Belastbare Belege der Schädlichkeit medizinisch nicht indizierter Beschneidung

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    • Belastbare Belege der Schädlichkeit medizinisch nicht indizierter Beschneidung

      Eine Zuschrift:
      Hallo Leute,

      habe heute aufmerksam die Zeitschrift für Medizin-Ethik-Recht 1/2013 studiert.
      meris-mer.de/fileadmin/media/ZfMER_1_2013.pdf


      Quintessenz:
      Damit wir den § 1631d BGB juristisch mittelfristig knacken können, braucht es belastbare Aussagen zur Schädlichkeit medizinisch nicht indizierter Beschneidung.

      Eine Studie in Atlanta soll 1997 abgebrochen worden sein, weil die Traumatisierung so drastisch klar war, dass man nicht weiter auf Kosten der Kinder forschen wollte:
      edition.cnn.com/HEALTH/9712/23/circumcision.anesthetic/

      Wenn wir keine eigenen Studien finden oder initiieren können, sollte es doch möglich sein, zumindest eine Liste aller Initiativen und Gruppen gegen medizinisch nicht indizierte Beschneidung bei Kindern zusammenzustellen, die hoffentlich niemals vollständig wird.

      Sie könnte auch Gerichten als erste Argumenthilfe dienen, zu belegen, dass die Zahl derer, die die Folgen einer solchen Beschneidung als physisch und/oder psychisch negativ erleben und beschreiben, durchaus signifikant ist. (Mir ist völlig klar, dass prinzipiell ein einziger Mensch, der darunter leidet, ausreichen müsste - aber so ist das nun mal: Viel hilft viel.)

      Die vielen US-amerikanischen, kanadischen und auch israelischen Bewegungen, die mittlerweile kaum noch überschaubaren Facebook-Gruppen, in denen Betroffene sich finden und artikulieren, all das müsste doch helfen können, die Nachteile für das Kindeswohl (getreu dem Auftrag aus Art. II GG) irgendwann so offensichtlich zeigen zu können, dass es keine ideologischen Grabenkämpfe mehr braucht, sondern dass diese Betroffenen einfach so da stehen, in einer langen Liste.

      Es fällt immer wieder auf, dass Beschneidungsbefürworter immer wieder zu quantitativen Argumenten greifen, die auch bei Juristen wie im o.g. Heft verfangen. Ein Igor S. z.B. behauptet immer wieder: "Es gibt in keinem Land dieser Welt Organisationen, seien sie noch so klein, die sich aus Zusammenschlüssen von Männern zusammensetzen, die Probleme damit haben."
      Immer wieder fällt auf, dass argumentiert wird, über eine Milliarde Männer weltweit sei beschnitten, aber in Deutschland hätte MOGiS e.V. es gerade mal geschafft, 6 Betroffene zu Wort kommen zu lassen.

      Dass all diese quantitativen Argumente der Befürworter Unfug sind, ist mir so klar wie euch. Aber ich bin überzeugt, dass eine Liste der Betroffenen-Organisationen helfen könnte, wenn wir keine belastbaren Studien haben.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Ethikrat 23. August 2012

      In der Sitzung des Deutschen Ethikrates am 23. August 2012 hat Prof. Latasch auf eine Studie verwiesen, die nach seiner Ansicht das Schmerzempfinden Neugeborener belegen sollte
      ethikrat.org/sitzungen/2012/do…-plenarsitzung-23-08-2012), Seite 13 der pdf. Die Studie hier im Anhang.

      Die Untersuchung stammt federführend von Anna Taddio, die bereits die pharmaindustriegesponserte Doktorarbeit veröffentlichte, die den Wirkungsbeweis von EMLA bei der Neugeborenenbeschneidung zum Inhalt hatte. Dieser Scheinbeweis wurde kürzlich von der EMA als unzureichend bewertet, die die Anwendung von EMLA bei der Neugeborenenbeschneidung als "ethisch inakzeptabel" bezeichnete. Nichtsdestotrotz hat die Doktorarbeit von Taddio der Herstellerfirma 15 Jahre lang sicherlich einen schönen Gewinn eingefahren.

      Die Untersuchung aus dem Jahre 1997 "Effects of neonatal circumcision on pain response during subsequent routine vaccination" hat zwei Zielrichtungen. Sie möchte erstens belegen, daß Neugeborene Schmerzen empfinden, vermutlich damit -- nach dem Scheinbeweis für die Wirksamkeit von EMLA bei der Neugeborenenbeschneidung -- jeder die Salbe benutzt. Zweitens möchte sie belegen, daß die EMLA-Anwendung bei der Neugeborenenbeschneidung die Veränderung des Schmerzempfindens unterdrückt, die durch eine Beschneidung ohne jegliche Anästhesie ausgelöst wird.

      Der Beweis, daß eine Neugeborenenbeschneidung noch Monate später das Schmerzempfinden bei einer Impfung verändert, gelingt. (Natürlich wieder lediglich unter Verwendung von Verhaltensbeobachtungen bei den untersuchten Kindern.) Da die veränderte Reaktion auch Körperareale betrifft, die fern des ehemaligen Beschneidungsareals liegen, postulieren die Forscher sogar, daß ein posttraumatisches Streßsyndrom einer Beschneidung ohne Anästhesie folgen könnte:

      "It is possible, that the greater vaccination response in the infants circumcised without anaesthesia may represent an infant analogue of a post-traumatic stress disorder triggered by a traumatic and painful event and re-experienced under similar circumstances of pain during vaccination."

      Ein signifikanter Unterschied der unter EMLA-Anwendung beschnittenen Jungen zu den ohne jegliche Anästhesie beschnittenen konnte leider nicht belegt werden.
      Dateien
    • Wie so viele (die meisten?) Organmediziner hat Taddio ein sehr eingeschränktes Vorstellungsvermögen von menschlichem Schmerzempfinden. Schmerz bildet sich ja nicht nur im Körper ab. Damit trifft sich Taddio übrigens mit dem Kinderchirurgen Becker, der in seinem Buch über Beschneidung meint, dass eine Vollnarkose mit Penisblock zuverlässig eine Psychotraumatisierung verhindere.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Ich würde das "Eingeschränkte Vorstellungsvermögen von menschlichem Schmerzempfinden" weniger am "Organmediziner" als am soziokulturellen Umfeld festmachen, in dem Taddio arbeitet -- Nordamerika/Kanada und ein jüdisches Krankenhaus. Außerdem beschäftigt sich die Frau zu intensiv mit menschlichem Schmerzempfinden, als daß man ein eingeschränktes Vorstellungsvermögen unterstellen könnte. Wer sich was nicht vorstellen kann, der beschäftigt sich eher gar nicht damit.

      Eine Vollnarkose mit in Narkose gelegtem Peniswurzelblock für die postoperative Schmerztherapie ist zur Zeit die "beste verfügbare Therapie", ein Operationstrauma der Kinder zu verhindern, bei denen ein MEDIZINISCH INDIZIERTER Eingriff durchgeführt werden muß. Anästhesisten sind durchaus auch Organmediziner, die in einer permanenten Abwägung das Wohl ihrer Patienten im Augen haben.

      Auf der einen Seite steht eine indizierte Operation. Die Aufgabe des Anästhesisten auf der anderen Seite ist es, das Umfeld möglichst angstfrei zu gestalten, die Kinder durch medikamentöse Vorbehandlung möglicht wenig traumatisch in die Narkose überzuleiten -- und ihnen eine wirksame postoperative Schmerztherapie zukommen zu lassen. Ich kenne keinen Anästhesisten, der behaupten würde, daß das ohne jegliches Trauma einhergeht. Es ist immer eine Abwägung zwischen der Notwendigkeit der OP und dem bestmöglichen Umgang mit der Situation.

      Die Schmerz- und Traumaverleugner sind nicht die "Organmediziner", sondern diejenigen, die medizinisch nicht indizierte Eingriffe durchdrücken wollen. Das kriegen die bei Kindern halt nur hin, wenn die "alles ganz harmlos, alles gar nicht schlimm, Kind schläft gleich wieder ein"-Nummer sich selbst und den anderen verkaufen.
    • Ich habe mich verkürzt und dadurch missverständlich ausgedrückt. Die Bemühungen der an einer OP beteiligten Ärzte stelle ich keinesfalls in Zweifel. Ich hatte die "Begleitumstände" einer OP im Blick, die psychologische Vor- und Nachbereitung, die bei Kindern sicher ganz besonders wichtig ist, und deren Mangel immer wieder von Betroffenen beklagt wird.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Vielleicht verdeutlicht folgendes meinen Punkt: in seinem Buch behauptet Becker, dass das Ausbleiben des Schmerzempfindens durch Vollnarkose und PWB die von der Psychoanalyse angeführte "Kastrationsangst" verhindere. Das psychoanalytische Konzept der Kastrationsangst geht aber weit über das Schmerzempfinden hinaus. Becker hat das entweder nicht gelesen oder nicht begriffen.

      Es wird ja wohl auch kaum jemand behaupten wollen, dass eine Vergewaltigung einer Frau nichts ausmache, wenn man sie vorher mit K.O.-Tropfen betäubt hat.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.