Genitalverstümmelung in der deutschen Rechtsprechung - 2002

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    • Genitalverstümmelung in der deutschen Rechtsprechung - 2002

      Im Jahre 2002, als juristisch noch niemand religiös begründete Beschneidung von Jungen im Blick hatte, formulierte die Richterin am Verwaltungsgericht Berlin, Ulrike Bumke, in einem Aufsatz für die NVwZ:

      "Zu dem Merkmal ,,Geschlecht" gehört das Merkmal der selbstbestimmten sexuellen Identität mit dem Recht - im Fall der Genitalverstümmlung - über vollständig erhaltene, intakte äußere Genitalorgane zu verfügen. Dieses Merkmal ist normativ unverfügbar, denn unter der Geltung der Menschenrechte lässt sich Genitalverstümmlung - objektiv - nicht rechtfertigen. Insofern ist der Fall vergleichbar mit Übergriffen, die anknüpfen an die auf der selbstbestimmten sexuellen Identität gründenden Eigenschaft,,Homosexualität". Auch hier wird akzeptiert, dass Sexualität integraler normativer Bestandteil der Persönlichkeit ist und nicht veränderbar ist...In diese Richtung scheint auch die Begründung des VG Magdeburg zu zielen - von der die erste veröffentlichte Entscheidung zur Problematik " Genitalverstümmelung stammt - , wenn es die Frage des asylerheblichen Anknüpfungsmerkmals eher versteckt mit der Feststellung beantwortet:" Der von Zwangsbeschneidung Betroffene wird unter Missachtung seines religiösen und personalen Selbstbestimmungsrechts zum blossen Objekt erniedrigt."

      Recht - Netzwerk INTEGRA - Deutsches Netzwerk zur Überwindung weiblicher Genitalverstümmelung
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      "Zu dem Merkmal ,,Geschlecht" gehört das Merkmal der selbstbestimmten sexuellen Identität mit dem Recht - im Fall der Genitalverstümmlung - über vollständig erhaltene, intakte äußere Genitalorgane zu verfügen.

      Man achte hier auf den genauen Wortlaut: "im Fall der Genitalverstümmelung"!!! Wenn man die nicht medizinisch indizierte Beschneidung von männlichen Minderjährigen nicht als Genitalverstümmelung wertet, sind "vollständig erhaltene, intakte äußere Genitalorgane" nicht Merkmal einer "selbstbestimmte[n] sexuellen Identität"!

      Es ist also eine Frage der Definition, was genau unter Genitalverstümmelung zu verstehen ist. Genau deshalb verweisen die Befürworter der nicht medizinisch indizierten Jungenbeschneidung ja auch immer darauf, dass die weibliche Beschneidung eine Genitalverstümmelung sei und die männliche Beschneidung 'nur' eine Körperverletzung. Man muss sich die Sachen eben einfach nur zurechtreden!

      Gruss
      Tobias
    • Dürfen Gerichte den § 1631d BGB mißachten

      Der § 1631d BGB hebelt ja bewusst das Grundrecht auf Unversehrtheit für Kinder und Jugendliche aus, indem er im Strafrecht eine zulässige Einwilligung durch die Eltern unterstellt.

      Die Frage ist nun aber, ob ein Richter überhaupt an ein Gesetz gebunden sein kann, dass entgegen der Rechtsprechung ergangen ist und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen das Grundgesetz verstößt. Müsste hier nicht im Zweifel sogar ein Gericht einen Strafantrag wegen einer Beschneidung annehmen können, um hier dann durch das BVG klären zu lassen, ob der § 1631d BGB gegen das Grundgesetz verstößt und damit aufzuheben ist?

      Da 70% der Bürger hier eine andere Meinung vertreten als die Regierung, müsste es doch genügend Richter gegeben, die nur auf eine entsprechende Anklage warten.
      Der Unterschied zwischen Dogmatikern und Aufklärern besteht bei der Beschneidungsdebatte darin, dass die einen kindliche Vorhäute und die anderen alte Zöpfe abschneiden wollen. (Quelle: NoCut)
    • NoCut schrieb:

      Die Frage ist nun aber, ob ein Richter überhaupt an ein Gesetz gebunden sein kann, dass entgegen der Rechtsprechung ergangen ist und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen das Grundgesetz verstößt. Müsste hier nicht im Zweifel sogar ein Gericht einen Strafantrag wegen einer Beschneidung annehmen können, um hier dann durch das BVG klären zu lassen, ob der § 1631d BGB gegen das Grundgesetz verstößt und damit aufzuheben ist?
      Ein solches Szenario ist denkbar und ist in der deutschen Verfassung im Artikel 100 Grundgesetz entsprechend geregelt. Dies setzt aber voraus, dass ein/e Staatsanwalt/wältin erst einmal von der Verfassungswidrigkeit des §1631d BGB ausgeht und dann auch noch vor Gericht geht. Die meisten Staatsanwälte werden wohl hier den Weg des geringsten Widerstands gehen und Strafanzeigen mit Verweis auf §1631d BGB ablehnen. Aber selbst wenn ein/e Staatsanwalt/-wältin vor Gericht geht, muss der Richter ebenso von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein, um das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Sind also zwei große Hürden zu überspringen und ob das tatsächlich passieren wird, ist wohl fraglich. Die männliche Beschneidung ist nunmal kein 'Gewinnerthema' und wer will seine weitere berufliche Karriere wegen solch ein Thema riskieren?

      Gruss
      Tobias
    • NoCut schrieb:

      Der § 1631d BGB hebelt ja bewusst das Grundrecht auf Unversehrtheit für Kinder und Jugendliche aus, indem er im Strafrecht eine zulässige Einwilligung durch die Eltern unterstellt.

      Die Frage ist nun aber, ob ein Richter überhaupt an ein Gesetz gebunden sein kann, dass entgegen der Rechtsprechung ergangen ist und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen das Grundgesetz verstößt. Müsste hier nicht im Zweifel sogar ein Gericht einen Strafantrag wegen einer Beschneidung annehmen können, um hier dann durch das BVG klären zu lassen, ob der § 1631d BGB gegen das Grundgesetz verstößt und damit aufzuheben ist?

      Da 70% der Bürger hier eine andere Meinung vertreten als die Regierung, müsste es doch genügend Richter gegeben, die nur auf eine entsprechende Anklage warten.
      Das denke ich auch. Dieses neue Gesetz ist überhaupt nicht gültig, weil es "stärkeren" Gesetzen widerspricht.