Wolfgang Bosbach ist mit sich im Reinen

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    • Wolfgang Bosbach ist mit sich im Reinen

      Ich habe Wolfgang Bosbach - wie einigen anderen Politikern auch - diese Mail geschickt:
      Sehr geehrter Herr Bosbach,
      Sie haben am 12.12.2012 für den § 1631 d BGB gestimmt, der die Entfernung der männlichen Vorhaut an nicht einsichts- und entscheidungsfähigen Kindern aus jeglichem Grunde erlaubt.
      Viele MdBs trafen diese Entscheidung unter anderem auf Basis der ihnen vorgelegten Informationen. Unter anderem wurde ihnen erklärt, die Zirkumzision finde lege artis statt, habe gesundheitliche Vorteile und der Gesetzentwurf der Bundesregierung sei verfassungskonform.
      Im März dieses Jahres wurde eine Stellungnahme von 38 Pädiatern aus 17 Nationen veröffentlich. Darin wird zusammen mit den Vorsitzenden von 19 europäischen Kinderärzteverbänden die Empfehlung der AAP zur Beschneidung von Jungen scharf kritisiert, weil die Risiken des medizinisch unnötigen Eingriffs die nicht belegten Vorteile bei Weitem überwiegen. Eine adäquate Schmerzausschaltung ist bei Säuglingen nicht möglich, dem noch im Rechtsausschuss hochgelobte Präparat EMLA wurde mittlerweile die Zulassung zur Anwendung auf der Genitalschleimhaut von Säuglingen entzogen.
      Dr. Eschelbach, Richter im 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in einem der wichtigsten Kommentare zum StGB, dem sogenannten "Beck-Online-Kommentar" das "Beschneidungsgesetz" unter anderem so kommentiert:
      "Das Gesetz ist offensichtlich verfassungswidrig (Art 1 Abs 1 GG, Art 3 Abs 2 GG, Art 79 Abs 3 GG). Der Verfassungsbruch aus Gründen der Staatsraison macht sich auch nicht bezahlt, weil er die Debatte nicht beenden kann. Bei näherer Betrachtung (Rn 9.1 ff; Rn 35.1 ff) wird evident, dass alle zugrundeliegenden Tatsachenannahmen falsch sind. " Näheres hierzu lesen Sie bitte auf www.beschneidungsforum.de
      Meine Frage: Würde Sie auch heute noch, nach Kenntnis all dieser neuen Informationen heute ebenfalls noch für die Legalisierung der nicht therapeutischen Vorhautamputation an nicht einsichtsfähigen Kindern stimmen?
      Heute habe ich seine Antwort erhalten (siehe Anhänge)

      Leider sieht Herr Bosbach weder an der damaligen Faktenlage
      ...dass ich als Abgeordneter in Fällen, in denen ich inhaltlich nicht zuständig bin, meinen Entscheidungen Informationen zugrunde lege, die ich von den Fachpolitikern erhalten habe. Zum Glück sind diese Informationen aber regelmäßig so gut belegt, dass man sich ohne weiteres auf ihrer Basis ein eigenes Bild machen kann...

      noch an seiner damaligen Entscheidung etwas Falsches.

      Eins vorweg: Bei jedem medizinischen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit müssen die den aktuellen Erkenntnissen entsprechenden ärztlichen Standards eingehalten werden; nur so ist der Eingriff gerechtfertigt im strafrechtlichen Sinne. Dass jede Zirkumzision lege artis erfolgen muss, ist also eine Selbstverständlichkeit.
      Aber wie sollte diese "Selbstverständlichkeit" umgesetzt werden? Ohne ausreichende Betäubung? Leider keine Antwort.

      Da die AAP-Auführungen für ihn sowieso nicht relevant waren

      ...Soweit erinnerlich, hat niemand erklärt, die Zirkumzision habe gesundheitliche Vorteile für die betroffenen Jungen. Man hatte uns vor allen Dingen mitgeteilt, dass unter deutschen Medizinern weitgehend Einigkeit bestehe, dass angesichts der guten hygienischen Situation in Deutschland eine prophylaktische routinemäßige Beschneidung Neugeborener eben nicht indiziert sei...
      Ist für ihn der Widerspruch der europäischen Pediater offenbar auch nicht relevant.
      Insofern bleibt Herr Bosbach bei seiner Entscheidung:

      Vor dem Hintergrund der schon damals umfassend gelieferten Informationen bitte ich um Verständnis dafür, dass sich meine Haltung in dieser Frage nicht geändert hat.
      :thumbdown:
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    • Herr Bosbach gehört zu den Juristen, die sich nicht zu schade sind, halbseidene Theorien zu vertreten:

      "Eins vorweg: Bei jedem medizinischen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit müssen die den aktuellen Erkenntnissen entsprechenden ärztlichen Standards eingehalten werden; nur so ist der Eingriff gerechtfertigt im strafrechtlichen Sinne. Dass jede Zirkumzision lege artis erfolgen muss, ist also eine Selbstverständlichkeit."

      Das Einhalten ärztlicher Standards hat mit strafrechtlicher Rechtfertigung rein garnichts zu tun. Was er schreibt ist hanebüchen. Werden die ärztlichen Standards nicht eingehalten, kann sich natürlich jemand dadurch ggfs. strafbar machen. Das heißt jedoch nicht, dass die Einhaltung ärztlicher Standards zu Straffreiheit führen würde. Da könnte man ja viele gesunde Körperteile amputieren.

      Ein typischer strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund wäre z.B. Notwehr.

      "Ob der vom Bundestag verabschiedete § 1631d BGB verfassungswidrig ist oder nicht, kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden..."

      Der gesunde Menschenverstand und dessen Gebrauch könnten solche Entscheidungen überflüssig machen und bis dahin eintretendes Unrecht verhindern.
    • Danke Weguer.

      Ich wette, keiner von diesen Politclowns wird in absehbarer Zukunft auch nur ansatzweise Selbstkritik üben. Warum auch, medizinische, staats- oder strafrechtliche Argumente hatten damals keine Rolle gespielt und spielen auch jetzt (noch) keine Rolle.
      Art. 2 GG:
      (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Geschuldet der deutschen Vergangenheitsbewältigung gilt dieses Grundrecht ausdrücklich nicht, wenn die Person a) ein Kind und b) männlich ist, c) die Eltern entweder jüdischen oder muslimischen Glaubens sind und d) das kindliche Genital das Ziel der Versehrtheit ist.
    • Josc schrieb:

      keiner von diesen Politclowns wird in absehbarer Zukunft auch nur ansatzweise Selbstkritik üben
      Solange sie unter dem Radar der Medien fliegen, wird das wohl nicht der Fall sein. Die versuchen die Sache auszusitzen.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • "Ob der vom Bundestag verabschiedete § 1631d BGB verfassungswidrig ist oder nicht, kann nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden..."


      Na dascha'n Ding! Der Herr Bosbach scheint sich da selbst also nicht ganz sicher zu sein.
      Dann wäre es ja wirklich angebracht, dass sich das BVerfG darum kümmert. Von sich aus kann das aber nicht tätig werden, und das weiß Bosbach genau. Er weiß auch ganz genau, dass die Betroffenen noch viele Jahre nicht in der Lage sein werden zu klagen.

      Aber wenn Bosbach zweifelt - eine Überprüfung kann er haben!

      Er muss nur genug Kollegen zusammentrommeln. 25% der Abgeordneten reichen schon.

      Oder ist Bosbach das am Ende vielleicht lieber, dass das gar nicht überprüft wird?
    • Bosbach schrieb:

      "Eines der Standardwerke in der strafrechtlichen Kommentarliteratur, nämlich Fischer StGB, hat noch 2008 folgende Ansicht als die "wohl herrschende Meinung" bezeichnet: die religiös motivierte Beschneidung sei zwar vom möglichen Wortlaut der Körperverletzungsvorschriften, nicht aber von deren tatsächlichen Wortsinn erfasst, sodass schon tatbestandlich eine Körperverletzung ausscheide!!"


      Begründet wurde letzteres mit Sozialadäquanz. Dazu schrieb Putzke im Jahre 2008.

      Putzke schrieb:

      "Erstens ist es nicht offensichtlich, ja sogar höchst zweifelhaft, dass es eine für die Tatbestandslosigkeit der medizinisch nicht indizierten Zirkumzision streitende Meinung gibt, die sich mit guten Gründen als »herrschend« bezeichnen ließe. Man liest diese Aussage und fragt sich (wie so oft), was eine Meinung wohl zur herrschenden machen mag. Zweitens leuchtet die Begründung nicht ein, weshalb eine Zirkumzision nicht den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen soll. Wann lässt sich ein Verhalten als sozialadäquat bezeichnen?"


      Im folgenden begründet Putzke, warum hier Sozialadäquanz nicht greift. Dabei kommt Putzke u.a. darauf zu sprechen, dass aufgrund der bis dahin nur marginal mit Beschneidung befassten Justiz gar nicht eruiert werden könne, was "herrschend" sei.

      Herzberg (2009) merkte an:

      Herzberg schrieb:

      "Zu Unrecht beruft sich Schwarz auf Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 223 Rn. 6b. Fischer distanziert sich gerade von diesem Standpunkt (Sozialadäquanz), indem er ihn „zweifelhaft" nennt. In der 56. Aufl. (2009) sagt er an gleicher Stelle sogar eindeutig, dafür, „die Beschneidung von Knaben aus religiösen Gründen schon aus dem Tatbestand auszunehmen“, bestehe „kein Anlass“.


      Es lassen sich sicher noch mehr entsprechende Zitate finden. Wenn sich Bosbach schon mit dem Bezug auf Fachleute rühmt, sollte er sich vielleicht von ihnen auf den neuesten Stand bringen lassen. Oder einfach im Beschneidungsforum lesen. :D
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.