Gesundheitliche Gefährdung in den Stellungnahmen der Gutachter

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    • Gesundheitliche Gefährdung in den Stellungnahmen der Gutachter

      Neben dem verfassungsrechtlichen Hickhack (Religionsfreiheit, elterliche Sorge, Wächteramt des Staates, Kindeswohl, körperliche Unversehrheit usw.) halte ich nach wie vor die Frage nach der gesundheitlichen (körperlichen und psychischen) Gefährdung durch die Beschneidung für entscheidend. Ich habe deshalb einmal die Aussagen der derzeitig vorliegenden Stellungnahmen (mit Ausnahme Dr. Hartmann) zusammengestellt. Die Bagatellisierung und Diffamierung der Gefährdung eint seit Beginn der Debatte alle Beschneidungsbefürworter.

      Dr. Heinig

      "Auf der Grundlage des verfügbaren „gesicherten“ Wissens stellt die Beschneidung aus grundgesetzlicher Sicht keine generelle Kindeswohlgefährdung im Sinne des Art. 6 II 2 GG (staatliches Wächteramt) dar."

      "Es springt ins Auge, dass die Fachdiskussion zu Risiken der Beschneidung ( im alternativen Gesetzentwurf) selektiv dargestellt wird. Die einer verfassungsrechtlichen Abwägung zugrundeliegenden Tatsachen werden unzureichend erhoben und berücksichtigt.Der (alternative) Entwurf ignoriert konsequent die „’Evidenz normaler Lebenswege’ von mehreren 100 Millionen beschnittener Männer“.

      Dr. Hakenberg

      "Veränderungen des sexuellen Erlebens nach Zirkumzision sind in Einzelfällen von Männern bekannt, die als Erwachsene zirkumzidiert wurden. Einige dieser Männer, aber bei weitem nicht die Mehrheit, beschreiben anschließend eine herabgesetzte Empfindsamkeit beim sexuellen Erleben, andere eine herabgesetzte Latenzzeit bis zum Orgasmus. Zuverlässige medizinische Daten zu den Auswirkungen einer Beschneidung im Kindesalter gibt es kaum, lediglich wenige Untersuchungen. Eine dänische Studie mit Befragung beschnittener und unbeschnittener Probanden und Ihrer Partnerinnen berichtet als einzige über eine geringfügige Zunahme sexueller Dysfunktionen bei Paaren mit beschnittenen Männern."

      Dr. Graf

      "Insgesamt wurde bei den 1531 Zirkumzisionen nur eine schwere Komplikation mit Nachblutung bei einem 4-jährigen Jungen beobachtet, der sich die Nähte und den Verband am Tag nach der Operation abriss."

      "In diesem Zeitraum haben wir bis zum heutigen Tage bei insgesamt 385 Beschneidungen bei Neugeborenen keine Infektionen beobachtet."

      "Bei den neugeborenen Beschnittenen im Jüdischen Krankenhaus wurden insgesamt im postoperativen Fenster von 0 – 30 Tagen 11 Nachblutungen beobachtet. Ein Teil musste operativ mit Naht versehen werden. Statistisch gesehen entspricht dies einem Nachblutungsrisiko von 0,78 %. Schwerwiegende Verletzungen der Eichel oder des Penis wurden nicht beobachtet. Es gab auch keine weiteren großen Komplikationen oder postoperative Mortalität. Im Vergleich hierzu zeigten sich bei den älteren Jungen insgesamt deutlich weniger Nachblutungen, da hier unter Narkose eine komplette Nahttechnik zur Adaption des äußeren und inneren Blattes unter sorgfältiger Blutstillung verwendet wird. Es sind vier Fälle von Infektionen beschrieben und eine schwere Komplikation von Nachblutung bei einem vierjährigem Jungen, wie bereits berichtet."

      Dr. Walter

      "Für die Beurteilung der beiden Entwürfe spielt es eine zentrale Rolle, dass keine einheitliche oder zumindest erkennbar überwiegend geteilte medizinische Beurteilung der Beschneidung einschließlich ihrer physischen und psychischen Neben- und Folgewirkungen vorliegt (Überzeugend hierzu die Ausführungen von P. Dabrock in der Plenarsitzung desEthikratsam 23. August 2012; verfügbar unter ethikrat.org/dateien/pdf/pIena…ng-23-08-2012-dabrock.pdf, S. 2 f.) Als gesichert kann man eigentlich nur festhalten, dass die Beschneidung die körperliche Substanz verändert und Nebenwirkungen nicht mit völliger Sicherheit ausgeschlossen werden können. Ausmaß und Bedeutung dieser Folgen sind aber umstritten. Insbesondere gibt es offenbar sehr unterschiedliche Einschätzungen in verschiedenen Ländern der Erde, die keineswegs allein mit unterschiedlichen hygienischen Bedingungen erklärt werden können. Ich bin auch nach wie vor der Auffassung, dass die Empfehlungen der WHO in diesem Kontext berücksichtigt werden dürfen, nicht im Sinne einer medizinischen Indika- tion, aber doch als Bewertung, wie schwer die potentiellen Komplikationen und psychischen Folgewirkungen zu beurteilen sind. Jedenfalls wäre es sehr merk-
      würdig, wenn die WHO körperliche Eingriffe empfehlen würde, die ein hohes Komplikationsrisiko oder regelmäßig schwere psychische Beeinträchtigungen mit sich bringen."

      Dr. Dabrock (nicht im Rechtsausschuss, aber Bezugspunkt von Dr. Walter)

      "Auch übergehe ich die in der Konsequenz abenteuerliche psychoanalytische Traumatisierungsthese, die darauf hinausläuft, dass jeder dritte Mann auf dieser Welt, weil beschnitten, traumatisiert sein müsste."

      "Wir haben viele Studien, wir haben allerlei Empfehlungen. Aber von außen beobachten wir einen Streit der Schulen, deren Publikationen offensichtlich von den entweder religiös oder säkular motivierten Ambitionen ihrer Verfasser geprägt sind. Die einen reden von schweren Traumata, die anderen von zahlreichen Nebenwirkungen (ohne zu diskutieren, ob diese auch bei lege artis durchgeführten Zirkumzisionen eintreten würden), die dritten von medizinischen Vorteilen und Public-Health-Empfehlungen, die aber bekanntlich für andere Weltgegenden gegeben wurden. Da kann man erbitterte methodologische Streitereien über Studiengrößen, Studiendesigns und Messgrößen beobachten und ist am Ende, „so klug, als wie zuvor.“ Das ist überaus misslich."

      "Mir geht in dieser Lage nicht der Gedanke aus dem Kopf: Selbst wenn man akzeptiert, dass die WHO- Empfehlungen für eine Zirkumzision nicht für hiesige Verhältnisse ausgesprochen sind, gilt nicht trotzdem, dass die WHO, egal wo, nie eine Maßnahme empfehlen dürfte, die verstümmelnd oder traumatisierend oder mit starken Nebenwirkungen behaftet oder von der Drohung eines erheblichen Funktionsverlustes begleitet wäre? "
      "Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt!" K.M.
    • werner schrieb:

      Dr. Graf

      "Insgesamt wurde bei den 1531 Zirkumzisionen nur eine schwere Komplikation mit Nachblutung bei einem 4-jährigen Jungen beobachtet, der sich die Nähte und den Verband am Tag nach der Operation abriss."
      Tja, selber schuld, der Kleine!
      • Die Vorhaut kann mit einer Rosenknospe verglichen werden. Wie eine Rosenknospe wird sie erst blühen, wenn die Zeit gekommen ist. Niemand öffnet eine Rosenknospe, um sie zum Blühen zu bringen (Dr. med. H. L. Tan).
      • Alle Wahrheit verläuft in drei Stadien: Im ersten wird sie verlacht. Im zweiten wird sie vehement bekämpft. Im dritten wird sie als selbstverständlich anerkannt (Arthur Schopenhauer).
      • Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt (Thomas Mann)