Medizinische Aufklärung über Beschneidung sinnlos?

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    • Medizinische Aufklärung über Beschneidung sinnlos?

      In seiner Ausgabe vom Mai 2012 veröffentlichte das "Journal of Urology" eine Umfrage unter Eltern und Kinderärzten des "Children's Hospital New Orleans" über Häufigkeit, Motivation und Aufklärung zur Säuglingsbeschneidung.
      Die meisten Eltern gaben an, die Beschneidung zur Verhütung von Harnwegsentzündungen und sexuell übertragbaren Krankheiten durchführen lassen zu wollen. Nach der Aufklärung darüber, dass es für die Beschneidung keine medizinische Notwendigkeit gebe, wollten trotzdem immer noch 90% von ihnen eine Beschneidung durchführen lassen.

      download.journals.elsevierheal…/PIIS0022534712011822.pdf

      Diese Umfrage könnte daraufhin deuten, dass die Bedeutung medizinischer Argumente überschätzt wird. Viel wichtiger sind möglicherweise "soziale" Argumente: Jungen/Männer können sich nicht sauber halten; der Sohn soll aussehen wie der Vater; der Sohn soll sich vor Klassenkameraden nicht schämen müssen usw.

      Auch im Rahmen der Beschneidungskampagne in Afrika wird angesichts der weit unter den Zielen liegenden Operationszahlen über die sozialen Aspekte dieses Umstands nachgedacht. Dabei spielen trotz der "Aufklärung" über die Reduktion von HIV Ängste über Operationsschmerzen und anschliessenden Sensibilitätsverlust die wesentliche Rolle.

      Behavioral Aspects of Male Circumcision for the Prevention of HIV Infection
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      wollten trotzdem immer noch 90% von ihnen eine Beschneidung durchführen lassen
      Die Beschneidungsrate in den US sei mal mit 40% angenommen. Jene o.g. 90% bedeuten dass 90% dieser40%, 40% nicht davon abzubringen waren. Das sind 36% aller beschneidungsbereiten Eltern (40%) die nicht ihre Meinung änderten.

      Richtig?
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Fast richtig. ;) 90% von den Meisten und nicht von Allen. Von Deiner Rechnung kannst Du also noch eine allerdings unbekannte Grösse abziehen. Es gibt ja noch andere Motivationen als medizinische. Wie hoch der dieser Anteil ist, wird nicht angegeben, nur "die Meisten". An 90% von denen prallt die medizinische Aufklärung ab. Das sieht für mich so aus, dass die medizinischen Begründungen nur vorgeschoben sind.

      Fazit: wie bei den religiösen Befürwortern spielen auch in Amerika medizinische Argumente eine untergeordnete Rolle. Intaktivisten sollten das im Auge haben.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Nach der Aufklärung darüber, dass es für die Beschneidung keine medizinische Notwendigkeit gebe, wollten trotzdem immer noch 90% von ihnen eine Beschneidung durchführen lassen.
      In den USA wirst du überall in der Öffentlichkeit vor Gefahren usw. gewarnt. Es gibt fast keine Treppenstufe, wo kein Warnschild dran ist. Daran gewöhnen sich viele und denken sich nichts mehr dabei. Diese Eltern halten das wahrscheinlich für obligatorisches Ärzte-Blabla und ziehen die Sache durch.

      Auch im Rahmen der Beschneidungskampagne in Afrika wird angesichts der
      weit unter den Zielen liegenden Operationszahlen über die sozialen
      Aspekte dieses Umstands nachgedacht. Dabei spielen trotz der
      "Aufklärung" über die Reduktion von HIV Ängste über Operationsschmerzen
      und anschliessenden Sensibilitätsverlust die wesentliche Rolle.
      Die Rakai-Studien und die von Südafrika sind menschenverachtend. Sie wurden mit dem vorgegebenen Ziel durchgeführt, die Reduktion der Übertragung von HIV und anderen Krankheiten durch Beschneidung zu belegen. Die Teilnehmerzahlen waren zum einen schon viel zu gering. Bei der Rakai-Studie gab es dann gegen Ende plötzlich einen rapiden Abfall der Teilnehmerzahlen (Beginn HIV:2474/2522, Ende HIV:964/980). Beim gleichzeitigen Herpestest standen am Ende dagegen 1331/1340 Teilnehmer zur Verfügung. Schon eigenartig! Davon abgesehen wurden die Sexualpartner der Probanden überhaupt nicht getestet. Wie auch hätte man das machen sollen? Die Bevölkerungen haben zwischenzeitlich gemerkt, dass sie "benutzt" wurden. Die Studien sollten Ergebnisse liefern, die man weder in den USA noch in Europa bekommen hätte.
    • Pöser Pürger schrieb:

      werner schrieb:

      Diese Eltern halten das wahrscheinlich für obligatorisches Ärzte-Blabla und ziehen die Sache durch.
      Kann ich mir gut vorstellen, dass es so läuft. Die sozialen Aspekte sind jedoch durchaus kein Blabla und brauchen auch keine Warnschilder, weil sie verinnerlicht sind, z.B. der " Warnhinweis": "Männer können sich nicht sauberhalten - unbeschnittene Penisse sind deshalb immer schmutzig - dieser Schmutz überträgt Krankheiten in die selbstverständlich immer saubere Vagina - also muss man dem frühzeitig vorbeugen." Dieser Warnhinweis scheint reinigungstechnischen und medizinischen Erkenntnissen gegenüber ziemlich resistent zu sein.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • "...dieser Schmutz überträgt Krankheiten in die selbstverständlich immer saubere Vagina ..."
      Interessanter Gedanke! Vielleicht hat die Problematik auch auf dieser Ebene etwas mit den tradierten Rollenbildern zu tun: Die Frau als reines (unschuldiges) Wesen, das durch den Sex mit dem Mann beschmutzt wird. Da hilft dann nur noch eine unbefleckte Empfängnis- oder eine Beschneidung...
    • Ava schrieb:

      Da hilft dann nur noch eine unbefleckte Empfängnis- oder eine Beschneidung...
      Da bringst du mich direkt auf eine Idee. War Joseph etwa beschnitten? Naja, lassen wir das...
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Guy schrieb:

      Da bringst du mich direkt auf eine Idee. War Joseph etwa beschnitten? Naja, lassen wir das...

      Joseph war als Jude jedenfalls beschnitten...aber er durfte trotzdem nicht. Stattdessen musste der Chef selbst ran...beschnitten oder nicht.
      Jesus war ebenfalls beschnitten. Erst Paulus hatte die Idee, dass man das auch sein lassen könnte. Mohammed hatte da irgendwelche Probleme und meinte alle Männer müssten so aussehen wie er, außerdem integrierte er ja das alte Testament in seine Religion.

      Also hier kommen wir überhaupt nicht weiter.
    • Interessante Untersuchung, danke Werner.

      Dies scheint meine Einschätzung zu bestätigen, dass Unkenntnis auch bei uns schon lange nicht mehr das eigentliche Problem ist. Folglich dienen uns öffentliche Diskurse des Themas auch mehr als mediale "Erinnerungshilfe", weniger als Informationsvermittlung. Dies sollten wir uns bewusst werden und uns ggf mehr darauf ausrichten.
      Art. 2 GG:
      (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Geschuldet der deutschen Vergangenheitsbewältigung gilt dieses Grundrecht ausdrücklich nicht, wenn die Person a) ein Kind und b) männlich ist, c) die Eltern entweder jüdischen oder muslimischen Glaubens sind und d) das kindliche Genital das Ziel der Versehrtheit ist.
    • Josc schrieb:

      Dies scheint meine Einschätzung zu bestätigen, dass Unkenntnis auch bei uns schon lange nicht mehr das eigentliche Problem ist.
      In unseren Informationszeitalter glauben wir, dass Information gleichbedeutend mit Aufklärung ist. Das ist nicht falsch, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Man muss auch über gesellschaftliche Verhältnisse aufklären, vor allem über Machtverhältnisse. Google z.B. stellt uns eine Menge Informationen zur Verfügung, es steuert aber auch die Art und Weise, wie wir diese Informationen bekommen, und will letztlich damit Geld verdienen.

      Der Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung konnte/kann sich in die Frauenrechtsbewegung einklinken. Der Kampf gegen die Genitalverstümmelung von Kindern muss sich in eine Kinderrechtsbewegung einklinken, die weltweit (!) gesehen im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Kinder-Schuhen steckt (z.B. Bildung statt Arbeit). Frauen können sich (grundsätzlich, noch nicht immer und überall natürlich) wehren und eine Lobby bilden. Kinder nicht. Sie müssen über sich ergehen lassen, dass andere für sie definieren, was Kindeswohl ist. Pädagogik ist aber keine Wissenschaft, sondern immer von aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen geprägt. Diese müssen / sollten mitgedacht werden.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Vielleicht gibt es bei sachlicher Aufklärung eine effektive Dosis, die nicht überschritten werden sollte-

      Außerdem wäre auch interessant, wie die Warnungen genau aufgebaut sind in den USA.
      Bildliche Darstellungen seltener schwerer Komplikationen können so verstörend sein, dass die meisten gleich dicht machen. Auf der anderen Seite werden nackte Zahlen, abstrakte Risiken auch kaum jemanden bewegen.

      In psychologischen Tests hat man herausgefunden, dass Menschen eher bereit sind, einem Bedürftigen zu helfen als derer 8.
      Was uns mobilisiert, ist also das individuelle Schicksal. Das findet man auch bei anderen Themen bestätigt. Jährlich kommen tausende Wale durch Meeresverschmutzung, Hochseenetzen usw ums Leben, das zieht unbeachtet an den meisten vorbei. Aber lass mal eine dödelige Walmutter mit Kalb sich irgendwo unter dem Packeis verirren und das wird dokumentiert, dann kommen binnen kurzer Frist Unsummen zusammen.

      Ich stell mir vor, dass bei unserem Anliegen ein Plakat mit männlichem Phantombild neben 2, 3 sehr persönlichen Sätzen, warum er mit seinem Vorhautverlust unglücklich ist, einen Eindruck hinterlassen könnte.
    • susanna schrieb:

      Ich stell mir vor, dass bei unserem Anliegen ein Plakat mit männlichem Phantombild neben 2, 3 sehr persönlichen Sätzen, warum er mit seinem Vorhautverlust unglücklich ist, einen Eindruck hinterlassen könnte.
      Oder wie bei Zigaretten: auf jeder Packung mit einer Gomco-Klemme ist ein schreiender Säugling abgebildet. Darunter dann ein Warnhinweis. :whistling:

      P.S. "Dödelige Walmutter" möchte ich aber überhört haben. :rolleyes:
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Der Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung konnte/kann sich in die Frauenrechtsbewegung einklinken. Der Kampf gegen die Genitalverstümmelung von Kindern muss sich in eine Kinderrechtsbewegung einklinken, die weltweit (!) gesehen im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Kinder-Schuhen steckt (z.B. Bildung statt Arbeit). Frauen können sich (grundsätzlich, noch nicht immer und überall natürlich) wehren und eine Lobby bilden. Kinder nicht. Sie müssen über sich ergehen lassen, dass andere für sie definieren, was Kindeswohl ist. Pädagogik ist aber keine Wissenschaft, sondern immer von aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen geprägt. Diese müssen / sollten mitgedacht werden.
      Das halte ich für den entscheidenden Punkt. Wenn die reine Information und Aufklärung allein bereits Veränderungen in den Köpfen der Menschen hervorbringt, dann frage ich mich, warum in unserem Zivilisationskreis noch immer so viele Menschen an die Astrologie oder die heilende bzw. beschützende Wirkung von Kristallen und anderes mehr glauben. Zur Aufklärung muss eben auch die mühsame Arbeit der Interessenbündelung und -vertretung hinzu kommen. Danke werner.
      Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, unparteiisch zu sein aber nicht. (JWvG)
      Auch für die Religionsfreiheit gilt: "Freiheit ist immer nur die Freiheit des anders Denkenden." (R.Luxemburg)