Claudia Wiesemann - Süddeutsche Zeitung - Außenansicht

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      Ethik und Geschichte der Medizin : Claudia Wiesemann - Süddeutsche Zeitung - Außenansicht Montag, 1. Oktober 2012, Nr. 227, S. 2: Hört auf die Kinder!

      Über religiös motivierte Beschneidung wird diskutiert, als gehe es nur um Erwachsene. Dabei sollte die Würde der Betroffenen im Mittelpunkt stehen.
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)
    • Der Ausruf: Hört auf die Kinder! greift für so einen Eingriff viel zu kurz. Kinder haben nicht den Weitblick und die Perspektive, die Folgen einer VA auch nur annähernd erfassen zu können, sie sind keine kleinen Erwachsene. So gut wie jeder Junge wird die Beschneidung wählen, weil Abhängigkeit und das Bedürfniss nach Zugehörigkeit übermächtig sind, zumal, wenn er von den Eltern und Verwandten immerzu hört, dass er da unten sonst stinkt, Papa auch so aussieht, er erst dann ein richtiger Mann werden kann.

      Aus den gleichen Gründen wünschen auch die meisten afrikanische Mädchen die FGM, die Rebellion richtet sich nur gegen das unmittelbare Schmerzerlebnis. Ich habe einmal einen Bericht über einen Afar-Vater gelesen, der sich geweigert hatte, seine Tochter beschneiden (infibulieren) zu lassen, nachdem seine Frau qualvoll bei einer Geburt gestorben war. Die 11-jährige Tochter war stinksauer und lag ihm mit ihrem Wunsch nach dem Ritual ständig in den Ohren, damit sie endlich rein und wie ihre Freundinnen eine richtige Frau werden könne.