öffentliche Schmähung dieser Institution.

      Maria Werner schrieb:

      In der Praxis möchte ich schon keine Urteilsgründe haben, in denen steht, die MGM beeinträchtige die Sexuälität des späteren Mannes überhaupt nicht, sei ein klitzkleiner Eingriff und beuge sogar Krankheiten vor.


      Für wie blöd müssen sich die Verfassungsrichter von Maria Werner eigentlich halten lassen?

      Hier wird abermals durch das Werfen juristischer Nebelkerzen Misstrauen gegenüber dem BVerfG geschürt.

      q.e.d.

      Lassen Sie das doch einfach, Frau Werner!
    • Lutz Herzer schrieb:

      Für wie blöd müssen sich die Verfassungsrichter von Maria Werner eigentlich halten lassen?

      Was willst Du mit solch plumpen Vorwürfen erreichen?

      Lutz Herzer schrieb:

      Hier wird abermals durch das Werfen juristischer Nebelkerzen Misstrauen gegenüber dem BVerfG geschürt.

      Dieses Mißtrauen ist ja nicht unbegründet. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier hat sich für eine Legalisierung der Beschneidung ausgesprochen, auch andere Verfassungsrechtler sind dafür. Ein Abschmettern des Beschneidungsgesetzes vom BVerfG ist alles andere als sicher.
      Ein gerupfter Spatz verspottet das Gefieder seiner Artgenossen. (Sorbisches Sprichwort)
    • Lutz Herzer schrieb:

      außer durch MWs Phantasie.
      Die entspringen auch meiner Paranoia. Ich will mit Maria haften. Bitte. :D
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • dass es Juden und Muslimen bei der Beschneidung aus religiösen Gründen nicht nur um eine Frage der Tradition und des Brauchtums, sondern um essentielle Glaubensinhalte geht. Demgegenüber ist die Einwirkung in die körperliche Unversehrtheit geringfügig, wenn die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.

      Genau das wäre der Backlash, den wir uns jetzt einfangen würden.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Guy schrieb:

      dass es Juden und Muslimen bei der Beschneidung aus religiösen Gründen nicht nur um eine Frage der Tradition und des Brauchtums, sondern um essentielle Glaubensinhalte geht. Demgegenüber ist die Einwirkung in die körperliche Unversehrtheit geringfügig, wenn die Beschneidung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt.

      Genau das wäre der Backlash, den wir uns jetzt einfangen würden.

      Oh - jetzt musste aber tief in die Kiste gegriffen werden.

      Es ist doch völlig unbedeutend, was Hans-Jürgen Papier am 24.07.2012 in der Beschneidungsdebatte gegenüber dem Focus äußerte. Ihm lag die Fassung des § 1631d BGB nicht vor. Er genoss und genießt auch die angenehme Situation, einen Beschluss des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des § 1631d BGB nicht begründen zu müssen. Da lassen sich leicht unverbindliche Gefälligkeiten garniert mit medizinischen Klischees verteilen. Als Arzt ist mir der Mann nicht bekannt.

      Auch ist von Juden und Muslimen im § 1631d BGB nun gerade nicht die Rede. Kein nichtjüdischer oder nichtmuslimischer Junge muss Einbußen seines strafrechtlichen Präventionsschutzumfanges und somit seiner Grundrechte zu Gunsten der Freiheit ausgewählter Religionsgesellschaften in Kauf nehmen. Das ist völlig ausgeschlossen. Sollte das BVerfG tatsächlich eine dahingehende Feststellung treffen wollen, müsste es konsequenterweise eine Grenze festlegen, wo denn dann Schluss sein solle mit der Religionsfreiheit. Was also abgeschnitten, tätowiert, eingebrannt oder sonst was werden darf und vor allem was nicht mehr. Und vor allem weshalb!Das würde niemals gelingen, schon im Hinblick auf die FGM.

      Über was hier gemutmaßt wird, ist nichts anderes als der Verfassungsbruch durch das BVerfG. Dann sollte dies auch bitteschön dementsprechend deklariert werden. Ansonsten ist das nichts anderes als Irreführung.
    • Lieber Lutz Herzer, Sie schreiben viel, sehr viel davon, wie Sie denken, dass andere sich verhalten und verhalten sollen. Das Verfassungsgericht, die Teilnehmer hier im Forum, über die Leute in den Links, ... . Und dabei legen Sie Ihre Einschätzung als Maßstab zu Grunde, letztlich Ihre persönliche Realität und Wahrnehmung.

      Lieber Lutz Herzer, genau aus so einer Haltung heraus wurde ich beschnitten. Da dachte ein Arzt, schon bevor ich überhaupt den Bauch meiner Mutter verlassen hatte, dass eine Beschneidung gut für mich wäre, ein Vorteil. Er hat es wahrscheinlich sogar gut gemeint. Er hat seine Realität als Maßstab genommen.

      Ich achte Ihre Meinung, und zugleich bitte ich Sie, dies mit anderen Einschätzungen auch zu tun. Mein subjektiver und persönlicher Eindruck ist ein anderer. Da habe ich den Eindruck, dass Sie eher von einem Podest heraus argumentieren, von oben herab. Argumente von anderen werden nach meinem Gefühl von Ihnen vom Tisch gefegt, mit Sätzen die sehr allgemeingültig formuliert sind und weniger als Darstellung Ihrer persönlichen Sichtweise, mit Respekt für den anderen Blickwinkel, die anderen Erfahrungen, ... .

      So muss ich an Einstein denken: "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind."

      Der Vorwurf, Maria Werner oder andere Teilnehmer im Forum hier würden sich (unbewußt) der Befürwortung der Beschneidung dienlich gegenüber verhalten, das ist genau mein Empfinden gegenüber dem Wesen in ihrem Verhalten. Leider. Es erinnert mich an die Ärzte meiner Kindheit.

      Das ist meine persönliche Meinung und vielleicht irre ich mich ja auch? Aber es ist, ehrlich, mein Erleben beim lesen ihrer Worte.
      Achtsamkeit ist ein aufmerksames Beobachten, ein Gewahrsein, das völlig
      frei von Motiven oder Wünschen ist, ein Beobachten ohne jegliche
      Interpretation oder Verzerrung. (J. Krishnamurti)
    • Lutz Herzer schrieb:

      Ihm lag die Fassung des § 1631d BGB nicht vor. Er genoss und genießt auch die angenehme Situation, einen Beschluss des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des § 1631d BGB nicht begründen zu müssen.

      Er war nicht der Einzige mit solchen Ansichten. Da gab es noch eine Verfassungsrechtler mit italienischem Migrationshintergrund, wie man heute vornehm sagt. Und die Absichten der Bundesregierung waren klar vorgegeben: Jüdisches und muslimisches Leben muss in D weiter möglich sein.


      Lutz Herzer schrieb:

      Auch ist von Juden und Muslimen im § 1631d BGB nun gerade nicht die Rede.
      Oh doch. "In dern ersten 6 Monaten" usw.
      Die Muslime hätten kein Problem mit einem Klinikzwang gehabt. Die Shabbat-Lubawitcher sehr wohl, daher der Mohel-Zusatz



      Lutz Herzer schrieb:

      Kein nichtjüdischer oder nichtmuslimischer Junge muss Einbußen seines strafrechtlichen Präventionsschutzumfanges und somit seiner Grundrechte zu Gunsten der Freiheit ausgewählter Religionsgesellschaften in Kauf nehmen.
      Nein, das nicht, aber sehr wohl zu Gunsten masturbationsfeindlicher oder hygienischer Eltern.
      Jeder in Deutschland kann seinen Jungen beschneiden lassen, gleich aus welchem Grund.
      Nur ist der Wille des Kindes angemessen zu berücksichtigen. Der wird mit steigendem Alter tendenziell relevanter.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Im Laufe der heutigen Auseinandersetzungen hat sich herausgestellt, dass vom "Forum" tatsächlich die Strategie verfolgt wird, Betroffene vom Beschreiten möglicher Rechtswege tendenziell abzuhalten. Das ist jetzt endlich mal raus. Allein diese grundsätzliche Strategie aus dem Forum herauszupellen hat sich für mich gelohnt. Es ist gut zu wissen, woran man bei dem Einen oder Anderen ist.


      Von verschiedenen Seiten habe ich vernommen:

      "Und bitte, nimm mir als Juristin das jetzt einfach mal so ab."

      "Ich als Anwalt..."

      "Such Dir doch einen Anwalt, der Deine Einschätzungen teilt und hier diskutieren möchte."


      Erstaunlich ist dann wiederum der Anschein, dass es von Ärzten und Psychologen im Forum geradezu wimmelt, wenn es ein medizinisches oder psychologisches Problem gibt.

      Naja - viel Spaß beim Weiterdiskutieren die nächsten zehn Jahre!
    • Lutz Herzer schrieb:

      dass vom "Forum" tatsächlich die Strategie verfolgt wird

      Lutz Herzer schrieb:

      Allein diese grundsätzliche Strategie aus dem Forum herauszupellen

      Lutz Herzer schrieb:

      Erstaunlich ist dann wiederum der Anschein



      Lutz, sei doch so sportlich zu respektieren, dass hier mehr Leute etwas anderes meinen als Du, ohne ihnen zu unterstellen sie verfolgten eine gemeinsame Strategie.

      Wer von uns allen kann schon behaupten, er könne hellsehen und abschätzen, welche nun die beste Vorgehensweise ist?

      Letzten Endes stehen nur Meinungen über ungelegte Eier einander gegenüber.

      Das kann man doch einfach so stehen lassen.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Das stimmt mich schon

      traurig wie das Alles angeblich zusammenhängt - oder zusammenhängen soll. Mir ist das jetzt zuviel mit der Zitiererei; aber der Bericht von Maria Werner von gestern um 18:40 Uhr kann einen normalen Menschen wie mich nur deprimieren. Ich weiß, dass sie dafür nichts kann-aber ganau das ist unsere Juristerei. Wenn ich das lese zur FGM-also da geht mir echt der Hut hoch- wie das vllt. auch noch alles unterschieden wird und wo und wie tief und wieviel ab geschnitten wird-Mann oh Mann.

      Ein bisschen schwanger gibt es einfach nicht-basta! Und wenn die FGM verboten ist, muss auch die MGM verboten werden. Ansonsten bin ich der Erste, der wieder darauf klagt, dass Mädchen und Jungs gleich zu behandeln sind-entweder MGM wird verboten oder FGM wieder erlaubt.

      @Traubenzucker: Ich bin hier nicht der selben Meinung, Lutz Herzer hat schon sehr berechtigte Beiträge und Denkanstöße geliefert.

      @Alle: Soll hier im Forum geduzt (was ja eigentlich in Foren im WWW Standard ist) oder doch lieber das "Sie" vewendet werden.
      Viele Grüße aus dem Rhein-Neckar-Raum

      Ich
    • Ich stimme Dir zu, ich finde das auch sehr traurig!
      Allerdings möchte ich hinzufügen, dass es beim Schutz von Kindern nicht allein um gesetzliche Bestimmungen geht. Sie allein werden Kinder nicht zu schützen vermögen. Es muss ein Umdenken stattfinden. Wir sehen am Beispiel FGM in den entsprechenden Regionen, wie schwer und langwierig so ein Weg ist und wie groß die Widerstände sind.

      D.h. bereits vor einem schließlichen gesetzlichen gleichen Schutz von Jungen und Mädchen können im Laufe der Aufklärung und des gesellschaftlichen Wandels viele Kinder vor Genitalverstümmelungen geschützt werden!

      Wir brauchen ein Gesetz, natürlich; aber dies ist nur ein Weg, nur ein Impuls für unser Ziel.
    • Wie es bei der Abtreibung lange gedauert hat, bis die Sache in allen Köpfen präsent war, so wird es auch hier dauern, bis ein gesellschaftliches Umdenken stattfindet und sich die Kenntnis über die Sachzusammenhänge und eine generelle Ablehnung der Beschneidung breit machen.

      Denkt mal an das Manifest der 343 Schlampen, wo sich 343 prominenten Französinnen dazu bekannten abgetrieben zu haben.
      Ab da wusste man doch, dass die Häufigkeit und Dunkelziffer der Abtreibungen hoch war. Diese mutigen Frauen, haben sich unter Strafandrohung geoutet und das Thema war auf einen Schlag nicht mehr als Randerscheinung abzutun.

      Und dann brauchte es auch Zeit, bis jedermann in seinem Dunstkreis wenigstens mittelbar persönlich davon betroffen war (Gattin, Tochter, Nichte, Bekannte, usw.). Dazu gehörten auch Richter und Politiker. Die haben auch weibliche Familienangehörige.
      Es ist immer leicht aus der Distanz über etwas zu urteilen.
      Aber wenn man mitbekommt, welche Gewissensentscheidung das nach sich zieht und wie vielschichtig das Problem ist, dann urteilt man auch als Richter anders.

      So wird es auch mit der Beschneidung sein. Eine mehr und mehr aufgeklärte Bevölkerung wird es Politikern und religiösen Eiferern unmöglich machen, das Thema unterm Teppich zu halten.
      Dann braucht es einen exogenen Schock (ein Todesfall, ein anderweitig erreichte Klage) und schwupp landet es beim BVG. Und dann wird es für die schwer die Religionsfreiheit als höchstes Gut anzuführen. Dann ist rum.
      Wie Maria schrieb, die Rechtssprechung läuft der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • ich schrieb:

      traurig wie das Alles angeblich zusammenhängt - oder zusammenhängen soll.
      Nur Mut! Die Konsequenz ist, dass wir viel Arbeit vor uns haben. Und viele hier sind extrem aktiv, was das betrifft. Die Lage, wie sie jetzt ist, ist zwar traurig und frustrierend, aber das bedeutet eben auch, dass es an uns ist, jetzt die Ärmel wirklich hochzukrempeln. Ein sehr großer Teil der Leute, die hier im Forum angemeldet sind, schwingen nicht nur Reden mit ihren Beiträgen, sondern sind unglaublich aktiv in der Aufklärungsarbeit an allen Fronten.

      ich schrieb:

      @Alle: Soll hier im Forum geduzt (was ja eigentlich in Foren im WWW Standard ist) oder doch lieber das "Sie" vewendet werden.

      Nein, natürlich ist hier das "Du" Standard, wie überall sonst auch.
    • Lutz Herzer schrieb:

      Naja - viel Spaß beim Weiterdiskutieren die nächsten zehn Jahre!
      Diesen Satz hatte ich glatt überlesen.

      Maria Werner schrieb:

      Ein sehr großer Teil der Leute, die hier im Forum angemeldet sind, schwingen nicht nur Reden mit ihren Beiträgen, sondern sind unglaublich aktiv in der Aufklärungsarbeit an allen Fronten.
      Genau das ist es. Manche hier scheinen tatsächlich zu denken, dieses Forum sei nichts anderes als eine nette Plauderecke, in der wir uns gegenseitig vollquatschen, bemitleiden und uns in unserem Frust suhlen, wie böse doch die Welt sei, unterm Strich würde hier aber nichts passieren.
      So ganz kann ich zwar nicht nachvollziehen, wie man auf dieses schmale Brett kommen kann, aber sei's drum.

      Tatsächlich ist dieses Forum nur EIN kleiner Teilbereich dessen, was wir tun: Wir bieten hier einen geschützten Raum und Hilfe für Betroffene und betreiben Aufklärung, indem wir Fakten zusammentragen und sie diskutieren.

      Aber ein sehr großer Teil der user hier ist noch in vielen anderen Bereichen aktiv. Ich verweise hier nur mal auf das Symposium am 6.5. in Köln und den alljährlichen WWDOGA. Das ist nur ein winzig kleiner Teil unserer Arbeit, die wir hier leisten, jeder auf seinem Spezialgebiet und nach seinen Kräften.
      Ich würde mir natürlich wünschen, dass sich noch viel mehr dazu einbringen, anstatt zu jammern und Reden zu schwingen. Denn der Berg an Arbeit, der vor uns liegt, ist gewaltig. Ich verstehe und akzeptiere aber auch, dass das - gerade für die Betroffenen - unheimlich schwer ist. Denn das kann bedeuten, aus der Deckung treten zu müssen. Und genau DAMIT haben wir verständlicherweise die meisten Probleme. Doch auch, wer dazu nicht bereit ist, kann dennoch viel dazu beitragen, dass sich das Bewusstsein darüber, WAS täglich in unseren Arztpraxen und Kliniken passiert, ändert.

      Und auf diesem Wege möchte ich mich mal bei all denen bedanken, die diese Arbeit leisten und sich jetzt angesprochen fühlen. :thumbup:
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Ich würde gerne darum bitten, die weitere Diskussion über die von Lutz Herzer eröffneten Fragen in diesem Strang fortzuführen: Erneute Strafanzeige gegen Teichtal / Fleischmann / Guary
      Es handelt sich um ein und dasselbe von Lutz Herzer eröffnete Thema und ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, dieses parallel in zwei Strängen zu diskutieren. Danke bis hierhin für die vielen interessanten und spannenden Beiträge der verschiedenen Userinnen und User; mir geht es nur darum, diese Doppel-Diskussion zweckmäßig in einem Strang zu bündeln und in diesem Strang nicht vom Thema abzulenken.

      Hier in diesem Strang hatte Gerhard bestimmte Fragen an die Juristen des Forums gestellt, und ich würde an diesen Fragen gerne weiterarbeiten, zumal die Antworten zeitlich auseinanderliegen können und das Thema nicht zerrissen werden sollte. Über Unterstützung von Picard oder andere Juristen zur Beantwortung der von Gerhard aufgeworfenen Fragestellungen würde ich mich natürlich freuen!
    • Fall 1:
      Ein Mann, der vor dem Inkrafttreten des §1631d als Kind „§1631d-konform“ (beide Sorgeberechtigten haben dem Eingriff zugestimmt, wurden umfassend über alle möglichen und alle zwingenden Folgen aufgeklärt, der Junge wurde in die Entscheidung, je nach Alter, einbezogen usw.) beschnitten/verstümmelt wurde kann Strafanzeige wegen Körperverletzung nach §223 (bzw. §224 oder §225) stellen, sofern die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist.




      Aber wie soll das in der Praxis gehen? Die Rechtsprechung sieht die Genitalverstümmelung von Jungen als "einfache Körperverletzung". Höchststrafe fünf Jahre -> Verjährungsfrist fünf Jahre. Oder sehe ich das falsch?
      Wer als Baby verstümmelt wurde, müsste demnach mit fünf Anzeige erstatten. Wen es mit sechs erwischt hat, der mit elf. Das ist utopisch.

      Frauen hingegen können sich selbst in "minder schweren Fällen" (meinen die damit die Klitoris-Vorhaut-Amputation?) noch bis zum 26. Lebensjahr überlegen, ob sie Anzeige erstatten.
      Deutlicher kann der Gesetzgeber nicht machen welches er für das Bessergeschlecht hält.
      Und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte? Ist der eine Hoffnung?
      Das ist fraglich. Der hat schon mal bei einer klaren Diskriminierung zum Nachteil von Männern (Wehrpflicht "nur für Männer") einfach den Schwanz eingezogen.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Frauen hingegen können sich selbst in "minder schweren Fällen" (meinen die damit die Klitoris-Vorhaut-Amputation?) noch bis zum 26. Lebensjahr überlegen, ob sie Anzeige erstatten.


      Wir sind aber noch beim Fall 1, also Beschneidung vor dem Inkrafttreten des §1631d (und dem Inkrafttreten des §226a), da galt: Mädchen als Baby verstümmelt, muss mit 5 Jahren Anzeige erstattet haben. Interessant wird es erst beim Fall 2.
      Mir ist schon klar, dass Fall 1 nur dann greift, wenn man ziemlich spät (z.B. mit 13 beschnitten wurde und sehr früh (bis 18 ) Anzeige erstattet.
    • Ich hab mal gelesen, die Verjährung würde erst dann zu laufen beginnen, nachdem der Schaden bewusst wurde. Sprich, wer als 6jähriger verstümmelt wurde und die Auswirkungen erst nach 20 verstanden hat, hat demnach bis 25 Zeit zu klagen.
      Diese Ansicht ist also falsch, oder?
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
    • Maria Werner schrieb:

      Allerdings wird die Verjährung unterbrochen, wenn das Verfahren in Gang gesetzt wird. Wird der Junge 18, sollte er also loslegen.


      Das verstehe ich nicht. "Das Verfahren in Gang setzen", setzt das nicht eine Anzeige voraus? Und wer soll die Anzeige machen? Ein Baby, ein fünfjähriges Kind? Würde ein "loslegen" mit 18 nicht nur dann funktionieren, wenn der Junge zur Tatzeit mindestens 13 war? Und mit 13 dürfte das in Deutschland in den letzten Jahren wohl kaum noch gemacht worden sein.
      Dazu kommt, dass heutzutage ziemlich viele mit 18 noch von ihren Eltern abhängig sind, "Hotel Mama" etc...
      21 wäre da schon angemessener.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Das verstehe ich nicht.

      Hier kannst Du sehen, durch welche Handlungen die Verjährung unterbrochen wird. Unterbrechung ist etwas anderes als "Ruhen". Das mit dem Ruhen hatte ich ganz oben besprochen, das betrifft z.B. Mädchen, die nach Inkrafttreten der neuen Regelung an ihren Sexualorganen verstümmelt wurden. Dann beginnt die Frist erst zu laufen, wenn die Mädchen 21 werden. Früher gab es in der Vorschrift über das Ruhen der Verjährung eine Altersgrenze ab 18, die ganz neue Regelung hat das heraufgesetzt auf 21 - aber eben nur für die Fälle des Ruhens, also in der Regel für die Fälle des sexuellen Missbrauchs und der Genitalverstümmelung von Kindern weiblichen Geschlechts.

      Weguer schrieb:

      Danke Maria, ich bring das immer durcheinander...

      Völlig normal! ;)
    • Maria Werner schrieb:

      Hier kannst Du sehen, durch welche Handlungen die Verjährung unterbrochen wird.


      Ich habe den von dir verlinkten Text gleich beim ersten mal gelesen. Ich verstehe trotzdem nicht, wie das funktionieren soll.
      Kannst du mal ein konkretes Beispiel nennen, welche Handlung eine solche Unterbrechung auslösen könnte?
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      Ich verstehe trotzdem nicht, wie das funktionieren soll.
      Kannst du mal ein konkretes Beispiel nennen, welche Handlung eine solche Unterbrechung auslösen könnte?

      Beispiel:
      Ein Junge wurde 2005 verstümmelt. Er wird 2008 volljährig und stellt Strafantrag gegen den Arzt. Die Staatsanwaltschaft bzw. die Polizei (die Polizei ist nur Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft bei der Strafverfolgung, was sie aber gar nicht gerne hört) nimmt die Ermittlungen auf. In dieser Phase spricht man in Bezug auf den Arzt noch nicht vom "Angeklagten", sondern vom "Beschuldigten" oder sogar erst vom "Verdächtigen". Kurz vor Ablauf der Verjährung im Jahre 2010 lädt die Polizei den Arzt (= Beschuldigter) zur ersten Vernehmung. Hierdurch wird die Verjährung unterbrochen. Sie fängt von Neuem an zu laufen und endet erst 2015.

      So Ihr Lieben, ich bin ziemlich in Pressur, bitte seid mir nicht böse, wenn ich alle weiteren Fragen erst nächste Woche beantworte.
    • Selbstbestimmung schrieb:

      "Das Verfahren in Gang setzen", setzt das nicht eine Anzeige voraus?

      Bei bestimmten Straftatbeständen muss der Betroffene einen Strafantrag stellen, so etwa bei der "normalen" Körperverletzung oder bei Beleidigung. Ohne diesen Strafantrag des Verletzten kommt in diesen Fällen kein Verfahren zustande. Stellvertretend für ihn könnten auch die Eltern für ihr minderjähriges Kind Strafantrag stellen, aber das ist wohl kaum realistisch, wenn sie vorher die MGM selbst veranlasst haben.

      Zu unterscheiden ist das von der Strafanzeige bei all den Delikten, die keinen Strafantrag voraussetzen. Strafanzeige heißt, dass jeder bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft eine Anzeige erstatten kann, das muss dann nicht der Verletzte sein.

      Sorry Selbstbestimmung, wenn ich das gerade so schnell und stückchenweise hinholpere, ich hab echt ganz wenig Zeit grad...
    • Ein Junge wurde 2005 verstümmelt. Er wird 2008 volljährig

      Dann war der Jugendliche bei der Vorhaut-Amputation 15 Jahre alt.
      Wenn man davon ausgeht, dass er nicht mit Gewalt auf dem OP-Tisch festgeschnallt wurde, wäre das auch nach dem §1631d-Alternativ-Entwurf eine legale Operation gewesen.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Ja klar, das war jetzt nur'n Beispiel, um die Verjährungsunterbrechung zu erläutern. Natürlich gibt es dann noch die Frage der Einwilligung; man könnte das "unendlich" weiterführen und fragen: ist ein 15-Jähriger im Einzelfall nicht trotzdem noch zu jung, um die Folgen eines dermassen gravierenden Eingriffs wie die Beschneidung wirklich abzuschätzen? Ist die Einwilligung sogar sittenwidrig nach 228 StGB?

      Logisch ist es ein Problem, dass die Jungen üblicherweise in viel jüngerem Alter beschnitten werden. Klar. Deswegen hat man ja auch für die MÄDCHEN - selbstverständlich NUR für MÄDCHEN - diese Vorschrift über das Ruhen der Verjährung eingefügt.

      Aber ich habe Gerhards Fragen als von Anfang an eher theoretisch verstanden, um bestimmte Grundsätze und Unterschiede herauszuarbeiten.