Ärztezeitung 2.10.2013: Brian Morris und John Krieger: Beschneidung hat keinen Einfluss auf Sexualität

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    • Ich war mal so dreist und hab der Ärztezeitung als medizinischer Laie geschrieben:

      Sehr geehrte Damen und Herren,

      ich schreibe ihnen, um ihnen meine große Enttäuschung über ihren deutlich unreflektierten Bericht über die Metastudie zur Beschneidung mitzuteilen.

      Als jemand, der sich für die Beendigung dieser archaischen und grausamen Form der Genitalverstümmelung einsetzt, bin ich über die positive Art, mit der sie die Studie anpreisen, entsetzt. Haben sie die Studie überhaupt gelesen? Haben sie vorher überhaupt mal recherchiert, *wer* da diese Metastudie erfasst hat? Haben sie mal geprüft, ob auch ethische Fragen erörtert wurden? Haben sie geprüft, ob in der Studie ein Kosten-/Nutzenverhältnis abgeprüft wurde, ob die Risiken tatsächlich die Vorteile überwiegen?

      Es geht den Ärzten (die keine Forscher sind, das ist ein Unterschied) in erster Linie um die RIC - die Routine Infant Circumcision, die die betäubungsfreie Beschneidung von männlichen Säuglingen im Alter von 24 Stunden bis etwa 5 Tagen vorsieht. An dieser Beschneidungsform sterben sehr viele Kinder. In den USA alleine nach konservativen Schätzungen pro Jahr über 100 Babies.

      Die RIC ist aber auch ein sehr großes Geschäft. Und da immer mehr Männer dort drüben wach werden und sich fragen, was dort mit ihnen geschehen ist, der Widerstand gegen die RIC inzwischen sehr massiv wird, und auch immer mehr Eltern entscheiden, ihre Kinder intakt zu lassen, ist dieses Geschäft bedroht.

      Das Geschäftsfeld ist dabei recht vielfältig:

      - Verkauf der notwendigen Ausstattung: Circumstraint, Mogen-/Gomcoclamp/Plastibell, Verbrauchsmaterialien
      - die abgetrennten Vorhäute der Kinder werden häufig weiterverkauft: In der Kosmetikindustrie werden Anti-Ageingprodukte daraus gewonnen (Oprah Winfrey war deswegen heftig in der Kritik) und in der Pharmaindustrie werden sie zur Zucht von Kunsthaut benutzt.
      Preis pro aufbereiteter Vorhaut, nach meinem Kenntnisstand: zwischen 400 und 1000 Dollar (Quelle: Dr. Ryan McAllister).

      In Deutschland hat der Kampf gegen diese grausame Form der Genitalverstümmelung mit einem Gesetz geendet, dass die Situation für die Kinder noch schlimmer gemacht hat. Seither sind in den Elternforen sehr viele Pro-Beschneider unterwegs, einige von ihnen deutlich mit einem Beschneidungsfetisch, die die Vorteile der Beschneidung anpreisen.

      Doch da sind keine.

      Wenn sie sich die Studienlage zu den Beschneidungen genau ansehen, werden sie feststellen, dass ausnahmslos alle diese Studien inzwischen widerlegt sind.

      Alle.

      Keine einzige konnte die vermuteten Vorteile nachweisen. Und in Afrika löst das gerade eine neue AIDS-Tragödie aus.

      Beschäftigen sie sich doch bitte mal ein wenig mit der Geschichte der Beschneidung, die ursprünglich von Dr. Kellogg (ja, der mit den Cornflakes) als Bestrafung für das masturbieren vorgesehen war und daher so schmerzvoll wie möglich stattfinden sollte. Als das viktorianische Zeitalter vorbei war, verlegten die Ärzte, die um ihr Einkommen fürchteten, die Beschneidung immer weiter nach vorne und heute werden Säuglinge beschnitten als Kur ohne Krankheit.

      Ich würde mir wirklich wünschen, sie würden diese doch recht ernste Thema mit der gebührenden Ernsthaftigkeit zu behandeln.

      Wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, stößt man sehr schnell auf eine große Sauerei, auf sehr viele tote und fürs Leben gezeichnete Kinder und Männer, die einfach durch die Statistik fallen, weil es keine Studie gibt, die die Risiken der Beschneidung einfach mal erforscht.
      Ich würde mich wirklich freuen, wenn sie ihren Artikel vor diesem Hintergrund noch einmal überarbeiten würden.

      P.S.: Dr. Morris, der begleitende Autor der von ihnen genannten Metastudie, ist Inhaber der Domain www.procirc.net - und auf der Seite sind Links zu Circumfetish-Seiten. plosmedicine.org/.../10.1371/journal.pmed.0030078 Soviel zu der Neutralität der Studienersteller.

      Mit freundlichen Grüssen
      K. L.


      P.S.: Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr wohl Studien gibt, die sich mit den Auswirkungen beschäftigen. Ich kannte die zu dem Zeitpunkt aber nicht. ;)

      Mal sehen ob die antworten.
      So. Und jetzt mal schlechte Laune bei der WHO verbreiten.
    • Die allerwenigsten der von Morris und Krieger untersuchten Studien beziehen sich auf Kinderbeschneidung (zwei davon stammen aus der Türkei!). Dass Morris und Krieger die Folgen von RIC untersuchen, wie sie am Schluss ihres Artikels behaupten, ist also schon mal Blödsinn.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Ich werd wahrscheinlich nicht täglich hier reinschauen. Aber danke für die "Hall of Fame" wollte ich schon sagen. :)

      Das wird jetzt (mal wieder) leicht OT - aber ich hab das passende Forum auch nicht gefunden. Habt ihr eine Antwort?

      Mir fällt in letzter Zeit zunehmend auf, dass Abtreibungsgegner und Beschneidungsbefürworter in den USA oft dieselben Personen sind.

      Ein Argument, was ich von den Abtreibungsgegnern immer wieder höre, ist, dass die Abtreibung so widerlich ist, weil das Kleinchen doch die furchtbaren Schmerzen spürt, wenn es auseinandergerissen wird (das sind nicht meine Worte übrigens).

      Demgegenüber steht dann das Argument, dass man Babies ruhig beschneiden kann und das auch ohne Betäubung, weil sie ja schließlich die Schmerzen wegen des unterentwickelten Nervensystems nicht so merken.

      Kann mir an dieser Stelle jetzt mal jemand den Begriff "Kognitive Dissonanz" erklären?
    • Menschen sind dazu geschaffen, Entscheidungen treffen zu können. Davon treffen wir täglich sehr viele, und manchmal reflektieren wir sie im Nachinein.
      Hierbei bringen wir unser Selbstbild mit unserer Entscheidung in Einklang. Gelingt dies nicht besteht eine kognitive Dissonanz.
      Bsp:
      1) Selbstbild: Ich bin eine fürsorgliche Mutter, die nur das beste für Ihr Kind will. Ich will meinem Kind kein Leid zufügen.
      2) Handlung: Ich habe meinem Kind mit der Beschneidung Schmerzen/Schaden zugefügt. Ich bin eine schlechte Mutter.

      Auflösung der Dissonanz erfolgt über eine Umdeutung bzw. Rechtfertigung des weniger starren, weniger umfassenden Teils: Es musste sein. Es war das beste für ihn. Wir haben das immer schon so gemacht. Aber der Arzt hat es ja für notwendig erachtet.
    • Ich weiß das, sorry, ich neige manchmal zu rhetorischen Fragen.

      Diese Art Schizophrenie ist es, die mich ständig und dauerhaft auf die Palme treibt. Die Argumente "pro Beschneidung" sind zum Teil so dermaßen bigott, dass man einfach nur noch im Achteck springen kann.

      Und am meisten regt mich auf, dass genau diejenigen, die eigentlich für Gleichberechtigung kämpfen, die Beschneidung mit Sätzen verteidigen, die, würden sie von einem Mann geäußert, diesen sofort ins Gefängnis bringen würden.

      "Beschneidung reduziert das Sexualempfinden? Das ist perfekt, so kann er wenigstens nicht rumlaufen und Frauen vergewaltigen".

      Und das ist noch einer der harmloseren. *schnauf* gibts ihr irgendwo einen Rant-Thread zum Dampf ablassen? *g*
    • Tante Jay schrieb:

      gibts ihr irgendwo einen Rant-Thread zum Dampf ablassen?

      So ein Unterforum hatte ich schon mal angeregt. Quasi ein Outlaw-Territorium, in dem man dringenden Ausflipp-Bedürfnissen nachkommen kann, ohne sie in zivilisationsfreundliche Formulierungen packen zu müssen. Quasi "Meinung pur" anstatt "on the Rocks".
      Ging aber nicht durch. War wahrscheinlich besser so, sonst würde wahrscheinlich das restliche Forum austrocknen... :D
      Wenn aus Recht Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht! (Bertold Brecht)
      Bräuche und Traditionen können den Menschen an jegliche Abscheulichkeiten gewöhnen (G.B. Shaw)
      Nicht unseren Vorvätern wollen wir trachten uns würdig zu zeigen - nein: unserer Enkelkinder! (Bertha von Suttner)
      tredition.de/autoren/clemens-b…-schnitt-paperback-44889/
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Es gibt noch was geileres als Bielefeld:

      Conflict of Interest: The authors report no conflicts of interest.


      Aber wirklich lustig ist auch, was die aus der Laumann-Studie machen:

      of 1,398 men reported that circumcised men engaged in a more elaborate set of sexual practices, suggesting they enjoyed a more varied sexual lifestyle, and that their female partners were more pleased with the esthetics of a circumcised penis [40].


      Der wesentliche Unterschied war, dass vorhautlose Männer signifikant öfter masturbieren.
      Laumann hatte selbst mal in einem Interview gesagt, das könnte wohl an der Desensibiliserung liegen.

      Und dass die Partnerinnen die Ästhetik von Vorhautlosen mehr erfreute ist aus den Fingern gesogen.
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Der grösste Skandal besteht darin, dass Morris et.al. immer noch eine Platform finden, auf der sie ihre tendenziösen Artikel veröffentlichen können. Und natürlich hat sich auch bei der Ärztezeitung niemand mit der Studie beschäftigt. Man hat einfach nur den Abstract heruntergebetet.

      Jedem Laien springen die Ungereimtheiten in's Auge, wenn z.B. Morris bezüglich der Studie von Frisch behauptet, Fragebogenaktionen seien grundsätzlich nichts wert, diese aber für bare Münze nimmt, wenn die Ergebnisse ihm in den Kram passen. Türkische Studien werden als Kronzeugen aufgerufen, obwohl sie eine ganze Reihe sexueller Dysfunktionen offenbaren, und aus keiner einzigen Studie geht hervor, dass in der Kindheit Beschnittene davon Vorteile haben. Trotzdem wird das in der Ärztezeitung an die grosse Glocke gehängt. (würg)
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    • Das Teuflische an allen Initiationsriten wie z.B. der Beschneidung von Frauen und Männern ist, dass sie von denen, die sie durchlaufen haben so verinnerlicht werden, dass sie diese auch anderen "angedeihen" lassen wollen. Das scheint mir der psychologische Hintergrund dafür zu sein, dass diese beiden Männer die Auswirkungen ihrer Beschneidung herunter spielen. Was Ausnahme sein mag, wird hier zur Regel erklärt. Im übrigen möchte ich beide Herren einmal wieder sprechen, wenn sie in die Jahre kommen, wo die sexuelle Erregbarkeit aus biologischen Gründen nach lässt. Sie werden in jüngeren Jahren als die Unbeschnittenen anfangen zu beten: "Oh Herr, du hast mir das Können genommen, nimm mir nun auch noch das Wollen."
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Man fragt sich ja immer, was sind das für Zeitschriften, die so einen Murks so einem berüchtigten Murkser veröffentlichen?

      Der Herausgeber jener Journaille heißt Irwin Goldstein. Und der hat auch selber schon ein paar bemerkenswerte Sprüche losgelassen:

      "When God invented sexual activity, the arousal response is actually a form of anesthesia," said Irwin Goldstein, editor of the Journal of Sexual Medicine.

      "It actually makes more sense when you think of it that way," he said, explaining that if the penis became more sensitive, it might limit sexual activity and, therefore, reproduction.


      So schrecklich sind Frauen doch eigentlich auch nicht, dass man Sex mit ihnen nur unter Betäubung ertragen könnte? ?(
      Vorhaut hat Vorteile. Sonst gäbe es sie nicht.
    • Vielleicht ist das die Grundlage für manche Missverständnisse zwischen Männern und Frauen ;)


      "Results indicated that, for women, sexual arousal was accompanied with an increase in vulvar sensitivity. This is opposite to the decrease in sensitivity observed in men."


      binik-lab.com/pdf/paynejsm.pdf
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    • werner schrieb:

      Brian Morris ist Jahrgang 1950 und John Krieger Jahrgang 1948...
      Dann würde mich noch interessieren, ob die beiden selbst beschnitten sind.

      Mir kam übrigens beim Lesen der Meldung ein Interview in Erinnerung, das der mehrmalige Paralympics-Goldmedaillen-Gewinner Osacar Pistorius irgendwann nach den letzten Spielen in London gab. So wie es bei mir ankam und im Gedächtnis geblieben ist, sagte er unter anderem, dass er seine Beine gar nicht vermisse. Nun ja. Ich denke, dass er sein Handicap in unglaublicher Weise überwindet und bewundernswerte sportliche Leistungen vollbringt. Aber ob es ihm nicht in Wirklichkeit lieber wäre, wenn er seine Beine hätte? Könnte man daraus dann auch in der Logik der Knabenbeschneidungsbefürworter das frühkindliche Amputieren von Gliedmaßen rechtfertigen, weil die Menschen es ja so gut kompensieren können?

      Es ist für mich einfach nicht glaubhaft, dass jemand, dem funktionell wichtige Körperteile verloren gehen, davon überhaupt nicht beeinträchtigt sein soll. Und gerade wenn es bei Männern um die Potenz geht: wie ehrlich sind da die Antworten?
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
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    • R(h)einwein schrieb:

      Dann würde mich noch interessieren, ob die beiden selbst beschnitten sind.

      Da gehe ich jede Wette ein. Vor allem Morris, der alte Schnippel-Fetischist, der setzt doch am liebsten selbst die Säge an. Dieses unvorstellbare Gefühl lässt der sich sicher nicht entgehen. (würg)
      Aber im Ernst, ich kann mir sogar vorstellen, dass er sich wirklich richtig gut damit fühlt. Ich habe inzwischen so viele Berichte von Männern gelesen, die glaubhaft berichten, keine Einschränkung zu spüren oder sich gar besser damit zu fühlen. Glaub ich, kein Problem, das sei ja jedem unbenommen.
      Was mich in schöner Regelmäßigkeit auf die Palme bringt, ist, wenn solche Typen dann ihr eigenes Erleben auf Biegen und Brechen auf alle Männer bzw. kleinen Jungs projizieren müssen und sich nicht vorstellen können, dass ihre Art zu fühlen nunmal nicht die einzig mögliche ist.
      Wer kennt ihn nicht, den 90jährigen, kerngesunden Kettenraucher? Der schwärmt auch davon, dass seine Ziggies so beruhigend, entspannend und wohltuend sind. Krebs und Raucherbein kennt er nicht. Also: Kinder fangt möglichst früh damit an!
      Genau so ist es doch. Die, die selber kein Problem haben, zwingen anderen ihre Überzeugungen auf in der vermeintlichen Sicherheit, NIEMAND könnte jemals anders fühlen als sie selbst.
      Scheuklappen und Hirn wie ein Zombie (um es mal deutlich auszudrücken)
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    • R(h)einwein schrieb:



      Dann würde mich noch interessieren, ob die beiden selbst beschnitten sind.

      Mir kam übrigens beim Lesen der Meldung ein Interview in Erinnerung, das der mehrmalige Paralympics-Goldmedaillen-Gewinner Osacar Pistorius irgendwann nach den letzten Spielen in London gab. So wie es bei mir ankam und im Gedächtnis geblieben ist, sagte er unter anderem, dass er seine Beine gar nicht vermisse. Nun ja. Ich denke, dass er sein Handicap in unglaublicher Weise überwindet und bewundernswerte sportliche Leistungen vollbringt. Aber ob es ihm nicht in Wirklichkeit lieber wäre, wenn er seine Beine hätte? Könnte man daraus dann auch in der Logik der Knabenbeschneidungsbefürworter das frühkindliche Amputieren von Gliedmaßen rechtfertigen, weil die Menschen es ja so gut kompensieren können?

      Es ist für mich einfach nicht glaubhaft, dass jemand, dem funktionell wichtige Körperteile verloren gehen, davon überhaupt nicht beeinträchtigt sein soll. Und gerade wenn es bei Männern um die Potenz geht: wie ehrlich sind da die Antworten?
      Du kannst bei dem Baujahr davon ausgehen, dass beide beschnitten sind, sieht man wo die herkommen.

      Was jetzt den Verlust von Körperteilen angeht...ich glaub, da kann ich mitreden (ich hab später mal auf dem Grabstein stehen "R.I.P. - Rest in Pieces": Galle, "Reproduktion", Teile des Darms, Schilddrüse, Blinddarm, Mandeln, eigentlich ist alles weg, was rauskann und keine Miete zahlt. Ich glaub, ich hab auch irgendwas vergessen...egal. Vollständig bin ich nicht mehr).

      Du gewöhnst dich so sehr dran, dass du das wirklich nicht mehr vermisst. Der menschliche Körper und der Geist ist hier zu erstaunlichen Anpassungen fähig. Ich glaube, wenn ich meine Beine verlieren sollte, wäre das ähnlich.

      Aber es gibt Grenzen, ganz klar. Sollte ich meine Hände verlieren oder meine Sehkraft, wäre das für mich etwas, wo ich wahrscheinlich nicht mehr mit klarkommen würde bzw. nur mit großen Problemen.

      Ich schreibe viel, das könnte ich ohne Hände nicht mehr und dann wäre mir ein großer Teil meiner Ausdrucksmöglichkeiten genommen. Ich nehme das geschriebene visuell auf, ich schreibe inzwischen tatsächlich so schnell wie ich denke. Aber das kann ich nur, weil ich das geschriebene direkt über die Augen aufnehme. Eins davon weg und ich würde mich *wirklich* verkrüppelt fühlen.

      Ich kann den Unterschied deswegen so klar benennen, weil mir die Entfernung des Uterus und der Eierstöcke *richtig* zugesetzt haben. Ich habe mich mit einemmal wie an einem toten Gleis gefühlt. Mit mir gehts nicht weiter. Wenn ich weg bin, lebt auch nichts mehr von mir weiter in meinen Kindern.
      Das ist bescheuert, ich weiß - aber ich kann nichts dagegen tun, wie ich fühle.

      Es hat gedauert, darüber hinwegzukommen, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Ich schreibe halt jetzt noch mehr und dann ist dass eben das, was weiterlebt. Das und jedes einzelne Kind, was nicht beschnitten wird dank meiner Intervention.

      Ich denke, Oskar Pistorius sieht das ähnlich. Er hätte nicht die Karriere gemacht, hätte er noch seine Beine gehabt. Er hätte nicht die Bekanntheit erlangt, hätte er noch seine Beine gehabt. Und ich denke, darauf spielte er an.

      Dass das nicht so richtig der Wahrheit entsprach, dass er das aber auch wahrscheinlich selbst nicht erkannt hat, sieht man daran, wie er reagiert hat, als er seine Freundin erschossen hat. Er hätte wahrscheinlich (reine Spekulation von mir) nicht so heftig reagiert, hätte er sich nicht aufgrund seiner Beinamputation verletzlich und angreifbar empfunden.
    • @ R(h)einwein

      Mir fällt bei deinem Beispiel wieder das taubstumme Paar ein, dass gezielt ein ebenso taubes Kind zeugt und zur Welt bringt (ist bereits vorgekommen).
      Diesen Eltern fehlt offenbar auch nichts, und sie möchten unbedingt, dass ihr Nachwuchs (uneingeschränkt) an der taubstummen Subkultur teilnehmen kann. Für diese Eltern wäre der intakte Hörsinn ihres Kindes ein Defekt, der es daran hindern würde, sich perfekt in das Leben und Umfeld der Eltern zu integrieren.
      So sehr ich die Motive und Gefühle der Eltern verstehen kann, finde ich das ethisch nicht akzeptabel, diesen Kindern fehlt schließlich eine komplette Sinnesqualität.
      Und der Einwurf, sie seien ja nicht nach der Geburt ihres Höhrvermögens beraubt worden, sondern wären ab Zeugung in diesem Zustand und kennen nichts anderes, machts auch nicht besser.
      Genau so könnte doch ein Paar ohne Beine, dass sich rundum wohl fühlt mit seinem Leben, auf die Idee kommen, gezielt ein Kind ohne diese Gliedmaßen zur Welt zu bringen.
    • @ susanna

      Danke für Deine schönen Beispiele, die ebenso die Absurdität einer Argumentation aufzeigen, nach der eine Beschneidung damit gerechtfertigt werden soll, dass beschnittene Männer ihre sexuelle Zufriedenheit erklären.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)
    • Meiner Meinung nach bekommt die Metaanalyse hier viel zu viel Beachtung. Sicherlich wurde sie in der Ärztezeitung veröffentlicht, aber ich hoffe doch sehr, dass die Adressaten noch von ihrem Studium her mit dem "Schubladenproblem" bei Metaanalysen etwas anfangen können. Bei Handwerken nennt man das: Was nicht passt, wird passend gemacht.

      de.wikipedia.org/wiki/Metaanalyse

      "Schubladenproblem: Häufig werden nur Ergebnisse publiziert, die angenommene Hypothesen bestätigen oder signifikante Ergebnisse aufweisen, während Untersuchungen mit nicht-signifikanten Ergebnissen nicht veröffentlicht werden (Publikationsbias). Dadurch erfolgt eine Verzerrung der metaanalytischen Ergebnisse, da diese die Existenz eines Effekts zu oft nachweisen.[3] Unveröffentlichte Literatur bezeichnet man auch als graue Literatur. „Interessanterweise hatte die graue Literatur in der ehemaligen DDR als nicht zensierte Literatur meist einen höheren wissenschaftlichen Wert als die offizielle, staatlich kontrollierte Literatur.“ [4] „Eine Liste der neuesten Diplomarbeiten und Dissertationen im Fach Psychologie ist halbjährlich der Psychologischen Rundschau beigelegt“ [4]Das Problem an graue Literatur heranzukommen wird bei Marylu C. Rosenthal[5] (1994) behandelt.[3]"
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • Es gibt einen Kommentar zum Artikel in der Ärztezeitung:
      Brian Morris ist kein Urologe und die Studie voreingenommen

      Der Australier Brian Morris ist weltweit als radikaler Beschneidungsbefürworter bekannt.
      In den australischen Medien verglich er die Zirkumzision gar mit einer chirurgischen Impfung forderte mehrfach eine Pflichtbeschneidung kleiner Jungen.

      Auf seiner Webseite, in der für die Beschneidung wirbt, verlinkt er auf 8 Seiten von Beschneidungsfetischisten, also auch pädophile Personen, die sich an der Beschneidung von Erwachsenen oder von Kindern sexuell eregen.(1)(2)


      Morris selbst ist auch kein Urologe noch nicht mal ein Arzt, er ist ein Molekularbiologe.

      Aber von Morris Voreingenommenheit angesehen, ist die Studie auch methodologisch extrem fragwürdig um es gelinde zu formulieren.

      Was genau "qualitativ hochwertige Studien" sind und was nicht, die ein "rundweg negatives Gesamtergebnis" belegen sollen, haben Morris und sein Koautor nämlich höchst selbst willkürlich festgelegt. Letztlich nur Studien, die ihrer vorgefassten Meinung entsprechen.

      Studien, die Brian Morris Zirkiumzisionsfanatismus zuwiderlaufen, wie etwa eine kürzlich veröffentliche belgische Studie über die sexuellen Folgen der Zirkumzision, über die die Ärztezeitung berichtete, wurden gar nicht erst beachtet.
      aerztezeitung.de/politik_gesel…pass.html?sh=4&h=82420473

      Einzelnachweise:

      1. drmomma.org/2009/11/a-circumfetish-push-to-cut-world.html
      2. circumstitions.com/fetish.html