Folgen des Traumas - Statement einer Amerikanerin

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    • Folgen des Traumas - Statement einer Amerikanerin

      Ich sagte meinem Mann, dass wir unser Baby nicht beschneiden würden - mein Hauptgrund war, dass ich in Europa gelebt hatte und wusste, dass die Vorhaut ein wichtiger Teil der männlichen Sexualanatomie war...

      und ich respektierte sie als solchen - ich glaubte nicht, dass dies die Art Entscheidung ist, die Eltern fällen dürfen... man schneidet nicht am Penis anderer Leute herum... basta.

      Aber das Problem war, dass mein Mann, der beschnitten war, sich nicht VORSTELLEN konnte, dass eine Vorhaut ein Teil des Penis ist, weil er keine Vorhaut hatte... und sein Penis war IN ORDNUNG... nicht BESCHÄDIGT! Er konnte einfach nicht diesen Sprung machen, dass er selbst sexuell okay war und ein anderer Mann sexuell okay ist mit noch mehr sexueller Anatomie, als er selbst hatte. Er war in einem Zustand der Panik zwischen gesundem Menschenverstand und Selbstverteidigung.

      Wir stritten heftig - ich war verblüfft über seine Reaktion - er schien nicht er selbst zu sein - es war, als ob er ein Roboter wäre, dem man einen "Beschneidung ausführen"-Befehl einprogrammiert hatte...

      und als ich dem ein unerwartetes Hindernis in den Weg stellte, drehte das ganze System durch.

      Die verstörendste Szene der ganzen Zeit war mein Mann, wie er wie ein Fötus zusammengerollt auf der Couch lag, ein Kissen in seinen Schritt gepresst, und weinte... und immer noch verlangte, dass wir es tun müssten. Mit Tränen in den Augen schrie er mich an, dass er IN ORDNUNG sei und nicht BESCHÄDIGT. Für mich war es, wie Regressionstherapie zu beobachten - ich sah, wie mein Mann den Schmerz seiner eigenen Beschneidung noch einmal erlebte... sein äußerlicher Körper zu solch einer defensiven Position zusammengekrampft - emotional bettelte er darum, endlich eine Auflösung für diesen Schmerz zu finden... und die Lösung, die er meinte, gefunden zu haben, war, das Baby zu beschneiden... um Beschneidung richtig zu machen. Es war die einzige Möglichkeit, wie er sich selbst überzeugen konnte, dass es angemessen ist, Beschneidung Babys anzutun... Männern anzutun.

      Ich würde gerne der Person wehtun, die diesen wunderbaren Mann in so eine quälende Situation gebracht hat - wo die Geburt eines wunderschönen, normalen Kindes - EINES SOHNES! - mit einem vollständigen Sexualorgan eine Bedrohung für seine lange aufrecht gehaltene Fantasie war, dass "das, was mir passiert ist, in Ordnung war".

      Er war in innerlichem Aufruhr - "der Beweis von MEINEM normalen Körper muss von ihm GETILGT werden, sobald ich ihn sehe - ich kann es nicht ertragen, daran erinnert zu werden, was mir angetan wurde. Ich kann ihn nicht ansehen und denken, das könnte ICH sein. Wie leicht ist es, ihn zu beschützen... wie leicht hätte es sein können, MICH zu verschonen."

      Ich schätze, dass sein wahres Ich gewonnen hat... er hat sich Zeit genommen, um ganz für sich nachzuforschen (wo es ihm nicht peinlich sein musste, zu lernen oder zu weinen oder was auch immer) und schließlich verstand er, dass Beschneidung nicht gut für Babys ist und dass wir unser Baby NICHT beschneiden würden. Der Gedankenumschwung kam abrupt - und das war gut - denn als unser Baby 5 Wochen zu früh in einem Schneesturm zur Welt kam, brauchte unsere Familie Einheit und Liebe und Vertrauen. Ich war noch ausgeknockt vom Notkaiserschnitt, als der Arzt meinen Mann fragte, wann die Beschneidung sein solle - und mein Mann war derjenige, der sagte: WIR TUN ES NICHT.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Die Möglichkeiten und Grenzen der Aufklärung, geballt.

      Welcher Mann will schon wissen, dass seinem besten Stück mit der Vorhautlosigkeit eventuell irgend etwas fehlt, zumal er es anders ohnehin nicht kennt? Aus individueller Perspektive ist es nur psycho-logisch, das zu ignorieren.

      Deshalb halte ich bei unserem Anliegen das Pochen auf das uneingeschränkte Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung für beide Geschlechter für mindestens ebenso wichtig wie die Aufklärung über mögliche negative Effekte.
    • Die verstörendste Szene der ganzen Zeit war mein Mann, wie er wie ein Fötus zusammengerollt auf der Couch lag, ein Kissen in seinen Schritt gepresst, und weinte...


      Vielleicht ist die neonatale VA ja so etwas wie der Janov'sche Urschmerz, und um ihn aufzuarbeiten muss er noch mal durchlebt werden. ?(
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"
    • susanna schrieb:



      Welcher Mann will schon wissen, dass seinem besten Stück mit der Vorhautlosigkeit eventuell irgend etwas fehlt, zumal er es anders ohnehin nicht kennt? Aus individueller Perspektive ist es nur psycho-logisch, das zu ignorieren.
      Die Erkenntnis, dass man verstümmelte Genitalien hat und die Sexualität nur eingeschränkt erleben kann, ist eine sehr harte Erfahrung. Da ist es doch einfacher, wenn man den Tatsachen nicht ins Auge schaut.
    • Guy schrieb:

      ... und sein Penis war IN ORDNUNG... nicht BESCHÄDIGT! ...

      Diese Geschichte klingt mir ehrlich gesagt fast zu "perfekt". Es taucht die Frage auf, ob ein Kind beschnitten werden soll, der Vater durchlebt psychologisch ansatzweise seine eigene Beschneidung und aus den Rechtfertigungsversuchen seiner eigenen Beschneidung entwickelt sich dann eine Abwehrhaltung gegen Zwangsbeschneidungen. Ich kenne die Quelle nicht und kann daher nicht abschätzen, ob diese Geschichte mit Happy End wirklich wahr ist.

      susanna schrieb:

      Deshalb halte ich bei unserem Anliegen das Pochen auf das uneingeschränkte Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung für beide Geschlechter für mindestens ebenso wichtig wie die Aufklärung über mögliche negative Effekte.

      Seit Alice Schwarzer wissen wir doch, dass es offenbar auch weibliche Penisse geben muss, so wie es verunreinigte und nicht verunreinigte geben muss:

      "Bereits 2007 rieten sowohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als
      auch die UN dringend zur Beschneidung von Männern: als Prävention gegen
      Aids, Peniskrebs und Gebärmutterhalskrebs. Denn letzterer wird
      verursacht von einem verunreinigten männlichen Penis."

      das-maennermagazin.com/blog/ge…g-von-jungen-und-maedchen

      Aus diesem Grund ist es ja schon selbstverständlich, dass Beschneidungen selbstverständlich bei beiden Geschlechtern verboten werden müssten, wenn man verhindern will, dass Mädchen beschnitten werden ;)

      Jetzt aber mal ganz im Ernst, wie sieht aktuell die rechtliche Situation für transsexuelle Kinder in Deutschland aus. Aktuell dürfe ja nur Jungen verstümmelt werden. Was wäre nun aber, wenn man sich beim 8 Tage alten Säugling nicht sicher wäre, ob er / sie nicht eine transsexuelle Neigung besitzt. Müsste man dann nicht aus rechtlichen Gründen abwarten, bis das Kind alt genug ist, um dessen tatsächliche Orientierung feststellen zu können.

      Liebe Grüße aus dem Land des Regenbogens...

      Nachtrag: Dürrenmatt hatte Recht: "Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden." bzw. jederzeit wieder gedacht werden...Hier war jemand schneller als ich, aber das zeigt, dass ich vermutlich nicht ganz falsch liege:
      Bildungsabsolutismus, Gender und das Grundgesetz
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Intersexuelle (nicht transsexuelle, da gibts Unterschiede) werden derzeit noch weitgehend nach dem äußeren Erscheinungsbild operiert. "Geschlechtsangleichend".

      Klitoris zu groß in der Vagina => Intersexuell, Klitorodektomie zumindest teilweise, wird den Eltern angeraten. Recht heftig ist da eine Klinik in Hannover, die die Eltern da echt in die Bredouille bringt.

      Penis zu klein => eigentlich ein Mädchen => operieren, Neovagina anlegen und durchziehen.

      Wenn ihr glaubt, dass eine Beschneidung wehtut - das Anlegen einer Neovagina ist auch nicht gerade ein Spaziergang.

      de.wikipedia.org/wiki/Kolpopoese

      Ich habe da mehr als einmal drüber gebloggt, die Intersexuellen gehen auch langsam auf die Barrikaden, da sie ebenfalls lebenslang unter massiven Einbußen der Lebensqualität leiden. Ich mach mal hemmungslos Werbung für den eigenen Laden jetzt. Wenn das nicht in Ordnung ist, killt das Posting einfach (aber bitte nur das Posting, nicht mich! *g*)

      grabbelkiste.org/2013/06/07/biologie-vs-kultur/

      grabbelkiste.org/2014/01/14/der-doktor-weiss-es-besser/

      grabbelkiste.org/2012/12/25/medizinische-zwangsbehandlungen/

      /nochn Edit:
      Kleine Begriffserklärung:

      Transsexuell => Frau im Männerkörper, Mann im Frauenkörper. Das *kann* man erst bei älteren Kindern feststellen, die sich des eigenen Geschlechtes schon bewußt sind. Manche von denen sind selbst in jungen Jahren sehr adamant darin, dass sie doch bitte kein Mädchen/Junge sein wollen, sondern das andere.

      Intersexuell => Mensch mit beiderlei Geschlechtsmerkmalen in unterschiedlicher Ausprägung. Dank unserer "Normierungssucht" gelten bereits Mädchen mit einer zu groß geratenen Klitoris je nach Operateur als "Intersexuell".

      DAS Thema ist von der Tragik her noch eine völlig andere, weil die Opfer dieser Behandlung echt kaum auf Verständnis hoffen dürfen. Weil:

      "Biste ne Transe?"
      "Ne, Intersexuell, aber falsch operiert"
      "Also doch ne Transe"
    • Ich verstehe das Argument von NoCut, dass der zu beschneidende Junge in Wirklichkeit ein Mädchen in einem männlichen Körper sein könnte ... und dass das doch eigentlich auch auch die grüne Jugend überzeugen müsste, sich gegen 'Beschneidung' MInderjähriger ins Zeug zu legen ;)

      @ Selbstbestimmung: da bist du auf eine interessante Fährte geraten. Ich habe Janov in seinem Blog gefragt, wie er die traumatischen Auswirkungen der vielen in den USA stattgefundenen/-findenden *Beschneidungen* von neugeborenen Jungen einschätzt. Antwort: "major trauma". Leider konnte ich bislang in seinem Blog und auf der Webseite seines Institutes keine weiteren Äußerungen zum Thema Beschneidung finden, dabei handelten seine lezten beiden Bücher von Sex und von der Entwicklung im Mutterleib.
      ...Wir haben bis jetzt keine Freiheit des Einzelnen, des Individuums, des Bürgers. [Allen Menschen bei uns ist das Zugehörigkeitsgefühl] am wichtigsten. Sie sind Mitglieder der Nation oder Religion, aber nicht selbstbewusste und -verantwortliche Menschen.
      ein katholischer Theologe in einer Doku über Ex-Jugoslavien

      Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
      Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. ...
      Khalil Gibran
    • Man hat das Leid der zwangsverstümmelten intersexuellen Kinder lange Zeit unter den Teppich gekehrt, tabuisiert, ignoriert.
      Dann kam der Roman "Middlesex" von Jeffey Eugenides, der Pulitzer-Preis und auf einmal sagten alle: "Boah, wie schrecklich, wie kann man das Kindern nur antun!!!"

      Es gibt Zwischenformen von Penis und Klitoris. Soll da der §226a StGB gelten (ab in den Knast!) oder der §1631d BGB (Aber sia! Total legal, ihr sorgt euch wenigstens um euer Kind!)

      Aber im Zweifel, das schneidet man auch gleich die Hoden ab, und macht ein "Mädchen" draus, egal, was es im Kopf ist (it's easier to make a hole than to make a pole")

      Ich glaube, ohne die "Problematik" MGM wäre in dem geplanten Gesetz gegen Schönheitsoperationen bei Kindern auch was für die intersexuellen Kinder drin gewesen. Aber da hatte man dann wohl Angst, schlafende Hunde bzgl. MGM zu wecken.

      Vielleicht müsste mal jemand einen literarisch hochklassigen Roman über die Genitalverstümmelung bei Jungen schreiben?
      Deutscher Bundestag 2013: "Mädchen sind toll, so wie sie sind. Und niemand hat das Recht ihnen weh zu tun und an ihrer Vulva etwas abzuschneiden"
      Deutscher Bundestag 2012: "Jungen sind nicht unbedingt toll, so wie sie sind. Und alle Eltern haben das Recht ihnen weh zu tun und an ihrem Penis etwas abzuschneiden"
    • Ich tu mich mit dieser Diskussion etwas schwer, was man nun bei transsexuellen Kindern angesichts des 1631 BGB herum schnippeln darf. Wir haben uns hier grundsätzlich dagegen positioniert, dass an den Genitalien von Kindern ohne stringente medizinische Indikation herum geschnitten wird. Punkt.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • was ich hier über Transsexuelle geschrieben habe, war nicht ganz ernst und nur als Rumbohren in den Widersprüchen der grünen Jugend gemeint. Ich bin definitiv gegen Genitalverstümmelungen bei allen Jungen, Mädchen und zwischengeschlechtlichen Kindern!
      ...Wir haben bis jetzt keine Freiheit des Einzelnen, des Individuums, des Bürgers. [Allen Menschen bei uns ist das Zugehörigkeitsgefühl] am wichtigsten. Sie sind Mitglieder der Nation oder Religion, aber nicht selbstbewusste und -verantwortliche Menschen.
      ein katholischer Theologe in einer Doku über Ex-Jugoslavien

      Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
      Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. ...
      Khalil Gibran
    • Suchende schrieb:

      Ich verstehe das Argument von NoCut, dass der zu beschneidende Junge in Wirklichkeit ein Mädchen in einem männlichen Körper sein könnte ...

      Du hast mich genau richtig verstanden. Wer gibt dem Gesetzgeber das Recht, den Körper über den "Geist" zu stellen und damit eine Zwangsbeschneidung nach § 1631d BGB zu legitimieren.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)