6.2.2013 und der 10. Internationale Tag gegen Genitalverstümmelung

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    • 6.2.2013 und der 10. Internationale Tag gegen Genitalverstümmelung

      Am heutigen 10. Internationalen Tag gegen Genitalverstümmelung fällt mir ein gesellschaftlicher Wandel und eine gewisse Verwirrung in Deutschland auf.

      Zunächst einmal eine ganz bemerkenswerte Nachricht, die ich Pizarro verdanke: Die Menschenrechtlerin Tobe Levin sagte:
      "Ich bin selbst Jüdin und trotzdem gegen die genitale Verstümmelung von Jungen. Mit Kinderrechten ist auch das nicht vereinbar." (Am Ende des Artikels bei Domradio)
      Ein Thema, über das man nicht spricht | domradio.de

      Bei Domradio heißt der Tag wie in den neun Jahren davor.

      Terre des Femmes scheint den Tag nun jedoch umbenannt zu haben. Die Genitalverstümmelung findet sprachlich einen Zusatz. Der Tag heißt bei TdF jetzt "Internationaler Tag gegen die weibliche Genitalverstümmelung". Das ist sehr schade, wie ich finde, und dient nicht unserem gemeinsamen Kampf gegen jegliche Verstümmelung.
      TERRE DES FEMMES e.V. Menschenrechte für die Frau

      Einige Zeitungen und Nachrichtenagenturen halten dennoch an der alten Bezeichnung fest, oftmals jedoch, ohne die männliche Genitalverstümmelung bzw. die Jungenbeschneidung auch nur mit einem Wort zu erwähnen:
      Internationaler Tag gegen Genitalverstümmelung : Waris Dirie - ein Model kämpft gegen grausames Beschneiden - Nachrichten Newsticker - Leute - Stars - DIE WELT

      Tag gegen Genitalverstümmelung - Panorama - WDR.de

      [url=http://www.swp.de/hechingen/lokales/hechingen/Annette-Widmann-Mauz-fordert-noch-haertere-Bestrafungen-bei-Genitalverstuemmelung;art5612,1838728]http://www.swp.de/hechingen/lokales/hechingen/Annette-Widmann-Mauz-fordert-noch-haertere-Bestrafungen-bei-Genitalverstuemmelung;art5612,1838728[/url]

      Dann entstehen Sätze, die für meine Ohren schon sehr seltsam klingen:

      "Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, fordert anlässlich des Internationalen Tages gegen Genitalverstümmelung der UN-Menschenrechtskommission ein stärkeres Engagement im Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung.
      Nicht religiös begründet | domradio.de

      Und was ist mit des Erzbischofs Engagement im Kampf gegen die männliche Genitalverstümmelung? Selbst wenn er meinen sollte, dass es sich bei der sog. Beschneidung um keine Genitalverstümmelung handele ... Was ist mit all den Formen, wie sie bei manchen Stämmen z.B. in Afrika, Ozeanien und Australien geübt werden sollen und bei denen der männliche Penis noch viel ärger als bei der Zirkumzision zugerichtet und verstümmelt wird?

      Haben unsere Gruppen eigentlich was für heute gemacht? International wohl schon, aber in Deutschland?

      Wir könnten hier ja mal sammeln, was heute am 10. Internationalen Tag gegen Genitalverstümmelung in puncto Jungenbeschneidung versäumt und was erreicht wurde.
    • Zum Internationalen Tag gegen Genitalverstümmelung an Frauen und Mädchen erklären Claudia Roth, Bundesvorsitzende, und Astrid Rothe-Peinlich, Mitglied im Bundesvorstand und Frauenpolitische Sprecherin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

      "Weibliche Genitalverstümmelung verletzt sowohl zivile und soziale als auch politische und kulturelle Menschenrechte von Frauen, wie zum Beispiel das Recht auf physische Unversehrtheit, das Recht auf Leben und (reproduktive) Gesundheit, aber auch das Recht auf Selbstbestimmung."


      Mädchen und Frauen auch bei uns wirksam schützen
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Toller Text, den du gefunden hast, Werner.
      Claudia Roth und Astrid Rothe-Peinlich schreiben weiter:

      "Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Genitalverstümmelung als Fall schwerer Körperverletzung ins Strafgesetzbuch aufgenommen wird."

      Die beiden grünen Politikerinnen also plötzlich auf Seiten des Kölner Gerichts? Was für ein Umdenken! In so kurzer Zeit!

      "Um Genitalverstümmelung zu unterbinden, brauchen wir Aufklärungskampagnen und Beratungsangebote, aber auch spezielle Weiterbildungen für Ärztinnen und Ärzte, für Polizistinnen und Polizisten sowie für das pädagogische und juristische Personal."

      Geradezu hervorragend! Roth und Peinlich scheinen ihre Weiterbildungen schon genommen zu haben. Aber warum erwähnen sie dann nicht das andere politische Personal, dem Aufklärungskampagnen und Weiterbildungen auch gut täten.

      Oder verstehe ich das alles falsch, weil es im Deutschen ja bekanntlich DIE Verstümmelung ist. Wie lautet noch mal die männliche Form des Wortes? Oder handelt es sich um inklusive, gerechte Sprache?

      "Weibliche Genitalverstümmelung" ist entweder eine Tautologie oder aber ein sehr seltsamer Ausdruck. Denn wenn man/frau extra betonen muss, dass es sich hier NUR um die kriminelle weibliche Genitalverstümmelung handelt, dann muss es ja auch eine männliche Genitalverstümmelung geben. Nicht wahr? Oder haben Jungs und Männer am Ende für Roth und Peinlich überhaupt keine Genitalien? Oder wissen die beiden es bloß nicht? Aber dann bräuchten Roth und Peinlich ja doch eine Weiterbildung! Also, Ihr merkt, mich verwirrt dieser Text und dieser unsaubere Neusprech.
    • Benni schrieb:

      Also, Ihr merkt, mich verwirrt dieser Text und dieser unsaubere Neusprech.
      Das liegt aber nicht an Dir, sondern am Problem der Abgrenzung von weiblicher und männlicher Genitalverstümmelung. An dieser Abgrenzung kann man sich auch sprachlich nur verheddern.
      Eigentlich muss man es vermeiden, von weiblicher Genitalverstümmelung zu sprechen, weil dies unweigerlich zu der Frage führt, ob es nicht auch eine männliche gibt. Wenn man jedoch von körperlicher Unversehrheit sprechen möchte, muss man zwangsläufig das weibliche betonen, weil es sonst zu Missverständnissen kommen könnte.
      Wenn man in dem betreffenden Absatz das weibliche weglässt, wird man zwangsläufig an die aktuelle Beschneidungsdebatte erinnert ( was Frau Roth natürlich vermeiden möchte). Das würde dann lauten:

      "Genitalverstümmelung verletzt sowohl zivile und soziale als auch politische und kulturelle Menschenrechte, wie zum Beispiel das Recht auf physische Unversehrtheit, das Recht auf Leben und (reproduktive) Gesundheit, aber auch das Recht auf Selbstbestimmung. Genitalverstümmelung führt zu schwersten Traumatisierungen bei den Betroffenen. Ihre internationale Ächtung ist Grundlage für den Kampf gegen diese eklatante Menschenrechtsverletzung. Dieser Kampf muss aber auch Teil der Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern sein, in denen diese Körperverletzung besonders verbreitet ist.“
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • Und wenn man konsequent weiter denkt, käme in Anlehnung an Roth und Peinlich hypothetisch ungefähr der folgende Text zustande:

      "Nach wie vor werden weltweit hunderte Millionen, wenn nicht sogar mehr als eine Milliarde von Jungen und Männern an ihren Genitalien verstümmelt und leiden ein Leben lang an den Folgen dieser schweren Körperverletzung. ... Auch in Deutschland leben mindestens vier Millionen Jungen und Männer, die bereits von Genitalverstümmelung betroffen sind, und mehrere hundertausend Kinder, die als gefährdet gelten."

      Aber das wäre dann vielleicht doch zu furchtbar, um solchen Realitaten ins Auge zu schauen. Darum distanziere ich mich auch gleich wieder von diesem Text und Gedankenspiel.
    • Für Leute wie Claudia Roth ist die aufgezwungene Vorhautamputation an wehrlosen Jungen KEINE Genitalverstümmelung, sondern ein bewahrenswerter ungefährlicher Brauch mit vielen Vorteilen, ein Ausdruck kulturell-religiöser Vielfalt, und sie fühlt sich mit ihrer Zustimmung zur Rechtlosstellung aller Jungen in Deutschland dagegen ausserordentlich tolerant und kämpft äußerst aggressiv dafür.

      Also vielleicht war das ja auch nur Deine Ironie, aber bitte nicht den Eindruck erwecken, hier hätte auch nur ein mm Umdenken stattgefunden -
      was mich am gestrigen Tag sehr traurig machte ist die Tatsache, dass die Gräben tiefer denn je scheinen, der Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung von einigen weiter bewußt instrumentalisiert wird, um Genitalverstümmelung an Jungen zu bagatellsieren und zu negieren - wozu SONST diese permanente peinliche Abgrenzung???

      Mein Wunsch ist immer, gesellschaftliche Kräfte zu bündeln, aber momentan scheint auch die Frauenbewegung eher darum besorgt, ihren lange erkämpften Status zu halten und sich keine "Opferkonkurrenz" heranzuziehen bzw. fürchtet vermutlich zu recht schlicht, den Geldhahn abgedreht zu bekommen, wenn sie sich der MGM weiter öffnet - auch und gerade an einem solchen Tag wie gestern wäre doch die Chance gewesen, die Öffentlichkeit dafür zu nutzen!

      Am 7.5. haben WIR die Chance, das besser zu machen - natürlich mit leider viel weniger Öffentlichkeit, aber bis dahin kann ja noch was passieren.
    • Genau Pizarro73, es gibt in den Hirnen dieser Damen keine männliche Genitalverstümmelung, aber man will partout jeden gedanklichen Brückenschlag vermeiden, zur männlichen Beschneidung, daher der "tautologische Pleonasmus".
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Guy schrieb:

      Genau Pizarro73, es gibt in den Hirnen dieser Damen keine männliche Genitalverstümmelung, aber man will partout jeden gedanklichen Brückenschlag vermeiden, zur männlichen Beschneidung, daher der "tautologische Pleonasmus".
      Man will den Brückenschlag vermeiden, und weist damit gleichzeitig darauf hin ( dass es auch eine männliche "Version" gibt). Für die eine gilt körperliche Unversehrtheit, für die andere nicht. Für die eine gilt Selbstbestimmung, für die andere nicht. Die Vorhaut ist ein Lappen, die Vagina ist ein Heiligtum. Säuglingsbeschneidung ist (zumindest tatbestandsmässig) eine Körperverletzung, die zur Vielfalt beiträgt. Ach ja. Bei der weiblichen Genitalverstümmelung gibt es bekanntlich noch mehr " Vielfalt". [/Sarkasmus off]

      Ich werde trotzdem (wieder) die Grünen wählen. Das hat aber weniger mit den Grünen zu tun, sondern mit den Verhältnissen in meinem Wahlkreis, und mit dem Wunsch nach einem Regierungswechsel.
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.