Chabad-Berlin über die Beschneidungsfolgen

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    • Chabad-Berlin über die Beschneidungsfolgen

      Über die Absicht, mittels ritueller Beschneidung eine Einschränkung des sexuellen Erlebens zu erreichen, wurde hier schon mehrfach an den Beispielen Maimonides und Dr. Deusel diskutiert.
      Einen aktuellen Bezug findet diese Auffassung durch die angezeigte Beschneidung in der Chabad-Synagoge in Berlin. Offensichtlich ist die Chabad-Sekte eine glühende Anhängerin von Maimonides.

      The Mitzvah of Circumcision (Part I) - Parshat Lech Lecha - Mitzvahs & Traditions

      Diese Anhängerschaft wird auch im offiziellen Organ von Chabad-Berlin ausgebreitet:

      "Wir sind mit natürlichen Instinkten zur Selbsterhaltung geboren. Babies sind an sich eigennützig. Sie schreien, wenn sie gefüttert werden wollen, brüllen, wenn sie auf den Arm genommen werden wollen und kümmern sich nicht um die Gefühle und Bedürfnisse der Anderen. Von unseren frühesten Momenten an stellen wir uns und unsere Bedürfnisse über die Anderer. Bei einem Baby ist dies Verhalten entzückend und süß, doch ungebremst wirkt dieses Verhalten zersetzend und verliert bald seinen Zauber.
      Wir werden anspruchsvolle Knirpse, selbstsüchtige Kinder und am Ende selbstbezogene Erwachsene. Die Arbeit der Läuterung und der Verfeinerung muss früh beginnen. Es gibt wirklich keine Zeit zu verlieren.
      Beschneidung läutert und verfeinert. Sie zwingt uns dazu, ein Opfer darzubringen. Die Entfernung der Vorhaut verringert die Freude und den Genuss am Geschlechtsverkehr. Wir opfern solche Lust und verkünden, dass, auf unserer Skala, g-ttliche Anleitung eine höhere Dringlichkeit besitzt als die eigene Befriedigung."

      chabadberlin.de/media/pdf/686/noFr6863777.pdf

      Abgesehen davon, dass hier schwer "schwarze Pädagogik" durchschimmert, wird eine Beschädigung des sexuellen Erlebens also auch heute noch ganz offen als Beschneidungsziel bezeichnet. (Aus dieser Sicht sind übrigens alle folgenlosen Beschneidungen, auf die sich die evidenzbasierten Studien so gern beziehen, schief gegangen.)

      Ich frage mich, ob dieser Beschädigungsvorsatz auch abgesehen davon, ob das Ziel tatsächlich erreicht wird, juristisch relevant ist. Zwar hat sich keiner der Beteiligten entsprechend geäussert. Sie gehören aber einer Vereinigung an, die das offiziell vertritt.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Ich frage mich, ob dieser Beschädigungsvorsatz auch abgesehen davon, ob das Ziel tatsächlich erreicht wird, juristisch relevant ist. Zwar hat sich keiner der Beteiligten entsprechend geäussert. Sie gehören aber einer Vereinigung an, die das offiziell vertritt.

      Wenn mir ein Gesetz erlaubt jemanden zu schädigen, weshalb sollte der Vorsatz dann eine Rolle spielen. Der Witz wäre ja, wenn aufgrund der Äußerungen von Chabad doch noch ein Viertel des Bundestages ein Normenkontrollverfahren einleiten würde. Wenn ich mich nicht irre, läuft da auch die Frist bis 28.12.2013.

      Das würde ich dann zu gerne sehen, wenn es heißt "wenn wir das gewusst hätten, hätten wir nicht dafür gestimmt."
    • Pöser Pürger schrieb:

      Wenn ich mich nicht irre, läuft da auch die Frist bis 28.12.2013.

      Nein, für Normenkontrollverfahren - abstrakte oder konkrete - gibt es solche Fristen nicht. Antragsteller für das abstrakte Normenkontrollverfahren kann z.B. 1/4 des Bundestages sein (das war früher immer 1/3. 2009 wurden die Voraussetzungen geändert). In § 13 Nummer 6 BVerfGG sind die möglichen Antragsteller genannt:
      BVerfGG - Einzelnorm

      1/4 geht eigentlich, das ist nicht völlig unmöglich. Aber dennoch glaube ich, die Zeit ist noch nicht reif. Auch dann nicht, wenn die Frage der Masturbationserschwerung bekannter wird. Die Abgeordneten waren ja vor der Abstimmung über so einiges informiert und haben das auch in den Wind geschlagen.
    • Pöser Pürger schrieb:

      Wenn mir ein Gesetz erlaubt jemanden zu schädigen, weshalb sollte der Vorsatz dann eine Rolle spielen.
      Das verstehe ich nicht. Das Gesetz erlaubt die Beschneidung unter der Voraussetzung, dass sie keine bzw. keine bedeutsamen Schäden nach sich zieht (auch wenn die Kritiker das natürlich anders sehen). Es erlaubt auch keine unlauteren Motive, sondern nur religiöse und gesundheitsfördernde (gemäss AAP-Statement). Die Eltern brauchen zwar nicht gefragt zu werden, aber wenn sie - wie im Chabadfall - die Unlauterkeit ihrer Motive deutlich kennzeichnen, kann man daran ja nicht so einfach vorbeigehen.
      Wenn, um ein anderes Beispiel herbeizuphantasieren, eine Mutter zum Arzt sagt, sie wünsche die Beschneidung, um dem Sohn "beizeiten die Mädchen auszutreiben", darf der Arzt auch nach dem neuen Gesetz nicht beschneiden, weil das gegen das Kindeswohl spricht.
      Chabad sagt ja nicht, wir nehmen Einschränkungen wegen des höheren Ziels (Bund mit Gott) in Kauf, sondern sagt, wir wollen genau diese Einschränkungen.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Maria Werner schrieb:

      Aber dennoch glaube ich, die Zeit ist noch nicht reif. Auch dann nicht, wenn die Frage der Masturbationserschwerung bekannter wird. Die Abgeordneten waren ja vor der Abstimmung über so einiges informiert und haben das auch in den Wind geschlagen.

      Das dürfte wohl so sein. Allerdings müssten "nur" 55 umkippen. Die Frage ist auch, wer ab Herbst im Bundestag sitzt.

      Das Thema müsste irgendwie in die Mainstream-Medien gebracht werden. Kann denn Sarrazin nicht nochmal ein Buch schreiben?
    • Pöser Pürger schrieb:

      womit vom Gesetz die Behauptung aufgestellt wird, der Verlust der Vorhaut sei kein Schaden. Das ist die einzige Aussage, die sich schlüssig ableiten lässt.

      Nein, so steht das im Gesetz zum Glück nicht drin. :) Die Politiker, die dieses unselige Gesetz beschlossen haben, mögen skurrile Vorstellungen über die Beschneidung gehabt haben. Aber bei der Anwendung des Paragrafen spielt das überhaupt keine Rolle.
    • Maria Werner schrieb:

      Nein, so steht das im Gesetz zum Glück nicht drin.
      Drin steht es natürlich nicht. Ich meine vielmehr, durch den Beschluss des Beschneidungsgesetzes wird die Behauptung in den Raum gestellt, der Verlust der Vorhaut für sich betrachtet könne kein Schaden i.S.d. § 823 BGB sein. Wollte der Gesetzgeber diese Behauptung so nicht aufgestellt haben, hätte er über die Einwilligung der Eltern und die Einhaltung der "Regeln der ärztlichen Kunst" hinaus regeln müssen, unter welchen weitergehenden Umständen ein Schaden eintreten kann und unter welchen nicht.