Wenn Ihr Hunde wärt, Jungs, und keine Menschenkinder...

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    • Wenn Ihr Hunde wärt, Jungs, und keine Menschenkinder...

      ... dann hätten wir gar kein Problem. Männliche Kinder sind vor dem Gesetz weniger wert als ein Hund.

      Der Beschwerdeführer, im Nebenberuf Hundezüchter, wendet sich direkt gegen §§ 6 und 12 des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Mai 1998 (BGBl I S. 1105), soweit danach das Kupieren von Schwanz und Ohren der von ihm gezüchteten Boxer verboten wird. Damit werde unverhältnismäßig in seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit eingegriffen.

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      Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie keine Erfolgsaussichten hat (BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Es ist bereits zweifelhaft, ob der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG im vorliegenden Fall berührt wird. Dies bedarf aber keiner Entscheidung, weil das gesetzliche Verbot nicht gegen dieses Grundrecht verstößt. Das Ziel, Tiere vor unnötiger Verstümmelung zu schützen, ist ein legitimer Gemeinwohlbelang, den der Gesetzgeber mit verhältnismäßigen Mitteln zu erreichen sucht. Hierbei kommt dem Gesetzgeber eine weit gefaßte Einschätzungsprärogative zu. Diese überschreitet er nicht, wenn er trotz unterschiedlicher Beurteilung dieser Frage durch die Sachverständigen grundsätzlich davon ausgeht, daß alle dem Tier von Natur aus gegebenen Körperteile erhaltenswert sind. Auch soweit in der gesetzlichen Regelung nicht zwischen einzelnen Hunderassen unterschieden wird, stellen die in der Verfassungsbeschwerde vorgetragenen Argumente seine Einschätzung nicht in Frage.

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      Im übrigen wird von einer Begründung abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

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      Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


      BVerfG Kammerbeschluss vom 19.07.1999, Az.: 1 BvR 875/99
    • Nach dem Tierschutzgesetz sind ein paar Ausnahmen zum Amputationsverbot zugelassen, z.B. für Hornteile. Das bedeutet aber nicht, dass man dem Tier noch etwas anderes abschneiden dürfte frei nach dem Motto: "das tut dem doch gar nicht weh!" mein Lieblingssatz in der folgenden Entscheidung ist: "Der Gesetzgeber hat nicht etwa generell Amputationen bis zu einer bestimmten Schmerzgrenze zugelassen."

      Abweichend vom allgemeinen Amputationsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 TierSchG gestatten die angeführten Vorschriften "das Kürzen von Hornteilen des Schnabels beim Geflügel". Der Wortlaut der Regelung läßt hiernach eindeutig und unmißverständlich nur die Beseitigung von Hornteilen zu. Alle Versuche des Klägers, sich im Wege der Auslegung über diesen Wortlaut hinwegzusetzen, gehen offenkundig fehl. Schon der Ausnahmecharakter der Regelung steht einem solchen Versuch im Wege. Der Hinweis des Klägers, bei einigen der sonstigen in § 5 Abs. 3 TierSchG zugelassenen Amputationen hätten die betroffenen Tiere erheblich größere Schmerzen zu erdulden als bei dem von dem Kläger durchgeführten Verfahren der Schnabelkürzung, verkennt die Systematik der genannten Regelung. Der Gesetzgeber hat nicht etwa generell Amputationen bis zu einer bestimmten Schmerzgrenze zugelassen. Er hat vielmehr enumerativ bestimmte Eingriffe aufgezählt, bei denen er in sorgfältiger Abwägung der Schmerzbelastung der Tiere und der Bedürfnisse der Tierhalter eine Durchbrechung des Amputationsverbotes für hinnehmbar hielt. Die Regelung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn der Katalog über seinen eindeutigen Wortlaut hinaus mit der Begründung erweitert werden könnte, andere Eingriffe seien nicht schmerzhafter als die dort zugelassenen.


      BVerwG Beschluss vom 21.07.1995, Az.: 3 B 12/95
    • "Das Ziel, Kinder vor unnötiger Verstümmelung zu schützen, ist ein legitimer Gemeinwohlbelang, den der Gesetzgeber mit verhältnismäßigen Mitteln zu erreichen sucht. Hierbei kommt dem Gesetzgeber eine weit gefaßte Einschätzungsprärogative zu. Diese überschreitet er nicht, wenn er trotz unterschiedlicher Beurteilung dieser Frage durch die Sachverständigen grundsätzlich davon ausgeht, daß alle dem Kind von Natur aus gegebenen Körperteile erhaltenswert sind. Auch soweit in der gesetzlichen Regelung nicht zwischen einzelnen Beschneidungsmethoden unterschieden wird, stellen die in der Verfassungsbeschwerde vorgetragenen Argumente seine Einschätzung nicht in Frage."

      "Der Wortlaut der Regelung läßt hiernach eindeutig und unmißverständlich nur die Beseitigung von Vorhäuten zu. Alle Versuche des Klägers, sich im Wege der Auslegung über diesen Wortlaut hinwegzusetzen, gehen offenkundig fehl. Schon der Ausnahmecharakter der Regelung steht einem solchen Versuch im Wege. Der Hinweis des Klägers, bei anderen Amputationen hätten die betroffenen Kinder erheblich größere Schmerzen zu erdulden als bei der Beschneidung, verkennt die Systematik der genannten Regelung. Der Gesetzgeber hat nicht etwa generell Amputationen bis zu einer bestimmten Schmerzgrenze zugelassen. Er hat vielmehr einen bestimmten Eingriff aufgezählt, bei dem er in sorgfältiger Abwägung der Schmerzbelastung der Kinder und der Bedürfnisse der Eltern eine Durchbrechung des Amputationsverbotes für hinnehmbar hielt. Die Regelung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn der Katalog über seinen eindeutigen Wortlaut hinaus mit der Begründung erweitert werden könnte, andere Eingriffe - wie etwa die Mädchenbeschneidung - seien nicht schmerzhafter als die dort zugelassenen."


      wernersgericht
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • @werner: Was sind das für Zitate? Fiktive Gerichtsverhandlungen? Im zweiten Zitat sind m.E. zwei Fehler/Unsauberkeiten:
      a) " ... Beseitigung von Penisvorhäuten ..." (und eben nicht Klitorisvorhäuten)
      b) " ... bei anderen Amputationen hätten die betroffenen Kinder erheblich geringere Schmerzen zu erdulden ..."

      Ansonsten sei noch angemerkt, daß bei Hunden Kastration erlaubt ist. Der rechtliche Schutz von Hunden ist also nicht unbedingt als Vorbild geeignet.
      Ein gerupfter Spatz verspottet das Gefieder seiner Artgenossen. (Sorbisches Sprichwort)
    • @ Cato

      Werners Text ist eine stringente Übertragung der oben zitierten Tierrechtsvorschriften auf menschliche Kinder.



      Danke Maria, dass Du uns diesen Aspekt nochmal so klar vor Augen führst. Neben der Vergleichbarkeit von MGM und FGM ein wichtiger Punkt wie ich meine.
      Art. 2 GG:
      (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Geschuldet der deutschen Vergangenheitsbewältigung gilt dieses Grundrecht ausdrücklich nicht, wenn die Person a) ein Kind und b) männlich ist, c) die Eltern entweder jüdischen oder muslimischen Glaubens sind und d) das kindliche Genital das Ziel der Versehrtheit ist.
    • Sicherlich kann man beide Sachverhalte nicht in jedem Fall 1:1 vergleichen. Ein Kind darf man ja nun auch nicht schlachten oder verkaufen. Auch wäre eine Zwingerhaltung von Kindern eher problematisch. Gleichwohl ist gerade der allgemeine Schutz vor unnötiger Amputation bei Tieren und deren Begründung durch Gesetzgeber und Justiz bemerkenswert. Gerade im ersten Urteil ist die Begründung durch das Bundesverfassungsgericht, das hier zwei Rechte miteinander zur Abwägung brachte (Tierschutz ./. Grundrecht auf Berufsfreiheit) hoch interessant; der Hundezüchter wird mit seinem Anliegen geradezu abgeschmettert.
    • Bemerkenswert im Tierschutzgesetz finde ich grundsätzlich, mit welcher akribischen Detailgenauigkeit der Gesetzgeber die Ausnahmen vom Tierschutzgedanken ("legitimer Gemeinwohlbelang") regelt, nachdem er mehrfach diesen Tierschutzgedanken ausdrücklich in den Vordergrund gestellt und benannt hat. Übertragen auf das Beschneidungsgesetz hätte dieses mit dem Satz beginnen müssen:"Die Entfernung gesunden Gewebes bei Kindern ist verboten. Dies gilt nicht, wenn..." Dann wäre die gesellschaftliche Ächtung im Grundsatz deutlich geworden.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.